L 2 U 360/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 317/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 360/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Verunfallt der Verletzte bei der Reparatur des Vordachs eines Hauses
der Tante seiner Ehefrau, so handelt er auch dann nicht als Unternehmer, wenn
die Tante ihn und seine Ehefrau als Erben je zur Hälfte eingesetzt hat.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 16.07.1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am ... 1943 geborene Kläger beantragte am 14.02.1994 die Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit. Seit 1983 gelegentlich, seit 1987 ständig, leide er unter Schmerzen im Lendenwirbelbereich und Lähmungen im rechten Bein.

Der Kläger war bis 1967 als Betriebsschlosser, dann als Kraftfahrzeugmechaniker und ab 1972 als Kraftfahrzeugmeister tätig. Die Beklagte zog Auskünfte der Arbeitgeber des Klägers, einen Befundbericht des Allgemeinarztes Dr ... vom 02.05.1994, Unterlagen des Arbeitsamtes Regensburg sowie einen Bericht von einem Heilverfahren vom 12.06.1990 bis 10.07.1990 mit den Diagnosen: Pseudo-radikuläres Lumbalsyndrom rechts, sagittale WS-Fehlstatik, Supraspinatussehnensyndrom rechts, Chondropathia retropatellaria beiderseits bei.

Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten führte im Gutachten vom 31.10.1994 zusammenfassend aus, der Kläger habe zwar Zwangshaltungen mit Rumpfbeugewinkeln größer als 90¬ während Pkw-Reparaturen eingenommen. Diese seien aber durch Abstützen des linken Armes oder durch Gegenlehnen des Brustkorbes gemildert worden. Eine Exposition im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur BKV könne für die Tätigkeiten von August 1957 bis November 1967 angenommen werden. Für den Zeitraum von November 1967 bis Dezember 1989, in dem keine schweren Hebungen mehr erforderlich gewesen seien, könne die Verschlimmerung eines Vorschadens, bedingt durch die ständige Zwangshaltung unter den Hebebühnen, nicht ausgeschlossen werden.

Der Neurochirurg Prof.Dr ... und der Radiologe Dr ... vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Regensburg stellten in den Schreiben vom 06.02.1995 und 09.02.1995 die Diagnosen: Bandscheibenprotrusion präsakral rechts, leichte LWS-Degeneration.

Im Gutachten vom 12.09.1995 kam der Neurochirurg Prof.Dr ... zusammenfassend zu dem Ergebnis, es liege eine Berufskrankheit nach Nr.2108 der Anlage zur BKV vor. Der Kläger habe von 1957 bis 1990 Lasten bis zu 100 kg, im Durchschnitt 25 bis 50 kg, regelmäßig pro Arbeitsschicht an 200 bis 250 Tagen pro Jahr gehoben und getragen. Erschwerend komme hinzu, dass diese Lasten teilweise mit verdrehtem Oberkörper hätten gehalten werden müssen. Es ergebe sich kein Anhalt für das Vorliegen einer angeborenen oder erworbenen Fehlbildung der Lendenwirbelsäule. Beim Kläger bestehe nun ein chronischer Muskelhartspann paravertebral-lumbal beidseits mit einer schmerzhaften Einschränkung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule und ein Wurzelreizsyndrom S 1 links mit Hypästhesie. Die MdE sei mit 20 v.H. einzuschätzen.

Der Gewerbearzt Dr ... erklärte in der Stellungnahme vom 21.02.1996, die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.2108 seien nicht gegeben. Der Verlauf der Wirbelsäulenbeschwerden spreche gegen eine wesentliche berufliche Verursachung. Von einer wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit sei nur von August 1957 bis November 1967 auszugehen. Die zur Anerkennung einer beruflichen Lendenwirbelsäulenerkrankung geforderten mindestens 10 Jahre Belastung seien damit erfüllt. Alle Tätigkeiten, die der Kläger danach ausgeübt habe, seien nicht geeignet gewesen, eine Lendenwirbelsäulenerkrankung zu verursachen oder wesentlich zu verschlimmern. Insbesondere sei die Zwangshaltung bei der Arbeit unter einer 1,75 m hohen Hebebühne von November 1967 bis Dezember 1989 nicht geeignet, einen Wirbelsäulenschaden mit Wahrscheinlichkeit zu verursachen oder zu verschlimmern.

Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten führte in der Stellungnahme vom 10.05.1996 aus, die Nachstellung der Tätigkeit des Klägers durch eine wesentlich größere Person habe ergeben, dass Beugewinkel von 80¬ erreicht würden. Tätigkeiten mit Rumpfbeugewinkel von mehr als 90° kämen im Kraftfahrzeugbereich im Höchstfall ein bis zweimal je Schicht vor.

Mit Bescheid vom 24.06.1996 lehnte die Beklagte die Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr.2108 ab. Die tatsächliche Aufgabe aller wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten liege vor dem 01.04.1988. Daher könne eine Berufskrankheit nicht anerkannt werden.

Mit Widerspruch vom 22.07.1996 wandte der Kläger ein, er habe zwischen 1967 und 1989 in mindestens 25 % der Arbeitszeit schwer gehoben und getragen. Auch habe er regelmäßig und langjährig Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung verrichten müssen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Mit der Klage vom 21.10.1996 hat der Kläger geltend gemacht, die Arbeitsbelastungen im Beruf des Kraftfahrzeugmechanikers, den er von 1967 bis 1969 ausgeübt habe, seien nicht zutreffend berücksichtigt worden.

Auf Antrag des Klägers hat das SG gemäß § 109 SGG den Chirurgen Prof.Dr ... zum ärztlichen Sachverständigen ernannt. Im Gutachten vom 24.07.1997 hat Prof.Dr ... ausgeführt, nach den Angaben des Klägers habe er auch in den Jahren seiner Tätigkeit als Kfz-Mechaniker und Kfz-Mechanikermeister erhebliche Lasten zu tragen gehabt. Beim Kläger bestünden mäßige degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule an den Segmenten L 3/4, L 4/5 und L 5/S 1, pseudoradikuläre Schmerzsymptomatik mit reaktiven Muskelverspannungen, Wurzelreizsyndrom S 1 mit Taubheit im rechten Bein, schmerzbedingte Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit in allen Bewegungsebenen. Diese Schäden seien mit Wahrscheinlichkeit auf eine Berufserkrankung im Sinne der Nr.2108 der Anlage zur BKV zurückzuführen, dagegen nicht die Schäden an der Halswirbelsäule. Die MdE sei mit 20 v.H. einzuschätzen.

Am 29.12.1997 hat die Beklagte eine Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes vom 21.11.1997 übersandt. Die Bestimmung der beruflichen Gesamtbelastung der Lendenwirbelsäule habe einen Wert von 2,732 x 10 6 Nh ergeben. Damit lägen die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne einer Berufskrankheit nach Nr.2108 nicht vor, da die Richtwertdosis von 12,5 x 10 6 Nh nicht erreicht werde.

Mit Schreiben vom 16.01.1998, 02.02.1998, 25.02.1998 und 02.03.1998 hat der Kläger eingewandt, die Belastungen bzgl. des Hebens und Tragens sowie der Rumpfbeugehaltung seien erheblicher gewesen als bisher berücksichtigt. Weiter hat er mit Schreiben vom 10.03.1998 als Klageerweiterung geltend gemacht, dass die Beklagte vom 01.09.1995 bis Monatsende nach der letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz eine einmalige Zahlung in Höhe von 500,- DM x Monatszahl vorzunehmen habe und ab dem Monatsersten, der der letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz folge, eine jeweils monatliche Zahlung von 500,- DM zu leisten habe. Es handele sich nicht um ein Vorschussverlangen, sondern begehrt werde die Anordnung vorläufiger Leistungen gemäß § 130 Satz 2 SGG.

Mit Stellungnahme vom 20.05.1998 hat der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten darauf hingewiesen, dass die Angaben zum Lastgewicht, zu den Arbeitsschichten und zu der Gesamtbelastungsdauer in den Ausführungen des Technischen Aufsichtsbeamten und den Schreiben des Klägers voneinander abwichen. Die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit mit Belastungen von weniger als 40 Hebevorgängen pro Schicht und einer Belastungsdauer von unter einer Stunde für Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung erfülle insgesamt die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne einer Berufskrankheit Nr.2108 nicht.

