L 2 U 510/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 U 65/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 510/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein lärmbedingter Tinnitus ist grundsätzlich bei Bewertung das
Gesamtschadensbildes der Lärmschwerhörigkeit mit einer MdE bis zu 10 v.H. zu
berücksichtigen. Entscheidend für die Beurteilung bleiben immer die aktuellen
Auswirkungen des Tinnitus, insbesondere im pysischen Bereich.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 24. November 1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit der ärztlichen Anzeige des Hals-Nasen-Ohrenarztes Dr.Sch ... vom 12.10.1988 wurde die Beklagte über die Schwerhörigkeit des Klägers mit Tinnitus beiderseits und Schlafstörungen informiert. Der Arbeitgeber, die Firma E ... GmbH, teilte in der Unternehmeranzeige vom 30.07.1990 mit, die Berufskrankheit werde auf das zeitweise Benutzen eines Schussapparates und Lärmeinwirkungen zurückgeführt. Nach Einholung von Auskünften der übrigen Arbeitgeber des Klägers erstellte der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten eine Lärmanalyse und führte aus, es sei zumindest ab 1969 von einem Beurteilungspegel von über 85 db(A) auszugehen.

Die Beklagte zog Unterlagen des Dr.Sch ... aus den Jahren 1987 und 1988 bei.

Im Gutachten vom 30.03.1990 führte der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr.K ... aus, es liege eine lärmbedingte endocochleäre Schallempfindungsschwerhörigkeit vom Haarzelltyp vor. Die MdE sei unter Berücksichtigung der Ohrgeräuschsymptomatik mit 15 v.H. einzuschätzen.

Mit Bescheid vom 18.05.1990 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Lärmschwerhörigkeit verursache keine MdE von wenigstens 20 v.H. Ein Rentenanspruch bestehe deshalb nicht.

Den Widerspruch vom 23.05.1990, den der Kläger mit erheblichen Schlafstörungen begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.1990 zurück.

Im Klageverfahren (S 2 U 261/90) legte der Kläger ein Attest des praktischen Arztes Dr.Bu ... vom 02.11.1990 vor, der bestätigte, das der Kläger seit April 1987 wegen eines Tinnitus bei ihm in laufender Behandlung stehe. Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr.R ... führte im Gutachten vom 06.02.1991 aus, die geringgradige Innenohrschwerhörigkeit beiderseits mit Tinnitus sei aufgrund der eindeutig gemessenen Intensität der Lärmeinwirkung, des elektroakustischen Kurvenverlaufs und der negativen Lärmtests nur zu einem geringen Teil lärmbedingt. Das beim Kläger bestehende Asthma bronchiale führe zu einem Sauerstoffdefizit, so dass es zu durchblutungsbedingten Problemen kommen könne; auch die Skoliose der Wirbelsäule führe zu vertebragenen Durchblutungsstörungen. Der berufsbedingte Lärmschaden sei gering und mit 15 v.H. mehr als ausreichend bewertet. Im Termin vom 23.04.1991 nahm der Kläger die Klage zurück.

Am 22.04.1992 beantragte der Kläger gemäß § 44 SGB X die Neuüberprüfung des Bescheides vom 18.05.1990 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.1990.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des TAD vom 21.10.1992 ein, in der ausgeführt wurde, bei Berücksichtigung, dass der Kläger täglich dem Lärm eines Schussapparates ausgesetzt gewesen sei, ergebe sich ein Beurteilungspegel von 105 db(A). Es sei allerdings anzunehmen, dass der Arbeitgeber in den letzten zehn Jahren nur noch schallgedämpfte Bolzensetzwerkzeuge verwendet habe. Beurteilungspegel von unter 90 db(A) seien wahrscheinlich.

Die staatliche Gewerbeärztin, die HNO-Ärztin Dr.Ba ..., erklärte in der Stellungnahme vom 29.12.1992, der Hörverlust nach dem Sprachaudiogramm vom 07.02.1990 betrage rechts 0 %, links 20 %. Es bestehe beidseits eine annähernd geringgradige Schwerhörigkeit. Die MdE sei auf 10 v.H. zu schätzen. Hochtongeräusche seien mit einem MdE-Zuschlag von 5 v.H. zu bewerten. Die Gesamt-MdE sei mit 15 v.H. zutreffend bewertet.

