L 2 U 242/97

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 U 343/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 242/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Anspruch auf verbindliche Feststellung einer MdE besteht nur in Verbindung mit einer Rentengewährung. Die Höhe der MdE unter 20 v.H. hat keine selbständige Bedeutung für die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung
- auch nicht im Hinblick auf eine möglicherweise erst später wegen des Eintritts oder der Verschlimmerung der Folgen eines anderen Arbeitsunfalls zu
gewährenden Verletztenrente. Die Feststellung eines bestimmten unter 20 v.H. liegenden Grades der MdE in einem Verfügungssatz unabhängig von der
Rentengewährung wirkt sich vielmehr grundsätzlich zu Ungunsten des Verletzten
aus.
2. Das Sozialgericht muss ggf. selbst die Feststellung treffen, dass eine bestimmte Gesundheitsstörung des Klägers Folge einer Berufskrankheit ist.
3. Soweit die Verhältnisse bei einzelnen Arbeitgebern in der BRD nicht mehr
ermittelt werden konnten, kann das Vorkommen der für die Herbeiführung einer BK angeschuldigten Berufsstoffe nicht einfach zu Gunsten des Klägers unterstellt werden.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.07.1997 aufgehoben, soweit die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.05.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.1996 verurteilt wurde, die beim Kläger vorliegende Hauterkrankung ab 01.02.1992 als Berufskrankheit nach Nr.5101 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung mit einer MdE von 15 v.H. anzuerkennen. Auch insoweit wird die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Feststellung und Entschädigung von Hauterkrankungen des Klägers als Berufskrankheit.

