L 2 U 308/97

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 24 U 200/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 308/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 29.07.1997 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am ...1933 geborene Versicherte ... stürzte am 30.08.1993 von einem Gerüst aus 5 m Höhe ab.

Der Durchgangsarzt, der Chirurg Prof.Dr.H ..., diagnostizierte am gleichen Tag Schädelfraktur, subdurales Hämatom, Hirnkontusion, Rippenfrakturen.

Vom 30.08.1993 bis 14.10.1993 wurde der Versicherte auf der Intensivstation des Städt. Krankenhauses München Bogenhausen behandelt. Am 26. und 28.09.1993 erlitt er jeweils einen generalisierten cerebralen Krampfanfall. Vom 14.10. bis 02.12.1993 wurde die Behandlung in der Abteilung für physikalische Medizin und medizinische Rehabilitation fortgesetzt. Die behandelnden Ärzte führten aus, der Versicherte mache sehr gute Fortschritte, er sei in allen Bereichen des täglichen Lebens selbständig; in Konfrontation mit kognitiven Anforderungen gerate er aber schnell unter Leistungsdruck und zeige eine niedrige Frustrationstoleranz.

Im Schreiben vom 19.09.1993 teilte die Klägerin mit, der Versicherte sei 1990 ein Jahr lang in der Universitätsklinik wegen seines hohen Blutdrucks untersucht worden. Zum 31.05.1991 habe er seinen Betrieb wegen dieser Krankheit schließen müssen. Er habe danach ab und zu kleinere Arbeiten übernommen.

Am 08.02. und 14.03.1994 untersuchte der Nervenarzt Dr.B ... den Versicherten und führte aus, die bisher durchgeführte antihypertensive Behandlung solle fortgesetzt werden.

Vom 16.06. bis 06.07.1994 befand sich der Versicherte in stationärer Behandlung des Kreiskrankenhauses Fürstenfeldbruck wegen eines cerebralen Krampfanfalles vom 16.06.1994. Im Entlassungbericht wurde mitgeteilt, bei bekannter arterieller Hypertonie habe sich die Blutdruckeinstellung äußerst schwierig gestaltet. Erst durch Medikamenteneinnahme unter Aufsicht sei sie ausreichend gewesen, so dass Compliance-Probleme hauptsächlich verantwortlich für die stark schwankenden Blutdruckwerte sein dürften. Der Blutdruck bei Ankunft habe 260/120 mmHg betragen. Frau Dr.H ... stellte die Diagnose eines hirnorganischen Psychosyndroms und Epilepsie nach Schädelhirntrauma und Infarkt.

Vom 11.10.1994 bis 08.11.1994 befand sich der Versicherte im orthopädisch neurologischen Rehabilitationszentrum Klinik Bavaria. Im Entlassungsbericht wurden die Diagnosen gestellt: äußerst schweres geschlossenes Schädelhirntrauma mit Kontusionsblutungen und multiplen Kalotten- und Gesichtsfrakturen, symptomatische Epilepsie mit primär generalisierten Anfällen, letzter Anfall 6/94, arterieller Hypertonus, Ulnarisparesen beidseits linksbetont. Es habe eine deutliche Besserung der Gangsicherheit sowie der Kraft und Geschicklichheit der linken Hand erreicht werden können. Keine Veränderung hätte bezüglich der Verhaltensauffälligkeit mit Rigidität und Reizbarkeit erzielt werden können, obwohl es mit zunehmender Behandlungsdauer leichter geworden sei, sich mit dem Patienten über Therapiekonzepte, z.B. hinsichtlich der Blutdruckeinstellung zu einigen. Bezüglich der kognitiven Defizite hätten sich keine gravierenden Veränderungen erreichen lassen. Der Versicherte solle neben seinem Hobby Gartenarbeit auch Aufgaben im Haus übernehmen, evtl. auch kleinere Aufgaben im Bekanntenkreis. Außerdem wolle er im nächsten Winter wieder Skilanglaufen. Er sei im Alltag selbständig. Für Medikamenteneinnahme bedürfe es der regelmäßigen Kontrolle.

