L 2 U 386/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 5021/95 L
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 386/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der die Annahme eines Arbeitsunfalls begründend Sachverhalt muss in
vollem Umfang bewiesen sein. Dies gilt sowohl für das Unfallgeschehen selbst
als auch für den inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Stehen
für den Nachweis nur die Angaben des Klägers zur Verfügung und lässt sich
darauf die Überzeugung des Gerichts nicht gründen, weil die Angaben
unterschiedlich und einander widersprüchlich sind, kann ein Arbeitsunfall
nicht angenommen werden.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 30.07.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls und um die Entschädigung für dessen Folgen.

Der Kläger war zum maßgeblichen Zeitpunkt als Nebenerwerbslandwirt mit einer landwirtschaftlichen Fläche von 0,52 Hektar tätig und hielt nach seinen Angaben zu diesem Zeitpunkt auch 3 Mastschweine, 24 Hennen und 10 Enten. Er war im Hauptberuf als Bäcker tätig, seine Ehefrau als Näherin.

Er wurde ab Herbst 1993 wegen einer Bizepssehnenruptur rechts sowie einer Rotatorenmanschettenläsion rechts behandelt. Über den Tag, den Ort und den genaueren Hergang des vom Kläger als Ursache geltend gemachten Unfalles liegen unterschiedliche Angaben vor. Nach einem Befundbericht des behandelnden Arztes Dr.R ..., A ..., vom 07.05.1995 suchte der Kläger den Arzt erstmals am 10.09.1993 auf und klagte über Beweglichkeitseinschränkung und Schmerzen an der rechten Schulter. Am 24.02.1997 stellte der Arzt dem Kläger eine ärztliche Bescheinigung aus, wonach dieser am 10.09.1993 eine Bizepssehnenruptur rechts erlitten habe. Nach Angaben des Patienten sei ihm beim Baumschneiden im eigenen Wald ein größerer Ast auf die rechte Schulter gefallen. Nach diesem Ereignis seien anhaltende Schmerzen an der rechten Schulter aufgetreten. Beschwerden an der rechten Schulter hätten bei Zustand nach Bizepssehnenruptur seit 1987 intermittierend bestanden, nicht jedoch in dem Ausmaß wie nach dem traumatischen Ereignis im September 1993. Die Verletzung sei einwandfrei auf den Schlag mit dem Holzstamm zurückzuführen. Am 12.10.1993 begab sich der Kläger in die chirurgische ambulante Behandlung im Klinikum P ... In einem Arztbrief des Prof.Dr.F ... vom 14.10.1993 an Dr.R ... ist ausgeführt, der Patient habe angegeben, er habe vor ca. vier Wochen beim Holzhacken einen plötzlich heftig stechenden Schmerz im Bereich der rechten Schulter und des rechten Oberarmes verspürt. Bereits seit längerer Zeit habe er immer wieder Schmerzen im Bereich der rechten Schulter. Es hätten sich ältere Hämatomverfärbungen nach mehrmaliger Punktion des Subakromialraumes gefunden, im Bereich des Muskulus deltoideus und am Trizeps fänden sich noch diffuse Indurationen mit älterer Hämatomverhärtung. Am 27.10.1993 begab sich der Kläger in die Sprechstunde zu Prof.Dr.F ... Dieser diagnostizierte eine Bizepssehnenreruptur bei Zustand nach Bizepssehnenruptur 1987. Ab diesem Tag war der Kläger arbeitsunfähig. Am 12.11.1993 fertigte Prof.Dr.F ... einen Durchgangsarztbericht und führte aus, der Kläger habe am 10.09.1993 um ca. 15.30 Uhr in der eigenen Landwirtschaft einen Unfall erlitten. Er sei mit Baumschneidearbeiten beschäftigt gewesen und habe einen kleineren Baumstammteil mit gebeugtem Unterarm, auf den Unterarmen liegend, aufgehoben. Er habe das Gewicht nicht halten können, es sei zu einem ruckartigen Entgleiten nach unten gekommen. In diesem Augenblick seien Schmerzen im rechten Oberarm aufgetreten. Der Kläger selbst fertigte am 15.11.1993 eine Unfallanzeige für die Beklagte und führte dort aus, im Hofraum sei ihm beim Holzabladen vom Hänger ein Baumstamm aus den Händen gerutscht. Damit er ihm nicht auf die Füße falle, habe er nachgegriffen und sich dabei am rechten Oberarm verletzt. Zeugen hierfür habe es keine gegeben. Der Unfall sei am 09.09.1993 gegen 15.00 Uhr geschehen. Auf Nachfrage der Beklagten führte der Kläger aus, eine Forstverwaltung habe ihm das Holz zur Abholzung bereit gestellt, es sei für landwirtschaftliche Zwecke, zum Beheizen des Kartoffeldämpfers, benötigt worden. Der Kläger wurde in der Folge auch im Klinikum M ... behandelt, die in einem Arztbrief vom 22.03.1994 an die Beklagte mitteilte, beim Kläger seien im Oktober des vorangegangenen Jahres bei Waldarbeiten beim Anheben eines schweren Baumstammes plötzlich einschießende Schmerzen in der rechten Schulter aufgetreten.