Mit Bescheid vom 17.02.1993 wurde der Antrag auf Rücknahme des Verwaltungsaktes abgelehnt.

Der Widerspruch des Klägers vom 15.03.1993, mit dem er einwandte, lärmgedämpfte Schussapparate seien während seiner Beschäftigungszeit nicht verwendet worden, und die MdE sei eindeutig zu niedrig, zumal der Tinnitus zu erheblichen Schlafstörungen führe, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.1993 zurückgewiesen.

Mit der Klage vom 19.05.1993 hat der Kläger geltend gemacht, es sei davon auszugehen, dass er bei der Firma E ... einem Lärm von über 90 db ausgesetzt gewesen sei. Für die Schwerhörigkeit und die überaus heftigen Tinnitusbeschwerden sei die MdE von 15 v.H. zu niedrig, denn er leide unter Schlafstörungen und einer schweren psychischen Belastung.

Der Arbeitgeber, die Firma E ..., hat mit Schreiben vom 08.07.1993 mitgeteilt, der Kläger sei mehrere Wochen pro Jahr unmittelbar in der Nähe der Gruppe, die an mehreren Tagen mit dem Schussapparat gearbeitet habe, eingesetzt gewesen.

Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr.Ko ... hat im Gutachten vom 09.09.1994 ausgeführt, der Kläger sei über einen längeren Zeitraum Beurteilungspegeln ausgesetzt gewesen, die höher als 85 db gelegen hätten. Sprachaudiometrisch liege bei gewichtetem Gesamtwortverständnis rechts ein Wert von 240 und links von 250 vor. Dies entspreche einem prozentualen Hörverlust rechts von 10 und links von 20 %. Daraus ergebe sich eine MdE zwischen 0 und 10 v.H.; unter Berücksichtigung der starken Ohrgeräusche, die mit 5 v.H. bewertet würden, ergebe sich höchstens eine MdE von 15 v.H., eher darunter.

Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Neurootologe Prof.Dr.C ... hat im Gutachten vom 17.07.1997 zusammenfassend ausgeführt, die MdE aufgrund der mittelgradigen Schwerhörigkeit rechts und links sei mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten. Im Sprachaudiogramm habe sich für das rechte Ohr ein 13 %-iger Hörverlust und für das linke Ohr ein 14 %-iger Hörverlust ergeben. Die MdE aufgrund der deutlichen und schweren Ohrgeräusche sei mit 10 v.H. zu bewerten. Insgesamt ergebe sich eine MdE von 55 v.H. bei Berücksichtigung aller Teilaspekte der neurootologischen Funktionsstörungen. Wenn man sich ausschließlich auf die mittelgradige Schwerhörigkeit beidseits sowie auf die schweren endogenen und exogenen Ohrgeräusche beziehe, so ergebe sich eine MdE von 40 v.H., die bereits seit 1988 bestehe. Die Prognose sei ungünstig. Erschwerend komme noch das Lebensalter hinzu.

Die Beklagte hat eine Stellungnahme des Hals-Nasen-Ohrenarztes Dr.Kö ... vom 20.05.1998 übersandt, der ausgeführt hat, die Tonaudiogramme, die 1987 und 1988 angefertigt worden seien, zeigten auf beiden Ohren eine zunehmende Schallempfindungsschwerhörigkeit in tiefen und mittleren Frequenzen. Sie seien überwiegend nicht lärmtypisch. Für das Sprachaudiogramm vom 07.02.1990 ergebe sich für das rechte Ohr ein Ergebnis von 240, links 250. Die von Dr.Ko ... ermittelten Werte seien korrekt, insgesamt ergebe sich eine MdE von weniger als 10 v.H. für den berufsbedingten Hörschaden. Die Ohrgeräusche seien nach dem Königsteiner Merkblatt mit einer MdE bis zu 10 v.H. zu berücksichtigen. Dies müsse jedoch im Sinne einer integrierenden MdE-Bewertung geschehen und nicht durch einfache Addition. Daher sei die Gesamt-MdE mit 15 v.H. einzuschätzen. Eine weitere Verschlechterung der Hörfähigkeit sei im Hinblick auf das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben nicht mehr lärmbedingt.

