L 2 U 454/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 319/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 454/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 29.09.2000 wird zurückgewiesen.
II. Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist Schlosser. Am 12.10.1996 fiel bei Montagearbeiten an einer Teleskopwand ein ca. 2 qm großes Blech hinab und traf ihn am Kopf.

Der Durchgangsarzt Prof.Dr.W. stellte am 12.10.1996 eine Schädelimpressionsfraktur rechts, große Schädelplatzwunde fronto-parietal rechts, oberflächliche Schnittwunde an der rechten Schulter fest. Die orientierende neurologische Untersuchung sei unauffällig verlaufen.

Am 22.10.1996 berichtete Prof.Dr.W. an die Beklagte, das Kontroll CT habe keine weitere Dislokation der Fraktur, keine intracranielle Blutung oder Raumforderung gezeigt. Der fachneurologische Konsiliarius habe einen unauffälligen neurologischen Befund erhoben.

Am 18.11.1996 berichtete der Durchgangsarzt Dr.L. , die Schädelplatzwunde rechts sei strichförmig verheilt. Der Kläger klage unabhängig über Schwindel, so dass er sich nicht bücken könne. Aus diesem Grund werde ein neurologisches Konsil bei Dr.K. veranlasst.

Dieser führte am 26.11.1996 aus, es liege eine vestibuläre Irritation nach Schädelfraktur und Schädelhirntrauma vor. Der Kläger gebe lageabhängige Schwindelattacken, morgens und abends auftretende Gleichgewichtsstörungen und Kopfschmerzen an. Weder im Hirnnervenbereich noch im Bereich der langen Bahnen habe ein pathologischer Befund, abgesehen von vestibulärer Irritation, festgestellt werden können.

Mit Schreiben vom 19.12.1996 teilte Dr.L. der Beklagten mit, der Kläger habe sich heute in der Sprechstunde vorgestellt und über starke Kopfschmerzen und Schwindel geklagt. Außerdem stehe er derzeit wegen eines akuten Hörsturzes am linken Ohr in hausärztlicher Behandlung. Am rechten Auge bestehe eine deutliche Lichtempfindlichkeit mit angedeutetem Blepharospasmus, darüber hinaus verstärkter Dreh-Nystagmus. Die jetzigen Beschwerden stünden sicher im Zusammenhang mit dem Unfall.

In einer MRT-Beschreibung vom 14.01.1997 führt der Radiologe Dr.K. aus, es finde sich eine knöcherne Konsolidierung der um Kalottenbreite verschobenen Fraktur rechts frontal, mäßiggradige diffuse cerebrale Volumenminderung, wohl vom primär-degenerativen Typ. Sonst bestehe regelrechter cerebraler Untersuchungsbefund.

Die Beklagte zog einen Bericht des Augenarztes Dr.G. bei, der vermerkte, der Kläger mache ein starkes Druckgefühl am rechten Auge geltend.

Vom 20.03. bis 23.05.1997 befand sich der Kläger in stationärer Heilbehandlung in der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau. Über diese berichtete der Neurologe und Psychiater Dr.J. mit Schreiben vom 23.05.1997, die Röntgenuntersuchung der HWS habe weder traumatische noch degenerative Veränderungen gezeigt, die kernspintomograpische Untersuchung des Schädels regelrechte Verhältnisse ohne Hinweise für Substanzdefekte bei mittelständigem, normal weitem Ventrikelsystem. Es hätten Hinweise für eine Pansinusitis (gleichzeitige Entzündung aller Nebenhöhlen) bestanden. Im Bereich der Hirnnerven hätten keine krankhaften Normabweichungen vorgelegen, wobei behinderte Nasenatmung und reizlose Narben an der Rachenhinterwand zu erwähnen seien. Während des stationären Aufenthalts seien die Kopfschmerzen leichter geworden, spontane Schwindelbeschwerden nicht aufgetreten, bei Positionswechsel seien sie rasch abklingend gewesen. Durch eine kernspintomographische Untersuchung werde die klinische Feststellung, dass das Gehirn bei dem Unfall nicht beteiligt gewesen sei, bestätigt. Das Schädelhirntrauma sei in Form einer Schädelfraktur und Gehirnerschütterung abgelaufen. Ebenso seien keine Hinweise für Schädigung des Gleichgewichtsorgans und des Sehorgans nachweisbar gewesen.

