L 2 U 38/96

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 5016/95.L
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 38/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Kann nach Art.2 Abs.2 der 2. VO zur Änderung der BKVO vom 18.12.1992 eine Berufskrankheit nur dann anerkannt werden, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten ist, kann die Erkrankung auch nicht gemäß § 551 Abs.2 RVO entschädigt werden.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 08.11.1995 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am ...1927 geborene Kläger beantragte am 07.09.1993 die Anerkennung einer Berufskrankheit im Sinne der Nrn.2108 bis 2110 der Anlage 1) zur Berufskrankheitenverordnung.

Der Chirurg Dr ... erklärte in der ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit vom 17.02.1994, der Kläger klage über ständige Rückenschmerzen. Bei Vergleich der im September 1993 gefertigten Röntgenaufnahmen mit den Voraufnahmen zeige sich, dass im Zeitraum von 1986 bis heute die degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule in altersgemäßem Umfang zugenommen hätten. Eine berufsbedingte oder richtunggebende Verschlimmerung sei nicht zu erkennen.

In einem Attest vom 27.04.1987 bestätigte der Orthopäde Dr ..., der Kläger sei in seiner Leistungsfähigkeit als Landwirt bereits so weitgehend eingeschränkt, dass Erwerbsunfähigkeit angenommen werden müsse. Bereits in einem Attest vom 18.04.1985 hatte Dr ... die Auffassung vertreten, durch die vielfältigen Verschleißschäden an der Wirbelsäule und den Extremitätengelenken sei Erwerbsunfähigkeit gegeben.

Im Gutachten für die Landwirtschaftliche Alterskasse (LAK) Schwaben vom 26.05.1987 führte der Orthopäde Dr ... aus, der Kläger sei wegen der Aufbraucherscheinungen in den Hüftgelenken nicht mehr in der Lage, regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Mit Bescheid vom 16.09.1987 gewährte die LAK Schwaben vorzeitiges Altersgeld gemäß § 2 Abs.2 GAL ab 01.04. 1987. Die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens sei zum 30.03.1987 erfolgt.

Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen der Universitätsklinik Ulm aus den Jahren 1987, 1988 und 1989 sowie der Reha-Kliniken Bad Füssing vom 11.10.1993 und des Kreiskrankenhauses Rottenburg-Laber vom 14.05.1993 holte die Beklagte eine Stellungnahme des Orthopäden Dr ... vom 13.09.1994 ein, der ausführte, nach den vorliegenden Befunden handele es sich um eine anlagebedingte Wirbelsäulenerkrankung, wobei es beim Vergleich der Röntgenaufnahmen von 1987 und 1993 nicht zu einer signifikanten Zunahme der Aufbraucherscheinungen an der Lendenwirbelsäule gekommen sei. Veränderungen im Sinne der Berufskrankheiten Nrn.2108 und 2110 der Anlage 1 zur BKVO seien nicht gesichert. Die Berufskrankheit Nr.2109 bedinge das ständige Tragen von Lasten über 40 bis 50 kg auf den Schultern, dies komme in der Landwirtschaft in der Regel nicht vor.

Der Arzt im gewerbeärztlichen Dienst Dr ... erklärte im Schreiben vom 18.10.1994, der Kläger leide an degenerativen Veränderungen der gesamten Wirbelsäule, einer Gonarthrose beidseits, Dysplasiecoxarthrose beidseits und an Schultergelenksarthrosen. Es handele sich um schicksalhafte Erkrankungen. Am 30.03.1987 sei die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens erfolgt. Schon aus diesem Grund könne die Anerkennung einer Berufskrankheit wegen der Stichtagsregelung abgelehnt werden.

Mit Bescheid vom 24.11.1994 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit ab. Eine zwingende versicherungsrechtliche Voraussetzung, nämlich die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeiten nach dem 31.03.1988, liege nicht vor. Im übrigen handele es sich um eine anlagebedingte Erkrankung, so dass die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Ziffern 2108 bis 2110 der Anlage 1 zur BKVO nicht erfüllt seien.

Den Widerspruch des Klägers vom 30.11.1994 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.1995 zurück.