Mit Urteil vom 24.11.1998 hat das SG die Klage abgewiesen. Die HNO-Ärzte Dr.K ..., Dr.R ..., Dr.Ba ... und Dr.Kö ... seien zutreffend und überzeugend zu der Bewertung gekommen, dass keine rentenberechtigende MdE vorliege. Prof. Dr.C ... habe das Königsteiner Merkblatt in der Neuauflage vom 01.01.1996 nicht berücksichtigt. Bei der MdE-Einschätzung seien offensichtlich die Anhaltspunkte für die Bewertung nach dem Schwerbehindertengesetz herangezogen worden ohne die notwendige Ausgrenzung des Nachschadens, nämlich der Zunahme des Hörverlustes nach Aufgabe der Tätigkeit.

Mit der Berufung vom 23.12.1998 wendet der Kläger ein, das Gutachten von Prof.Dr.C ... sei überzeugend. Die MdE von 30 v.H. für die Schwerhörigkeit beiderseits und mindestens 10 v.H. für den Tinnitus sei zutreffend bewertet. Dass die MdE für einen Tinnitus nur bis zu 10 v.H. betragen könne, sei wissenschaftlich überholt. Das von Prof.Dr.Schü ... im Rentenverfahren festgestellte organische Psychosyndrom sei unbeachtlich. Der Kläger habe ausschließlich mit Bolzensetzwerkzeugen gearbeitet, die nicht schallgedämpft gewesen seien. Der Kläger übersendet ein Schreiben des Bayerischen Landesinstitutes für Arbeitsschutz vom 02.04.1992, in dem ausgeführt wird, erfahrungsgemäß lägen die Pegel beim Abfeuern der Bolzen im Bereich von Handfeuerwaffen. Hierbei würden am Ohr des Schützen Lautstärkepegel von 130 bis 140 db gemessen. Im Fall des Klägers, wo Stahlnägel in Stahlträger geschossen worden seien, könnten die Werte noch höher liegen.

Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte HNO-Arzt Prof.Dr.W ... kommt im Gutachten vom 04.10.1999 zusammenfassend zu dem Ergebnis, der Kläger habe jahrzehntelang bei gehörschädigenden Lärmpegeln gearbeitet. Die audiometrischen Messergebnisse zeigten das Bild einer rekruitmentpositiven Hochtoninnenohrschwerhörigkeit beidseits mit angedeutet erkennbaren C-5-Senken, wobei es sich nach dem sprachaudiometrischen Befund um eine annähernd geringgradige Schwerhörigkeit beidseits handele mit typischen Hörverlusten im Hochtonbereich. Die MdE für die Schwerhörigkeit betrage 10 v.H., der beidseitige subjektiv als sehr belastend empfundene Tinnitus erhöhe die MdE im Sinne einer integrierenden MdE-Bewertung auf 15 v.H. Auch wenn man von der Hypothese ausgehen würde, dass entgegen den Stellungnahmen des TAD bei höheren Schalldruckpegeln als den festgestellten gearbeitet worden sei, ergebe sich daraus keine höhere MdE-Bewertung, da das gesamte Ausmaß der Schwerhörigkeit berufsbedingt als Lärmschwerhörigkeit erfasst worden sei. Bei der sprachaudiometrischen Untersuchung habe sich kein höhergradiger Hörverlust als 1990 gezeigt, so dass die Frage nach einem Nachschaden nicht relevant sei. Die sprachaudiometrischen Untersuchungsergebnisse von Prof.Dr.C ... passten nicht zu den tonaudiometrischen Befunden. Maßgebliche Richtlinien zur Beurteilung einer berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit hätten in diesem Gutachten keine Berücksichtigung gefunden.

Nach Beiziehung von Befundberichten des HNO-Arztes Dr.Sch ... vom 28.03.2000 und des Allgemeinmediziners Dr.Bu ... vom 28.03.2000 wurde auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG der HNO-Arzt Dr.Bi ... zum ärztlichen Sachverständigen ernannt. Im Gutachten vom 29.06.2000 führt Dr.Bi ... aus, wie die Audiogramme zeigten, bestehe eine Innenohrschwerhörigkeit, die eine MdE von 10 v.H. bedinge. Nach dem Gutachten des Prof.Dr.Schü ... (S 14 Ar 202/91) bestünden die Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen etc. nicht aufgrund der Ohrgeräusche, sondern aufgrund der Komorbidität im psychologischen/ psychiatrischen Bereich. Es sei auszuschließen, dass die nervenärztliche Erkrankung durch den Tinnitus hervorgerufen sei. Es ergebe sich aufgrund der Unterlagen des behandelnden HNO-Arztes kein Anhalt, dass ein besonderer Leidensdruck aufgrund des Tinnitus bestanden hätte. Eine besondere psychosomatische Belastung werde nicht dokumentiert. Somit sei aufgrund der Aktenlage eine Höherbewertung des Tinnitus als mit einer MdE von 10 v.H. nicht begründbar, die Gesamt-MdE betrage 15 v.H. Eine weitere Lärmmessung sei nicht erforderlich, da sie keine Konsequenzen bezüglich der MdE-Bewertung hätte.

