L 6 RJ 190/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 128/01 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 190/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 17. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers, freiwillige Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen.

Der Kläger, der Staatsangehöriger der Republik Kroatien ist und sich dort auch gewöhnlich aufhält, hat in der Bundesrepublik Deutschland im Zeitraum 01.09.1992 bis 13.07.1994 für 23 Monate Pflichtbeiträge gezahlt. Den am 08.08.2000 gestellten Antrag, ihn zur Zahlung freiwilliger Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zuzulassen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.09.2000 und Widerspruchsbescheid vom 02.11.2000 ab, weil kroatische Staatsangehörige, die sich gewöhnlich außerhalb des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland aufhielten, nur dann zur freiwilligen Versicherung in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung berechtigt seien, wenn sie zu dieser für mindestens 60 Monate Beiträge wirksam entrichtet hätten.

Mit der am 05.02.2001 zum Sozialgericht Landshut (SG) erhobenen Klage machte der Kläger geltend, er sei während seiner Berufstätigkeit in Deutschland schwer erkrankt und damit durch höhere Gewalt an einer weiteren Beitragsleistung gehindert worden. Dies sei bei der Frage der Berechtigung zur Zahlung freiwilliger Beiträge zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.

Mit Urteil vom 17.12.2002 wies das SG die Klage ab, wobei es gemäß § 136 Abs. 3 SGG auf die Gründe der Entscheidung der Beklagten Bezug nahm.

Am 07.04.2003 ging die Berufung des Klägers gegen dieses ihm am 14.01.2003 in seiner Heimat zugestellte Urteil beim Bayer. Landessozialgericht ein. Zur Begründung wiederholte er seinen bisherigen Vortrag.

Der in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und auch nicht vertretene Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 17.12.2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.09.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn zur Zahlung freiwilliger Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten (Verwaltungsakten der Beklagten; Klageakte des SG Landshut) und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 17.12.2002 ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger nicht berechtigt ist, freiwillige Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen.

Nach Nr. 2 Buchst. c des Schlußprotokolls (SP) zum Abkommen vom 24.11.1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit (Abk. SozSich Kroatien; BGBl. 1998 II, S. 2034), in Kraft getreten am 01.12.1998 (BGBl. 1999 II, S. 25), sind kroatische Staatsangehörige, die sich gewöhnlich außerhalb des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, zur freiwilligen Versicherung in der deutschen Rentenversicherung berechtigt, wenn sie zu dieser für mindestens 60 Monate Beiträge wirksam entrichtet haben; günstigere innerstaatliche Rechtsvorschriften bleiben unberührt (Satz 1). Dies gilt auch für die in Artikel 3 Nummer 1 Buchstaben b und c des Abkommens bezeichneten Flüchtlinge und Staatenlosen, die sich gewöhnlich im Hoheitsgebiet der Republik Kroatien aufhalten (Satz 2). Eine vor dem Inkrafttreten dieses Abkommens begonnene freiwillige Versicherung in der deutschen Rentenversicherung durch einen kroatischen Staatsangehörigen oder einen in Artikel 3 Nummer 1 Buchstabe b bezeichneten Flüchtling mit gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland bleibt unberührt (Satz 3).

Für den Kläger ist nach der Grundregel der Nr. 2 Buchst. c Satz 1 Halbsatz 1 des SP zum Abk SozSich Kroatien die freiwillige Versicherung in der deutschen Rentenversicherung ausgeschlossen, weil er bisher noch nicht mindestens 60 Monate Beiträge entrichtet hat (sondern erst 23); eine günstigere innerstaatliche Vorschrift besteht nicht.

Dass der Kläger, wie er vorträgt, aus gesundheitlichen Gründen die Beitragsleistung vor Erreichen des 60. Beitrags beendet hat, ist ohne Bedeutung. Die Vorschrift lässt nämlich nur eine einzige Ausnahme zu, nämlich für den Fall, dass die freiwillige Versicherung bereits vor Inkrafttreten des Abk SozSich Kroatien, also vor dem 01.12.1998, begonnen worden ist (Satz 3); der Kläger hätte also den entsprechenden Antrag bereits vor dem 01.12.1998 (nicht erst am 22.08.2000) stellen müssen und ist hieran auch nicht gehindert gewesen; gesundheitliche Gründe können nicht dafür kausal gewesen sein, dass der Kläger den Antrag auf Zahlung freiwilliger Beiträge nicht vor dem 01.12.1998 gestellt hat.

Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift ist nicht möglich; dies ergibt sich daraus, dass die Parteien des bilateralen Abkommens bewußt nur eine einzige Ausnahme für Kroaten zugelassen haben, die bereits die allgemeine Wartezeit in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt haben, damit zum Kreis der potentiell anspruchsberechtigten Personen gehören, und bei denen auch ggf. eine freiwillige Beitragsleistung zur Aufrechterhaltung der Anwartschaft auf eine Rente wegen Erwerbsminderung erforderlich ist; die Regelung zielt also erkennbar im Hinblick auf Art. 14 des Grundgesetzes (GG) auf einen Schutz des Besitzstandes ab. Das Verbot einer erweiternden Auslegung folgt aber auch daraus, dass nach den allgemeinen Regeln zwischenstaatliche Abkommen eng auszulegen sind.