Mit der Klage vom 22.03.1995 hat der Kläger eingewandt, der Versicherungs- bzw. Leistungsfall sei nach dem 31.03.1988 eingetreten. Weiter hat er auf die schwere körperliche Tätigkeit hingewiesen und eine Stellungnahme des Orthopäden Dr ... vom 16.08.1995 übersandt. Die Diagnose degenerativer Veränderungen am Achsenskelett sei beim Kläger gesichert. Zwar spielten auch altersbedingte Faktoren eine Rolle. Es seien aber keine Veränderungen nachweisbar, die als außerberufliche Ursache für bandscheibenbedingte Erkrankungen herangezogen werden könnten. Die Belastung im Sinne der Berufskrankheit 2108 sei beim Kläger, der mindestens 10 Jahre regelmäßig Lasten gehoben habe oder regelmäßig in extremer Rumpfbeugung gearbeitet habe, gegeben.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 28.09.1995 darauf hingewiesen, in der 2. Verordnung zur Änderung der Berufskrankheitenverordnung vom 18.12.1992 sei in Art.2 Abs.2 festgelegt, dass eine Berufskrankheit anerkannt werden könnte, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten sei. Die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit sei ein versicherungsrechtliches Merkmal, dessen Erfüllung Voraussetzung für den Eintritt eines Versicherungsfalles nach den Nrn.2108 und 2109 sei. Der Kläger habe seine landwirtschaftlichen Flächen mit Wirkung vom 30.03. 1987 verpachtet und die Landwirtschaft unzweifelhaft aufgegeben. Dies gehe aus dem Bescheid der LAK vom 16.09.1987 hervor. Der Versicherungsfall sei also vor dem 01.04.1988 eingetreten.

Dazu hat der Kläger mit Schreiben vom 25.10.1995 und 28.09.1995 vorgetragen, dass er seine berufliche Tätigkeit über den 30.03. 1987 hinaus fortgeführt habe. Er sei auch noch 1988 und 1989 beitragspflichtig zur LBG gewesen. Er habe zu Beginn der Verpachtung noch größere Vorräte gehabt, zudem habe er acht Rinder und sechs Schweine gehalten. Auf dem Gartengrundstück seien bis 1989 Rinder gehalten worden. Diese Erklärung ist von zwei weiteren Personen unterschrieben. Vorgelegt worden sind außerdem der Bescheid über die Beitragsumlage 1988 und eine Zahlungserinnerung vom 30.05.1988.

Mit Schreiben vom 08.11.1995 hat die Beklagte auf die Entscheidungen des BSG vom 25.08.1994 2 RU 42/93 und vom 19.01.1995, 2 RU 14/94 hingewiesen. Das nur gelegentliche Tätigwerden durch Arbeiten in der Freizeit ändere nichts an der tatsächlichen Aufgabe der Tätigkeit. Im Schreiben an die Beklagte vom 26.05. 1988 hatte der Kläger erklärt, seit 30.03.1987 seien alle Grundstücke außer seinem Garten von 0,6625 ha Größe verpachtet. Weiter hatte er mit Schreiben vom 22.06.1988 angegeben, er besitze 3.000 m² Obstgarten mit ca. 12 Obstbäumen mit einem Jahresertrag von 500 kg, der selbst verwertet werde. Im Garten wüchsen Brennnesseln, Unkraut und etwas Gras. Das gute Gras werde den Sommer über von zwei Rindern abgeweidet, das weniger gute weggeworfen.