Mit Urteil vom 16.07.1998 hat das SG die Klage abgewiesen. Die für die Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule erforderlichen Einwirkungen hätten entgegen der Meinung des Klägers in der Zeit von November 1969 bis Juli 1990 und später weder bei der Tätigkeit als Kraftzeugmechaniker und Kraftfahrzeugmeister noch als Annahmemeister vorgelegen. Dies ergebe sich aus den eingehenden und sorgfältigen Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten, unter anderem im Betrieb des Klägers. Allein die Tätigkeiten von August 1957 bis November 1967 könnten als wirbelsäulenbelastend im Sinne der Nr.2108 angesehen werden. Maßgebend sei aber der Eintritt des Versicherungsfalles nach dem 01.03.1988. Das Gutachten von Prof.Dr ... vermöge nicht zu überzeugen, da es das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen unterstelle.

Mit der Berufung vom 01.09.1998 wendet der Kläger ein, die Beklagte habe die Ermittlungen über die berufliche Belastung erst nach Erstellung des Gutachtens des Prof.Dr ... aufgenommen. Weiter übersendet er eine Stellungnahme vom 10.11.1998, verfasst vom Sohn des Klägers, ... , Dipl.Ing. (FH), in der ausgeführt wird, die Bestimmung der beruflichen Gesamtbelastung der Lendenwirbelsäule habe gemäß dem im Handbuch für Arbeitsmedizin vorgeschlagenen Beurteilungsverfahren eine berufliche Gesamtbelastungsdosis in Höhe von 47,44 x 10.6 nH ergeben. Damit lägen die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne einer Berufskrankheit nach Nr.2108 vor, da die Richtwertdosis von 12,5 x 106 nH überschritten werde. Der Kläger beantragt, die Beklagte daher zu verurteilen, das Wirbelsäulenleiden als Berufskrankheit im Sinne der Nr.2108 der Anlage zur BKV anzuerkennen und ihm eine Rente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. ab 18.07.1990 zu gewähren. Weiter beantragt er, die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären und der Beklagten die Kosten des Widerspruchsverfahrens sowie des sozialgerichtlichen Verfahrens aufzuerlegen. Die Beklagte habe ihm die Kosten für das Gutachten gemäß § 109 SGG des Prof.Dr ... gemäß § 192 SGG zu erstatten. Höchst vorsorglich beantragt er, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte erklärt dazu mit Schriftsatz vom 26.03.1999, den Ausführungen des Klägers könne entnommen werden, dass er ab 1981 nur mit sehr geringer Häufigkeit schwere Lasten gehoben und getragen habe. So sei im Zeitraum vom Januar 1981 bis März 1987 nur ein Hebevorgang pro Arbeitsschicht mit einem Lastgewicht von 25 kg aufgeführt. Darüber hinaus seien nur in wenigen Arbeitsschichten Lasten mit nur geringen Lastgewichten gehandhabt worden. Für den Zeitraum ab April 1987 würden ausschließlich belastende Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung geltend gemacht. Als Belastungsdauer würden regelmäßig 40 Minuten pro Arbeitsschicht angegeben. Es müsse aber davon ausgegangen werden, dass die angegebenen Tätigkeiten nicht mit einer extremen Rumpfbeugehaltung ausgeführt würden. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

In einer weiteren Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes vom 24.06.1999 wird ausgeführt, aufgrund der Angaben des Klägers sei zweifelsfrei festzustellen, dass vom Kläger nur in geringem Umfang Hebevorgänge mit Lasten von oder über 25 kg ausgeführt worden seien. Die Häufigkeit der Hebevorgänge habe nach seinen Angaben von 1975 bis 1987 zwischen drei und einem Hebevorgang pro Schicht betragen. Ab April 1987 seien keine Hebevorgänge mit Lasten über 20 kg ausgeführt worden.

