L 2 U 214/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 13 U 79/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 214/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 22.04.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um eine höhere Verletztenrente für die Folgen eines Arbeitsunfalls.

Der Kläger erlitt am 11.06.1985 einen Verkehrsunfall, bei dem er sich ein Schädelhirntrauma, eine Orbitafraktur, eine Kieferhöhlenfraktur, eine Siebbeinzellenfraktur, eine Patellatrümmerfraktur rechts und eine Hüftpfannenfraktur rechts zuzog.

Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs vom 27.07.1989 gewährte die Beklagte Verletztenrente nach einer MdE um 55 v.H. ab 05.05.1986 und um 50 v.H. ab 08.05.1987. Nachdem sie im Jahre 1994 versucht hatte, die Verletztenrente herabzusetzen, nahm sie den entsprechenden Bescheid in einem anschließenden Klageverfahren im Dezember 1996 zurück.

Am 15.05.1997 beantragte der Kläger die Gewährung einer höheren Verletztenrente, da sich die Unfallfolgen verschlimmert hätten. In einem von der Beklagten eingeholten Zusatzgutachten vom 05.11.1997 kam die Neurologin und Psychiaterin Dr.K. zu dem Ergebnis, es liege als Unfallfolge noch eine inkomplette, sensomotorische, distale Nervus-ulnaris-Schädigung links vor, die weiterhin und auf Dauer eine MdE um 10 v.H. bedinge. Der Chirurg Prof.Dr.B. kam in seinem Gutachten vom 11.11.1997 zu dem Ergebnis, in den Unfallfolgen sei eine wesentliche Änderung nicht eingetreten. Die MdE auf unfallchirurgischem Fachgebiet betrage 40 v.H., die auf neurologischem Gebiet 10 v.H., die Gesamt-MdE damit 50 v.H. Die Beinlängen rechts und links gab der Sachverständige mit jeweils 97 cm an. Hierzu gab es in vorhergehenden gutachterlichen Untersuchungen bei gleichen Messkriterien (vorderer oberer Darmbeinstachel bis Außenknöchelspitze) unterschiedliche Messergebnisse. In einer Untersuchung am 23.06.1986 wurden in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau 96 und 99 cm gemessen. Der Orthopäde Dr.L. vermerkte in seinen Untersuchungen am 26.03.1987 und 22.09.1988 lediglich, dass die Längen seitengleich seien. In einer Untersuchung vom 12.04.1989 kam der Orthopäde Dr.D. zu Beinlängen von 96 und 98 cm. Die berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau maß in einer Untersuchung vom 06.10.1992 beidseits 103 Zentimeter. In einer Untersuchung am 27.10.1992 maß dieselbe Klinik beidseits 101 Zentimeter. Am 28.04.1993 wurde dem Kläger ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt. Am 22.12.1993 maß die BG Unfallklinik Murnau beidseits 97 cm.

Mit Bescheid vom 02.12.1997 verweigerte die Beklagte die Zahlung von höherer Verletztenrente, da eine wesentliche Änderung in den Unfallfolgen nicht eingetreten sei. Den anschließenden Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.1998 als unbegründet zurück.