Die Beklagte holte ein Gutachten von dem Orthopäden Dr.D ..., Orthopädische Klinik S ..., vom 05.10.1994 ein, der den Kläger zum Unfallhergang befragte. Der Kläger gab an, dass er einen Baumstamm (Rundholz, ca. ein Meter lang, ca. ein Zentner schwer) auf einen Autoanhänger habe aufladen wollen. Dabei sei der bereits hochgehobene Baumstamm zurück gegen seinen Körper gerollt. Er habe den Baumstamm mit beiden Armen noch abfangen wollen, dabei habe er sofort einen stechenden Schmerz an der rechten Schulter verspürt. Beide Arme seien dabei am Körper angelegen, die Ellbogengelenke seien etwa rechtwinklig gebeugt gewesen, der Baumstamm sei ihm direkt auf beide gebeugten Unterarme gefallen. Nach der ersten Schulteroperation rechts 1987 sei er mit der rechten Schulter wieder ganz gut zurecht gekommen. Er habe zwar mehr aufgepasst, nicht mehr gehoben und getragen, ansonsten sei aber die Schulter bis zum nächsten Unfall eigentlich wieder beschwerdefrei gewesen. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, wesentliche Folgen des Unfalls vom 10.09.1993 könne er nicht mehr nachweisen. Die bestehenden deutlichen funktionellen Einbußen im Bereich des rechten Schultergelenkes erklärten sich durch unfallunabhängige vorbestehende degenerative Veränderungen im Bereich der Rotatorenmanschette und der langen Bizepssehne. Es müsse nach den Unterlagen von einer schon längere Zeit bestehenden degenerativen Ruptur der Rotatorenmanschette ausgegangen werden. Das Unfallereignis vom 10.09.1993 sei vom Mechanismus her keinesfalls geeignet, eine Ruptur der Rotatorenmanschette hervorzurufen. Allenfalls könnte das Ereignis die Reruptur der langen Bizepssehne begünstigt haben. Auch in diesem Zusammenhang sei aber nicht von einem adäquaten Unfallereignis, sondern lediglich von einem sogenannten Gelegenheitsanlass zu sprechen. Infolge der erlittenen Zerrung der rechten Schulter könne allenfalls eine Arbeitsunfähigkeit von etwa vier bis sechs Wochen angenommen werden.

Mit Bescheid vom 25.10.1994 lehnte die Beklagte einen Entschädigungsanspruch aus Anlass des Ereignisses vom 10.09.1993 ab. Das Abfangen des Baumstammes stelle nicht die Ursache des festgestellten Körperschadens dar, sondern sei nur die Gelegenheit gewesen, bei der die bereits bestehende Erkrankung durch Beschwerden in Erscheinung getreten sei. Der Körperschaden sei auf das angegebene Ereignis nicht zurückzuführen.

