L 15 VS 1/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 VS 191/93
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VS 1/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24. November 1999 wird verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit und eines Berufsschadensausgleichs nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG)/Bundesversorgungsgesetz (BVG) bzw. um die Zulässigkeit der Berufung.

Der Beklagte hatte zuletzt mit bestandskräftigem Bescheid vom 17.12.1985 bei dem am 1952 geborenen Kläger als Schädigungsfolgen (SF)"1. chronische Polyarthritis, 2. rezidivierende Iridocyclitis am linken Auge ohne wesentliche Beeinträchtigung der Funktionen" im Sinne der Entstehung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v. H. anerkannt; der Kläger hatte seinen Antrag vom 28.02.1979 auf Berufschadensausgleich am 06.08.1979 wegen damals laufender Rehabilitationsmaßnahmen nach § 29 BVG zurückgenommen.

Am 08.08.1985 beantragte der Kläger erneut Berufschadensausgleich und machte geltend, die Reha- Maßnahme mit bestandener Prüfung zum staatlich anerkannten Wirtschafts-Informatiker abgeschlossen zu haben; derzeit sei er arbeitslos und habe sich am 07.08.1985 als stellensuchend beim Arbeitsamt Holzkirchen gemeldet.

Mit Bescheid vom 17.01.1986 lehnte der Beklagte diesen Antrag sowie die Anerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit (§ 30 Abs. 2 BVG) ab; durch die erfolgte Umschulung des Klägers, der von 1970 bis 1973 den Beruf eines Buchdruckers erlernte und in diesem nach Beendigung des Wehrdienstes noch kurze Zeit tätig war, habe dieser als Wirtschafts-Informatiker einen mindestens sozial gleichwertigen Beruf erlernt, so dass ein vollständiger Ausgleich des schädigungsbedingten beruflichen Schadens erreicht worden sei; dieser Umschulungsberuf sei aus schädigungsunabhängigen - arbeitsmarktbedingten - Gründen derzeit nicht ausübbar, so dass weder die Voraussetzungen einer besonderen beruflichen Betroffenheit noch ein schädigungsbedingter Einkommensverlust vorlägen.

Mit seiner Klage vom 18.01.1986 zum Sozialgericht München verfolgte der Kläger sein Ziel weiter und machte geltend, wegen seiner SF sei eine Einstellung als Wirtschafts-Informatiker nicht erfolgt; seine Arbeitslosigkeit sei daher schädigungsbedingt; zudem verschlechterten sich seine Einstellungschancen, weil der Zeitraum zwischen Ausbildung und Stellensuche immer größer werde. Dieses Verfahren, das mit Beschluss vom 26.11.1992 für die Dauer der Gutachtenserstellung ruhte, wurde mit Verfügung vom 04.08.1993 nach Ablauf von 6 Monaten ausgetragen. Nachdem der Sachverständige Dr. K. am 05.08.1993 das gewünschte Gutachten erstellt hatte, teilte das Gericht mit Schreiben vom 24.08.1993 den Beteiligten mit, das Verfahren S 11 V 54/86 SVG werde nunmehr unter dem Az. S 11 V 191/93 SVG geführt.

Mit Urteil vom 24.11.1999 wies das Sozialgericht die Klage, gestützt auf die Gutachten des Dr. K. und des Prof.Dr. F. , ab. Dieses Urteil wurde dem Kläger unter der von ihm im Schreiben vom 17.11.1999 angegebenen Anschrift, "bei E. F. R. , mit PZU am 29.12.1999 zugestellt.

Gegen dieses Urteil legte der Kläger mit Schreiben vom 22.01.2000, das am 07.02.2000 beim Bayerischen Landessozialgericht einging, Berufung ein und beantragte vorsorglich und hilfsweise die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Hierzu gab er an, während der Weihnachtsfeiertage und des Jahreswechsels in der Zeit vom 23.12.1999 bis 05.01.2000 vorübergehend bei seiner Mutter in V. und nicht beim damaligen und gerichtsbekannten Aufenthaltsort in R. gewesen zu sein; das am 29.12.1999 zugestellte Urteil habe vom dortigen Postempfänger erst nach seiner Rückkehr, d. h. in der Nacht vom 06. auf 07.01.2000, persönlich an ihn ausgehändigt werden können.

Den Antrag des Klägers, ihm für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, lehnte der Senat mit Beschluss vom 20.11.2000 wegen mangelnder Erfolgsaussicht ab.

Mit Schriftsatz vom 26.03.2000 bestritt der Kläger, ihm sei wegen der Fristversäumnis ein Verschulden anzulasten. Bezogen auf den Zeitpunkt, zu dem er das Urteil ausgehändigt erhalten habe, habe er die Monatsfrist zutreffend berechnet und auch eingehalten.

Mit Schreiben vom 16.03.2001 wies der Kläger u.a. darauf hin, unmissverständlich und wiederholt erklärt zu haben, die Berufung sowie seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes aufrecht zu halten. Daraufhin teilte ihm das Gericht mit Schreiben vom 22.03.2001 mit, der Senat werde zu gegebener Zeit über seine Berufung entscheiden; wegen des PKH-Antrages verwies es auf den Beschluss vom 16.11.2000.