Im anschließenden Klageverfahren, in dem der Kläger die Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 60 v.H. beantragt hat, hat das Sozialgericht ein Gutachten von dem Orthopäden Dr.F. , München, vom 27.01.1999 eingeholt. Gefragt war nach einer wesentlichen Veränderung in den Unfallfolgen im Vergleich zu den für die bisherige Rentengewährung maßgeblichen Verhältnissen und einer daraus resultierenden MdE. Der Sachverständige stellt zusammenfassend fest, dass folgende Veränderungen eingetreten seien: Totalendoprothetischer Ersatz der rechten Hüfte mit deutlich verbesserter Beweglichkeit gegenüber dem Vorgutachten, Schwäche des vorderen und hinteren Kreuzbandes des rechten Kniegelenkes, die muskulär kompensiert werden könne, leicht zunehmende Beugekontraktur des rechten Kniegelenkes, stärkere Muskelminderung des rechten Beines, zunehmende Verdickung des rechten Kniegelenkes gegenüber dem linken bei neu hinzu gekommener ausgeprägter Ergussbildung im Gelenk. Nicht wesentlich zugenommen hätten die radiologisch sichtbaren Verschleißerscheinungen im rechten Kniegelenk. Wäge man den deutlichen Funktionsgewinn des rechten Hüftgelenkes nach Totalendoprothetischem Ersatz gegenüber der muskulär kompensierbaren Kreuzbandschwäche und Ergussbildung des rechten Kniegelenkes gegeneinander auf, so lasse sich eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlimmerung nicht begründet darstellen. Der Kläger sei allein wegen orthopädischerseits beurteilbarer Verletzungsfolgen mit einer MdE von 40 % so hoch eingestuft, als wenn der komplette Verlust des rechten Unterschenkels bestünde. Eine darüber hinausgehende MdE lasse sich aufgrund der erhobenen Befunde durch Unfallfolgen auf orthopädischem Gebiet zweifellos nicht begründen. Die vom Kläger geäußerten Beschwerden in der linken Hüfte ließen sich befundmäßig nicht objektivieren. Selbst wenn dort degenerative Veränderungen abliefen, könnten diese nicht auf Unfallfolgen bezogen werden, da sogenannte Überlastungsschäden an der unversehrten paarigen Extremität selbst nach Oberschenkelamputation nicht aufträten. Die vom Kläger geltend gemachten Rückenbeschwerden stellten keine Unfallfolge dar.

Mit Gerichtsbescheid vom 22.04.1999 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen, da keine wesentliche Veränderung in den Unfallfolgen eingetreten sei, die zu einer höheren MdE geführt hätte. Das Gericht stützt sich dabei auf das Gutachten des Dr.F ...

Mit dem Berufungsverfahren verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hatte der Senat ein Gutachten von dem Chirurgen Dr.S. vom 22.02.2001 mit Zusatzgutachten des Kiefer- und Mundchirurgen Dr.F. vom 09.11.2000 und des Neurologen und Psychiaters Dr.B. vom 21.02.2001 eingeholt.

Dr.F. kommt zu dem Ergebnis, die Mittelgesichtsfraktur sei folgenlos ausgeheilt. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden seien als starke Myarthropathie im Rahmen einer Arthropathia deformans beider Kiefergelenke zu bewerten. Dieses Krankheitsbild habe sich im Rahmen der gesamten Unfallfolgen schleichend entwickelt. Aufgrund der Beschwerdesymptomatik könne derzeit eine MdE um 10 v.H. angesetzt werden.

Dr.B. kommt zu dem Ergebnis, als Folgen des Unfalles bestünden sowohl ein Wurzelreizsyndrom im Bereich der Halswirbelsäule als auch die Beschwerden im Bereich der unteren Exremität. Der Grad der Erwerbsminderung der Unfallfolgen werde aus nervenärztlicher Sicht auf 20 % eingeschätzt.

Der Sachverständige Dr.S. führt aus, dass Dr.F. zum Teil Beschwerden des Klägers nicht wiedergegeben habe, zum Teil ausgeführt habe, der Kläger habe keine Beschwerden, während er derzeit ganz erhebliche angebe. Er stellt Bewegungseinschränkungen beim Kläger fest, die ganz erheblich von den von Dr.F. gemessenen abweichen, desgleichen von denen des Prof.Dr.B ... Die Beinlängen betrügen rechts 92 und links 95 cm. Außerhalb des kieferchirurgischen und neurologischen Fachgebiete stellt er als wesentliche Unfallfolgen fest: Halswirbelsäulenverstauchung mit nicht vollständig zurückgebildetem Wurzelsyndrom des 6. Halswirbels links sowie von der Halswirbelsäule ausgehende Hinterkopfschmerzen, verbliebene hochgradige Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule, die jedoch nicht ausschließlich auf den Unfall zurückzuführen seien, sondern zur Hälfte degenerativ; Beckentrümmerfraktur rechts mit weitgehender Zerstörung des Hüftgelenkes, was eine spätere Implantation des Kunstgelenkes erforderlich gemacht habe; hierdurch bedingte hochgradige Bewegungseinschränkung im rechten Hüftgelenk sowie Beinverkürzung von 3 cm; Kniescheibentrümmerbruch rechts mit in Folge aufgetretener hochgradiger Arthrose des rechten Kniegelenkes und der Notwendigkeit, demnächst ein künstliches "Hüftgelenk" einzubauen. Die derzeitige MdE sei mit 70 % einzustufen, als Beginn der Erhöhung wird der Tag der Untersuchung, nämlich der 21.02.2000, angenommen. Die Erhöhung basiere zum einen auf den objektiven verschlechterten Befunden, zum anderen auf den objektivierbaren Korrekturen der Vorbefunde.