Den anschließenden Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.1995 als unbegründet zurück.

Mit seiner anschließenden Klage hat der Kläger beantragt, das Ereignis vom 10.09.1993 als Arbeitsunfall anzuerkennen und entsprechend zu entschädigen. Die nunmehr bestehenden Behinderungen seien dadurch verursacht, dass er beim Holzaufladen einen zurückrollenden Baumstamm habe auffangen wollen. Vor dem Unfall habe er in der rechten Schulter keinerlei Beschwerden verspürt. Er hat ein am 10.04.1995 von Prof.Dr.F ... für eine private Versicherung erstelltes Gutachten vorgelegt. Darin ist als Vorgeschichte wiedergegeben, bei Waldarbeiten sei dem Verletzten ein Baumstamm auf die rechte Schulter gestürzt. Der Kläger habe versucht, den Baumstamm mit gebeugtem Unterarm aufzufangen. Er habe anschließend starke Schmerzen im Bereich der rechten Schulter verspürt. Die derzeit bestehenden Zustände an der rechten Schulter seien eindeutig Folge des Unfalls vom Oktober 1993. Hierzu hat die beratende Ärztin der Beklagten ausgeführt, es werde in dem Gutachten nicht darauf eingegangen, wie bei dem beschriebenen Unfallereignis die Ruptur der rechten Rotatorenmanschette zustandegekommen sein solle. Es sei ja keinerlei Zug oder Verdrehung des Armes nach hinten oder oben zustandegekommen, sondern nur ein Druck auf den angewinkelten Arm nach vorne. Dabei reiße eine intakte Rotatorenmanschette nach allgemeiner wissenschaftlicher Lehrmeinung nicht. Der Kläger hat ferner eine ärztliche Bescheinigung eines Assistenzarztes des Prof.Dr.F ... vom 11.02.1997 vorgelegt, wonach in dem Gutachten die Auffassung vertreten worden sei, der jetzige Zustand sei eindeutig eine Folge des Unfalles. Als Unfallvorgang wird darin angegeben, der Kläger sei am 10.09.1993 mit Baumschneidearbeiten beschäftigt gewesen. Dabei habe er einen Baumstammanteil aufgehoben. Aufgrund des Gewichtes habe er den Baumstamm nicht halten können und es sei zu einem ruckartigen Entgleiten nach unten gekommen. Hierzu und zu dem bereits genannten Attest des Dr.R ... hat die beratende Ärztin der Beklagten ausgeführt, es seien nun neue Varianten des Unfalles gegeben worden, aber auch diese seien nicht geeignet gewesen, die Schulterverletzung hervorzurufen.

Vom Gericht auf die unterschiedlichen Darstellungen angesprochen, hat der Kläger mitteilen lassen, er habe sich die Verletzung beim Holzabladen von einem Autoanhänger zugezogen. Dass die Verletzung bei Baumschneidearbeiten bzw. beim Holzaufladen passiert sei, habe er nie ausgesagt. Die abweichenden Darstellungen des Unfallherganges seien auf seine Schwerhörigkeit zurückzuführen, die bewirke, dass er seine Gesprächspartner oft nicht bzw. falsch verstehe. Bei einer Befragung durch das Sozialgericht hat der Kläger angegeben, er habe an dem betreffenden Tag Holz nach Hause gefahren. Es habe sich dabei jeweils um die Baumspitzen und den unteren Teil des Baumes gehandelt, die vom Eigentümer des Waldes nicht benötigt worden seien. Beim Holzabladen habe er gerade einen Rundling ablegen wollen, den er schon halbwegs weggelegt gehabt habe, als ihm plötzlich vom Wagen herunter ein anderer Rundling auf die rechte Schulter gefallen sei. Dabei habe er einen heftigen Schmerz in der rechten Schulter verspürt und den Rundling aus der Hand fallen lassen, weil er den anderen, der ihm auf die Schulter gefallen sei, habe auffangen wollen, was er aber dann wegen der Schmerzen nicht mehr gekonnt habe.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung von Unterlagen und Einholung von Befundberichten und Krankenkassenauskünften. Aus der Auskunft der für den Kläger zuständigen AOK ergibt sich eine Arbeitsunfähigkeit ab 27.10.1993. Der Kläger wurde wegen seiner andauernden Arbeitsunfähigkeit unter anderem vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen am 11.02.1994 untersucht. Dort ist in der Anamnese wiedergegeben, der Versicherte habe sich im September 1993 beim Holzhacken einen Muskelfaserriss zugezogen.