Der Kläger war zunächst in seinem Heimatland Tunesien bis 1970 als Offsetdrucker tätig und dann ab 1971 bis 1992 in Deutschland. Abgesehen von anderen, kürzeren Zeiten, war er von November 1985 bis Mai 1987 arbeitsunfähig, in keinem Fall jedoch wegen einer Hauterkrankung. Bei einer Epicutantestung 1990 und in den nachfolgenden gutachterlichen Untersuchungen wurden Kontaktsensibilisierungen auf p-Phenylendamin, Benzocain, 1,3- Diphenylguanidin, 4,4-Diaminophenylmethan und in späteren gutachterlichen Untersuchungen auch gegenüber Quecksilber und Benzoylperoxid festgestellt. Auf eine ärztliche Anzeige über Berufskrankheiten durch den Hautarzt Dr ..., Ingolstadt, und eine Berufskrankheitenanzeige des letzten Arbeitgebers holte die Beklagte sowohl eine Auskunft des Arbeitgebers, der den Kläger seit 1988 beschäftigt hatte, als auch eine Stellungnahme ihrer Abteilung Arbeitssicherheit über die zuletzt ausgeübten Tätigkeiten und die dabei verwendeten Arbeitsstoffe und ein Gutachten von dem Dermatologen Prof.Dr ..., Dermatologische Klinik der Universität München vom 10.07.1992 ein. Dieser diagnostizierte ein Fingerkuppenekzem geringer Ausprägung und einen Zustand nach dyshidrosiformem Handekzem bei Kontaktsensibilisierung vom Spättyp gegen die obengenannten Stoffe, ferner ein Exsikkationsekzematid. Da der Kläger als Offsetdrucker an einem eher warmen Arbeitsplatz teilweise relativ schwere Arbeit verrichten habe müssen, und daher stärker geschwitzt habe, habe er nach eigenen Angaben das Bedürfnis verspürt, sich häufiger und ausgiebiger zu duschen. Abgesehen davon müßten die Hände aufgrund der Besonderheiten des Arbeitsplatzes als Offsetdrucker ebenfalls häufiger gewaschen werden. Besondere Maßnahmen zur Prophylaxe einer Austrocknung der Haut, etwa regelmäßiges Eincremen der Hände und der übrigen Haut mit Pflegecremes seien vom Kläger nicht durchgeführt worden. Hierin könne eine wahrscheinliche Ursache des Exsikkationsekzematids der Haut an Stamm und Extremitäten gesehen werden. Allerdings müsse bei diesen anamnestischen Angaben im Zusammenhang mit den teilweise feuchten Arbeiten, die im Offsetdruckbereich anfielen, auch bei den beschriebenen Hautveränderungen an den Händen, die derzeit nur gering ausgeprägt seien, an das Vorliegen eines kumulativ toxischen chronischen Handekzems gedacht werden. Hierbei komme es durch chronische Irritationswirkungen zu einer Kumulation der toxischen Schädigung, die häufig erst lange nach Beginn der schädigenden Einflüsse sichtbar werde. Diese chronischen irritativ bedingten Schädigungen der Haut führten ihrerseits zu einer Störung der Hautbarrierefunktion, so daß das kumulativtoxische chronische Handekzem als Wegbereiter für den Erwerb von Kontaktsensibilisierungen vom Ekzemtyp angesehen werden müsse, wenn zusätzlich Umgang mit allergenen Substanzen bestehe. Das Auftreten von juckenden Bläschen in den Fingerzwischenräumen in den letzten fünf Jahren könne als Hinweis darauf gewertet werden, daß sich in diesem Zeitraum zu dem möglicherweise vorbestehenden, kumulativ toxischen, chronischen Handekzem eine allergische Kontaktsensibilisierung dazugesellt habe, so daß es nunmehr, im Sinne eines Zweiphasenekzems, zu einem allergischen Kontaktekzem der Hände gekommen sei. P-Phenylendiamin sei eine Substanz, die im weitesten Sinne zur Gruppe der Farbstoffe gezählt werden und u.a. bei der Herstellung von Farbstoffen, in fotographischen Entwicklern, in bestimmten Fotokopiersystemen sowie in Druckfarben vorkommen. Es sei daher als berufsspezifische Substanz einzuordnden. Es komme auch in gefärbten (grünen, schwarzen) Schutzhandschuhen vor. 4,4-Diaminodiphenylmethan komme u.a. auch bei der Produktion von Farben vor und könne daher der Arbeit als Offsetdrucker zwanglos zugeordnet werden. Benzocain zähle zur Gruppe der sogenannten Parastoffe. Die nachgewiesene Kontaktsensibilisierung könne daher als Gruppenallergie gegen Parastoffe, zu denen auch p-Phenylendiamin zähle, gewertet werden. Insgesamt sei die Kontaktsensibilisierung gegen Parastoffe als beruflich bedingt anzusehen. Quecksilber werde auch in manchen Farben verwendet, so daß auch hier möglicherweise ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit gesehen werden müsse. Die mögliche mitwirkende Rolle einer atopischen Diathese für die Auslösung der beschriebenen Hauterkrankung falle im Rahmen der Begutachtung nicht ins Gewicht. Die MdE durch die mit Wahrscheinlichkeit beruflich erworbene Kontaktsensibilisierung sei mit 15 v.H. anzusetzen. Eine Meidung dieser Kontaktallergene sei zur Verhinderung des Auftretens von Hautveränderungen erforderlich; unter diesen Voraussetzungen erscheine die weitere Berufsausübung derzeit möglich.

Neben Auskünften der AOK München über die Vorerkrankungen des Klägers, der behandelnden Ärzte über die Befunde seit 1982, einer Auskunft des Klägers über sämtliche in seinem Berufsleben verwendeten Berufsstoffe und Beiziehung der Sicherheitsdatenblätter über die bis dahin bekannten verwendeten Berufsstoffe holte die Beklagte eine gutachterliche Stellungnahme der Hautärztin Dr ..., Dettingen, vom 21.12.1993 ein. Diese hielt eine Kontaktsensibilisierung für nicht wahrscheinlich, hielt es weiterhin für nicht geklärt, ob die getesteten Allergene tatsächlich in den verwendeten Druckfarben vorkamen und sah keinen Zwang zur Berufsaufgabe durch den Kläger.