Hiergegen hat die Beklagte eingewendet, die Annahme einer Halswirbelsäulenverstauchung mit nicht vollständig zurückgebildetem Wurzelreizsyndrom des 6. Halswirbelkörpers könne nicht überzeugen. Das zugrunde liegende neurologische Gutachten enthalte insoweit keinerlei Begründung. Als Folge des Unfalls von 1985 sei keine entsprechende Verletzung an der Halswirbelsäule festgestellt und auch in den darauf folgenden Jahren habe keinerlei Problem bestanden. Erstmals 1992 seien solche Beschwerden geltend gemacht, aber von der BG Unfallklinik Murnau als degenerativ bedingt eingeschätzt worden. Soweit bezweifelt werde, dass der Kläger gegenüber Dr.F. von weitgehender Beschwerdefreiheit gesprochen habe, werde auf einen Bericht des BRK- Rheumazentrums Abbach verwiesen, wo exakt die gleiche Aussage gemacht worden sei und auch die erhobenen Messwerte sich mehr oder weniger mit denen des Dr.F. deckten.

In dem Rheumazentrum ist der Kläger vom 11.09. bis 22.09.2000 stationär behandelt worden. Die vom Senat beigezogenen Unterlagen berichten von Anfang an von einer weitestgehenden Beschwerdefreiheit des Patienten bzgl. der Hüfttotalendoprothesenimplantation rechts. Die Messwerte im Aufnahmebefund entsprechen weitestgehend den von Dr.F. vorgefundenen, nicht denen des Dr.S ...

Der Senat hat weiter ein Gutachten von dem Chirurgen Prof.Dr. S. vom 05.11.2001 eingeholt. Die von ihm gemessenen Bewegungsmaße sind wiederum günstiger als die von Dr.S. gemessenen. Die Messung der Beinlänge sei wegen der sehr stark ausgeprägten Ausbildung des Bauchfettes nicht exakt möglich, im Liegen habe man den Eindruck, als sei das rechte Bein um 1 cm kürzer als links. Zusammenfassend führt der Sachverständige aus, aus den Aktenunterlagen gingen Verletzungen im Bereich der Halswirbelsäule oder Lendenwirbelsäule nicht hervor, die jetzigen Röntgenbilder zeigten keine traumatischen Veränderungen. Der Kläger berichte, dass er Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule erst ein Jahr nach dem Unfall bekommen habe, die bisherigen Gutachten beschrieben jedoch keine Veränderungen, welche auf eine Verletzung der Halswirbelsäule oder Lendenwirbelsäule hinwiesen. Er könne sich also nicht davon überzeugen, dass die Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule Folgen des Unfalls seien. Es bestehe kein zeitlicher und auch kein örtlicher Zusammenhang. Als Folgen des Unfalls auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet fänden sich noch eine einliegende Hüftgelenkstotalendoprothese rechts mit endgradiger Bewegungseinschränkung, eine Hüftnarbe rechts, Narbenbildung am rechten Knie mit Ergussbildung im Knie, erhebliche degenerative Veränderungen im rechten Knie, welche als posttraumatisch zu werten seien, eine mäßige Überwärmung im rechten Knie, eine muskulär kompensierbare mäßige Lockerung des hinteren Kreuzbandes im rechten Knie, eine endgradige Streck- und Beugebehinderung im rechten Knie, eine konzentrische diskrete Herabsetzung der Hüftgelenksbeweglichkeit rechts, eine Minderbelastbarkeit des rechten Beines, welches sich durch eine Muskelverschmächtigung im rechten Ober- und Unterschenkel objektivieren lasse, sowie Beinschmerzen und eine Behinderung der Gehfähigkeit, welche sich durch die klinischen und radiologischen Befunde weitgehend objektivieren ließen. Das Gangbild sei behindert, das Bein jedoch ohne orthopädische Stützmittel belastbar, wenngleich die Belastbarkeit und die Kraftentwicklung sichtbar und messbar reduziert seien. Der Zustand sei also nicht wesentlich schlechter zu bewerten, als wenn der Kläger eine Unterschenkelamputation rechts mit guten Stumpfverhältnissen und gut sitzender Prothese erlitten hätte.