Im Bericht vom 12.06.1997 führt Dr.L. aus, ein Einsatz des Klägers im Rahmen der Arbeitserprobung auch nur für Stunden sei derzeit nicht möglich, da der Kläger nach eigenen Angaben weder auf eine Leiter noch auf ein kleines Podest steigen könne, weil bereits nach kürzester Zeit Schwindel auftrete und er hinfalle. Im Gegensatz zur Beurteilung in der Neurologischen Klinik Murnau halte er den Kläger für arbeitsunfähig.

Die Beklagte holte ein Gutachten des Neurologen Dr.N. vom 16.12.1997 ein, der ausführte, bei der ambulanten Untersuchung am 16.12.1997 seien keine neurologischen Unfallfolgen feststellbar gewesen. Es bestünden kein Nystagmus, keine Sensibilitätsstörungen im Gesicht, auch nicht im Stirnbereich, keine Hörstörung. Im Bereich der kaudalen Hirnnerven seien keine Auffälligkeiten. Die oberen Extremitäten hätten eine normal entwickelte Muskulatur. Die Muskeldehnungsreflexe seien mittellebhaft, seitengleich, ohne krankhafte Reflexe. Sensibilitätsstörungen seien nicht nachweisbar. Es bestünden keine Hinweise für Merkfähigkeits- oder Konzentrationsstörungen. Die Umstellungsfähigkeit sei normal. Hinweise auf Werkzeugstörungen lägen nicht vor. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei mit 0 v.H. einzuschätzen.

Ein HNO-ärztliches Gutachten erstattete Dr.H. im Dezember 1997. Der Gutachter wies darauf hin, dass eine HNO-ärztliche Untersuchung am 26.03.1997 durch Dr.G. keine vestibuläre Störung ergeben habe. Auch die Untersuchung durch ihn am 23.05.1997 habe keine vestibuläre Ursache für die angegebenen Schwindelbeschwerden erbracht. Der Kläger beklage jetzt noch ständig bestehende heftige Kopfschmerzen vom Schädeldach zur Schläfe ziehend, vor allem bei körperlicher Belastung, Schwankschwindel mit Fallneigung nach hinten. Hörverschlechterung nach dem Unfall sowie Geruchs- und Geschmacksstörungen verneine er. Die Hörprüfungen hätten eine Normalhörigkeit rechts und eine annähernd geringgradige Innenohrschwerhörigkeit links bei Zustand nach Hörsturz links ergeben. Ein ursächlicher Zusammenhang des Hörsturzes vom November 1996 mit dem Unfallereignis vom Oktober 1996 sei nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit herzustellen. Selbst wenn ein ursächlicher Zusammenhang bestünde, wäre die annähernd geringgradige Innenohrschwerhörigkeit links bei Normalhörigkeit rechts mit einer MdE von 0 v.H. zu bewerten. Zusammenfassend ließen sich keine Unfallfolgen auf HNO-Fachgebiet objektivieren. Die MdE betrage 0 v.H.

Mit Bescheid vom 05.03.1998 lehnte die Beklagte Gewährung von Rente ab. Nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 06.10. 1997 werde die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 0 v.H. geschätzt.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, obgleich die Gutachter der Ansicht seien, dass er keine Dauerfolgen und Schäden zurückbehalten habe, sei er in laufender Behandlung im Kreiskrankenhaus Neustadt bei Chefarzt Dr.L ... Er könne keinen Tag ohne Schmerzmittel auskommen. Darüber hinaus leide er unter erheblicher Wetterfühligkeit und Gleichgewichtsstörungen.

Die Beklagte holte dazu eine Stellungnahme des Arztes für Neurologie Dr.K. vom 09.04.1998 ein, der ausführte, insgesamt stehe nach den Berichten fest, dass der Kläger zwar eine geringfügige Schädelimpressionsfraktur rechts frontal erlitten habe, nicht jedoch eine substantielle Hirnschädigung. Lediglich eine solche wäre in der Lage, die später angegebenen Beschwerden zu erklären, wobei die Schwindelbeschwerden erst einige Wochen nach dem Unfall angegeben worden seien. Allerdings zeige die Schwindelsymptomatik ja offensichtlich in den letzten Monaten eine eher zunehmende Tendenz, so dass hier sicherlich auch gewisse psychische Einflüsse mitzudiskutieren seien. Die Beschwerden, die der Kläger am 26.02. im Krankenhaus Neustadt geäußert habe, hingen nicht mit dem Unfall zusammen. Die diesbezüglichen Meinungen des dortigen Chefarztes Dr.L. seien aus seiner Sicht nicht zu bestätigen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie schloss sich der Stellungnahme des Dr.K. an.