Mit Schreiben vom 01.11.1993 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß eine Berufskrankheit nicht vorliege und auch nicht entschädigt werde. Auf Wunsch erhalte der Kläger darüber einen Bescheid. Auf seinen Widerspruch zog die Beklagte die für den letzten Arbeitgeber relevanten Sicherheitsdatenblätter bei und holte eine Auskunft des Farbenherstellers Huber, München, einen Bericht des Dr ... über die gesamten früheren Behandlungen und ein Gutachten des Prof.Dr ..., Dermatologische Klinik der Universität München vom 20.09.1994 ein. Dieser fand beim Kläger keine aktuellen Hautkrankheitserscheinungen und vermerkte, daß die bisher zur Verfügung gestellten Sicherheitsdatenblätter keinen positiven Nachweis der verdächtigen Kontaktallergene ergeben hätten. Bei den Bestandteilen seien jedoch mehrfach aufgeführt Pigmente, Naturharze und synthetische Harze, Ruß und Farbstoffe, sowie Netzmittel und organische Lösemittel, welche nicht näher chemisch charakterisiert seien. Weiterhin sei die Vollständigkeit der vorliegenden Datenblätter nicht gesichert. Nur ein positiver Nachweis der Kontaktallergene sei relevant. Die Kontaktallergene hätten mit Wahrscheinlichkeit zum Auftreten von ekzematösen Hautveränderungen geführt. Weiterhin bestehe ein Zustand nach kumulativ toxischem Handekzem. Die MdE sei auf 20 v.H. festzusetzen. Es handele sich um eine schwere Hauterkrankung, weil eine einmal erworbene Kontaktsensibilisierung im allgemeinen lebenslänglich bestehe. Die Hauterkrankung zwinge zur Unterlassung aller Tätigkeiten, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich gewesen seien.

In einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme vom 07.12.1994 wies Dr ... wiederum darauf hin, daß das Vorkommen der Allegene nicht geklärt sei.

Die Farbenhersteller BASF, Fudji-Film und Hoechst teilten der Beklagten mit, daß die angegebenen Allergene nicht in ihren Produkten enthalten seien. Auch bei den letzten beiden Arbeitgebern des Klägers ergaben sich nach dem Bericht der Abteilung Arbeitssicherheit vom 21.02.1995 keine Hinweise auf das Vorkommen der Allergene. In einer weiteren Stellungnahme vom 15.03. 1995 bestritt Dr ..., daß die angegebenen Allergene berufsspezifisch seien. Sie hielt die Entstehung eines zeitweisen kumulativ toxischen Kontaktekzems für möglich durch Einwirkung hautirritierender bzw. toxisch wirkender lösemittelhaltiger Stoffe bei Reinigungsarbeiten.

Mit Bescheid vom 05.05.1995 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.5101 der Anlage 1 zur BKVO ab. Es handele sich um eine anlagebedingte Hauterkrankung, die vorübergehend durch unzureichende Schutzmaßnahmen ungünstig beeinflußt worden sei. Eine Allergie gegen nachgewiesene Berufsstoffe sei nicht feststellbar, außerdem sei die Hauterkrankung auch nicht wiederholt rückfällig oder schwer gewesen. Den anschließenden Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.1996 als unbegründet zurück.

Mit der anschließenden Klage hat der Kläger die Anerkennung seines Hautleidens als Berufskrankheit und die Entschädigung nach einer MdE um mindestens 20 v.H. begehrt.

Das Sozialgericht hat zur Beweiserhebung die Akte S 13 Ar 125/95 beigezogen und ein Gutachten des Dermatologen Dr ..., Pfaffenhofen vom 08.07.1996 und eine Stellungnahme vom 12.09. 1996 eingeholt.