Auf Anfrage des Senats berichtet der Allgemeinmediziner Dr.Bu ... im Schreiben vom 19.10.2000, ihm seien häufige Klagen des Klägers, dass er wegen seines Tinnitus schlecht schlafe, nervös, gereizt und nicht mehr leistungsfähig sei, erinnerlich. Diese Beschwerden hätten durchaus einen psychosomatischen Hintergrund. Am 12.02.1990 habe er die Diagnose einer reaktiven Depression gestellt, die auf den Tod der Mutter des Klägers zurückzuführen sei.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 10.11.2000 erklärt Dr.Bi ..., Dr.Bu ... bescheinige tinnitusbedingte psychosomatische Beschwerden wie Schlaflosigkeit, Gereiztheit, Nervosität und Herabsetzung des Leistungsvermögens. Daher sei die Gesamt-MdE mit 20 v.H. zu bewerten.

Die Beklagte führt dazu im Schreiben vom 04.12.2000 aus, die Ausführungen des Dr.Bu ... seien nicht geeignet, die bisherige Einschätzung der MdE zu entkräften. Die reaktive Depression habe sich eindeutig auf den Tod der Mutter und nicht auf den Tinnitus bezogen.

Der Kläger erklärt im Schreiben vom 11.12.2000 seine Vergleichsbereitschaft auf der Basis des Gutachtens von Dr.Bi ...

Der Kläger stellt den Antrag, aus dem Schriftsatz vom 04.03.1999.

Weiter beantragt er, die Kosten für die Begutachtung des Klägers gemäß § 109 SGG durch Dr.Bi ... auf die Staatskasse zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 24.11.1998 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig sachlich aber nicht begründet.

Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII in Verbindung mit § 580 RVO).

Gemäß § 551 Abs.1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit. Maßgeblich ist seit 01.12.1997 die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl.I S.26, 23). Als Berufskrankheit kommen grundsätzlich nur solche Erkrankungen in Betracht, die von der Bundesregierung als Berufskrankheiten bezeichnet und in die BKV aufgenommen worden sind (Listenprinzip). Die Krankheit muss durch eine versicherte Tätigkeit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden sein, d.h. die Gefährdung durch schädigende Einwirkungen muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein und die Einwirkung muss die Krankheit verursacht haben (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 9 SGB VII Rdnr.3). Alle rechtserheblichen Tatsachen müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BSGE 45, 285).

Unstreitig liegt beim Kläger eine Lärmschwerhörigkeit im Sinne der Nr.2301 der Anlage zur BKV vor. Nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten (TAD) vom 15.06.1989, 29.08.1989 und 14.10.1992 war während der Tätigkeiten des Klägers ein schädigender Geräuschpegel gegeben. Davon sind auch die ärztlichen Sachverständigen im Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahren ausgegangen. Prof.Dr.W ... hat zur Klarstellung nochmals darauf hingewiesen, auch wenn man davon ausgehen würde, dass der Kläger bei noch höheren Schalldruckpegeln als den festgestellten gearbeitet hätte, ergäbe sich daraus keine höhere MdE-Bewertung, da das Ausmaß der Schwerhörigkeit voll auf die berufsbedingten Lärmeinflüsse zurückgeführt wird.