Die Körperhaltungen für Tätigkeiten im Motorraum, bei der Fehlersuche oder Reparatur stellten keine extremen Rumpfbeugehaltungen dar, da hierbei keine Rumpfbeugewinkel von über 90° über längere Zeit eingenommen würden. Dies gelte auch für Schleifarbeiten an Türen und Seitenwänden sowie Schweißarbeiten im Kofferraum. Lediglich bei Ausbeularbeiten und Schleif Poliervorgängen im unteren Bereich der Karosserie sowie bei der Reinigung könnten kurzzeitig Rumpfbeugewinkel von 90° und mehr gegeben gewesen sein. Dies dürfe jedoch für einen Kfz-Meister nur in einem geringen Umfang angefallen sein. Der Kläger selbst nenne hierfür 30 bis 50 Arbeitsschichten pro Jahr. Dies erfülle nicht den Begriff der Regelmäßigkeit (mehr als die Hälfte der Arbeitsschichten) im Sinne der Nr.2108. Insgesamt müsse daher weiterhin davon ausgegangen werden, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne einer Berufskrankheit Nr.2108 nicht vorlägen. Zum 01.04.1988 hätte insgesamt keine schädigende Tätigkeit im Sinne dieser Berufskrankheit vorgelegen.

Der Bevollmächtigte des Klägers übersendet eine Stellungnahme des Sohnes des Klägers vom 05.07.1999, in der ausgeführt wird, es sei richtig, dass der Kläger von Januar 1981 bis März 1987 nur noch eingeschränkt Hebe- und Tragevorgänge ausgeführt habe und sich nach April 1987 weiter habe einschränken müssen. Trotzdem seien bis Juli 1990 wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten verrichtet worden. Zwar habe der Kläger durchschnittlich nur eine Tragetätigkeit mit schwerer Last von über 25 kg verrichtet. Jedoch hätten die Arbeitsschichten der Karosseriereparatur nicht 10, sondern 70 Arbeitsschichten pro Jahr betragen. Die vermeintlich geringeren Gewichte stellten im Vergleich zur normalen Tätigkeit extrem belastende Tätigkeiten dar, da hier nicht das Tragegewicht, sondern vielmehr der Rumpfneigungswinkel und die Armhaltung entscheidend für die Druckkraft auf die Wirbelkörper seien. Zu berücksichtigen sei außerdem die insbesondere im Hinblick auf die Körpergröße des Klägers erforderliche Rumpfbeugehaltung, die bei einer Vielzahl von Tätigkeiten erforderlich sei, insbesondere im unteren Bereich des Motorraums. Der Kläger habe eine tatsächliche Wochenarbeitszeit von 55 Stunden gehabt, so dass die Häufigkeit der Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung rein rechnerisch um den Faktor 1,6 höher als bei einem normalen Arbeitnehmer sei. Die Belastungsdosen belegten eine nicht unerhebliche Einwirkung auf die Wirbelsäule. Der Kläger habe in mehr als 110 Arbeitsschichten pro Jahr mit einer gewissen Regelmäßigkeit wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten, die eine tägliche Mindestbelastungsdosis von 1700 nH überschritten hätten, verrichtet.

In der Stellungnahme vom 24.08.1999 führt der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten aus, im Hinblick darauf, dass durchschnittlich nur noch eine Tragetätigkeit pro Tag mit schwerer Last verrichtet worden sei, sei nach dem Stichtag 01.04.1988 keine schädigende Tätigkeit im Sinne der BK 2108 mehr ausgeübt worden. Die Behauptung, dass auch geringe Gewichte je nach Körperhaltung bei der Berechnung einer Tagesdosis berücksichtigt werden müssten, sei nicht haltbar. Bei der Rumpfbeugehaltung des Kfz-Mechanikers sei zu berücksichtigen, dass dieser sich nicht längerfristig frei schwebend in den Motorraum bücke, sondern sich mit der Hand, dem Ellenbogen oder anderen Körperteilen abstütze. Selbst das Betätigen des Schraubendrehers, des Ring- oder Maulschlüssels mit der Arbeitshand stelle oftmals eine Abstützung dar, so dass eine extreme Rumpfbeuge im Sinne der BK 2108, bei der das volle Gewicht des Oberkörpers auf die Lendenwirbel drücke, nicht eingenommen werde.

Der Kläger stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 27.08.1998 und beantragt hilfsweise Einholung eines ärztlichen und technischen Gutachtens von Amts wegen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre §§ 212, 214 Abs.3 SGB VII i.V.m. § 580 RVO).

Gemäß § 551 Abs.1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit. Maßgeblich ist seit 01.12.1997 die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31.10.1997 (Bundesgesetzblatt I S.26, 23). Als Berufskrankheit kommen grundsätzlich nur solche Erkrankungen in Betracht, die von der Bundesregierung als Berufskrankheiten bezeichnet und in die BKV aufgenommen worden sind (Listenprinzip). Die Krankheit muss durch eine versicherte Tätigkeit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden sein, d.h. die Gefährdung durch schädigende Einwirkungen muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein und die Einwirkung muss die Krankheit verursacht haben (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 9 SGB VII Rdnr.3). Die rechtserheblichen Tatsachen müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BSGE 45, 285).