Mit Schreiben vom 18.06.2001 beantragte der Kläger, den Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.06.2001 aufzuheben und zu gegebener Zeit, d.h. nach seiner Haftentlassung, einen neuen Termin anzuberaumen.

Nach telefonischer Rücksprache mit dem Vorsitzenden des 15. Senats teilte der Kläger mit Fax vom 21.06.2001 mit, hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit der Berufung (Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Berufungsfrist) bestehe er im Hinblick auf seine Schriftsätze vom 22.01., 26.03. und 26.04.2000 nicht auf Teilnahme an der mündlichen Verhandlung; den erneuten Antrag auf Prozesskostenhilfe stelle er nur für den Fall, dass das Gericht - nach Wiedereinsetzung - in die Sachprüfung (Fragen der besonderen beruflichen Betroffenheit, des Berufsschadensausgleichs und unter Umständen Verschlimmerung von SF/Erhöhung der MdE) eintreten wolle.

In der mündlichen Verhandlung war für den Kläger niemand erschienen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.11.1999 und den Bescheid vom 07.01.1986 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Versorgung nach einer höheren MdE unter Einschluss einer besonderen beruflichen Betroffenheit sowie Berufsschadensausgleich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozial- gerichts München vom 24.11.1999 zu verwerfen.

Zum Verfahren wurden beigezogen die Versorgungsakten des Klägers beim Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts München, Az.: S 20 V 2772/82 SVG, S 39 V 53/86 SVG, S 39 V 54/86 SVG, S 11 V 163/94 SVG sowie die Akte des Bayerischen Landessozialgerichtes, Az.: L 15 B 142/00 VSPKH.

Bezüglich des weiteren Sachverhalts in den Verfahren des Beklagten und des Sozialgerichts wird gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und § 543 der Zivilprozessordnung (ZPO) auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die dort angeführten Beweismittel, hinsichtlich des Sachverhalts im Berufungsverfahren auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der Berufungsakte nach § 136 Abs.2 SGG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.11.1999 ist wegen Versäumung der einmonatigen Berufungsfrist des § 151 Abs.1 SGG unzulässig und deshalb zu verwerfen.

Ausweislich der vorliegenden PZU sowie der eigenen Angaben des Klägers wurde das angefochtene Urteil am 29.12.1999 unter der von ihm im Schriftsatz vom 17.11.1999 selbst angegebenen Anschrift "bei E. F. R." durch Übergabe an E. F. , also mittels "Ersatzzustellung" (vgl. Meyer-Ladewig, Komm. z. SGG, 6. Auflage, Rdnr.5 b zu § 63), zugestellt; nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub wurde es dem Kläger in der Nacht vom 06. auf 07.01.2000 ausgehändigt. Die Monatsfrist für die Einlegung des Rechtsmittels begann daher am 30.12.1999 und endete mit Ablauf des 31.01.2000. Damit ist die erst am 07.02.2000 beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegte Berufung nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist eingegangen und als verspätet zu verwerfen.

Die Versäumung der Rechtsmittelfrist kann auch nicht durch das Institut der "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" geheilt werden (§ 67 SGG). Zwar teilte der Kläger zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages mit, er sei während der Weihnachtsfeiertage und des Jahreswechsels in der Zeit vom 23.12.1999 bis 05.01.2000 vorübergehend bei seiner Mutter und nicht beim damaligen gerichtsbekannten Aufenthaltsort in R. gewesen und das Urteil sei ihm erst in der Nacht vom 06. auf 07.01.2000 persönlich ausgehändigt worden, jedoch begründen diese Angaben keine Umstände, die seinen Wiedereinsetzungsantrag rechtfertigen können. Abgesehen davon, dass die Wirksamkeit der Zustellung des Urteils mit PZU nicht von der persönlichen Kenntnis des Klägers abhängig ist, konnte der Kläger keine Umstände mitteilen, wonach er ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten; bis zum Fristablauf (31.01.2000) hatte er genügend Zeit, wenigstens zur Fristwahrung Berufung - ohne Begründung, die später nachgereicht werden konnte - einzulegen. Gründe, die ihn daran hinderten, konnte er nicht vortragen. Die irrtümliche Annahme des Klägers, die einmonatige Berufungsfrist sei erst mit der Aushändigung des sozialgerichtlichen Urteils an ihn (06. oder 07.01.2000) in Gang gesetzt worden, stellt, auch wenn es sich beim Kläger um einen juristischen Laien handelt, keinen ausreichenden Entschuldigungsgrund für eine "Wiedereinsetzung" dar (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr.8a zu § 67.

Nachdem damit die erforderliche Prozessvoraussetzung einer rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels nicht erfüllt ist, darf der Senat über die materiell-rechtlichen Ansprüche bzgl. einer Erhöhung der MdE, Anerkennung einer beruflichen Betroffenheit sowie eines Berufsschadensausgleichs nicht entscheiden; auf die diesbezügliche Sachargumentation des Klägers ist deshalb auch nicht mehr einzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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