Das Sozialgericht hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von dem Chirurgen Dr.L ..., Städtisches Krankenhaus M ..., vom 18.05.1998. Im Hinblick auf die bisherigen unterschiedlichen Darstellungen und wegen seiner Zweifel, dass die Schwerhörigkeit des Klägers zu falschen Unfallschilderungen der Gesprächspartner habe führen können, hat der Sachverständige den Kläger erneut zum Unfallhergang befragt. Dieser habe mitgeteilt, ein Rundling sei ihm auf die rechte Schulter gefallen und zwar von oben hinten. Er habe sofort einen heftigen Schmerz in der rechten Schulter verspürt und dabei einen anderen Rundling, den er in der Hand gehalten habe, fallengelassen. Zusammenfassend kommt der Sachverständige nach Erörterung aller bisherigen Untersuchungs- und Gutachtensergebnisse zu dem Ergebnis, als Folge des Unfalls könne schlichtweg von einer Schulterprellung rechts ausgegangen werden, welche erfahrungsgemäß eine Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von 14 Tagen beinhalte. Die vom Kläger vorgebrachten subjektiven Beschwerden einschließlich des erheblichen Funktionsdefizits, an dessen Ausmaß Zweifel angemeldet werden müssten, seien nicht Folge des Unfalls. Eine MdE liege nicht vor.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das Sozialgericht ein Gutachten von dem Chirurgen Privatdozent Dr.B ..., M ..., vom 18.05.1999 eingeholt. Dort hat der Kläger zum Unfallereignis angegeben, er habe Rundlinge abgeladen. Sie seien unterschiedlich dick und groß gewesen, er könne sich nicht mehr genau erinnern, wie groß sie gewesen seien, jedoch etwa einen Meter lang. Einer dieser Rundlinge sei nachgerutscht und direkt auf die rechte Schulter gefallen. Der Arm habe so weh getan, dass er sich nicht mehr richtig habe bewegen können und nicht mehr weitergearbeitet habe. Am nächsten Tag sei er zum Hausarzt gegangen, der ihn wegen einer Schleimbeutelbeteiligung behandelt habe. Die Schulter sei deutlich blutunterlaufen gewesen. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, der positive Unfallzusammenhang zwischen dem Ereignis und den Gesundheitsstörungen gelinge nur, wenn der Aussage des Verletzten ausreichend Glauben geschenkt werde. Bei ursächlichem Zusammenhang müsse eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit vom 10.09.1993 für 18 Monate angenommen werden. Die unfallbedingte MdE betrage von da ab bis 28.02.1996 25 v.H., ab dann 20 v.H. Wenn die Annahme berechtigt sei, dass der betreffende Rundling einen Zentner wiege und auch nur aus einer Höhe von einem Meter direkt auf das rechte Schultergelenk gestürzt sei, so entspreche dies einer erheblichen direkten Gewalteinwirkung, die durchaus in der Lage sei, bei entsprechender Schlagrichtung den Oberarmkopf entweder zu zertrümmern bzw. durch direkte Gewalteinwirkung aus seiner Gelenkverbindung herauszudrängen. Das Trauma sei dann durchaus in der Lage, eine Rotatorenmanschettenläsion herbeizuführen. Für die Richtigkeit der Annahme eines direkten Traumas möge auch sprechen, dass bereits in den ersten Unfallaufnahmen ältere Hämatomreste auch am Muskulus deltoideus bzw. an den hinteren Oberarmpartien nachgewiesen worden seien. Ein degenerativer Rotatorenmanschettenschaden habe vor dem Unfallereignis sicher vorgelegen. Weiterhin habe eine beschränkte Belastungsfähigkeit bei Überkopfarbeiten bestanden, jedoch keine funktionelle Einschränkung wie nach dem Unfall. Die Rekonstruktion der Rotatorenmanschette habe nicht mehr adäquat herbeigeführt werden können. Demnach habe der ausgeprägte Rotatorenmanschettendefekt nicht sehr lange bestanden können. Die klinische Anamnese spreche daher auch für die Entstehung des Defektes beim Unfall vom 10.09.1993. Ein alltäglich vorkommendes Ereignis im gutachterlichen Sinne hätte keinen derartigen Rotatorendefekt verursachen können.