Dagegen hat der Kläger Klage erhoben und vorgetragen, ausschließlich durch diesen Arbeitsunfall verursacht bestünden erhebliche Beeinträchtigungen, wie permanenter Kopfschmerz, Wetterfühligkeit und zuletzt auch Gleichgewichtsstörungen. Er sei vor dem Unfall vom 12.10.1996 lediglich durch eine angeborene Lippen-, Kiefer-, Gaumen-Spalte beeinträchtigt gewesen. Seitens der Ärzte werde immer wieder auf eine vestibuläre Irritation hingewiesen, so dass dadurch sehr wohl die Gleichgewichtsstörungen und die ständigen Kopfschmerzen erklärbar seien. Dr.L. bestätige den Zusammenhang mit dem Unfall. Als Ursache führe er an, dass bei der Erstbehandlung in Frankfurt die Impressionsfraktur nicht gehoben worden sei. Weder diese Tatsache noch der in diesem Bericht enthaltene Hinweis auf narbige Veränderungen im Frontal-Hirnbereich tauchten in einem der Folgegutachten auf, so dass davon auszugehen sei, dass keine ausreichende Abklärung seitens der Beklagten durchgeführt worden sei. Auf Veranlassung des Arbeitsamts beim Medizinischen Dienst in Weiden sei er von Dr.G. untersucht worden, der konstatiert habe, dass er in seinem erlernten Beruf wohl keine Verwendung mehr finden könne. Es sei in jedem Fall auch Rente zu bewilligen, da die Minderung der Erwerbsfähigkeit über 20 v.H. liege.

Das Sozialgericht hat die Begutachtungen des Dr.G. durch das Arbeitsamt Weiden beigezogen, worin dieser ausführt, dass sich aus einem radiologischen Befundbericht des Dr.S. beginnende HWS des Klägers dokumentierten. Verletzungsfolgen seien nicht erkennbar. Die im Vorgutachten im Rahmen der arbeitsamtsärztlichen Untersuchung festgestellte Bewegungseinschränkung der HWS habe also ein Korrelat in Form von Aufbraucherscheinungen gefunden. Aus präventivmedizinischen Überlegungen seien damit Überkopfarbeiten auszuschließen. Aus arbeitsmedizinischer Sicht sei eine berufliche Neuorientierung zu empfehlen.

Weiter hat das Sozialgericht einen Behandlungsbericht und Arztbriefe des Dr.K. an Dr.L. vom 09.06. 1998 und 02.10.1998 beigezogen. In letzterem führt der Arzt aus, bei der heutigen Konsultation werde über immer wieder auftretende Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Mattigkeit, Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Schlafstörungen berichtet. Es handele sich um einen mit Somatisierung einhergehenden depressiven/psychoneurotischen Symptomenkomplex.