Die durch die Lärmbelastung verursachte Schwerhörigkeit ist aber nur gering und daher nur mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten. Es handelt sich um eine rekruitmentpositive Schwerhörigkeit mit typischen Hörverlusten im Hochtonbereich, wobei in Anbetracht der langjährigen Lärmarbeit auch die Hörverluste bei 1 khz durch die berufliche Lärmexposition erklärbar sind. Zusätzlich sind angedeutete C-5 Senken beidseits noch erkennbar. Das gewichtete Gesamtwortverstehen beträgt beidseits 210 bei einem Diskriminationsverlust von 20 % beidseits. Hieraus errechnet sich nach den Tabellen von Bönninghaus und Röser ein Hörverlust von 20 % beidseits, der einer annähernd geringgradigen Schwerhörigkeit beidseits entspricht. Mit dieser Beurteilung befindet sich Prof.Dr.W ... in Übereinstimmung mit den Gutachten von Dr.K ..., das im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, Dr.R ..., Dr.Ba ..., Dr.Ko ... und Dr.Bi ... Nicht überzeugen können dagegen die Bewertungen durch Prof. Dr.C ..., da die sprachaudiometrischen Untersuchungsergebnisse, die er mitgeteilt hat, nicht zu den tonaudiometrischen Befunden passen. Zudem geht er bei der Bewertung der Schwerhörigkeit nicht von den maßgeblichen Richtlinien im Königsteiner Merkblatt aus.

Übereinstimmung besteht auch in den Ausführungen von Dr. K ..., Dr.R ..., Dr.Ba ..., Dr.Ko ... und Prof.Dr.W ..., dass der Tinnitus mit keiner höheren MdE als 10 v.H. zu bewerten ist. Sie haben den Tinnitus, den der Kläger stets angegeben hat, berücksichtigt, ebenso die Belastungen, insbesondere die Schlafstörungen, die der Kläger auf den Tinnitus zurückführt. Auch Prof.Dr.C ... kommt zu keiner höheren Bewertung als 10 v.H. für den Tinnitus.

Insofern kann die Auffassung von Dr.Bi ..., die Gesamt-MdE sei mit 20 v.H. zu bewerten, nicht überzeugen. Die Feststellungen von Dr.Bu ..., auf die sich Dr.Bi ... stützt, bringen in diesem Zusammenhang keine neuen Erkenntnisse. Der Kläger gab gegenüber Dr.Bu ... Schlafstörungen, die zu Nervosität und Gereiztheit sowie eingeschränkter Leistungsfähigkeit geführt hätten, an. Diese Beschwerden haben auch die früheren Gutachter durchaus berücksichtigt und ihrer MdE-Bewertung zugrunde gelegt.

Ein lärmbedingter Tinnitus ist grundsätzlich bei Bewertung des Gesamtschadensbildes mit einer MdE bis zu 10 v.H. zu berücksichtigen (vgl. Feldmann, Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohrenarztes, 4. Auflage 1997, S.212). Entscheidend für die gutachtliche Beurteilung bleiben immer die aktuellen Auswirkungen des Tinnitus, insbesondere im psychischen Bereich (vgl. Feldmann a.a.O. S.213). In diesem Zusammenhang ist das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof.Dr.Schü ... vom 07.07.1992 zu berücksichtigen. Prof.Dr.Schü ... kommt zu dem Schluss, dass beim Kläger mit Sicherheit eine chronische organische Psychose vom Ausprägungsgrad eines pseudoneurasthenischen Syndroms vorliegt. Gleichzeitig wird der Verdacht auf depressive Entwicklung bei langdauernder chronischer körperlicher Erkrankung geäußert. Dabei bezieht sich Prof.Dr.Schü ... auf die langjährige chronische Atemwegserkrankung und den Tinnitus verbunden mit erheblichen Schlafstörungen. Auch Prof. Dr.Schü ... führt also das auf psychiatrischem Fachgebiet festzustellende Krankheitsbild des Klägers im Wesentlichen auf eine organische Hirnerkrankung und die Folgen der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung im Sinne eines Asthma bronchiale mit Lungenemphysem sowie die Migräne, die schon dazu geführt hat, dass der Kläger 1956 den Maurerberuf aufgab, zurück. Insofern ist eine höhere Bewertung des Tinnitus als mit einer MdE um 10 v.H. nicht veranlasst, und die dahingehenden Ausführungen von Dr.Bi ... sind nicht überzeugend. Im Übrigen spricht gegen eine Gesundheitsstörung von erheblichem Krankheitswert, dass sich der Kläger bislang nicht in Behandlung zu einem Neurologen oder Psychiater begeben hat, sondern die Betreuung durch den Allgemeinmediziner Dr.Bu ... offensichtlich ausreichend war.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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