Das Sozialgericht hat hierzu eine gutachterliche Stellungnahme des Dr.L ... vom 28.06.1999 eingeholt. Dieser führt im Wesentlichen aus, bei der Rotatorenmanschettenruptur sei die Regel die Degeneration, die Verletzung die Ausnahme, welche es zu beweisen gelte. Eine isolierte Verletzung der Rotatorenmanschette gebe es nicht. Frische Zerreißungsbefunde gingen regelhaft einher mit einer Begleitverletzung, insbesondere nach einer Subluxation oder Luxation des Schultergelenkes. Die so häufig angeschuldigte direkte Gewalteinwendung könne nicht das schützende knöcherne Schulterdach oder/und die kräftige Deltamuskulatur schadlos überspringen, um in der Tiefe eine isoliere Zerreißung der Rotatorenmanschette zu bewältigen. Der Sachverständige stellt die Darstellung des Klägers über die Primärverletzung und deren Verursachung dem Bericht des behandelnden Arztes Dr.R ... gegenüber. Nach Erörterung der einzelnen gutachterlichen Feststellungen des Dr.B ... führt Dr.L ... aus, Dr.B ... habe klargestellt, dass Verletzungen im Sinne einer Luxation, Subluxation oder knöchernen Verletzung des Oberarmkopfes ausgeschlossen seien. Er habe selbst bei den Röntgenaufnahmen vom Oktober 1993 ein zentriertes Schultergelenk beschrieben. Nach dem operativen Werdegang sei 1999 schlichtweg eine Dezentrierung des Oberarmkopfes zu erwarten gewesen. Infolgedessen sei der Rückschluss auf eine Entstehung des Rotatorenmanschettendefektes am 10.09.1993 völlig unverständlich. Zusammenfassend sei das Gutachten des Dr.B ... in keiner Weise geeignet, eine MdE um 20 v.H. zu begründen.

Mit Urteil vom 30. Juli 1999 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, der Unfall habe sich so abgespielt, wie vom Kläger in der Anhörung geschildert. Diese Darstellung stimme auch mit der des Dr.R ... überein, weil auch er eine direkte Gewalteinwirkung auf die Schulter beschrieben habe. In der weiteren Begründung stützte sich das Sozialgericht auf die Gutachten des Dr.L ... und folgte dem Gutachten des Dr.B ... aus den von Dr.L ... dargestellten Gründen nicht.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und stützt sich auf das Gutachten des Dr.B ...

Er beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 30.07.1999 und den Bescheid der Beklagten vom 25.10.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.01.1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 10.09.1993 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist nunmehr der Ansicht, der Kläger sei nicht erwiesenermaßen bei der betreffenden Tätigkeit unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Die Gewinnung des Holzes sei nicht im wesentlichen inneren Zusammenhang mit der Landwirtschaft geschehen und der Haushalt des Klägers sei nicht wesentlich durch die Landwirtschaft geprägt gewesen.

Der Kläger hat hierzu vorgetragen, die Viehhaltung habe überwiegend dem Verkauf gedient und das Holz habe zum Beheizen eines Dämpfers bzw. Kessels zum Kochen von Viehfutter gedient. Er vorgelegt, wonach seiner Kenntnis nach Dr.B ... bei der Operation Gewebe entnommen habe, die eindeutig Zeichen einer traumatischen Zerreißung gezeigt hätten.

