L 2 U 370/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 U 5063/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 370/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Verwertung der Erzeugnisse eines landwirtschaftlichen Betriebs von
1,37 ha Forst und 0,35 ha Hofffläche in dem zusätzlich 10 Enten gehalten
werden, dient der Verbesserung und Verbilligung der Lebenshaltung des
Unternehmers, ohne dass der Haushalt dadurch ein landwirschaftliches Gepräge
erhalten würde.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 23.07.1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am ...1938 geborene Klägerin erlitt eine Stichverletzung im linken Unterarm. Nach ihren Angaben bei dem praktischen Arzt Dr.D ..., den sie am 10.01.1994 aufsuchte, ereignete sich der Unfall am 30.12.1993 gegen 12.00 Uhr in der Küche beim Aufschneiden eines Orangennetzes. Dem Chirurgen Dr.St ... gab sie am 13.01.1994 an, sie habe sich in der Küche beim Wurstschneiden gestochen.

Gegenüber Dr.D ... erklärte sie, Unfallbetrieb sei die Landwirtschaft des Sohnes. Bei Dr.St ... gab sie an, Unfallbetrieb sei die eigene Landwirtschaft, in der sie als Bäuerin beschäftigt sei. In der Unfallanzeige vom 15.05.1995 wurde erklärt, der Unfallbetrieb bestehe aus 1,37 ha Forst und 0,35 Ha Hoffläche. Sie sei in Haushalt und Forst tätig. Verpachtet seien seit 27.12.1987 9,15 ha. Es würden zehn Enten gehalten. Sie habe die Tätigkeit im Haushalt für sich und ihren Mann ausgeübt.

Den Fragebogen der Beklagten füllten die Klägerin und ihr Ehemann am 06.05.1995 aus und gaben an, die Klägerin führe den Haushalt zusammen mit ihrem Ehegatten. Zum Haushalt gehörten keine weiteren Personen. Die Klägerin sei regelmäßig ca. fünf bis sechs Stunden täglich im Haushalt und im Forst tätig. Die unfallbringende Tätigkeit habe dem Austragshaushalt gedient, und zwar habe das Mittagessen zubereitet werden sollen.

Mit Bescheid vom 23.05.1995 lehnte die Beklagte den Entschädigungsanspruch ab. Der Unfall sei dem persönlichen unversicherten Lebensbereich zuzurechnen, da die Haushaltung dem landwirtschaftlichen Unternehmen nicht wesentlich diene.

Mit Widerspruch vom 21.06.1995 wandte die Klägerin ein, sie habe seinerzeit auch aushilfsweise das Mittagessen für die im Haus lebenden Kinder G ... und A ... junior zubereitet. Auch ihr Sohn J ... lebe im Haushalt. Die Kinder A ..., J ... und G ... seien die Pächter des landwirtschaftlichen Betriebes. Zunächst seien die Flächen an ihre Kinder A ... und J ... verpachtet worden, ab 01.01.1994 sei anstelle des Sohnes J ... die Tochter G ... Pächterin.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.1995 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Essenszubereitung sei grundsätzlich als Tätigkeit für die Haushaltung anzusehen. Selbst wenn die Behauptung zutreffe, dass die Klägerin zur Unfallzeit aushilfsweise auch für ihre Kinder G ... und A ... mitgekocht habe, ergebe sich keine andere versicherungsrechtliche Beurteilung, weil die Kinder hauptberuflich einer anderen Tätigkeit nachgingen und der Austragshaushalt durch das Kochen zu keinem versicherten Haushalt werde. Denn es handele sich um eine Tätigkeit, die in jedem Privathaushalt ebenso vorkomme. Im Übrigen hätte es sich insoweit allenfalls um eine Gefälligkeitsleistung gehandelt.