Am 17.05.1995 wurde der Versicherte mit der Diagnose einer hypertensiven, intracerebralen Massenblutung vom Klinikum Großhadern, Neurochirurgische Klinik, ins Kreiskrankenhaus Fürstenfeldbruck verlegt, wo er am 24.05.1995 verstarb.

Nach Obduktion am 26.05.1995 führte der Rechtsmediziner Prof.Dr.E ... im Gutachten vom 17.11.1995 aus, die Massenblutung habe ihren Ausgang von einem Hirnareal genommen, das in der Regel von den sogenannten hypertonischen Massenblutungen betroffen sei. Aus forensisch-medizinscher und neuropathologischer Sicht bestehe kein vernünftiger Zweifel an einer natürlichen Genese der Blutung. Berücksichtige man die zwar initial zögerliche, im weiteren Verlauf jedoch zufriedenstellende, insbesondere neurologische Rehabilitation des Versicherten nach dem Unfallereignis, so sei mit Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Folgen des Unfalls nicht zu einer Begrenzung der Lebenserwartung geführt hätten. Es bestehe kein Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Tod.

Mit Bescheid vom 05.12.1995 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung ab, weil der Tod nicht Folge des Unfalls sei.

Mit Widerspruch vom 16.12.1995 wandte die Klägerin ein, erst nach dem Unfall sei der Bluthochdruck medikamentös nicht mehr einstellbar gewesen.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Chirurgen Dr.P ... vom 19.01.1996 wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.1996 zurück. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und dem Tod des Versicherten sei nicht gegeben.

Mit der Klage vom 26.03.1996 hat die Klägerin eingewandt, es bestehe ein evidenter Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Tod des Versicherten. Er habe bis zu seinem Unfall psychisch und intellektuell ungeschädigt und ohne Arbeitsunfähigkeitszeiten gelebt und gearbeitet. Nach dem Unfall habe völlige Berufs- und Erwerbsunfähigkeit vorgelegen. Es treffe nicht zu, dass der Versicherte zufriedenstellend rehabilitiert gewesen sei. Die Klägerin hat ein Attest des Allgemeinarztes Dr.K ... vom 09.05.1996 übersandt, in dem ausgeführt wird, er habe den Versicherten seit 1983 behandelt. Seit 1981 habe eine medikamentös geführte Hypertonie bestanden. Wegen zunehmender Sehminderung des rechten Auges bei Fundus hypertonicus sei ab 1990 nur noch halbtägige Berufsausübung möglich gewesen, es hätten aber keine Ausfallzeiten bestanden, die Compliance sei gut gewesen. Nach der Krankenhausentlassung sei der Versicherte psychisch und physisch reduziert gewesen. Außer am 26. und 28.09. und 16.04.1994 sei es am 23.12.1994 nochmals zu einem epileptiformen Anfall gekommen. Die bis zum Unfallzeitpunkt nicht zu beanstandende Compliance bei der Therapie des Bluthochdruckleidens sei zu keinem Zeitpunkt nach dem Unfall wieder zu erreichen gewesen. Es sei zu einem Verfall aller körperlichen, geistigen und seelischen Leistungen gekommen.

