L 2 U 428/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 41 U 632/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 428/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.06.1999 aufgehoben und die Klagen abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am ...1959 geborene Kläger suchte am 02.10.1995 Prof.Dr. Pf ... von der Staatlichen Orthopädischen Klinik M ... auf, der einen Verdacht auf Innenmeniskusläsion am linken Kniegelenk diagnostizierte. Der Kläger gab an, während eines Tanztrainings das Kniegelenk verdreht zu haben, ohne dass es zu einem Sturz gekommen sei. In der Unfallanzeige vom 10.10.1995 gab der Kläger an, während des Afro-Dance-Trainings, bei dem sich Hüfte und Knie schnell ein- und auswärts bewegten, sei es zu einem plötzlichen starken Schmerz im Kniegelenk mit sofortiger Bewegungsunfähigkeit gekommen

Am 04.10.1995 wurde in der Orthopädischen Klinik eine Athroskopie mit Innenmeniskushinterhornteilresektion und Knorpelshaving am medialen Femurkondylus durchgeführt. Am medialen Kompartment zeigte sich eine zweit- bis drittgradige Chondromalazie am medialen Femurcondylus. Der Innenmeniskus war am Hinterhorn im Sinne eines Korbhenkelrisses etwa 3 mm innerhalb der Randleiste gerissen. Der Korbhenkel wies deutliche degenerative Veränderungen auf. Das laterale Kompartment war mit Meniskus- und Knorpelbelag altersentsprechend unauffällig. Privatdozent Dr.N ... führte im pathologischen Gutachten vom 06.10.1995 aus, der Befund entspreche einem teilweise eingerissenen Faserknorpelanteil mit geringen degenerativen und reparativen Vorgängen.

Mit Bescheid vom 20.12.1995 gewährte die Beklagte dem Kläger einen Vorschuss in Höhe von 15.000,- DM unter dem Vorbehalt der Rückforderung.

Der beratende Arzt der Beklagten, der Chirurg Dr.B ..., erklärte in der Stellungnahme vom 15.02.1996, der Befund rechtfertige nicht die Annahme einer frischen Binnenverletzung. Es sei keine Ergussbildung gefunden worden, sondern ein degenerativ veränderter Innenmeniskus-Korbhenkelriss, der sich eingeklemmt habe, außerdem bis drittgradige Knorpelschäden an der medialen Oberschenkelrolle, d.h. in Nachbarschaft des alten Meniskusschadens. Es sei wahrscheinlich, das es bei dem Tanztraining völlig spontan zu einer Meniskuseinklemmung gekommen sei. Dies habe dem Kläger das Gefühl einer Verdrehung im Kniegelenk vermittelt.

Mit Bescheid vom 14.03.1996 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles sowie die Gewährung von Leistungen aus Anlass des Ereignisses vom 02.10.1995 ab.

Mit Widerspruch vom 29.03.1996 wandte der Kläger ein, es sei sofort ein Gelenkerguss vorhanden gewesen, dies weise eindeutig auf eine frische Verletzung hin. Die Verdrehung des Kniegelenks sei ein Arbeitsunfall.

Im Attest vom 28.12.1995 führte der Orthopäde Dr. L ... aus, am 11.10.1995 sei der Kläger beim Tanztraining gestürzt und habe sich das linke Knie verdreht. Es bestehe Verdacht auf Innenmeniskuskorbhenkelriss am linken Kniegelenk bei Kniegelenksdistorsion mit Gelenkerguss. Prof.Dr.R ... führte im Attest vom 24.04.1996 aus, der Kläger sei am 02.10.1996 beim Tanztraining gestürzt und habe sich dabei das linke Kniegelenk verdreht. Die Verletzung des Innenmeniskus sei sowohl makroskopisch als auch mikroskopisch wegen geringer degenerativer Veränderungen des Meniskus mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen.

Mit Widerspruchbescheid vom 07.08.1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Mit der Klage vom 05.09.1996 hat der Kläger geltend gemacht, während eines Afro-Tanztrainings habe er bei einer Drehung plötzlich sehr starke Schmerzen am linken Knie verspürt, die mit einer sofortigen Bewegungsunfähigkeit einhergegangen seien. Er sei zugleich gestürzt. Bei der von ihm vorgeführten Tanzfigur hätten die Hüfte und das Kniegelenk ein- und auswärts bewegt werden müssen. In dem Moment, als er eine Hebefigur eingeleitet habe, habe er sich das linke Knie verdreht.