Weiter hat das Sozialgericht ein Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychatrie Dr.K. vom 13.12.1998 aufgrund einer Untersuchung des Klägers vom 08.12.1998 eingeholt. Bei der neurologischen Untersuchung seien keine Gefühlsstörungen nachweisbar, keine Kraftminderungen, das Reflexverhalten sei seitengleich. Es fänden sich aber ausgeprägt funktionell imponierende Störungen bei Überprüfung der Koordination. Eine objektivierbare Irritation des Gleichgewichtsapparates sei nicht erkennbar. Insbesondere sei unter der Frenzelbrille und bei Lageänderung des Kopfes ein Nystagmus, als Hinweis für einen tatsächlich vorliegenden Schwindel, nicht erkennbar. Es werde zudem auch subjektiv bei dieser Untersuchung nicht über Schwindel geklagt. Die ergänzenden neuro-technischen Untersuchungen ergäben keine auffälligen Befunde. Zusammenfassend seien strukturelle Nervenläsionen nicht nachweisbar. Psycho-pathologisch zeige sich der Kläger insofern auffällig, als er zur Betonung seiner subjektiv empfundenen Beschwerden teilweise bei Überprüfung der Koordination recht groteske Armbewegungen mache, um somit auf eventuelle Gleichgewichtsstörungen hinzuweisen. Auch im Gespräch zeige er sich sehr beschwerdebezogen. Die Stimmung selbst erscheine nicht depressiv, auch affektiv sei der Untersuchte schwingungsfähig. Hirnorganische Störungen bestünden nicht. Die subjektiv geklagten Beschwerden seien mit dem objektiven organ-neurologischen Befund nicht vereinbar. Das Schädel-Hirn-Trauma habe keine nachweisbaren Unfallfolgen hinterlassen, die mit anhaltenden Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Schwindel vereinbar wären. Insbesondere könne das Schädel-Hirn-Trauma bei fehlenden intracerebralen Strukturschäden auch nicht zu einer Persönlichkeitsstörung geführt haben. Die geklagten Beschwerden seien nervenärztlicherseits mit einer somatoformen Störung vereinbar. Hierbei handele es sich um eine persönlichkeits-spezifische unfallunabhängige psychoreaktive Symptomatik. Dem Unfallgeschehen falle allenfalls die Bedeutung einer Gelegenheitsursache zu. Jedes andere persönliche Lebensereignis hätte ebenfalls zu dieser Symptomatik führen können, bzw. dieselbe Symptomatik hätte sich ohne erkennbare Auslösesitiuation entwickeln können. Auch der behandelnde Nervenarzt habe bereits die geklagte Symptomatik als depressives Syndrom bei Psychoneurose interpretiert und damit Abstand von irgendeinem Unfallzusammenhang genommen. Neurologisch-psychiatrische Folgen des am 12.10.1996 erlittenen Unfalls bestünden nicht. Die MdE betrag ab 06.10.1997 0 v.H.

Das Sozialgericht hat weiter einen Entlassungsbericht über eine stationäre Behandlung des Klägers in der Schmerzklinik am Arkauwald in der Zeit vom 21.04.1999 bis 09.06.1999 beigezogen. Als Diagnosen werden gestellt: Prosttraumatischer Kopfschmerz, Zustand nach Schädelhirntrauma Grad II mit Kalottenimpressionsfraktur am 12.10.1996, Kopfschmerz vom Spannungstyp, rezidivierende Lumbago, Zustand nach operativer Behandlung einer angeborenen Kiefer-Gaumen-Spalte Chronifizierungsstadium Grad III.

Auf Antrag des Klägers hat das Sozialericht gemäß § 109 SGG ein Gutachten des Chirurgen Dr.L. vom 20.04.1999 eingeholt. Dieser führte aus, seit dem 18.10.1996 sei der Kläger in seiner Behandlung, wobei von Anfang an heftige Kopfschmerzen angegeben worden seien. Als Folgen des Unfalls fänden sich eine 20 cm lange Verletzungsnarbe in der Mitte des Stirnbeins rechts bis zum Schädelbein reichend, doppelt handflächengroße Dellenbildung des Schädeldachs am Stirnhaaransatz rechts, röntgenologische Veränderungen, ein sogenannter posttraumatischer kopfschmerz-dysautonome Cephalgie. Die unfallbedingte MdE betrage vom 12.10.1996 bis 06.10.1997 100 %, vom 06.10.1997 bis 19.04.1999 30 v.H. und von da ab auf Dauer 20 v.H. Für ihn stehe fest, dass es sich beim Kläger um einen posttraumatischen Kopfschmerz handele. Der sogenannte posttraumatische Kopfschmerz könne prinzipiell nach jedem Trauma im Kopf-Nackenbereich auftreten. Weder die Art der Verletzung noch das Ausmaß der Gewebsdestruktionen korrelierten mit der Intensität und der Dauer dieses Kopfschmerzes. So könne ein vergleichsweise harmloses Schleudertrauma ohne objektivierbare pathologische Veränderungen zu heftigsten Kopfschmerzen führen, während Patienten mit ausgedehnten Schädelbasisfraktur nach Ausheilung völlig kopfschmerzfrei sein könnten. Hinsichtlich Intensität, Periodizität und Lokalisation gebe es ebenfalls keine Gesetzmäßigkeiten. Hierzu hat die Beklagte vorgetragen, dass das auf fachfremdem Gebiet erstellte Gutachten nach ihrer Ansicht nicht geeignet sei, das ausführliche sowie hinsichtlich Beurteilung und MdE-Bewertung in sich schlüssige neurologische Gutachten der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau sowie die Stellungnahme des Dr.K. zu entkräften, zumal sich auch die Gutachterin Dr.K. diesen Auffassungen voll angeschlossen habe.