Der zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Arzt für Neurologie Prof.Dr.B ... ist im Gutachten vom 01.08.1996 zum dem Ergebnis gekommen, auch während der stationären Behandlung sei die Blutdruckeinstellung schwierig gewesen, somit zu einer Zeit, in der sie nicht entscheidend vom Verhalten des Versicherten abgehangen hätte. Aus den Unterlagen gingen auch keine so schwerwiegenden Verhaltensstörungen hervor, dass nicht Angehörige für die regelmäßige medikamentöse Behandlung des Bluthochdrucks hätten sorgen können. Der von Dr.K ... beschriebene stetige Niedergang der Restvitalität lasse sich nicht als Unfallfolge erklären, weil unfallbedingte Krankheitszeichen sich nur unter bestimmten, bei dem Versicherten weder während seines Lebens noch durch die Leichenschau nachgewiesenen Umständen unfallbedingt verschlimmerten. Die Beobachtungen des Dr.K ... reichten neurologisch nicht aus, um die Hirnblutung als eine wahrscheinliche mittelbare Folge des Unfalls zu begründen.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 18.10.1996, 17.12.1996 und 22.01.1997 dagegen eingewandt, vor dem Unfall sei der Versicherte in guter körperlicher Verfassung gewesen, erst danach habe sich die Situation völlig geändert. Es werde beantragt, insbesondere Dr.K ... als Zeugen zu vernehmen, außerdem Prof.Dr.B ... zu fragen, ob er ausschließen könne, dass der Bluthochdruck ohne den Unfall so hätte behandelt werden können, dass der Versicherte zumindest noch ein Jahr gelebt hätte; ob ausgeschlossen werden könne, dass der Arbeitsunfall die im Zusammenhang mit der Hypertonie bestehenden Symptome verstärkt und damit wesentlich zum vorzeitigen Tod beigetragen habe; ob es nicht wahrscheinlich sei, dass der Versicherte ohne die gravierenden Folgen des Unfalls zumindest noch ein Jahr länger gelebt hätte.

Die Klägerin hat ein Schreiben des Röntgenologen Prof.Dr.K ... vom 11.07.1997 übersandt, in dem ausgeführt wird, ein Schädel- hirntrauma, wie es der Versicherte erlitten habe, könnte zu einem Hypertonus führen, der dann als Komplikation des Schädel- hirntraumas anzusehen sei. Da der Bluthochdruck vor dem Unfall gut eingestellt gewesen sei und nach dem Unfall nicht mehr habe vollständig normalisiert werden können, müsse daraus geschlossen werden, dass es sehr wahrscheinlich sei, dass die Hirnmassenblutung und somit der Tod Folge des schweren Schädelhirntraumas sei.

Mit Urteil vom 29.07.1997 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Arbeitsunfall könne nicht als wesentliche Ursache für den Tod des Versicherten gewertet werden. Prof.Dr.B ... sei wie Prof.Dr.E ... zu dem Ergebnis gekommen, dass zum Tod des Versicherten die lange bestehende Bluthochdruckerkrankung geführt habe. Ein Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall im Sinne einer wesentlich mitwirkenden Teilursache bestehe nicht. Auch Dr.K ... habe bestätigt, dass schon seit 1981 eine Bluthochdruckerkrankung vorgelegen habe, die schon zu erheblichen Schädigungen der Gefäße mit Sehminderung am rechten Auge geführt habe. Die These, dass trotz dieser auch durch die Obduktion nachgewiesenen schweren Vorerkrankung nicht diese, sondern der Arbeitsunfall zum Tod des Versicherten geführt habe, sei für das Gericht nicht nachvollziehbar. Den Beweisanträgen in den Schriftsätzen des Bevollmächtigten vom 18.10.1996 und 17.12. 1996 sei nicht zu folgen, da dies zur Aufklärung des Sachverhalts nicht erforderlich sei.

Mit der Berufung vom 20.10.1997 wendet die Klägerin ein, das Urteil beruhe auf einem unzureichend ermittelten Sachverhalt. Der Versicherte habe vor dem Unfall lediglich unter Bluthochdruck gelitten. Die Sehminderung sei durch einen Grauen Star vorgerufen worden, nicht durch den erhöhten Blutdruck. Dies hätten Prof.Dr.K ... und Dr.K ... festgestellt. Prof.Dr.B ... und Dr.K ... seien als sachverständige Zeugen zu hören.

Im Befundbericht vom 08.04.1998 erklärt der Augenarzt Dr.R ..., er habe den Versicherten vom 07.10.1981 bis 17.01.1994 behandelt. Die Diagnosen lauten Hyperopie, Astigmatismus, Zustand nach Venenastthrombose und Laserkoagulation, Zustand nach Glaskörperblutung.