Mit der Klage vom 04.09.1995 hat die Klägerin vorgetragen, sie habe überwiegend das Essen für den Haushalt vorbereitet, in dem auch die beiden damaligen landwirtschaftlichen Unternehmer A ... und J ... gelebt hätten. Die Tochter G ... führe den Betrieb von J ... erst seit 1995 weiter. Dieser sei zum Unfallzeitpunkt nicht anderweitig erwerbstätig gewesen. Der Sohn A ... habe zum Unfallzeitpunkt aufgrund eines schweren Unfalls an einer Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen, sei jedoch dreimal in der Woche im Haushalt anwesend und mitzuversorgen gewesen. Er habe eine Hirnverletzung und sei zu 100 % körperbehindert. Für die Existenz der beiden Söhne sei es notwendig, dass die Klägerin für sie koche und den Haushalt führe. Die Tätigkeit sei für die drei land- und forstwirtschaftlichen Betriebe wesentlich gewesen.

Übersandt wurde ein Beitragsbescheid für 1993 für J ... K ..., in dem eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 5,23 ha angegeben ist. Die Gemeinde Schönthal hat im Schreiben vom 05.11.1996 angegeben, der Ehemann der Klägerin habe seine Gastwirtschaft zum 31.12.1987 abgemeldet. Zum 01.01.1988 sei sie auf die beiden Söhne J ... und A ... angemeldet gewesen. Sie hätten die Gastwirtschaft zum 25.11.1992 wieder abgemeldet. A ... habe die Gastwirtschaft zum 25.11.1992 wieder angemeldet. Sie werde weiterhin von ihm betrieben.

Auf Anfrage hat die LAK Niederbayern-Oberpfalz am 18.11.1996 mitgeteilt, der Ehemann der Klägerin habe sein Unternehmen seit 28.12.1987 an seine Söhne J ... und A ... verpachtet.

Das Amt für Landwirtschaft und Ernährung, Cham, hat den Mehrfachantrag 1993 von J ... K ... und für 1994 von G ... K ... übersandt. Letztere gibt darin an, der Betrieb werde im Nebenerwerb bewirtschaftet.

Mit Schreiben vom 22.07.1998 hat die Klägerin angegeben, sie habe das Mittagessen für ihren Mann, sich und die Kinder A ... und G ... zubereitet. Beide Kinder seien nicht verheiratet, so dass sie das Mittagessen nicht nur gelegentlich, sondern überwiegend zubereite.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.07.1998 hat der Ehemann der Klägerin bestätigt, dass die landwirtschaftlichen Nutzflächen, die er an seine Kinder verpachtet habe, jeweils unter 6 ha lägen. Der Sohn A ... erhalte eine Berufsunfähigkeitsrente. Erlernt habe er den Beruf des Maschinenschlossers. Er habe in dem Teil des Unternehmens, den er gepachtet habe, gleichfalls kein Großvieh gehalten. Mit der Gastwirtschaft sei A ... Mitglied bei der hierfür zuständigen BG. Er sei dort allerdings beitragsfrei versichert. Die Küche sei gleichzeitig auch die Küche der Gastwirtschaft. In der Gastwirtschaft werde nicht mehr gekocht, auch würden keine Gäste mehr beherbergt.

Mit Urteil vom 23.07.1998 hat das SG die Klage abgewiesen. Selbst wenn sich die Pächter A ... und J ... K ... zu Hause aufgehalten haben sollten, habe die Zubereitung des Essens nicht unter Versicherungsschutz gestanden, denn der gemeinsame Haushalt der Eheleute K ... habe auch dann nicht der landwirtschaftlichen Tätigkeit der Söhne gedient. Die Tätigkeit in den landwirtschaftlichen Betrieben sei dermaßen unbedeutend, dass die Haushaltstätigkeit der Klägerin den Unternehmen nicht nennenswert habe dienen können.