Der Bericht der Orthopädischen Klinik vom 13.10.1995 über die stationäre Behandlung vom 03.10. bis 06.10.1995 enthält die Diagnose: Innenmeniskuskorbhenkelriss links, Chondromalazie Grad 2-3 medialer Femurcondylus. Der Patient berichte über ein Rotationstrauma des linken Kniegelenks beim Tanzen. Die Allgemeinärztin Dr. Grüner hat im Attest vom 03.05.1996 bestätigt, bis zum Zeitpunkt des akuten Kniegelenkstraumas seien keine Behandlungen des Kniegelenks erforderlich gewesen. Der Orthopäde Dr.L ... hat einen Bericht über eine Kernspintomographie des linken Kniegelenks vom 19.01.1996 übersandt mit der Beurteilung: wohl Zustand nach Meniskektomie medial, beginnende Gonathrose, Außenmeniskusläsion Grad IIa, Chondropathia patellae, beim Vergleich zum 16.11.1995 keine wesentliche Änderung.

Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.F ... hat im Gutachten vom 09.07.1997 zusammenfassend ausgeführt, ein geeigneter Unfallmechanismus sei nicht gegeben. Zwar sei der Oberschenkel gegen den Unterschenkel gedreht worden. Mit Sicherheit sei jedoch der Fuß nicht fixiert gewesen. Es könne auch nicht angenommen werden, dass der Kläger von einer plötzlichen Bewegung überrascht worden sei, da er die Bewegungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit geplant habe. Im Hinblick auf den Nachweis eindeutiger, bereits fortgeschrittener Verschleißerscheinungen im linken Kniegelenk könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Ereignis vom 02.10.1995 die Innenmeniskuszerreißung wenigstens wesentlich mitverursacht habe. Wesentliche Ursache der Rissbildung seien vorbestehende degenerative Veränderungen gewesen.

Der gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.L ... hat in den gutachtlichen Äußerungen vom 18.02.1998 und 12.03.1998 ausgeführt, er halte die Verletzungen des Innenmeniskus eindeutig für die Folge eines akuten einmaligen Ereignisses, wie es der Kläger angebe. Ein zum Zeitpunkt des Unfalls ursächlich einwirkendes ungünstiges Kraftmoment habe zum Einriss des Innenmeniskus geführt. Die MdE sei mit 10 v.H. zu bewerten.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.05.1998 haben die Beteiligten einen widerruflichen Vergleich geschlossen, nach dem die Beklagte die dem Kläger anläßlich des Ereignisses vom 02.10.1995 gewährte Vorschussleistung nicht zurückfordere. Mit Widerruf vom 03.06.1998 hat die Beklagte den Vergleich widerrufen. Durch eine Vorschussleistung entstehe keine Bindungswirkung hinsichtlich der Anerkennung eines Anspruchs dem Grunde nach.

Im Attest vom 15.07.1998 hat Prof.Dr.R ... ausgeführt, die Chondromalazie 2. bis 3. Grades sei nicht unfallbedingt; der Meniskus weise geringe degenerative Veränderungen auf. Damit komme einer leichten Vorschädigung eine gewisse mitwirkende Rolle zu. Das Ereignis vom 02.10.1995 habe jedoch den Innenmeniskus echt traumatisiert.