Im Gutachten gemäß § 109 SGG vom 10.10.1998 erklärt Dr.R ..., er habe bei der Erstuntersuchung am 07. und 09.10.1981 eine Herabsetzung des Sehvermögens festgestellt, bedingt durch eine Venenastthrombose. Bei der letzten Untersuchung vor dem Unfall am 30.08.1991 hätten sich Gefäßveränderungen im Sinne eines Fundus hypertonikus II gezeigt. Die Diagnose von Prof.Dr.K ..., die Sehminderung sei auf einen grauen Star zurückzuführen, treffe nicht zu. Hauptursache der Visusminderung seien Netzhautveränderungen als Folge der Glaskörperblutung nach Venenastverschluss gewesen. Nach dem Unfall habe er den Versicherten am 17.01.1994 untersucht; der Befund sei im Wesentlichen unverändert gewesen. Im Klinikbericht vom 11.11.1981 sei ein Blutdruck von 250/130 dokumentiert, der eine sofortige Überweisung in die Poliklinik der Universität erforderlich gemacht habe. Im Bericht vom 16.02.1990 sei ein Blutdruck von 230/130 angeführt, der erneut eine Überweisung in die Poliklinik zur Folge gehabt habe. Der Versicherte habe angegeben, er nehme nur selten und unregelmäßig Anthypertensiva. Im Übrigen habe sich der Versicherte nach der Diagnose der Venenastthrombose 1981 erst acht Jahre später wieder bei Dr.R ... vorgestellt. Wichtigster Risikofaktor für das Auftreten einer Venenastthrombose sei der Hypertonus. Bei der Erstuntersuchung habe er Gefäßveränderungen im Sinne eines Fundus hypertonikus II + festgestellt. Im entsprechenden Klinikbrief seien die Gefäßveränderungen als Stadium II bis III klassifiziert. Die Gefäßklassifikation erfolge nach einem Schema, das nach zunehmendem Schweregrad Stadium I bis IV unterscheide. Im weiteren Verlauf habe sich an dem Gefäßstatus nichts geändert. Prof.Dr.O.E.L ... habe betont, dass die Retinaarteriosklerose ein feiner Indikator einer allgemeinen Arteriosklerose sei. Es zeige sich am häufigsten eine Übereinstimmung des Gefäßstatus an Auge und Hirn.

Auf Antrag der Klägerin hat der Senat gemäß § 109 SGG den Internisten und Arbeitsmediziner Dr.Ki ... zum ärztlichen Sachverständigen ernannt. Im Gutachten vom 15.05.1999 kommt Dr.Ki ... zusammenfassend zu dem Ergebnis, beim Versicherten habe seit 1981 eine schwere Bluthochdruckerkrankung bestanden, in deren Folge sich die Gefäßkrankheit entwickelt habe. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Unfall zum Tod des Versicherten geführt habe. Gegen eine ernstere Beteiligung des Gehirns mit Untergang von Gehirngewebe durch starke Prellung und Erschütterung spräche , dass es nicht zu relevanten neurologischen Ausfällen gekommen sei. Das Rehabilitationsergebnis sei angesichts des schweren Schädelhirntraumas sehr zufriedenstellend gewesen. Der Versicherte sei für den täglichen Einsatz im Leben voll verwendungsfähig gewesen, obgleich Arbeitsfähigkeit nicht mehr habe erreicht werden können.