Mit Urteil vom 08.11.1995 hat das SG die Klage abgewiesen. Eine berufsbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule könne erst aufgrund der in der Zweiten Änderungsverordnung vom 18.12.1992 eingefügten Nrn. 2108 und 2110 der Anlage 1 zur BKVO als Berufskrankheit anerkannt werden. Art.2 Abs.2 Satz 1 der Zweiten Änderungsverordnung bestimme ausdrücklich, dass nur dann eine Berufskrankheit auf Antrag anzuerkennen sei, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten sei. Der Kläger habe mit Wirkung vom 30.03.1987 das landwirtschaftliche Unternehmen aufgegeben. Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 1247 Abs.2 RVO sei ab 30.03.1987 gegeben gewesen. Durch die geltend gemachte Weiterführung der beruflichen Tätigkeit über den 30.03.1987 hinaus habe der Kläger die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen können. Anhaltspunkte, dass die Voraussetzungen der Nr.2110 hätten erfüllt werden können, lägen ebenfalls nicht vor. Dass der Kläger nach dem 30.03.1987 Ganzkörperschwingungen ausgesetzt gewesen sei, habe er selbst nicht vorgetragen. Die in Art.2 Abs.2 Satz 1 der Zweiten Änderungsverordnung enthaltene begrenzte Einbeziehung früherer Versicherungsfälle sei von der Ermächtigung des § 551 Abs.1 RVO gedeckt und auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Entschädigungsanspruch des Klägers lasse sich auch nicht aus § 551 Abs.2 RVO herleiten. Neue Erkenntnisse hätten beim Erlass der Änderungsverordnung noch nicht vorgelegen. Es sei im Übrigen nicht Sinn des § 551 Abs.2 RVO, eine ausreichende Rückwirkung noch zu erweitern. Auf die Frage, ob aus medizinischer Sicht die Voraussetzungen der Nr.2108 vorlägen, sei nicht einzugehen, da die Kammer einen Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 verneine.

Mit der Berufung vom 24.01.1996 macht der Kläger geltend, seine Lendenwirbelsäulenerkrankung beruhe auf langjährigem Heben und Tragen schwerer Lasten, langjähriger Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung sowie langjähriger Einwirkung von Ganzkörperschwingungen als Traktorfahrer. Dr ... sehe die medizinischen Voraussetzungen als erfüllt an. Zwar habe er die Landwirtschaft im Sinne des GAL bereits 1987 abgegeben. Da aber noch Futtervorräte vorhanden gewesen seien, bzw. ein kleineres Gartengrundstück, sei die Landwirtschaft in erlaubtem Umfang auch 1988 und 1989 weitergeführt und ein Beitrag zur LBG entrichtet worden. Er sei also vor dem 01.04.1988 noch nicht zur Unterlassung der belastenden Tätigkeiten gezwungen gewesen. Nicht hinreichend geklärt erscheine, ob bereits vor dem 01.04.1988 von einem Beginn der Krankheit gesprochen werden könne bzw. ob eine entsprechende MdE schon vorgelegen habe.

Der Kläger übersendet Schreiben von Frau ..., sie habe ihm am 12.05.1988 sechs Jungrinder geliefert, ebenso von der Firma ..., dem Kläger seien am 18.05.1989 sechs Jungrinder geliefert worden sowie eine Bestätigung von Frau ..., dass im Gartengrundstück des Klägers 1988 und 1989 den Sommer über 5 bis 6 Rinder geweidet hätten.

Der Kläger stellt den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 08.11.1995 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.11.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.1995 zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr.2108 und 2110 der Anlage 1 zur BKVO anzuerkennen und ab Antrag Verletztenrente dem Grunde nach zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 08.11.1995 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII i.V.m. § 580 RVO).

Gemäß § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt eines Arbeitsunfalles Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften. Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 551 Abs.1 Satz 1 RVO auch eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind nach § 551 Abs.1 Satz 2 RVO die Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet.

Der Kläger begehrt die Entschädigung einer Berufskrankheit im Sinne von Nr.2108 und 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO). Die Anspruchsvoraussetzungen sind aber nicht erfüllt. Die Nummern 2108 und 2110 wurden durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Berufskrankheitenverordnung vom 18.12.1992 in die BKVO eingefügt. Die Verordnung trat am 01.01. 1993 in Kraft. Gemäß Art.2 Abs.2 Satz 1 der Änderungsverordnung ist eine Berufskrankheit auf Antrag anzuerkennen, wenn bei einem Versicherten, der bei Inkrafttreten dieser Verordnung an einer Krankheit leidet, die erst aufgrund dieser Verordnung als Berufskrankheit im Sinne des § 551 Abs.1 RVO anerkannt werden kann, der Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten ist (2.Verordnung zur Änderung der Berufskrankheitenverordnung vom 18.12.1992 BGBl.I S.2343). Dieser Artikel ist zwar am 01.12. 1997 außer Kraft getreten (vgl. Berufskrankheitenverordnung vom 31.10.1997 BGBl. 1997 Teil I S.26, 23), wurde aber gleichzeitig durch § 6 Abs.2 der BKV vom 31.10.1997 mit Wirkung vom 01.12. 1997 (§ 8 Abs.1 BKV) wieder eingeführt: Hat ein Versicherter am 01.01.1993 an einer Krankheit gelitten, die erst aufgrund der Zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheitenverordnung vom 18.12.1992 als Berufskrankheit anerkannt werden kann, ist die Krankheit auf Antrag als Berufskrankheit anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten ist.