Der Kläger begehrt die Feststellung einer Berufskrankheit im Sinne der Nr.2108 der Anlage zur BKV. Hier handelt es sich um bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule haben eine multifaktorielle Ätiologie. Sie sind weit verbreitet und kommen in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vor. Unter den beruflichen Einwirkungen, die bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule wesentlich mitverursachen und verschlimmern können, sind fortgesetztes Heben, Tragen und Absetzen schwerer Lasten sowie Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung wichtige Gefahrenquellen.

Zu Recht hat es die Beklagte abgelehnt, eine Berufskrankheit anzuerkennen.

Um einen Zusammenhang zwischen bandscheibenbedingter Erkrankung der Lendenwirbelsäule und Berufsbelastung herstellen zu können, müssen die arbeitstechnischen Bedingungen gegeben sein. Es muss der Nachweis einer tatsächlichen bandscheibenbedingten Erkrankung geführt werden können, die bildtechnisch nachweisbaren Veränderungen müssen das altersdurchschnittlich zu erwartende Ausmaß überschreiten, der zeitliche Zusammenhang muss gesichert sein und konkurrierende Verursachungsmöglichkeiten anlagebedingter, statischer, entzündlicher oder unfallbedingter Genese müssen ausgeschlossen sein (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheiten, 6. Auflage S.535 ff.).

Unstreitig hat der Kläger, wie die Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten ergeben haben, von August 1957 bis November 1967 als Betriebsschlosser eine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit ausgeübt. Denn während dieser Zeit waren zunächst arbeitstäglich bis zu 20 Hebungen mit einem Durchschnittsgewicht von 50 kg zu erledigen, später arbeitstäglich ca. 40 bis 50 Steine im Gewicht von 25 bis 30 kg zu heben und zuletzt täglich etwa eine Stunde bei Verschraubungsarbeiten Tätigkeiten in einem Rumpfbeugewinkel von mehr als 90° zu verrichten. Im Hinblick auf diese Belastungen, die den Angaben des Klägers entsprechen, ist von einer wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit auszugehen.

Beschwerden hat der Kläger aber, worauf der Gewerbearzt Dr ... hingewiesen hat, erst ab 1983, also ca. 16 Jahre nach der letzten Einwirkung (November 1967), angegeben. Denn der Kläger hat im Fragebogen am 23.02.1994 erklärt, Wirbelsäulenbeschwerden seien zwischen 1983 und 1987 gelegentlich aufgetreten. Insofern fehlt also der zeitliche Zusammenhang zwischen dem ersten Auftreten der Beschwerden und der ausgeübten gefährdenden Tätigkeit.

Ab November 1967 hatte der Kläger als Kfz-Mechaniker nicht mehr gefährdende Tätigkeiten im Sinne der Nr.2108 der Anlage zur BKV zu verrichten. Wie der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten in der Stellungnahme vom 31.10.1994 überzeugend dargelegt hat, waren schweres Heben und Tragen nur in Ausnahmefällen erforderlich. Das Unternehmen bestand zunächst aus einer Tankstelle, die Waschhalle wurde für Pkw-Instandsetzungsarbeiten genutzt. Sie war mit einer hydraulischen Stempelhebebühne ausgestattet. Dies war auch in den Werkstätten, die das Unternehmen 1975 und 1986 bezog, der Fall. Daraus folgt, dass die Fahrzeuge auf eine günstige Arbeitsposition angehoben werden konnten und schwere Teile, z.B. Rumpfmotoren, Getriebe etc., mit der Hebebühne als Kranersatz herausgehoben wurden. Zudem wurden ab 1976 im gewerblichen Bereich neun Mitarbeiter beschäftigt und dadurch die Trage- und Hebebelastung des Klägers erheblich reduziert. Im Übrigen hat der Kläger ab 1981 nur mit sehr geringer Häufigkeit schwere Lasten gehoben und getragen. Er hat, wie er selbst angegeben hat, von Januar 1981 bis März 1987 pro Arbeitsschicht nur einen Hebevorgang mit einem Lastgewicht von 25 kg ausgeführt und nur in zehn Arbeitsschichten bei Karosseriearbeiten Lasten mit Gewichten von 8 bis 15 kg gehoben. Nach 1987 wurde die Belastung wegen des Diskusprolaps noch weiter eingeschränkt, und der Kläger war als Annahmemeister tätig.