Zusammenfassend stellt der Sachverständige fest, die Kontaktallergene seien gemäß dem derzeitigen gesicherten dermatologisch-allergologischen Kenntnisstand berufsspezifisch. Die früher beim Kläger bestandene Hauterkrankung sei mit Wahrscheinlichkeit beruflich verursacht. Im Hinblick auf den fehlenden Nachweis der Kontaktallergene durch die Berufsgenossenschaft sei festzustellen, daß zahlreiche Berufsstoffe chemisch nicht definiert seien und deshalb das Vorkommen der Allergene nicht ausgeschlossen werden könne, die Vollständigkeit nicht gewährleistet sei und der Zeitraum der Erfassung von Berufssubstanzen erst mit dem Jahre 1988 beginne, obwohl Hauterscheinungen seit nachweislich (die Jahreszahl ist ausgelassen) aufgetreten seien und jeweilige Zeitphasen der Sensibilisierung unberücksichtigt geblieben seien. Den Aussagen im Gutachten des Prof.Dr ... sei inhaltlich vollständig zuzustimmen. Gemäß den aktuellen Empfehlungen für die Einschätzung der MdE der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 18. Mai 1995 sei das Ausmaß der Hauterscheinungen mit "leicht" und die Auswirkung der Allergie mit "mittelgradig" zu beurteilen. Demnach ergebe sich eine MdE von 15 v.H. Der Beginn der Berufskrankheit sei mit Beginn der Berufsunfähigkeit ab dem 01.02.1992 festzulegen. Beigefügt waren Arbeitszeugnisse der Firma ... über die im einzelnen beschriebene Tätigkeit als Offsetdrucker von 1980 bis 1986 und der Firma ... und ... über die Tätigkeit als Offsetdrucker im Jahre 1974.

Die Beklagte hat dagegen u.a. eingewendet, drei der vorher positiv getesteten Allergene hätten nicht mehr positiv getestet werden können, der Kläger sei auch von November 1985 bis Mai 1987 aus anderen Gründen als der Hauterkrankung arbeitsunfähig gewesen.

In seiner Stellungnahme vom 12.09.1996 ist der Sachverständige Dr ... bei seiner Beurteilung geblieben und hat u.a. ausgeführt, die Feststellung der Kontaktsensibilisierung sei unter der notwendigen Einbeziehung der früheren Testungen geschehen.

Mit Urteil vom 22. Juli 1997 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, die beim Kläger vorliegende Hauterkrankung als Berufskrankheit mit einer MdE von 15. v.H. anzuerkennen und im übrigen die Klage abgewiesen. Es hat sich in der Begründung im wesentlichen auf die Gutachten der Prof.Dr ..., Prof. Dr ... und Dr ... gestützt. Zum Nachweis der festgestellten Allergene hat es u.a. ausgeführt, ihr Fehlen im beruflichen Leben sei erst ab 1988 bewiesen. Ansonsten sei der Kläger zahlreichen unbekannten Stoffen ausgesetzt gewesen, der Kontakt mit den betreffenden Allergenen sei deshalb nicht ausgeschlossen. Es sei nicht Sache des Klägers, einen Nachweis über alle Stoffe beizubringen, denen er beruflich ausgesetzt gewesen sei.

Mit ihrer Berufung macht die Beklagte geltend, der Kläger sei zwar schädigenden Einflüssen ausgesetzt gewesen, die geeignet gewesen seien, ein subtoxisch kumulatives Handekzem zu verursachen. Dieses sei jedoch nicht schwer gewesen. Die als Kontaktallergene angesehenen Stoffe seien im Berufsleben des Klägers nicht nachgewiesen. Die Sachverständigen hätten bzgl. der Berufsstoffe auf veraltete Dokumentationen zurückgegriffen, die zudem nicht zwischen den verschiedenen Arbeitsverfahren im Druckbereich differenzieren würden. Hierzu hat die Beklagte ein Gutachten des Prof.Dr ..., Dermatologische Klinik der Univiersität Erlangen-Nürnberg vom 15.12.1997 vorgelegt, wonach kein Zweifel an einem subtoxisch kumulativen Handekzem bei der Begutachtung Ende 1991 bestanden habe. Dieses habe jedoch nicht als schwer angesehen werden können.