Die Hüftprothese weise keine Lockerungszeichen auf, die Bewegungseinschränkungen im rechten Hüftgelenk sei nur gering, der Patient könne einen Einbeinstand rechts, wenn auch mit verminderter Sicherheit ausführen, so dass die MdE zum jetzigen Zeitpunkt auf 40 v.H. einzuschätzen sei. Bereits im Jahre 1997 sei die MdE auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet korrekt mit 40 v.H. eingeschätzt worden. Der Befund im Gutachten des Dr.F. entspreche weitgehend dem jetzigen, dessen Einschätzung der MdE auf 40 v.H. sei zuzustimmen. Dr.S. habe die MdE-Einschätzung mit 70 v.H. nicht mehr begründet, seine Ausführungen über den Unfallzusammenhang der Wirbelsäulenbeschwerden könnten nicht übernommen werden, da ein Unfallzusammenhang nicht näher begründet sei.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut abzuändern, den Bescheid des Beklagten vom 02.12.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Dauerrente nach einer MdE um mindestens 60 % bis einschließlich 20.02.2000 und in Höhe von 70 % ab 21.01.2000 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind die Akten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts Landshut in den vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn dem Kläger steht keine höhere Verletztenrente als die bisher gewährte zu.

Die Entscheidung über den Rechtsstreit richtet sich auch im Berufungsverfahren nach den Vorschriften der RVO, weil der Arbeitsunfall vor dem 01.01.1997 geschehen ist und nicht über die erstmalige Gewährung von Verletztenrente zu entscheiden ist (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII).

Der Anspruch des Klägers auf Gewährung von höherer Verletztenrente ist unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, nicht nur unter solchen, die vom Kläger bei der Antragstellung ausdrücklich geltend gemacht worden sind. In Betracht kommt insoweit nicht nur eine Überprüfung nach § 48 SGB X (Verschlimmerung der Unfallfolgen) sondern eine solche nach § 44 SGB X (zu Lasten des Klägers unrichtige MdE unabhängig von der Frage einer Verschlechterung).

Die nach § 581 Abs.1 RVO für die Bemessung der Verletztenrente maßgebliche Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nrn.22, 28). Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich wissenschaftlichem Gebiet. Ärztliche Meinungsäußerungen hierzu haben keine verbindliche Wirkung, sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Bei der Bewertung der MdE sind auch die von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätzen zu beachten, die zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind, aber Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden (vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nr.23 m.w.N.).

Bei der Ermittlung und Beurteilung des unfallbedingten Gesundheitszustandes bedürfen mit Ausnahme des Ursachenzusammenhanges alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises (Ricke, KassKomm § 8 SGB VII Rdnrn.257 ff.). Hierzu gehören u.a. die durch den Arbeitsunfall verursachten Funktionsdefizite, die maßgeblich für die Beurteilung der MdE sind. Lediglich für die Annahme der Ursächlichkeit genügt, dass sie hinreichend wahrscheinlich ist (BSGE 61, 127 m.w.N.).