Die Klägerin hat eine Stellungnahme von Prof.Dr.K ..., eingegangen am 20.09.1999 übersandt, der ausführt, es stimme nicht, dass nach dem Arbeitsunfall eine zufriedenstellende Rehabilitation erfolgt sei. Dr.K ... habe einen ständigen Niedergang der Restvitalität konstatiert. Es seien mehrere Krampfanfälle aufgetreten. Es treffe nicht zu, wenn Prof.Dr.B ... behaupte, dass der Tod des Versicherten eine natürliche Entwicklung der Hochdruckerkrankung gewesen sei. Es gebe zahlreiche Hinweise in der Literatur, dass durch ein schweres Schädelhirntrauma bei Vorliegen einer Hochdruckerkrankung der Ablauf dieser Erkrankung bis zum Tod erheblich beschleunigt werden könne. Dass die Obduktion keine direkten traumaverdächtigten Befunde zeige, spreche nicht dagegen. Eine Venenastthrombose sei nur in 50 % der Fälle auf einen Hypertonus zurückzuführen, in 50 % der Fälle sei die Ursache nicht zu eruieren.

Weiter ist ein Attest des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.Be ... vom 29.07.1999 vorgelegt worden, in dem ausgeführt wird, wegen eines am 16.06.1994 wiederholt aufgetretenen großen generalisierten cerebralen Krampfanfalles sei Einleitung einer antikonvulsiven Prophylaxe erfolgt.

Die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.H ... führt im Attest vom 24.09.1999 aus, nach der Untersuchung am 17.06.1994 habe sie eine Pflegschaft empfohlen, die ärztliche Behandlung, Aufenthaltsbestimmung und finanzielle Angelegenheiten übernehmen sollte.

Im Attest vom 24.08.1999 erklärt der Arzt für Allgemeinmedizin Dr.K ..., nach dem schweren Unfall sei der Versicherte völlig wesensverändert und dauergeschädigt gewesen. Alle Dinge des täglichen Lebens habe er nur noch unter wesentlicher Mithilfe der Ehefrau bewältigen können. Eine Compliance bei der Behandlung sei nicht herzustellen gewesen. Ein Zusammenhang zwischen den Unfallfolgen und allen weiteren eindrucksvollen Veränderungen bis hin zur Hirnblutung müsse mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich bejaht werden.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 20.10.2000 führt Dr.Ki ... aus, auf dem Boden eines jahrzehntelang bestehenden Bluthochdrucks sei es zu einer Gefäßruptur gekommen, die zum Tod geführt habe. Als erstes Zeichen der schweren Gefäßschäden hätten sich Veränderungen am Augenhintergrund entwickelt. Entscheidende Verbesserungen in der Einstellung des Bluthochdrucks ließen sich nicht nachweisen. Dies bedeute, dass der Versicherte bereits vor dem Eintritt des Schädelhirntraumas so krank gewesen sei, dass die Hochdruckerkrankung überhaupt nicht mehr verschlechterungsfähig gewesen sei. Er sei nach dem Unfall zufriedenstellend rehabilitiert gewesen und nicht dahinsiechend. Die Annahme, dass sein Leistungswille gebrochen gewesen und er deshalb eher verstorben sei, sei eine reine Spekulation.

Die Klägerin wendet dagegen ein, der Bluthochdruck sei vor dem Unfall medikamentös gut einstellbar gewesen. Dr.Ki ... verharmlose den Zustand des Versicherten nach dem Arbeitsunfall. Es seien Dr.K ..., Dr.H ..., Prof.Dr.B ... und Dr.Ki ... zu hören. Mit Schreiben vom 02.10.2001 ist der Antrag, Dr.K ... und Dr.H ... als Zeugen zu hören, abgelehnt worden, da die Anhörung nicht geboten sei. Auch die Ladung von Dr.Ki ... und Prof.Dr.B ... sei nicht erforderlich, da ihre Ausführungen nicht erläuterungsbedürftig seien.

Zur mündlichen Verhandlung vom 14.02.2001 ist Dr.K ... erschienen, der von der Klägerin als Zeuge angeboten worden ist. Er ist vorsorglich gebeten worden, den Sitzungssaal zu verlassen.