Im Gutachten gemäß § 109 SGG vom 12.10.1998 hat Prof.Dr. R ... erklärt, beim berufsmäßigen Tänzer träten Belastungs- und Bewegungssituationen des Kniegelenks auf, wie sie bei üblichen Verrichtungen des täglichen Lebens nicht vorkämen. Der Kläger gebe an, die Partnerin habe ihre Beine um seine Hüften geschlungen, so dass er ihr Gewicht habe mittragen müssen. Der Tanzschritt sei wellenförmig mit Beugung und Streckung der Kniegelenke verlaufen, überwiegend in Außenrotation, jedoch auch in Innenrotation. Der Kläger habe eine Serie von diesen Schritten gemacht. Beim dritten oder vierten Schritt habe er das Gefühl und das Geräusch eines Risses im linken Kniegelenk verspürt. Er sei mit der Partnerin zu Boden gestürzt. Die von Dr.F ... angegebenen Voraussetzungen, um einen unfallbedingten Meniskuseinriß anzunehmen, seien erfüllt. Der Fuß sei fixiert gewesen, und es habe eine Drehung des Oberschenkels gegen den Unterschenkel unter verstärkter Gewichtsbelastung durch die Partnerin stattgefunden. Bei einer solchen Belastungs-Bewegungskombination könne auch ein normaler Meniskus reißen, umso mehr ein leicht degenerativ vorgeschädigter. Beim Kläger habe eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis April 1996 bestanden, ohne Berücksichtigung seines Berufs etwa bis Ende Dezember 1995. Die MdE betrage 10. v.H. Diese sei zu 2/3 auf das Ereignis vom 02.10.1995 und zu 1/3 auf unfallunabhängige und schicksalmäßige Veränderungen zurückzuführen.

Die Beklagte hat im Schreiben vom 26.11.1998 ausgeführt, das Gutachten könne nicht überzeugen, da der Vorgang vom 02.10.1995 keinem Unfallereignis entspreche.

In der Stellungnahme vom 23.11.1998 hat der Beratungsarzt Dr.B ... dargelegt, die Korbhenkelform des Innenmeniskusrisses sei in aller Regel das Ergebnis eines zeitlich fortschreitenden Schadens. Eine von außen kommende Irritation des gewünschten Bewegungablaufes sei nicht zu erkennen. Nicht nachvollziehbar sei die Beurteilung, dass die Verletzung bei fixiertem Fuß eingetreten sei, da sie beim dritten oder vierten Schritt einer Schrittserie aufgetreten sei. Aufgrund der ständigen Übung eines Profitänzers sei vorauszusetzen, dass ein besonders ausgeprägt guter Trainingszustand bestanden habe. Nachgewiesen sei ein massiver Vorschaden. Die Einklemmung spreche in aller Regel gegen eine frische Verletzung. Die sehr zeitnahe Entwicklung einer vergleichbaren Komplikation am anderen Kniegelenk spreche für einen dekompensationsnah angesiedelten Abnutzungszustand der Meniski.

Nach Anhörung hat die Beklagte mit Bescheid vom 01.07.1998 den Vorschuss gemäß § 42 Abs.2 SGB I zurückgefordert. Den Widerspruch des Klägers vom 16.07.1998 hat sie mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.1990 zurückgewiesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 24.06.1999 hat der Kläger er- klärt, es sei bisher nicht ausreichend berücksichtigt, dass er eine Partnerin mit einem Gewicht von ca. 60 kg in Brusthöhe gehoben habe. Die Tanzbewegungen seien rhythmisch sehr stark akzentuiert. Bei der Tanzbewegung sei sein Fuß sehr wohl fixiert gewesen.

Mit Urteil vom 24.06.1999 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.03.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.1996 und unter Aufhebung des Bescheides vom 01.07.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.01.1999 verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 02.10.1995 Verletztengeld bis 15.04.1996 zu gewähren.

Die Kammer sei zu der Überzeugung gelangt, dass das Unfallereignis vom 02.10.1995 den randleistennahen Riss des linken Innenmeniskus rechtlich wesentlich verursacht habe. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch niedriger zu wertendende Bedingung könne für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, weil nur durch ihr Hinzutreten zu der anderen wesentlichen Ursache der Erfolg habe eintreten können. Letztere Ursache habe dann im Verhältnis zur ersteren keine überragende Bedeutung. Wenn der unfallbedingte Anteil am Gesundheitsschaden in der Gesamtschau mit einem Drittel zu bewerten sei, könne von einer wesentlichen Mitverursachung des Gesundheitsschadens ausgegangen werden. In diesem Sinne gehe die Kammer mit Prof. Dr.R ... davon aus, dass das Unfallereignis den Riss des linken Innenmeniskus rechtlich wesentlich mitverursacht habe. Arbeitsunfähigkeit habe vom Unfalltag bis 15.04.1996 vorgelegen.