Mit der Berufung vom 14.09.1998 wendet sich die Klägerin gegen das Urteil. Sie übersendet einen Bescheid für A ... und J ... K ... über die Feststellung der Versicherungsfreiheit bezüglich der Führung der Gaststätte ab 01.01.1988. Mit Schreiben vom 20.03.1999 führt die Klägerin aus, sie sei überwiegend in der Land- und Gastwirtschaft beschäftigt gewesen. Die Landwirtschaft sei von den Kindern A ... und G ..., der forstwirtschaftliche Betrieb vom Ehemann und die Gastwirtschaft vom Sohn A ... geführt worden. Zum Unfallzeitpunkt habe die Klägerin Speisen für ihren Ehemann, ihre Kinder G ... und A ... sowie für zwei Gäste, die sich zum Mittagessen im Gastraum aufgehalten hätten, zubereitet. Die Angabe im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG, es würde nicht mehr gekocht, habe sich ausschließlich auf das Jahr 1998 bezogen. Zum Unfallzeitpunkt seien Bewirtung und Beherbergung von Gästen der Regelfall gewesen. Da A ... und G ... K ... keinen eigenen Haushalt geführt hätten, habe die Klägerin die Haushaltsführung übernehmen müssen. Die landwirtschaftlichen Betriebe hätten 5,09 ha und 5,23 ha umfasst, davon in A ...s Betrieb 2,93 ha Ackerland und 2,16 ha Grünland, in G ...s Betrieb 1,81 ha Ackerland und Kleegras sowie 3,42 ha Grünland. Das Getreide sei an Landwirte und die Baywa, die Grünlanderzeugnisse an Landwirte und Pferdehalter verkauft worden. Der Umfang des Getreideverkaufs habe sich jährlich auf ca. 180 ztr, der des Viehfutterverkaufs auf 120 ztr belaufen.

Die Beklagte macht dazu im Schreiben vom 21.04.1999 geltend, die von der Klägerin geführte Haushaltung habe nicht den Charakter einer landwirtschaftlichen Haushaltung.

Die Klägerin stellt den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 23.07.1998 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.05.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.1995 zu verurteilen, ihr Leistungen aufgrund des Unfalles vom 30.12.1993 zu erbringen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes werden auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII in Verbindung mit § 580 RVO).

Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg ist nicht zu beanstanden. Zur Überzeugung des Senats ist nicht erwiesen, dass die Klägerin am 30.12.1993 in einem landwirtschaftlichen Haushalt eine versicherte Tätigkeit verrichtet, dabei einen Arbeitsunfall erlitten und daher Anspruch auf Gewährung von Entschädigungsleistungen (§§ 548 Abs.1, 539, 540 und 543 bis 545 RVO) hat.

Gemäß § 777 Nr.1 RVO gilt als Teil des landwirtschaftlichen Unternehmens (§ 776 Abs.1 Nr.1 RVO) auch die Haushaltung, wenn sie dem Unternehmen wesentlich dient. Dabei umfasst der Begriff Haushaltung nicht nur die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinn, sondern auch jede sonstige häusliche Tätigkeit, die in innerer Beziehung zu der Haushaltung steht, sowie Betätigungen, die zum Nutzen der Haushaltsangehörigen vorgenommen werden (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, § 777 Anm.4). Eine Haushaltung dient dem landwirtschaftlichen Unternehmen dann wesentlich, wenn der Haushalt auf den landwirtschaftlichen Betrieb hin ausgerichtet ist, der Betrieb also der Haushaltung das Gepräge gibt und damit zwischen landwirtschaftlichem Unternehmen und Haushalt eine unmittelbare enge Verknüpfung besteht.

Zwar ist der Ehemann der Klägerin Landwirt, und die Klägerin wäre bei einer Tätigkeit im Rahmen des Unternehmens gemäß § 539 Abs.1 Nr.5 RVO versichert. Was aber die Angaben der Klägerin zum Unfallhergang betrifft, hat sie selbst deutlich unterschiedliche Angaben gemacht, die zu erheblichen Zweifeln an ihrer Glaubwürdigkeit führen. So hat sie zunächst angegeben, sie sei am 30.12.1993 für die Landwirtschaft des Sohnes tätig gewesen, dann erklärte sie, es habe sich um die eigene Landwirtschaft gehandelt. Sie habe das Essen für sich und ihren Ehemann zubereitet. Weitere Personen gehörten nicht zum Haushalt. Im Widerspruch machte sie geltend, sie habe aushilfsweise das Mittagessen für die im Haushalt lebenden Kinder A ... und G ... zubereitet. In der Klagebegründung führte sie dagegen aus, das Essen sei für ihre Söhne A ... und J ... zubereitet worden, für die sie regelmäßig den Haushalt führe. Mit Schreiben vom 22.07.1998 machte sie schließlich geltend, das Essen sei für ihren Mann und ihre Kinder A ... und G ... zubereitet worden, wie es auch sonst überwiegend der Fall sei. Erstmals im Berufungsverfahren gab die Klägerin dann an, sie sei überwiegend in der Land- und Gastwirtschaft tätig gewesen und habe am 30.12.1993 das Essen für ihren Ehemann, G ... und A ... sowie für zwei Gäste der Gastwirtschaft zubereiten wollen. Bei Abwägung der Gesamtumstände ist im Hinblick auf die widersprüchlichen Angaben nicht erwiesen, dass die Klägerin für den landwirtschaftlichen Haushalt des Ehemanns tätig war.