Mit Urteil vom 29.09.2000 hat das Sozialgericht Regensburg die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe im Wesentlichen eine Schädelimpressionsfraktur rechts erlitten. Zu keinem Zeitpunkt habe eine neurologische Ausfallssymptomatik festgestanden, ebenso wenig seien Hirnsubstanzschäden beschrieben worden. Die Untersuchung durch die vom Gericht gehörte Sachverständige habe keine Gefühlsstörungen, keine Kraftminderung sondern seitengleiches Reflexverhalten ergeben. Eine objektivierbare Irritation des Gleichgewichtsapparates sei nicht erkennbar gewesen. Insbesondere habe sich kein Nystagmus ergeben. Auch die ergänzenden neurotechnischen Untersuchungen hätten keine auffälligen Befunde erbracht. Den Schlussfolgerungen des Dr.L. habe sich das Gericht nicht anschließen können, da es Dr.L. als Chirurg an Kompetenz fehle, die Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet zu beurteilen. Ferner werde von ihm eine Impression des Schädeldachs mit Verletzung der weichen und harten Hirnhäute unterstellt, die durch die vorliegenden Vorbefunde in keiner Weise habe bestätigt werden können.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er geltend macht, das Gericht berufe sich ausschließlich auf die Gutachterin Dr.K ... Nicht mehr haltbar seien die Ausführungen des Gerichts, wenn man sich den gesamten Akteninhalt vergegenwärtige, insbesondere die in den Akten befindliche Stellungnahme der Schmerzklinik Bad Mergentheim, wonach es im Fall des Klägers eben nicht nur um objektiv nachweisbare Dinge gehe. Insbesondere ergebe sich aus den Feststellungen der Klinik, dass es sich in erster Linie um psychische Beeinträchtigungen handele, die aber eindeutig durch den damaligen Berufsunfall ausgelöst und hervorgerufen würden. In der sozialmedizinischen Stellungnahme führe die Schmerzklinik aus, dass der Kläger nurmehr arbeitsfähig für leichte und mittelschwere Arbeiten ohne Lärm und ohne besonderen Zeitdruck seien. Auch werde in diesem Zusammenhang eine entsprechende Umschulung angeraten. Vor dem Unfall habe aber eindeutig vollständige Arbeitsfähigkeit auch für den erlernten Beruf vorgelegen, so dass davon auszugehen sei, dass sehr wohl durch den vorliegenden Unfall eine MdE und zwar im Umfang von 30 % als Minimum eingetreten sei. Auch die unbefriedigende Auseinandersetzung mit dem Gutachten Dr.L. sei dem Erstgericht vorzuhalten. Immerhin habe der Chefarzt Dr.L. den Kläger bereits kurz nach dem Unfall behandelt. Im Übrigen habe Dr.L. auch festgestellt, dass röntgenologische Veränderungen und eine doppelt handflächengroße Dellenbildung des Schädeldaches festzustellen seien. Dies seien sehr wohl nachvollziehbare Aspekte, die eine entsprechende Einstufung und Beurteilung ermöglichten. Der Senat hat gemäß § 109 SGG auf Antrag des Klägers ein Gutachten des Dr.B. von der Schmerzklinik Am Arkauwald vom 08.10.01 eingeholt. Dieser führt aus, dass die geklagten Schmerzen und Beschwerden sofort nach Eintreten des Unfalls, ebenso schmerzmodulierte Schwindelzustände geltend gemacht worden seien. Primär habe eine Bewusstlosigkeit von ca. 10 Minuten vorgelegen, ebenso eine posttraumatische Amnesie für mehr als ca. 10 Minuten. Als ursächlich auf den Unfall zurückzuführen könne der nunmehr vorliegende chronische posttraumatische Kopfschmerz bei belangvollem Schädeltrauma und entsprechenden Befunden gelten. Der geklagte Kopfschmerz sei innerhalb von 14 Tagen nach dem Trauma aufgetreten mit progredienter Beschwerdeverstärkung posttraumatisch, ebenso auch durch jegliche körperliche Aktivitäten. Bewertet würden somit einerseits der seit dem Unfall, somit posttraumatisch bestehende Dauerschmerz rechtscranial betont als auch die vorliegenden posttraumatischen Schwindelzustände mit Gleichgewichtsstörungen. Nachdem der Kläger über Gleichgewichtsstörungen mit Schwindelerscheinungen wie Schwanken und Stolpern sowie bisweilen erforderlichen Aufallschritten bereits bei alltäglichen Belastungen, vermehrt jedoch bei höheren Belastungen mit stärkerer Unsicherheit und vermehrten Schwindelerscheinungen reagiere, schätze er die Beeinträchtigung mit 20 v.H. ein. Da die geklagten posttraumatisch aufgetretenden Kopfschmerzbeschwerden unbehandelt in massivster Ausprägung aufträten und nur auf starke zentral wirksame Analgetika eine Rückbildungstendenz in Ruhe zeigten, jedoch bei jeglicher körperlicher Belastung stark exazerbierten, schätze er die Beeinträchtigung auf 30 % ein. Insgesamt seien die Folgen des Unfalls mit einer MdE von 50 v.H. einzustufen.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 25.10.01 die Ansicht vertreten, die Auffassung des Erstgerichts, dass wesentliche Unfallfolgen nicht vorlägen, sei nach diesem Gutachten nicht mehr zu halten.