Mit der Berufung vom 26.11.1999 wendet die Beklagte ein, in dem über 2 1/2 Jahre dauernden sozialgerichtlichen Verfahren sei dem Kläger deutlich aufgezeichnet worden, welche Geschehensabläufe erforderlich seien, um eine traumatische Innenmeniskusverletzung zu erleiden. Es erscheine nicht möglich, dass der Fuß des Klägers beim Tanzschritt fixiert gewesen sein solle.

Der Kläger führt dazu aus, die Annahmen Dr.F ...s seien durch das Gutachten von Prof.Dr.R ... eindeutig widerlegt. Er habe den Unfallhergang zutreffend dargestellt. Aufgrund der speziellen Figur sei der Fuß fixiert gewesen.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 05.05.2000 erklärt Dr.F ..., die Angaben des Klägers in der Anamnese bei ihm und Prof.Dr.R ... zeigten erhebliche Abweichungen. Aus den in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis geschilderten Bewegungsabläufen lasse sich ersehen, dass von einem Sturz nicht auszugehen sei, vielmehr der Kläger die typischen Bewegungsschritte vollzogen habe, in deren Ablauf ohne äußerliche Einwirkung stechende Schmerzen im linken Knie entstanden seien. Das Ereignis werde mit zunehmenden zeitlichem Abstand immer ausführlicher und dramatischer geschildert. Wenn Prof.Dr. R ... eine Fixierung des linken Fußes annehme, handele es sich um eine Interpretation des Geschehensablaufes, die nicht nachzuvollziehen sei. Die auch von Prof.Dr.R ... genannten wellenförmigen Tansschritte mit Beugung und Streckung sowie unterschiedlichen Drehungen der Kniegelenke ließen doch schon rein theoretisch die Annahme der Fixierung eines Fußes völlig ausschließen. Der Korbhenkelriss sei im Übrigen typischerweise degenerativer Natur.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.06.1999 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Der Kläger stellt den Antrag, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.

Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII i.V.m. § 580 RVO).

Ein Arbeitsunfall setzt gemäß § 548 Abs.1 RVO einen Unfall voraus, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten versicherten Tätigkeiten erleidet. Der Begriff des Unfalls erfordert ein äußeres Ereignis, d.h. einen von außen auf den Körper einwirkenden Vorgang, der rechtlich wesentlich den Körperschaden verursacht hat (vgl. BSGE 23, 139). Das äußere Ereignis muss mit der die Versicherteneigenschaft begründenden Tätigkeit rechtlich wesentlich zusammenhängen. Dabei bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises, d.h. sie müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSGE 45, 285). Die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt nur insoweit, als der ursächliche Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden und zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie der Zusammenhang betroffen ist, der im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und der maßgebenden Verletzung bestehen muss (vgl. Krasney VSSR 1993, 81 ff.).

Meniskusverletzungen entstehen vorwiegend durch indirekte körpereigene Kraft. Nicht die Wucht direkter äußerer Einwirkungen ist die Ursache des Meniskusrisses, sondern die durch äußere Einwirkungen im Körper auftretenden und indirekt auf den Meniskus zur Wirkung kommenden Kräfte. Plötzlichkeit und Koordinationsstörungen stehen im Vordergrund. Wenn der Bewegungsablauf durch plötzliche und nicht vorhergesehene Störung des Bewegungsmechanismus eine Unterbrechung oder Änderung erfährt und eine korrigierend-reflektorisch einsetzende Kraftanstrengung zu unkontrollierten Ausweich-, Flucht- oder Abwehrbewegungen führt, spricht man vom körpereigenen Trauma. Derartige körpereigene Kräfte sind geeignet, eine Meniskusverletzung zu verursachen (vgl. Schoenberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage 1998, S.656).