Die Rückwirkungsregelung verstößt nicht gegen verfassungsrechtliche Normen. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art.3 Grundgesetz vor. Im allgemeinen bleibt es dem Gesetzgeber überlassen, neu eingeführte Leistungsverbesserungen nicht beliebig weit auf abgeschlossene, in der Vergangenheit liegende Sachverhalte auszudehnen. (BSG vom 19.01.1995, 2 RU 14/94). Sogar ein völliger Ausschluß der Rückwirkung wird nicht als Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art.3 Grundgesetz angesehen. Allerdings kann im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip in Art.20 Abs.1 Grundgesetz eine rückwirkende Gewährung von Leistungen in gewissen Grenzen bei Erkrankungen sogar geboten sein, wenn sich aufgrund neuer Erkenntnisse der ärztlichen Wissenschaft nachträglich herausstellt, dass sie auf berufliche Einwirkungen zurückzuführen sind. (BSG vom 30.06.1993, SozR 3-2200 § 551 RVO Nr.3 m.w.N.; BSGE 22,63; BSGE 44, 90; BVerfGE 75, 108, 157; BSG vom 25.08.1994 SGb 1995, 347).

Der Versicherungsfall ist eingetreten, wenn sämtliche Tatbestandsmerkmale der Krankheit im Sinne des § 551 Abs.1 RVO i. V.m. der Anlage zur BKV erfüllt sind. (BSG vom 27.07.1989, SozR 2200 § 551 RVO Nr.35; BSG vom 04.07.1995 SozR 3-5679 Art.3 BKVO Änderungsverordnung 1988 Nr.2; Schulin, Unfallversicherungsrecht, § 35 RdNr.41). Denn unter dem Begriff Versicherungsfall ist nicht der Anspruch auf Entschädigung zu verstehen - dies ist erst beim Leistungsfall gegeben -, sondern wesentlich ist der Anspruch des Versicherten auf Anerkennung einer Berufskrankheit. Die Tatbestandsmerkmale der Nr.2108 und 2110 der Anlage zur BKVO liegen vor, wenn eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule gegeben ist, die durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung oder durch vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen entstanden ist und die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Beim Kläger sind aber bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule nicht nachgewiesen, da es sich einmal, wie Dr ... festgestellt hat, um nur geringgradige Verschleißerscheinungen handelt, zum anderen ein anlagebedingtes Wirbelgleiten am Übergang der Lendenwirbelsäule zum Kreuzbein vorliegt und zudem infolge des Zustandes nach künstlichem Hüftgelenkersatz mit Bewegungseinschränkungen in den Hüftgelenken eine Überlastung der kleinen Wirbelgelenke unterstellt werden kann. Darauf hat auch der Orthopäde Dr ... im Gutachten vom 13.09.1994 hingewiesen. Insofern können die Ausführungen von Dr ..., es sei keine außerberufliche Ursache für die bandscheibenbedingte Erkrankung erkennbar, nicht überzeugen. Denn einerseits spricht Dr ... selbst von altersbedingten Faktoren, andererseits hat Dr ... die Auswirkungen des Hüftgelenkersatzes auf die Wirbelgelenke erläutert.

Im Hinblick darauf, dass hier eine schicksalhafte Erkrankung abläuft, ist eine berufliche Verursachung nicht wahrscheinlich zu machen.

Daher kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger vor oder nach dem 31.03.1988 seine Landwirtschaft gänzlich - und damit auch die möglicherweise gefährdenden Tätigkeiten - aufgegeben hat.