Mit Schreiben vom 18.07.2000 hat der Senat den Kläger darauf hingewiesen, dass das Vorliegen eines Arbeitsunfalles möglicherweise aus Mangel an entsprechenden Beweisen verneint werden könnte.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts Landshut in dem vorangegangenen Klageverfahren sowie in dem Verfahren S 13 Vs 476/94. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn der Kläger hat nicht erwiesenermaßen einen Arbeitsunfall erlitten und deshalb auch keinen Anspruch auf gesetzliche Leistungen.

Die Entscheidung des Rechtsstreits richtet sich auch im Berufungsverfahren nach den Vorschriften der RVO, da ein Unfall vor dem 01.01.1997 geltend gemacht wird (§ 212 SGB VII).

Arbeitsunfall ist nach § 548 Abs.1 RVO ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Für die Annahme, dass sich der Unfall bei der versicherten Tätigkeit ereignet hat, ist in der Regel erforderlich, dass das Verhalten beim Unfall einerseits zur versicherten Tätigkeit zu rechnen ist und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der Betriebstätigkeit bestehen, die es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr.21). Dabei bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises dergestalt, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSGE 45, 285, 286). Dies betrifft in erster Linie den Unfallvorgang selbst. Der die Annahme eines Arbeitsunfalles begründende Sachverhalt muss in vollem Umfang bewiesen sein. Dies gilt sowohl für das Unfallgeschehen selbst als auch für den inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Das Ergebnis der Beweisaufnahme ist im vorliegenden Fall nicht geeignet, den notwendigen Nachweis für den Unfall und dessen Ablauf zu führen. Für den Nachweis des Unfallgeschehens stehen lediglich die Angaben des Klägers zur Verfügung, nachdem der Unfall selbst angeblich ohne Zeugen geschehen ist. Auf die Angaben des Klägers selbst kann jedoch keine Überzeugung des Gerichts zu seinen Gunsten gegründet werden. Der Kläger hat zum Unfallgeschehen unterschiedliche, einander widersprechende Angaben gemacht. Die Erklärungen zu diesen unterschiedlichen Angaben sind nicht so überzeugend, dass der Senat eine der Schilderungen des Klägers als beweiskräftig zugrunde liegen könnte. Zunächst ist unklar, wann der Unfall geschehen sein soll. Der Kläger gibt nunmehr als Unfalltag den 10.09.1993 an. Dies widerspricht jedoch seiner Unfallanzeige vom 15.11.1993, wonach der Unfall am 09.09.1993 geschehen wäre. Es widerspricht auch der Angabe, dass er am Tag nach dem Unfall seinen behandelnden Hausarzt Dr.R ... aufgesucht hätte. Nach dessen Bericht und Attest ist der Kläger dort erstmals am 10.09.1993 behandelt worden. Widersprüchlich sind ferner die Angaben zum Unfallort. Nach dem Durchgangsarztbericht und dem Attest des Dr.R ... wäre der Unfall beim Baumschneiden im Wald geschehen, nach den übrigen Angaben geschah er im Hofraum. Auch zum Unfallgeschehen selbst existieren im Verwaltungs- und Klageverfahren unterschiedliche Angaben. So ist nicht mehr klar, ob der Unfall nun beim Abladen oder beim Aufladen geschehen ist. Widersprüchliche Angaben bestehen auch dahin, ob dem Kläger ein Rundling entglitten ist oder ein weiterer Rundling auf ihn zugerollt ist. Des Weiteren bestehen widersprüchliche Angaben zu der Frage, ob ihm der betreffende Rundling auf die Arme oder die rechte Schulter gefallen ist. Eine weitere, beim erstmaligen Aufsuchen des Klinikums P ... festgehaltene Unfallvariante ist das Auftreten eines Schmerzes im rechten Oberarm beim Holzhacken. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die ärztliche Bescheinigung des Dr.R ..., der ursprünglich keinen Unfall gemeldet hatte und in dem betreffenden Attest einerseits vom Fallen eines größeren Astes auf die rechte Schulter spricht und andererseits von einem Schlag mit dem Holzstamm. Hier mischen sich nach Überzeugung des Senats bereits die im Laufe der Zeit gegebenen unterschiedlichen Darstellungen des Klägers. Eine nachvollziehbare Erklärung für diese unterschiedlichen Angaben hat der Kläger nicht gegeben, sie ist auch nicht ersichtlich. Wie bereits der Sachverständige Dr.L ... geäußert hat, erklärt die Schwerhörigkeit des Klägers nicht, dass seine Gesprächspartner eine solche Reihe unterschiedlicher Sachverhaltsdarstellungen verstanden hätten. Schließlich waren nicht die Gesprächspartner schwerhörig. Ins Gewicht fällt in diesem Zusammenhang besonders, dass der Kläger im Widerspruchsverfahren die Untersuchung durch Dr.D ... und dessen Ergebnis gerügt hat, nicht jedoch dessen Wiedergabe des Unfallvorgangs aufgrund seiner eigenen Angaben. Er hat im Gegenteil in der Klageschrift die betreffende Unfallschilderung wiederholt. Ein bestimmtes Unfallgeschehen kann deshalb nicht zugunsten des Klägers als bewiesen angesehen werden.