Auf Anforderung des Senats hat der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten Ermittlungen bei den Betrieben, bei denen der Kläger in Deutschland tätig war, zu den dort verwendeten Berufsstoffen angestellt. Nicht mehr ermittelt werden konnten unmittelbar die Verhältnisse in der Firma ..., wo der Kläger von Oktober 1972 bis November 1973 beschäftigt war. Darüber wurde ein früher dort ebenfalls beschäftigter Kollege telefonisch befragt. Nicht mehr ermittelt werden konnten ferner die Verhältnisse bei der Fa ... und ..., wo der Kläger von Januar 1973 bis September 1974 und von November 1974 bis August 1976 tätig war, ferner die Verhältnisse bei der Firma ..., wo der Kläger von April 1977 bis Juni 1978 beschäftigt war. Als Ergebnis hält der Technische Aufsichtsdienst fest, Quecksilber oder Amalgam stellten keinen typischen Berufsstoff im Offsetdruck dar und seien in keinem der ermittelten Arbeitsstoffe oder der vom Kläger im Verwaltungsverfahren aufgeführten Berufsstoffe enthalten. Die Verwendung von quecksilberhaltigen Farbpigmenten in Offsetdruckfarben lasse sich nach Kenntnis des Technischen Aufsichtsdienstes für den Beschäftigungszeitraum des Klägers ausschließen. Auch bei Benzoylperoxid handele es sich nicht um einen im Offsetdruckbereich verwendeten Berufsstoff. Nach Kenntnis des Technischen Aufsichtsdienstes sei er in keinem der ermittelten bzw. vom Kläger aufgeführten Arbeitsstoffe enthalten. Bei Benzocain handele es sich um ein lokal wirksames Schmerzmittel, für welches verschiedene Anwendungen bekannt seien. Da Benzocain ebenfalls wie Paraphenylendiamin zu der Gruppe der Parastoffe gehöre, sei im Gutachten von Prof.Dr ... die Sensibilisierung als eine Gruppenallergie gegen Parastoffe gewertet worden. Daraus sei gefolgert worden, daß eine Kontaktsensibilisiserung gegen Parastoffe als beruflich bedingt anzusehen sei. Hierzu sei anzumerken, daß der umgekehrte Schluß einer Kontaktsensibilisierung gegen Benzocain von Prof ... angeregt und eine Gruppenallergie gegenüber Paraphenylendiamin genauso wahrscheinlich sei. Paraphenylendiamin und Diaminodiphenylmethan würden in der Akte als Bestandteil von Druckfarben diskutiert. Trotz wiederholter Anfragen des technischen Aufsichtsdienstes bei den Druckfarbenherstellern habe in keinem Fall Paraphenylendiamin als Bestandteil von Offsetdruckfarben nachgewiesen werden können. Die Nachfragen hätten auch keinen Nachweis von Diaminodiphenylmethan ergeben. In der Vergangenheit durchgeführte Ermittlungen durch Rezepturanfrage im Bereich des Offsetdrucks hätten keinen Hinweis auf Paraphenylendiamin in Arbeitsstoffen im Bereich des Offsetdrucks ergeben. Die Stellungnahme des technischen Aufsichtsdienstes enthält darüber hinaus Ausführungen über persönliche und technische Schutzeinrichtungen, die Arbeitsplatzverhältnisse, Ausführungen über den jeweiligen Zeitaufwand der Arbeiten des Klägers sowie dessen Angaben, daß die bisherigen Ermittlungen teilweise nicht den Tatsachen entsprächen und in der Vergangenheit andere Stoffe als die bei den verschiedenen Firmen ermittelten verwendet worden seien. Der Kläger ist gebeten worden, die nach seinen Angaben nicht korrekten Ermittlungen zu korrigieren.