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Klägerin im Haushalt für ihren Ehemann tätig geworden wäre, so handelte es sich doch nicht um eine versicherte Tätigkeit, da der Haushalt nicht landwirtschaftlich geprägt war.

Bei einem forstwirtschaftlichen Betrieb von 1,37 ha kann trotz des engen örtlichen Zusammenhangs nicht davon ausgegangen werden, dass die Haushaltung wesentlich dem Unternehmen diente. Es handelte sich hier um einen Haushalt, wie er auch sonst unabhängig von einem landwirtschaftlichen Betrieb besteht.

Wenn im landwirtschaftlichen Betrieb Großvieh gehalten und in der Hauptsache mit den Erzeugnissen des eigenen Bodens gefüttert wird, kann der Haushalt dadurch ein landwirtschaftliches Gepräge erhalten. Denn dann sind Betriebsarbeiten in größerem Umfang und über das ganze Jahr zu leisten. Wenn die damit befassten Personen in der Haushaltung versorgt werden, ist dieser wesentlich auf den Betrieb zugeschnitten und für ihn von Bedeutung (vgl. RVA in EUM 50, 23 a; Boller, Die Sozialversicherung 1967 S.110 ff.; BayLSG, Urteil vom 29.01.1980, Breithaupt 1980 S.664 ff.). Dies war hier aber nicht der Fall. Der Ehemann der Klägerin hat kein Großvieh, sondern lediglich zehn Enten gehalten. Die Verwertung der Erzeugnisse einer so kleinen Landwirtschaft dient höchstens der Verbesserung und Verbilligung der Lebenshaltung, ohne dass der Haushalt dadurch ein landwirtschaftliches Gepräge erhalten würde (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, § 777 Anm.1).

Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die Klägerin am Unfalltag die Mahlzeit für ihre Kinder zubereiten wollte. Denn hierzu hat sie, wie oben dargestellt, im Laufe des Verfahrens widersprüchliche Angaben gemacht. Die Tätigkeit für die Gastwirtschaft des Sohnes A ... hat die Klägerin erstmals im Schreiben vom 20.03.1999, also mehr als fünf Jahre nach dem Unfall angegeben. Im Hinblick auf die Gesamtumstände hält es der Senat nicht für erwiesen, dass die Klägerin wie eine Versicherte für die Kinder tätig war (§ 539 Abs.2 RVO). Die Nichterweislichkeit dieser anspruchsbegründenden Tatsache geht nach dem in der Sozialgerichtsbarkeit geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin.

Aber selbst wenn man davon ausginge, dass die Klägerin tatsächlich auch für ihre Kinder A ..., J ... und G ... gekocht hat, so handelte es sich um eine Gefälligkeitshandlung, die nicht versichert war, da sie von den familiären Beziehungen zwischen der Klägerin und ihren Kindern geprägt war. Je enger eine Gemeinschaft ist, umso größer ist im allgemeinen der Rahmen, innerhalb dessen eine Tätigkeit ihr Gepräge aus dieser Gemeinschaft erhält. Wichtig sind insbesondere Art, Umfang und Zeitdauer der verrichteten Tätigkeiten einerseits sowie die Stärke der tatsächlichen verwandtschaftlichen Beziehungen andererseits (vgl. Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd.2, 1996, § 14 Rdnr.67 m.w.N.). Das Zubereiten des Mittagessens für die erwachsenen Kinder gleichzeitig mit der Zubereitung der eigenen Mahlzeit ist eine normale und selbstverständliche Gefälligkeit im Familienverbund.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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