Zweifel bezüglich einer Tätigkeit über den 30.03.1987 bleiben allerdings bestehen, insbesondere im Hinblick auf die widersprüchlichen Angaben des Klägers. So hat er gegenüber der Beklagten am 26.05.1988 ausgeführt, ihm blieben lediglich 0,133 ha Hoffläche und 0,6625 ha Garten mit 0,3 ha Obstgarten. Den Ertrag der 12 Obstbäume nutze er nur für den eigenen Bedarf und lasse im Übrigen von zwei Rindern das Gras abweiden. Im Berufungsverfahren legte er zwar Bestätigungen vor, nach denen ihm 1988 und 1989 sechs Rinder geliefert worden seien. Aber auch dies würde nicht unbedingt bedeuten, dass nicht die gefährdenden Tätigkeiten zum 31.03.1987 aufgegeben worden seien. Denn die Tätigkeiten, die rechtlich wesentlich für die Verursachung der Berufskrankheit sein könnten, also Heben und Tragen schwerer Lasten, Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung oder vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen wären beim Weidenlassen der Rinder nicht mehr erforderlich.

Die Rückwirkungsvorschrift des Art.2 Abs.2 der Zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheitenverordnung vom 18.12. 1992 bzw. des § 6 Abs.2 der Berufskrankheitenverordnung vom 31.10.1997 schließt auch aus, für alte Versicherungsfälle außerhalb des vorgeschriebenen Rückwirkungszeitraums eine Entschädigung gemäß § 551 Abs.2 RVO zuzusprechen (BSG vom 25.08. 1994 SGB 1995, 347). Denn die Ausschlußbestimmung verbietet es dem Träger der Unfallversicherung in Versicherungsfällen, die vor dem Stichtag eingetreten sind, nach § 551 Abs.2 RVO tätig zu werden (BSG a.a.O.).

Gemäß § 551 Abs.2 RVO sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist, oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 des § 551 RVO erfüllt sind. § 551 Abs.2 RVO berücksichtigt somit den Fall, dass der Verordnungsgeber wegen der mehrjährigen Intervalle zwischen den Anpassungen der BKVO an die neuen medizinisch wissenschaftlichen Erkenntisse nicht rechtzeitig tätig geworden ist. Ausdrücklich nur, wenn der Verordnungsgeber eine Krankheit nicht in der BKVO bezeichnet oder die dort bisher bestimmten einschränkenden Voraussetzungen noch nicht aufgehoben hat, räumt der Gesetzgeber in § 551 Abs.2 RVO dem Träger der Unfallversicherung das Recht und die Pflicht ein, im Einzelfall an Stelle des noch nicht tätig gewordenen Verordnungsgebers in zwei voneinander zu unterscheidenden Verfahrensschritten vorzugehen, nämlich zunächst festzustellen, ob nach neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Krankheit in die BKVO erfüllt sind und dann die betreffende Krankheit wie eine Berufskrankheit zu entschädigen (BSG vom 19.01.1995, 2 RU 14/94).

Weil der Verordnungsgeber im vorliegenden Fall die Wirbelsäulenerkrankung mit Wirkung vom 01.01.1993 in die BKVO aufgenommen hat, und gleichzeitig die Versicherungsfälle ausgeschlossen hat, die vor dem 01.04.1988 eingetreten sind, ist ein Anspruch des Klägers, seine Erkrankung zu entschädigen, auch nach § 551 Abs.2 RVO nicht gegeben. Denn § 551 Abs.2 RVO soll nicht die vom Verordnungsgeber ausreichend weit zurückreichende Rückwirkung noch erweitern. Dies würde dazu führen, dass der Unfallversicherungsträger an Stelle des Verordnungsgebers tätig würde (BSG a.a.O. BSGE 21, 296; Lauterbach, Unfallversicherung, § 551, Anm.11). Denn von der Rückwirkungsvorschrift werden auch die Fälle des § 551 Abs.2 RVO umfasst, da auch sie nur wie eine Berufskrankheit entschädigt, nicht aber als Berufskrankheit anerkannt werden dürfen. § 551 Abs.2 RVO ist keine Härteklausel, nach der nur deshalb zu entschädigen wäre, weil die Nichtentschädigung für den Betroffenen eine individuelle Härte bedeuten würde. Sie will auch nicht erreichen, dass jede Krankheit, deren ursächlicher Zusammenhang mit der Berufstätigkeit nachgewiesen oder hinreichend wahrscheinlich ist, wie eine Berufskrankheit entschädigt werden soll. Sie stellt vielmehr einen Kompromiss zwischen dem in § 551 Abs.1 RVO verankerten Listensystem und der Generalklausel dar (BSG vom 30.06.1993, SozR 2200 § 551 RVO Nr.3).

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 RVO liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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