Er hat hierzu ausgeführt, der im einzelnen ermittelte Zeitaufwand für seine Tätigkeiten sei unzutreffend dargestellt, zwei vom TAD genannte Waschmittel seien ihm nicht bekannt und er bestreite, daß er mit den Allergenen nicht in Kontakt gewesen sei. Er hat hierzu eine Liste von Arbeitsstoffen vorgelegt, die identisch ist mit seiner am 17.05.1993 bereits vorgelegten Liste. Hinzugefügt ist lediglich der Farblöser SolvinK, auf den der technische Aufsichtsdienst in seiner Stellungnahme aber konkret eingegangen war.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.07.1997 aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben wurde und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten und des Sozialgerichts München in den vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; ein Berufungsausschluß nach § 144 liegt nicht vor.

Die Berufung ist auch begründet, weil die Beklagte zu Unrecht verurteilt wurde, die Hauterkrankung des Klägers als Berufskrankheit mit einer MdE um 15 v.H. anzuerkennen.

Für die Entscheidung maßgebliches Recht sind auch im Berufungsverfahren die Vorschriften der RVO, weil die Entschädigung einer vor dem 01.01.1997 eingetretenen Berufskrankheit im Streit ist (§ 212 SGB VII).

Das Urteil des Sozialgerichts München war bzgl. der Anerkennung einer MdE schon deswegen aufzuheben, weil der Kläger einen dahingehenden Antrag nicht gestellt hat, § 123 SGG. Beantragt war vielmehr eine Entschädigung, für deren Bemessung die Höhe der MdE von Bedeutung gewesen wäre. Selbst bei einem entsprechenden Antrag des Klägers hätte die Beklagte nicht zur Anerkennung einer MdE verurteilt werden dürfen. Anspruch auf verbindliche Feststellung einer MdE besteht nur in Verbindung mit einer Rentengewährung. Die selbständige Feststellung eines bestimmten Grades der unfallbedingten MdE ist keine in der gesetzlichen Unfallversicherung vorgesehene Leistung. Der Grad der unfallbedingten MdE ist vielmehr rechtlich bedeutsam nur im Zusammenhang mit der Rentengewährung. Die Verletztenrente setzt eine bestimmte Mindesthöhe der MdE voraus (§ 581 Abs.1 Nr.2 und Abs.3 RVO) und bestimmt sich grundsätzlich nach dem Jahresarbeitsverdienst und dem Grad der MdE. Eine selbständige Bedeutung hat die Höhe der MdE für die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht. Dies gilt bei einer MdE unter 20 v.H. auch im Hinblick auf eine möglicherweise erst später wegen des Eintritts oder der Verschlimmerung der Folgen eines anderen Arbeitsunfalls nach § 580 Abs.2 RVO zu gewährenden Verletztenrente. Maßgebend ist insoweit der zur Zeit des Beginns der Verletztenrente noch bestehende und nicht ein früher festgestellter Grad der MdE. Auch könnte bei einer Verschlimmerung der Folgen des Arbeitsunfalls nicht zu Gunsten des Versicherten von einem bestimmten unter 20 v.H. festgestellten Grad der MdE ohne Nachprüfung seiner Richtigkeit ausgegangen werden, da die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen darf, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Die Feststellung eines bestimmten unter 20 v.H. liegenden Grades der MdE in einem Verfügungssatz unabhängig von der Rentengewährung wirkt sich vielmehr grundsätzlich zu Ungunsten des Verletzten aus (BSGE 55, S.32 ff.).

Auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung der Hauterkrankung des Klägers als Berufskrankheit kann keinen Bestand haben.

Abgesehen davon, daß das Sozialgericht nach § 55 Abs.1 Nr.3 SGG selbst die Feststellung hätte treffen müssen, daß eine bestimmte Gesundheitsstörung des Klägers, nämlich die von den betreffenden Sachverständigen näher bezeichnete, Folge einer Berufskrankheit ist, liegen die Voraussetzungen für eine solche Feststellung nicht vor.