Als geeignete Mechanismen für einen Meniskusriss, wie er beim Kläger vorliegt, gelten die Drehung des Oberschenkels gegen den Unterschenkel bei fixiertem Fuß oder umgekehrt mit Unterschenkeldrehung gegen fixierten Oberschenkel, Ausrutschen oder Stolpern mit gewaltsamen Knick des betroffenen Kniegelenkes zur Innenseite, Stauchung des Gelenkes durch nicht geplanten Sprung aus der Höhe mit muskulär nicht kontrollierter Belastung der Beinmuskulatur, übermäßige Auswärtsdrehung des Unterschenkels bei stark gebeugten Knien und anschließender überstürzter Streckung.

Ein derartiger Mechanismus ist hier nicht ersichtlich. Nicht überzeugen kann die Auffassung von Prof.Dr.R ..., der Fuß des Klägers sei fixiert gewesen und dadurch der Meniskusriß eingetreten. Die Angaben des Klägers sprechen gegen einen derartigen Bewegungsablauf. Am 02.10.1995 gab der Kläger an, er habe sich während eines Tanztrainings das linke Kniegelenk verdreht, es sei zu keinem Sturz gekommen. In der Unfallanzeige vom 10.10.1995 erklärte er, es habe sich um eine typische Afro-Dance-Bewegung gehandelt, bei der sich Hüfte und Knie schnell ein- und auswärts bewegten. Dr.L ... ging davon aus, der Kläger sei gestürzt und habe sich das linke Knie verdreht. Auch Prof.Dr.R ... erklärte im Attest vom 24.04.1996, der Kläger sei beim Tanztraining gestürzt und habe sich dabei das linke Kniegelenk verdreht. In der Klageschrift vom 05.09.1996 wird angegeben, der Kläger habe bei einer Drehung plötzlich sehr starke Schmerzen im linken Knie verspürt. Bei der Tanzfigur müssten sowohl Hüfte als auch Kniegelenk ein- und auswärts bewegt werden. In dem Moment, als der Kläger eine Hebefigur mit seiner Tanzpartnerin eingeleitet habe, habe er das linke Knie verdreht und sei gestürzt. Bei der Untersuchung durch Dr.F ... erläuterte der Kläger, er habe im Wesentlichen Drehbewegungen des gesamten Rumpfes ausgeführt, zusätzlich zu einer Hebebewegung ansetzen wollen, in diesem Moment habe er plötzlich Schmerzen im linken Kniegelenk verspürt. Bei Prof.Dr.R ... schilderte der Kläger anläßlich der Begutachtung vom 15.10.1998 schließlich das Ereignis so, die Partnerin sei mit den Beinen um seine Hüften geschlungen gewesen, so dass er ihr Gewicht habe mittragen müssen. Der Tanzschritt sei wellenförmig mit Beugung und Streckung der Kniegelenke verlaufen, überwiegend in Außenrotation, jedoch auch in Innenrotation. Er habe eine Serie von Schritten gemacht. Beim dritten oder vierten Schritt habe er das Gefühl und das Geräusch eines Risses im linken Kniegelenk verspürt und sei mit der Partnerin zu Boden gestürzt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.06.1999 gab der Kläger an, er habe die Partnerin in Brusthöhe gehoben. Die Tanzbewegungen seien rhythmisch sehr stark akzentuiert gewesen, sein Fuß sei fixiert gewesen. Somit wurden die Schilderungen mit zunehmendem zeitlichen Abstand, wie Dr.F ... zutreffend erwähnt, immer mehr ausgeweitet. Von einem geeigneten Unfallmechanismus kann aber auch bei Zugrundelegung der gegenüber Prof.Dr.R ... gemachten Angaben nicht ausgegangen werden. Schließlich hat der Kläger ja erklärt, er habe eine Serie von Schritten gemacht. Eine Fixierung des linken Fußes ist daher nicht vorstellbar, selbst wenn der Oberschenkel gegen den Unterschenkel gedreht worden ist.

Die übrigen Mechanismen scheiden schon rein theoretisch aus. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass mit dem Unfallmechanismus das Element der Plötzlichkeit verbunden sein muss, während, wie Dr.F ... betont, jede geplante Bewegung die Gewalteinwirkung modifiziert. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger von einer plötzlichen Bewegung überrascht wurde, da er die Bewegungen einschließlich der Hebefigur geplant hatte.