Die Klägerin stellt den Antrag, aus dem Schriftsatz vom 22.12.1997. Hilfsweise stellt sie den Antrag, Herrn Dr.K ... zu folgender Beweisfrage zu hören: Die beim Ehemann der Klägerin lediglich vorgenommenen Einzelblutdruckmessungen während des Verlaufs seiner Bluthochdruckerkrankung seien nach zwischenzeitlichen medizinischen Erkenntnissen nicht geeignet, Rückschlüsse auf den Verlauf und die Schwere einer Bluthochdruckerkrankung zu ziehen. Erforderlich sei eine Langzeitmessung, die jedoch nie vorgenommen wurde.

Die Beklagte stellt den Antrag, die Berufung zurückzuweisen.

Nach geheimer Beratung wird der Antrag auf Ablehnung von Dr.Ki ... als Sachverständiger durch Beschluss abgelehnt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt des beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Die Entscheidung des Rechtsstreits richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der geltend gemachte Versicherungsfall vor dem 01.0.1997 eingetreten ist und über ein daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII i.V.m. § 580 RVO).

Der Versicherte hat unstreitig am 30.08.1993 einen Arbeitsunfall (§ 548 RVO) erlitten. Sein Tod am 24.05.1995 ist aber nicht rechtlich wesentliche Folge des Unfalles. Nach den im allgemeinen Unfallversicherungsrecht geltenden Kausalitätsregeln ist das Unfallereignis nur dann eine Todesursache im Rechtssinne, wenn es neben anderen Ursachen die wesentliche Bedingung des Todes ist. Diese Voraussetzung war im Fall des Versicherten nicht gegeben.

Nach den überzeugenden Ausführungen der ärztlichen Sachverständigen war wesentliche Ursache des Todes des Versicherten die bei ihm seit langen Jahren bestehende Bluthochdruckerkrankung mit ihren Folgen. Schon am 12.10.1981 stellte der Augenarzt Dr.R ... ausgedehnte Gefäßveränderungen am Augenhintergrund im Sinne eines Fundus hypertonikus II + fest und erwähnte die Angabe des Versicherten, er nehme die ihm verordneten Antihypertensiva nur selten und unregelmäßig. Dass der Blutdruck nur unzureichend eingestellt war, ergibt sich auch daraus, dass die Ärzte der Augenklinik der Universität München am 06.11.1981 einen Bluthochdruck von 250/130 mmHg feststellten. Auch unter der Behandlung durch Dr.K ... ab 1983 war keine stetige Besserung festzustellen, denn am 16.02.1990 wurde in der Augenklinik ein Blutdruck von 230/130 mmHg gemessen. Diese Angabe spricht gegen die Argumentation von Dr.K ..., der Zustand des Versicherten habe sich stabilisiert. Zwar trifft es zu, dass in der Augenklinik am 06.11.1981 ein Fundus hypertonikus Grad II bis III und am 16.02.1990 Grad II diagnostiziert wurde. Hieraus lässt sich aber eine nachhaltige Besserung bzw. Stabilisierung nicht ableiten, insbesondere nicht im Hinblick auf den weit überhöhten Blutdruck. Dies wird auch durch die krankheitsbedingte Betriebsaufgabe zum 31.05.1991 bestätigt. Die Klägerin hat selbst im Schreiben vom 19.09.1993 darauf hingewiesen, dass der Versicherte ab 1990 ein Jahr lang wegen des Bluthochdrucks untersucht worden sei und danach nur noch ab und zu kleine Arbeiten verrichtet habe.

Wie Dr.R ... bereits am 12.10.1981 im Schreiben an den damaligen behandelnden Arzt ausführte, war die Medikamenteneinnahme schon vor dem Unfall nicht suffizient; sonst wären ja auch die dokumentierten überhöhten Blutdruckwerte nicht möglich gewesen. Die von Dr.K ... attestierte Compliance war also schon vor dem Unfall nicht in ausreichendem Maße gegeben.