Dass beim Kläger keine unfallbedingte MdE um mehr als 50 v.H. vorliegt, ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Gutachten des Prof.Dr.B. , der Dr.K. , des Dr.F. und des Prof.Dr.S ... Der Senat kann sich in seiner Entscheidung auch auf solche Gutachten stützen, die im Verwaltungsverfahren eingeholt worden sind (vgl. BSG SozR Nr.66 zu § 128 SGG). Trotz der eingeschränkten Fragestellung nach einer Verschlimmerung in den Unfallfolgen sind die Gutachten des Prof.Dr.B. , der Dr.K. und des Dr.F. für den vorliegenden Rechtsstreit verwertbar, denn diese Sachverständigen bewerten die MdE jeweils nach den von ihnen vorgefundenen Untersuchungsergebnissen.

Dem Gutachten des Dr.S. ist nicht zu folgen. Auf die von ihm vorgefundenen Bewegungseinschränkungen kann eine Entscheidung nicht gestützt werden, denn die entsprechenden Verhältnisse haben sich bei den Sachverständigen Prof.Dr.B. , Dr.F. und Prof.Dr.S. als weitaus günstiger erwiesen. Dass die Feststellungen des Dr.S. nicht als hinreichend beweiskräftig angesehen werden können, ergibt sich insbesondere neben den vorgenannten gutachterlichen Erhebungen aus den Untersuchungsbefunden des Rheuma-Zentrums B. im September 2000, wo sich der Kläger zur Behandlung und nicht zur gutachterlichen Befunderhebung aufgehalten hat. Sowohl die dort gegebenen Beschwerdeschilderungen als auch die erhobenen Befunde stimmen weitestgehend mit denen des Sachverständigen Dr.F. überein, so dass die Kritik des Sachverständigen Dr.S. an dessen Gutachten nicht als fundiert angesehen werden kann. Ihr fehlt auch angesichts der früher erhobenen Befunde die notwendige kritische Distanz zur Beschwerdedarstellung des Klägers und den weitgehend von dessen Mitarbeit abhängigen Messergebnissen bezüglich der Bewegungseinschränkungen.

Dass der Kläger Unfallfolgen an der Halswirbelsäule aufzuweisen habe, konnte zur Überzeugung des Senats nicht begründet werden, wie sich aus dem Gutachten des Prof.Dr.S. ergibt. Hier fehlt es bereits an einer dokumentieren Primärverletzung bzw. nachvollziehbaren Anknüpfungen zwischen dem Unfall und den später geltend gemachten Schäden an der Halswirbelsäule. Bezüglich einer beim Kläger bestehenden Beinlängendifferenz kann angesichts der seit 1985 ermittelten Messergebnisse zur Überzeugung des Senats zu nahezu keinem Zeitpunkt von als bewiesen anzusehenden Verhältnissen ausgegangen werden. Selbst wenn zugunsten des Klägers die von Dr.S. konstatierte Beinlängendifferenz als gegeben angesehen werden müsste, fehlt dessen Gutachten jede Begründung eines Kausalzusammenhanges mit dem Unfall.

Dem Zusatzgutachten des Neurologen und Psychiaters Dr.B. kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Wie bereits ausgeführt, ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass eine Halswirbelsäulenschädigung als Unfallfolge nicht hinreichend begründet werden kann. Darüber hinaus kann die Bildung einer MdE durch Dr.B. deshalb nicht berücksichtigt werden, weil die Auswirkungen des Unfalls an der unteren Extremität bereits in der MdE für das chirurgisch-orthopädische Fachgebiet enthalten sind und dem Zusatzgutachten nicht zu entnehmen ist, welche eigenständige MdE auf neurologischem Fachgebiet zu begründen wäre.

Da grundsätzlich die Gesamt-MdE nicht durch Addition von Einzel-MdE-Sätzen gebildet werden darf und die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Addition im vorliegenden Fall nicht ersichtlich sind (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin "Arbeitsunfall und Berufskrankheit" 6. Auflage Seite 156), ist bereits die von der Beklagten angesetzte MdE um 50 v.H. als zu hoch eingeschätzt anzusehen. Ein Anspruch auf Verletztenrente nach einer noch höheren MdE steht dem Kläger erst recht nicht zu.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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