Im Übrigen handelt es sich bei dem beim Kläger vorliegenden Meniskusriss um einen Korbhenkelriss, der typischerweise degenerativer Natur ist (vgl. Schoenberger-Mehrtens-Valentin a.a.O. S.654). Am inneren Kompartment zeigte sich eine zweit- bis drittgradige Knorpelschädigung im Bereich der inneren Oberschenkelrolle. Dies sind Veränderungen, die, so Dr.F ..., mit absoluter Sicherheit nicht innerhalb von zwei Tagen zwischen dem Ereignis und der Arthroskopie eintreten konnten. Solche zweit- bis drittgradigen Knorpelerweichungen bilden sich im Laufe der Zeit immer dann, wenn der Knorpel mechanisch irritiert wird, was bei eingetretenen Meniskusrissen in der Regel der Fall ist. Bei glatt begrenztem Meniskus können solche Knorpelerweichungen an der Oberschenkelrolle im Regelfall nicht entstehen.

Ein Riss an der Randleiste, wie er beim Kläger vorliegt, bewirkt so gut wie immer einen blutigen Gelenkerguss, sofern der Riss frisch eintritt, da die Randleiste mit Blutgefäßen versorgt ist. Das linke Kniegelenk war bei der Erstuntersuchung reizlos ohne intraartikulären Erguss. Aus dem Arthroskopieprotokoll vom 04.10.1995 ergibt sich, dass ein wesentlicher Erguss auch zwei Tage nach dem Ereignis nicht bestand. Das Fehlen eines blutigen Ergusses spricht ebenso wie der nachgewiesene Knorpelschaden gegen eine frische Rissbildung.

Im Korbhenkel wurden schon arthroskopisch deutliche degenerative Veränderungen gesehen. Auch solche Verschleißerscheinungen konnten, wie Dr.F ... erläutert, unmöglich innerhalb von 2 Tagen entstanden sein, so dass die makroskopische Inspektion des Meniskus deutliche Hinweise auf einen Vorschaden liefert. Die histologische Untersuchung zeigte reparative Veränderungen. Auch damit ist das Vorhandensein von Verschleißerscheinungen beschrieben, denn reparative Vorgänge können sich nur entwickeln, wenn ein Meniskusriß schon längere Zeit besteht.

Nicht überzeugen kann dagegen die Auffassuung von Prof.R ..., der zwar auch bestätigt, dass degenerative Veränderungen des Knorpels und auch eine leichte Degeneration des Innenmeniskus vorgelegen haben, aber davon ausgeht, das Ereignis sei geeignet gewesen, auch einen gesunden Meniskus einzureißen. Dabei vertritt er die Auffassung, der Fuß sei fixiert gewesen, die, wie oben schon ausgeführt, im Hinblick auf die Angaben des Klägers nicht überzeugen kann.

Bei Fehlen eines für einen Meniskusriss geeigneten Unfallmechanismus sowie in Anbetracht der deutlich degenerativen Veränderungen des Meniskus kann ein Zusammenhang zwischen dem Korbhenkelriss, der ohnehin typischerweise degenerativer Natur ist, und dem Ereignis vom 02.10.1995 nicht hergestellt werden.

Der Bescheid der Beklagten vom 14.03.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.1996 ist daher nicht zu beanstanden.

Auch der Bescheid vom 01.07.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.01.1999 ist zur Recht ergangen. Denn die Vorschussgewährung im Bescheid vom 20.12.1995 erfolgte unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Durch die Entscheidung über die Gewährung eines Vorschusses ist bezgl. der Voraussetzungen der endgültigen Leistungen keine Bindungswirkung entstanden. Der Vorschuss ist seiner Rechtsnatur etwas anderes als die endgültige Leistung. Diese eigenständige Rechtsnatur des Vorschusses, der im Unterschied zu der endgültigen Leistung, wie dem Vorschussempfänger bekannt ist, nur eine vorläufige Zahlung darstellt, steht einer Erstreckung der Bindungswirkung der Vorschussentscheidung auf leistungsbegründende Umstände, für die es an einem konkreten Anspruch fehlt, entgegen (vgl. BSG vom 31.08.1983, SozR 1200 § 42 SGB I Nr.2).

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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