Insgesamt lagen während seiner Tätigkeit als Kfz-Schlosser keine häufigen und regelmäßigen Tragevorgänge mit schweren Lasten von 25 kg oder mehr vor. Zu Recht hat der Gewerbearzt Dr ... betont, dass die nach November 1967 ausgeführten Tätigkeiten nicht geeignet sind, eine Lendenwirbelsäulenerkrankung zu verursachen oder wesentlich zu verschlimmern.

Was die Tätigkeit mit extremer Rumpfbeugehaltung, d.h. Beugung des Rumpfes um mehr als 90° nach vorn aus der aufrechten Haltung, betrifft, so zeigt die auf den vom Kläger vorgelegten Fotos dargestellte Körperhaltung für Tätigkeiten im Motorraum, bei Fehlersuche oder Reparatur keine Beugewinkel von mehr als 90°, die über längere Zeit eingenommen werden mussten. Dies gilt auch für die Schleifarbeiten an Türen und Seitenwänden, sowie für die Schweißarbeiten im Kofferraum. Die ebenfalls dargestellten Körperhaltungen bei Ausbeularbeiten und Schleif- sowie Poliervorgängen im unteren Bereich der Karosserie, sowie bei der Reinigung von speziellen Fahrzeugbereichen führen zwar zu kurzzeitigen Rumpfbeugungen von 90° und mehr. Derartige Arbeiten fallen jedoch, wie der Technische Aufsichtsdienst überzeugend dargelegt hat, für einen Kfz-Meister nur in einem geringen Umfang an. Der Kläger selbst nennt hierbei 30 bis 50 Arbeitsschichten pro Jahr. Zudem hat der Kläger darauf hingewiesen, dass einfache Tätigkeiten von einer Hilfskraft ausgeführt wurden. Da Rumpfbeugearbeiten also nur gelegentlich und nicht regelmäßig vorgenommen wurden, ist auch bezüglich dieses Kriteriums von einer schädigenden Wirkung im Sinne der Berufskrankheit Nr.2108 nicht auszugehen. Aus diesen Gründen kann auch den vom Sohn des Klägers vorgetragenen Erwägungen zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht gefolgt werden.

Im Übrigen ergibt sich aus den im Verfahren L 2 U 25/99 beigezogenen Unterlagen der AOK Regensburg, dass der Kläger 1989 wegen Schulterarmsyndrom rechts, Periarthritis humeroscapularis rechts, Wirbelsäulensyndrom und 1991 wegen Beckenkontusion sowie HWS-Schleudertrauma in Behandlung stand. Der Allgemeinarzt Dr ... erklärte im Befundbericht vom 30.08.1995, dass ein generalisiertes Wirbelsäulensyndrom mit pseudoradikulärer Symptomatik bekannt sei. Auch der Orthopäde Dr ... diagnostizierte am 10.03.1994 ein generalisiertes Wirbelsäulensyndrom. Im Hinblick darauf ist von einer konkurrierenden Verursachungmöglichkeit anlagebedingter Genese auszugehen.

Die Voraussetzungen des § 192 SGG, nämlich Mutwillen der Beklagten und dadurch verursachte Kosten beim Kläger, sind nicht erfüllt. Denn die Einholung des Gutachtens gemäß § 109 SGG durch Prof.Dr ... war nicht durch ein mutwilliges oder irreführendes Verhalten der Beklagten verursacht. Bereits im Verwaltungsverfahren hatte die Beklagte Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes vom 31.10.1994 und 10.05.1996 eingeholt, die dazu führten, dass trotz des Gutachtens von Prof.Dr ... , der die Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr.2108 für gegeben ansah, der Antrag des Kläger abgelehnt wurde.

Im Hinblick auf die vorliegenden umfangreichen Gutachten, Befunde und Feststellungen auf medizinischem und technischem Gebiet hält der Senat weitere Sachaufklärung nicht für geboten.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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