Die Beklagte vertrat demgegenüber mit Schriftsatz vom 26.10. 2001 die Auffassung, dass das Gutachten eine kritische Würdigung der vorhandenen ärztlichen Unterlagen und Gutachten vermissen lasse. Vielmehr stütze sich der Gutachter auf die Aussagen des Klägers, die nicht objektiviert worden seien.

In einem weiteren Schriftsatz vom 07.11.2001 hat der Kläger geltend gemacht, Tatsache sei, dass er sich über einen längeren Zeitraum in der Schmerzklinik zur Behandlung befunden habe und deshalb davon auszugehen sei, dass sehr wohl die dortigen Feststellungen wesentlich aussagekräftiger seien als das Gutachten der Sachverständigen Dr.K ...

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 29.09.2000 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.03.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.1998 zu verurteilen, ihm Verletztenrente in Höhe von mindestens 30 v.H. der Vollrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Regensburg und der LVA Niederbayern-Oberpfalz beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß § 143 ff. SGG zulässig, sachlich jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Unfalls vom 12.10.1996.

Die Entscheidung richtet sich nach den Vorschriften des 7. Sozialgesetzbuches (SGB VII), da zwar der Versicherungsfall noch vor dem Tag des Inkrafttretens des SGB VII eingetreten ist, Rentenleistungen jedoch nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstmals festzusetzen waren, da die Arbeitsunfähigkeit des Klägers wegen der Unfallfolgen bis 06.10.1997 dauerte (§§ 212, 214 Abs.3, 72 Abs.1 Nr.1 SGB VII).