Unter Berücksichtigung dieser Sachlage sind die Ausführungen des Prof.Dr.E ... im Gutachten vom 17.11.1995, das im Verwaltungsverfahren eingeholt wurde und im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, überzeugend. Prof.Dr.E ... hat nach der von ihm durchgeführten Obduktion darauf hingewiesen, dass die Massenblutung, an der der Versicherte verstorben ist, ihren Ausgang von einem Hirnareal genommen hat, das in der Regel von den sogenannten hypertonischen Massenblutungen betroffen ist. An allen untersuchten Abschnitten konnten weder an Gefäßen des arteriellen noch des venösen Schenkels wie auch immer geartete traumaverdächtige Befunde erhoben werden. Daher besteht, so betont Prof.Dr.E ..., aus forensisch-medizinischer und neuropathologischer Sicht kein vernünftiger Zweifel an einer natürlichen Genese der rechtsseitigen Großhirnmassenblutung, und es besteht kein Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Tod.

Prof.Dr.E ... verweist in diesem Zusammenhang, wie auch der Sachverständige Dr.Ki ..., auf die zufriedenstellende insbesondere neurologische Rehabilitation des Versicherten. Sie ist überzeugend dokumentiert im Bericht der Klinik Bavaria über die Rehabilitationsbehandlung vom 12.10. bis 08.11.1994; erreicht werden konnte eine deutliche Besserung der Gangsicherheit sowie der Kraft und Geschicklichkeit der linken Hand. Die behandelnden Ärzte betonten, dass der Versicherte im Alltag selbständig sei, allerdings in bestimmten Bereichen z.B. für Medikamteneinnahme der regelmäßigen Supervision und Kontrolle bedürfe. Sie hielten ihn aber für fähig, neben seinem Hobby Gartenarbeit auch Aufgaben im Haus oder im Bekanntenkreis zu übernehmen und wieder Skilanglauf zu betreiben. Insofern kann die Argumentation des behandelnden Arztes Dr.K ..., von einer zufriedenstellenden Rehabilitation könne nicht die Rede sein, nicht überzeugen.

Auch der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Neurologe Prof.Dr.B ... hat im Gutachten vom 01.08.1996 überzeugend dargelegt, dass die hochdruckbedingte Hirnblutung nicht als mittelbare Unfallfolge zu bezeichnen ist. Der von Dr.K ... beschriebene stetige Niedergang der Restvitalität lässt sich, so Prof.Dr.B ..., nicht als Unfallfolge deuten, weil unfallbedingte Krankheitszeichen sich nur unter bestimmten und beim Versicherten weder während seines Lebens noch durch die Obduktion nachgewiesenen Umständen unfallbedingt verschlimmern. Die Verschlechterung vor der schließlich tödlichen Hirnblutung kann daher nicht mit Wahrscheinlichkeit als Unfallfolge begründet werden.

Gegen eine ernstere Beteiligung des Gehirns mit Untergang von Gehirngewebe durch starke Prellung und Erschütterung spricht die Tatsache, dass es nach dem Schädelhirntrauma nicht zu relevanten neurologischen Ausfällen gekommen ist. Andererseits lag eine weit fortgeschrittene schwere Gefäßkrankheit vor, die zum Tod des Versicherten führte.

Weiterer Ermittlungen durch den Senat bedurfte es nicht, da die streitigen Fragen durch die vorliegenden ärztlichen Befunde und Gutachten hinreichend geklärt sind. So wird insbesondere die Richtigkeit der Aussage, dass eine Langzeitblutdruckmessung besser geeignet ist, Rückschlüsse auf Verlauf und Schwere einer Blutdruckerkrankung zu ziehen, als Einzelblutdruckmessungen, nicht bestritten. Aber abgesehen davon, dass eine Langzeitmessung eben nicht vorliegt, haben die ärztlichen Sachverständigen ihrer Beurteilung nicht allein die Einzelmessungen, sondern auch die übrigen Befunde, so vor allem die Veränderungen an der Retina, zugrundegelegt.

Die Gründe der Ablehnung des auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen benannten Dr.Ki ... wegen Befangenheit sind nicht glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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