Der Kläger kann auch nicht im Weg des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als habe er den Antrag auf freiwillige Beitragszahlung schon vor dem 01.12.1998 gestellt, weil mangels jeden Kontakts zwischen Kläger und Beklagter vor diesem Zeitpunkt eine Beratung des Klägers gar nicht möglich gewesen ist. Es kann daher dahinstehen, ob die Regeln des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs im vorliegenden Fall überhaupt noch angewendet werden könnten.

Aber auch auf § 197 Abs. 3 SGB VI kann der Kläger sein Begehren nicht stützen. Hiernach ist in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei drohendem Verlust der Anwartschaft auf eine Rente, auf Antrag der Versicherten die Zahlung von insbesondere freiwilligen Beiträgen auch nach Ablauf der in Abs. 2 genannten Frist (31.03. des Jahres, das dem Jahr folgt, für das die Beiträge gelten sollen) zuzulassen, wenn die Versicherten an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert waren.

Zunächst ist im vorliegenden Fall die vom Gesetz geforderte besondere Härte nicht zu erkennen, die nur dann vorliegt, wenn ein Nachteil droht, der - so der in der Vorschrift angeführte Beispielsfall - dem Verlust der Anwartschaft auf eine Rente vergleichbar ist (vgl. KassKomm-Peters § 197 SGB VI Rdnr. 17 mit weiteren Nachweisen). Allein der Ausschluss der freiwilligen Versicherung in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung ohne weitere Nachteile für Versicherte, die noch keinen aus 60 Beitragsmonaten erkennbaren engen Bezug zur deutschen Rentenversicherung haben, kommt dem Verlust der Rentenanwartschaft keinesfalls gleich. Auch dass der Kläger keine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 6 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung durch Erfüllung der Wartezeit von 20 Jahren erlangen kann, weil er keine freiwilligen Beiträge zahlen darf, ist keine besondere Härte, weil bei den 23 Beitragsmonaten, die der Kläger erst zurückgelegt hat, noch von keiner "Anwartschaft" auf eine Rente im Sinn des § 197 Abs. 3 SGB VI gesprochen werden kann; es liegt nämlich keine in irgendeiner Weise bereits gesicherte Rechtsposition im Hinblick auf eine Leistung vor.

Außerdem (vgl. zu den folgenden Ausführungen das Urteil des BSG vom 11.05.2000 - B 13 RJ 85/98 R = SozR 3-5750 Art. 2 § 6 Nr. 18 mit weiteren Nachweisen) ist die vor dem 01.12.1998 offensichtlich bestehende Unkenntnis des Klägers bezüglich der Möglichkeit, zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung freiwillige Beiträge zu zahlen, jedenfalls deshalb nicht als unverschuldetes Hindernis anzuerkennen, weil sich der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat und damit die Möglichkeit gehabt hat, sich über die Rechtslage zu informieren. Es gilt der Grundsatz der formellen Publizität der Gesetze, ohne den ein Staatswesen nicht funktionieren könnte.

Aber selbst bei mangelndem Verschulden würde die in § 27 Abs. 3 SGB X geregelte Jahresfrist, die bei § 197 Abs. 3 SGB VI entsprechend anzuwenden ist, eine nachträgliche Zulassung zur Beitragszahlung (Auffüllung auf 60 Beitragsmonate für Zeiten vor dem 1.12.1998) ausschließen. In dieser für die Nachholung von versäumten Handlungen gesetzten zeitlichen Grenze, die sich auch in anderen fristbezogenen Vorschriften (vgl. z.B. § 66 Abs. 2, § 67 Abs. 3 SGG) findet, kommt nämlich eine allgemeine gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, der eine sachgerechte Abwägung zwischen Rechtssicherheit und Individualinteresse zugrunde liegt. Dementsprechend kann sich ein Versicherter im Rahmen des § 197 Abs. 3 SGB VI nicht zeitlich unbeschränkt auf ein mangelndes Verschulden berufen. Liegt der Ablauf der Beitragsentrichtungsfrist - wie hier - über ein Jahr zurück, so ist die Nachzahlung mithin allenfalls dann zuzulassen, wenn diese - anders als im vorliegenden Fall - zuvor infolge höherer Gewalt, für die es keine Hinweise gibt, unmöglich gewesen ist.

Nicht zuletzt scheitert eine Anwendung der Regelung des § 197 Abs. 3 SGB VI daran, dass der Wille der vertragschließenden Parteien des deutsch-kroatischen Sozialversicherungsabkommens unterlaufen würde, wollte man in Fällen wie dem vorliegenden eine besondere Härte anerkennen.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Landshut vom 17.12.2002 war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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