Nach § 551 Abs.1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit, d.h. eine Krankheit, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die der Kläger bei seiner beruflichen Tätigkeit erlitten hat. Maßgebend ist seit 01.12.1997 die BKVO vom 31.10.1997 (Bundesgesetzblatt I S.2623). Über die allgemeine berufliche Gefährdung hinaus muß als wahrscheinlich nachgewiesen sein, daß die berufliche Tätigkeit wesentliche Ursache für die Gesundheitsstörungen war (BSG SozR 2200 § 551 Nr.1 und 18). Ist, wie im vorliegenden Fall in Nr.5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung die geltend gemachte Erkrankung in der Berufskrankheitenliste genannt, müssen auch deren weitere Voraussetzungen erfüllt sein, im vorliegenden Fall die Schwere oder wiederholte Rückfälligkeit der Hauterkrankung und der Zwang zur Unterlassung aller Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Bei der Beurteilung des Ursachenzusammenhanges bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises dergestalt, daß sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSGE 45, 285). Die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt nur insoweit, als es den ursächlichen Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden und zur schädigenden Einwirkung führenden Verrichtung und der schädigenden Einwirkung selbst sowie den Zusammenhang betrifft, der im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen der schädigenden Einwirkung und der maßgebenden Erkrankung bestehen muß (Krasney, Vierteljahresschrift für Sozialrecht 1993, 81, 114).

Sofern sich eine anspruchsbegründende Tatsache nicht beweisen läßt, trägt den Nachteil der mangelnden Beweisbarkeit derjenige, der seinen Anspruch auf die beweisbedürftigen Tatsachen oder Verhältnisse gründet. (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, Sechste Auflage, § 103, RdNr.19 ff. m.w.N.).

Beim Kläger stehen im vorliegenden Verfahren als Berufskrankheit ein Zustand nach kumulativ toxischem oder subtoxisch-kumulativem Handekzem und ein darauf aufbauender Zustand nach Handekzem bei Kontaktsensibilisierung gegenüber bestimmten Allergenen zur Debatte. Versicherungsschutz genießt der Kläger dabei nur, sofern die schädigenden Einwirkungen im Geltungsbereich des Gesetzes, also bei seiner Tätigkeit in Deutschland aufgetreten sind.

Bezüglich des kumulativ toxischen Handekzems enthält das Gutachten des Prof.Dr ... vom 10.07.1992 Ausführungen, die allenfalls die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen den beruflichen Einwirkungen und dem Handekzem begründen können, nicht jedoch die Wahrscheinlichkeit. Das Gutachten des Prof.Dr ... vom 20.09.1994 übernimmt lediglich die vorhergehenden Einschätzungen ohne eigene weitere Begründung. Ein wahrscheinlicher Ursachenzusammenhang wird auch von dem Sachverständigen Dr ... angenommen, ohne daß dem Gutachten eine nähere Begründung zu entnehmen ist. Schließlich übernimmt auch Prof.Dr ... diese Einschätzung. Selbst unter der Voraussetzung eines wahrscheinlichen Ursachenzusammenhangs zwischen der beruflichen Tätigkeit in Deutschland und dem kumulativ toxischen Handekzem könnte weder eine schwere oder wiederholrückfällige Hauterkrankung angenommen werden, noch wäre der Zwang zur Unterlassung aller schädigenden Tätigkeiten begründbar. Sämtliche Sachverständigen diskutieren das Problem der Schwere oder wiederholten Rückfälligkeit ausschließlich an Hand der festgestellten Kontaktsensibilisierungen. Entscheidend ist jedoch, daß ein wahrscheinlicher Ursachenzusammenhang von den Sachverständigen Prof.Dr ... darin gesehen wird, daß Maßnahmen zur Prophylaxe einer Austrocknung der Haut, etwa regelmäßiges Eincremen der Hände und der übrigen Haut mit Pflegecremes, nicht durchgeführt wurden. Mit einer ausreichenden Prophylaxe hätte demnach der Kläger alle bis dahin ausgeübten Tätigkeiten weiter verrichten können.