Gemäß § 56 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Gemäß § 56 Abs.2 SGB VII richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit, die, wie sich aus dem Arztbericht des Dr.L. vom 25.09.1997 und dem Gutachten des Dr.N. vom 16.12.1997 ergibt, bis 06.10.1997 dauerte, lagen keine Unfallfolgen mehr vor, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 20 v.H. nach sich ziehen würden. Vielmehr waren die Unfallfolgen soweit abgeheilt, dass die MdE mit 0 v.H. einzustufen ist. Zwar hatte der Kläger bei dem Unfall ein Schädelhirntrauma mit Schädelimpressionsfraktur rechts und eine große Schädelplatzwunde frontoparietal rechts erlitten, doch lagen, worauf auch die Sachverständige Dr.K. in ihrem Gutachten hinweist, keine Hirnsubstanzschäden vor. Vielmehr zeigte das CT des Schädels vom 08.11.1996 eine zunehmende Konsolidierung der Schädelfraktur und weiterhin keinen Nachweis eines epi- bzw. subduralen Hämatoms sowie keinen Nachweis von Kontusionsherden. Schon bei der Untersuchung am 26.11.1996 konnte der Nervenarzt Dr.K. weder im Hirnnervenbereich, noch im Bereich der langen Bahnen einen pathologischen Befund feststellen. Entsprechend nahm er wegen der vom Kläger geltend gemachten Schwindelbeschwerden eine vestibuläre Irritation an. Auch Dr.J. stellte nach der stationären Behandlung des Klägers vom 20.03. bis 23.05.1997 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau im Bereich der Hirnnerven keine krankhaften Normabweichungen fest. Bei der abschließenden neurologischen Untersuchung fand sich eine reizlose Narbe rechts an der Stirn im Haaransatz ohne tastbare Eindellung. Die kernspintomographische Untersuchung des Schädels ergab regelrechte Verhältnisse ohne Hinweise für Substanzdefekte bei mittelständigen, normal weitem Ventrikelsystem. Wie Dr.J. ausführt, wurde durch die kernspintomographische Untersuchung die klinische Feststellung, dass das Gehirn bei dem Unfall nicht beteiligt war, bestätigt. Vielmehr war das Schädel-Hirn-Trauma lediglich in Form einer Schädelfraktur und Gehirnerschütterung abgelaufen. Entsprechend waren auch bei der Untersuchung am 16.12.1997 durch den Nervenarzt Dr.N. , dessen Gutachten vom 16.12.1997 im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, keine neurologischen Unfallfolgen feststellbar. Es fanden sich keine Doppelbilder, kein Nystagmus, keine Sensibilitätsstörungen im Gesicht, auch nicht im Stirnbereich. Die Innervation der Gesichtsmuskulatur war seitengleich. Eine Hörstörung fand sich nicht. Im Bereich der kaudalen Hirnnerven waren keine Auffälligkeiten festzustellen. Im Bereich der oberen Extremitäten zeigte sich eine normal entwickelte Muskulatur ohne umschriebenen Muskelschwund mit mittellebhaften seitengleichen Muskeldehnungsreflexen ohne krankhafte Reflexe. Diese Befunde werden durch die Sachverständige Dr.K. anlässlich der Untersuchung am 08.12.1998 bestätigt. Auch damals waren keine Gefühlsstörungen nachweisbar, keine Kraftminderung, dagegen ausgeprägt funktionell imponierende Störungen bei Überprüfung der Koordination. Wie die Sachverständige Dr.K. ausführt, sind die subjektiv geklagten Beschwerden mit dem objektiv organneurologischen Befund nicht vereinbar. Das Schädel-Hirn-Trauma hat keine nachweisbaren Folgen hinterlassen, die mit anhaltenden Beschwerden, wie Kopfschmerzen oder Schwindel vereinbar wären. Zu Recht weist die Sachverständige darauf hin, dass auch in den einschlägigen Vorgutachten Unfallfolgen nicht nachgewiesen werden konnten. Entsprechend sind die geklagten Beschwerden nicht mit dem abgelaufenen Schädel-Hirn-Trauma begründbar. Insbesondere kann das Schädel-Hirn-Trauma bei fehlenden intracerebralen Strukturschäden nicht zu einer Persönlichkeitsstörung geführt haben, in deren Zusammenhang aus theoretischen Überlegungen heraus die geklagte Symptomatik nachvollziehbar wäre. Dagegen sind die geklagten Beschwerden mit einer somatoformen Störung vereinbar. Dabei handelt es sich um eine persönlichkeitsspezifische unfallunabhängige psychoreaktive Symptomatik. Mit Recht weist die Sachverständige in diesem Zusammenhang auf den Bericht des behandelnden Nervenarztes Dr.K. hin, der im Arztbrief vom 02.10.1998 die auch ihm geklagte Symtpmatik, wie Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Mattigkeit und Müdigkeit als Ausdruck eines depressiven Syndroms bei Psycho-Neurose ansieht, mithin, ebenso wie die Sachverständige, nicht als Unfallfolge. Auch auf HNO-ärztlichem Fachgebiet sind keine Unfallfolgen verblieben. Zwar hat, wie bereits dargelegt, Dr.K. zunächst eine vestibuläre Irritation angenommen, doch ergibt sich insbesondere aus dem eingehenden Gutachten des Dr.H. , das ebenfalls im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, dass die HNO-ärztlichen Untersuchungen keine vestibuläre Störung als Ursache der beklagten Schwindelbeschwerden erbrachten.