Es ist auch keine Wahlfeststellung dergestalt möglich, dass nur solche Sachverhaltsgestaltungen in Betracht kämen, die jeweils Versicherungsschutz begründen würden.

Nach den auch im Unfallrecht geltenden Regeln der sogenannten Wahlfeststellung ist Versicherungsschutz zu bejahen, wenn der Unfallverlauf ungeklärt bleibt und naturgemäß mehrere theoretische Möglichkeiten offen stehen, alle denkbaren Unfallverläufe und Zusammenhänge jedoch zu dem Ergebnis führen, dass Versicherungsschutz zu bejahen ist, weil die versicherte Tätigkeit in jedem denkbaren Falle eine rechtlich wesentliche Ursache für den Unfall gewesen ist (BSG SozR 2200 § 548 Nr.84). Im vorliegenden Fall sind sowohl der unfallbringende Vorgang selbst, als auch der für den Begriff des Unfalls notwendige Eintritt einer Gesundheitsstörung offen. Auch wenn dem Gutachten des Privatdozenten Dr.B ... zu folgen wäre, ergäbe die Beweisaufnahme, dass nur der von ihm zugrunde gelegte Unfallhergang geeignet gewesen wäre, die geltend gemachten Gesundheitsstörungen als Unfallfolge anzusehen. Wegen der notwendigen Abgrenzung von beim Kläger erwiesenermaßen vorhandenen Vorschäden und der Eignung nur eines bestimmten Unfallmechanismus für den Eintritt einer Gesundheitsstörung muss der entsprechende Geschehensverlauf bewiesen sein, und es genügt nicht jede vom Kläger gemachte Angabe als mögliche Unfallalternative. Dieser Gesichtspunkt gilt auch für die Annahme eines Arbeitsunfalles dem Grunde nach. Hierfür würde bei einem wesentlichen inneren Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit jedwede, auch geringfügige Gesundheitsstörung ausreichen, also gegebenenfalls eine leichte Prellung oder Zerrung. Auch insoweit bestehen jedoch Bedenken gegen die Angaben des Klägers. Ein Unfall ist zunächst gar nicht von ihm gemeldet worden und beim erstmaligen Aufsuchen der Ambulanz im Klinikum P ... hat er angegeben, dass er bereits seit längerem Schmerzen im Bereich der rechten Schulter spüre. Dies spricht für einen bereits längere Zeit andauernden Schmerzzustand, dem nachträglich eine bestimmte Arbeitsverrichtung zugeordnet wurde.

Die Berufung kann deshalb keinen Erfolg haben.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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