Ob die in der festgestellten Kontaktsensibilisierung bestehende Hauterkrankung schwer oder wiederholt rückfällig war und zur Aufgabe aller schädigenden Tätigkeiten gezwungen hat, kann im Ergebnis dahingestellt werden, denn es fehlt an dem notwendigen Nachweis des wahrscheinlichen Ursachenzusammenhanges zwischen den beruflichen Einwirkungen und der Kontaktsensibilisierung und dabei wiederum am Nachweis der schädigenden Einflüsse.

Wie oben bereits ausgeführt, bedürfen beim Nachweis des Ursachenzusammenhanges alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises dergestalt, daß sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen müssen. Zu diesen nachweisbedürftigen Tatsachen gehören auch die schädigenden Einwirkungen, im vorliegenden Fall durch die die Kontaktsensibilisierung auslösenden chemischen Stoffe. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, daß der Beweis über das Vorkommen der angeschuldigten Stoffe im Arbeitsleben des Versicherten auf das Wissen besonders Sachkundiger gestützt wird. Es ist jedoch nicht ausreichend, vom besonders häufigen Vorkommen bestimmter Berufsstoffe und darauf zurückzuführender Erkrankungen im Kollektiv eines bestimmten Berufes auf deren Vorkommen im Einzelfall zu schließen. Dies gilt insbesondere dann, wenn, wie im vorliegenden Fall beim Berufsbild des Druckers, unterschiedliche Arbeitsbereiche mit der Exposition gegenüber unterschiedlichen chemischen Stoffen bestehen. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, daß die Annahmen der betreffenden Sachverständigen bzgl. der angeschuldigten Berufsstoffe durch den Technischen Aufsichtsdienst der Beklagten sowohl bezüglich ihrer Verwendung im Kollektiv der Drucker als auch in dem vom Kläger ausgeübten Berufsbereich des Offsetdruckers begründet in Frage gestellt worden sind.

Die Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes haben ergeben, daß die von den Sachverständigen angeschuldigten Kontaktallergene teils überhaupt nicht im Bereich des Offsetdrucks auftreten, insgesamt aber in den Arbeitsbereichen des Klägers nicht nachgewiesen werden konnten. Dieser Nachweis wäre jedoch zur Begründung des Ursachenzusammenhanges erforderlich gewesen.

Weitergehende Ermittlungsmöglichkeiten sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Sämtlichen, vom Kläger angegebenen Berufsstoffen ist vom Technischen Aufsichtsdienst der Beklagten nachgegangen worden, einschließlich der mit Schreiben vom 13.04.1999 erneut genannten Stoffe. Darüber hinaus ist bei den früheren Arbeitgebern des Versicherten, soweit dies noch möglich war, ermittelt worden, welche einzelne Berufsstoffe dort Verwendung fanden. Die Sicherheitsdatenblätter, die Herstellerauskünfte und die eigene Fachkunde des Technischen Aufsichtsdienstes haben dabei keines der angegebenen Kontaktallergene im Arbeitsleben des Klägers in Deutschland ausfindig machen können.

Soweit die Verhältnisse bei einzelnen Arbeitgebern in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr ermittelt werden konnten, kann das Vorkommen der angeschuldigten Berufsstoffe nicht einfach zu Gunsten des Klägers unterstellt werden. Wie bereits ausgeführt, ist die entsprechende generelle Unterstellung durch die Sachverständigen im vorliegenden Fall hinreichend erschüttert. Im übrigen geht die Nichterweislichkeit dieser entscheidungserheblichen Tatsachen, wie bereits ausgeführt, nicht zu Lasten der Beklagten, sondern desjenigen, der als ihr Vorhandensein einen Anspruch ableitet, das ist im vorliegenden Fall der Kläger.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 3 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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