Bei der Prüfung unter der Frenzel-Brille konnte kein Spontannystagmus festgestellt werden. Durch Kopfschütteln ließen sich keine pathologischen Nystagmen erzeugen, ebenso nicht durch Lage und Lagerungsprüfungen. Beim Elektronystagmogramm waren die peripheren Vestibularorgane völlig seitengleich thermisch erregbar, in der Spontanableitung zeigte sich kein gerichteter Horizontalnystagmus. Auch von daher lassen sich Schwindelbeschwerden nicht objektivieren. Wie Dr.H. weiter darlegt, ist ein ursächlicher Zusammenhang des Hörsturzes von November 1996 mit dem Unfallereignis vom 12.10.1996 nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit herzustellen. Zusammenfassend lassen sich Unfallfolgen auf HNO-Fachgebiet nicht objektivieren. Auch der Sachverständige Dr.L. stellt in der neurologischen Befunderhebung auf Seiten 4 und 5 seines Gutachtens einen regelrechten neurologischen Befund dar, der sich mit dem der übrigen Gutachter im Wesentlichen deckt. Wenn er dennoch zu einer MdE-Einschätzung von 30 v.H. vom 06.10.1997 bis 19.04.1999 und danach von 20 v.H. auf Dauer gelangt, kann dies nicht nachvollzogen werden. Wenn sich aus der Begründung des Sachverständigen ergibt, dass weder die Art der Verletzung noch das Ausmaß der Gewebsdestruktionen mit der Intensität und der Dauer des Kopfschmerzes korrelieren müssen und dass es hinsichtlich Intensität, Periodizität und Lokalisation des Kopfschmerzes ebenfalls keine Gesetzmäßigkeiten gibt, ist daraus zu schließen, dass der Sachverständige seine MdE-Einschätzung lediglich auf die Angaben des Klägers stützt, die in den objektiven Gegebenheiten jedoch, wie dargelegt, keinerlei Grundlage finden.

Vielmehr ist diesbezüglich nochmals auf das Gutachten der Sachveständigen Dr.K. zu verweisen, die darlegt, dass es sich hier um den Ausdruck einer somatoformen Störung handelt, die ihre Ursache in persönlichkeitsimmanenten Eigenheiten des Klägers hat, nicht jedoch dem Unfall angelastet werden kann. Dies deckt sich, wie ausgeführt, auch mit den Feststellungen des behandelnden Nervenarztes Dr.K ... Es bestand deshalb für den Senat kein Anlass an der Beurteilung der Sachverständigen Dr.K. zu zweifeln.

Diese Beurteilung wird auch durch das nach § 109 SGG eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr.B. nicht erschüttert. Dr.B. führt die geltend gemachten Kopfschmerzen und die Schwindelzustände auf den Unfall vom 12.10.1996 allein auf die Angaben des Klägers und den engen zeitlichen Zusammenhang der geklagten Beschwerden mit dem Unfall zurück. Dies ergibt sich insbesondere aus S.2 seines Gutachtens, wenn er ausführt, bewertet würden somit einerseits der seit dem Unfall, mithin posttraumatisch bestehende Dauerschmerz als auch die vorliegenden posttraumatischen Schwindelzustände mit Gleichgewichtsstörungen. In keiner Weise setzt er sich mit der Art des erlittenen Traumas und den von Dr.N. , Dr.H. , Dr.J. und Dr.K. festgestellten objektiven Befunden auseinander. Im Gegensatz zu Dr.B. haben sich diese Gutachter eingehend mit der Art des erlittenen Traumas und dem objektiv organneurologischen Befund befasst und geprüft, inwieweit die subjektiv geklagten Beschwerden damit zusammenhängen können. Das Gutachten des Dr.B. und seine Annahme einer unfallbedingten MdE von 50 v.H. können nach allem nicht überzeugen.

Nach alldem ist die Berufung des Klägers unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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