L 20 RJ 571/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 442/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 RJ 571/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.05.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Weiterbewilligung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit über den 31.03.1999 hinaus bis zum Beginn der Altersrente am 01.03.2001.

Der am 1941 geborene Kläger hat nach eigenen Angaben bis 1976 den erlernten Beruf eines Metzgers ausgeübt; anschließend war er bis 1992 als Fernfahrer und zuletzt bis 1995 als Lagerarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt.

Wegen der Gesundheitsstörungen erheblich eingeschränktes Geh- und Stehvermögen bei ausgeprägtem Hüftgelenksverschleiß, Kniegelenksverschleiß rechts, Innenmeniskusschädigung rechts, Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks nach Rotatorenmanschettenruptur (23.11.1994), Übergewicht mit ernährungsbedingten Stoffwechselstörungen (Gutachten vom 10.11.1995) bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 21.12.1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) auf Zeit vom 01.10.1995 bis 31.03.1997. Mit Bescheid vom 10.01.1997 wurde die Rente bis längstens 31.03.1999 bewilligt.

Auf den Weitergewährungsantrag vom 21.12.1998 bewilligte die Beklagte dem Kläger, bei dem am 11.01.1999 eine Hüft-Totalendoprothese (TEP) links wegen einer Coxarthrose implantiert wurde, eine Anschlussheilbehandlung in der Klinik B. Bad K. (01.02. bis 01.03.1999); nach dem Entlassungsbericht dieser Klinik wurde der Kläger als arbeitsunfähig entlassen, nach einer Rekonvaleszenzzeit von ca. 6 Monaten könne er eine vollschichtige leichte körperliche Tätigkeit im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen und überwiegend im Sitzen, ohne Vibrationsbelastungen, ohne schweres Heben, Tragen und Bewegen, ohne Überschulterarbeit, ohne Knien und Hocken, ohne Ersteigen von Leitern und Gerüsten, ohne häufiges Treppensteigen und ohne Gehen über unebenen Boden ausüben. Mit Bescheid vom 26.03.1999 und Widerspruchsbescheid vom 27.05.1999 lehnte die Beklagte die Weitergewährung von Rentenleistungen ab und verwies den Kläger auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Das Sozialgericht Bayreuth (SG) hat zunächst die Unterlagen der Lederindustrie-BG und die Befundberichte des Orthopäden Dr.K. und der Allgemeinärztin Dr.M. zum Verfahren beigezogen. Der Orthopäde Prof. Dr.S. hat das Gutachten vom 26.06.2000 erstattet, in dem er leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus vollschichtig bei Beachtung bestimmter Funktionseinschränkungen für zumutbar hielt; da das Einheilen eines zementfrei eingesetzten künstlichen Gelenkes etwa ein halbes Jahr andauere und der Kläger etwa 6 Monate Unterarmstützkrücken beiderseits benutzt habe, empfahl er die Weitergewährung der Rente wegen EU bis 30.09.1999. Mit Bescheid vom 11.01.2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersrente ab 01.03.2001. Der auf Antrag des Klägers gehörte Orthopäde Dr.K. hat im Gutachten vom 17.02.2001 die Auffassung vertreten, ab 01.10.1999 sei der Kläger nicht mehr in der Lage, einer leichten Arbeit unter den üblichen Bedingungen vollschichtig nachzukommen (nur noch halbschichtig). Der weiter von Amts wegen gehörte Orthopäde Dr.E. ist im Gutachten vom 07.09.2001 zu denselben Befunden gelangt wie Dr.K. , hat aber leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus in Vollschicht für zumutbar gehalten. Während der beruflichen Tätigkeit sollten zusätzliche Pausen gewährt werden, um stets eine wechselnde Körperposition einnehmen zu können. Der Chirurg Dr.G. hat im Gutachten vom 28.03.2002 leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus in geschlossen Räumen in Vollschicht für zumutbar gehalten.

Mit Urteil vom 22.05.2002 hat das SG die Beklagte im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr.S. verurteilt, dem Kläger Rente wegen EU auf Zeit über den 31.03. hinaus bis einschließlich 30.09.1999 zu gewähren; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Nach den Ausführungen der vom SG gehörten ärztlichen Sachverständigen sei die Erwerbsfähigkeit des Klägers zwar auch ab 01.10.1999 eingeschränkt, nicht aber in einem solchen Maße, dass er nicht mehr in der Lage gewesen wäre, zumindest die Hälfte des Lohnes eines vergleichsweise in Betracht kommenden gesunden Versicherten zu erzielen. Der Kläger sei zumindest für leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus vollschichtig einsetzbar. Damit sei er nicht erwerbsunfähig. Es liege auch keine Berufsunfähigkeit (BU) vor, da der Kläger nach seinem beruflichen Werdegang (zuletzt Lagerarbeiter) auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei.

Mit der dagegen eingelegten Berufung machte der Kläger im Wesentlichen geltend, dass vor allem infolge seiner ausgeprägten orthopädischen Gesundheitsstörungen EU weiterhin vorliege. Insbesondere beruft er sich auf die Ausführungen von Dr.K. , der ein nur noch halbschichtiges Leistungsvermögen und die Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen festgestellt habe. Das Erfordernis dieser Pausen habe auch Dr.E. bejaht.

Der Senat hat Befundberichte und Unterlagen der Nervenärztin Dr.N. , des HNO-Arztes Dr.W.M. und der Allgemeinärztin Dr.M. zum Verfahren beigezogen, außerdem die Unterlagen der Lederindustrie-BG.

Der Kläger beantragt, unter teilweiser Aufhebung des Urteils des SG Bayreuth vom 22.05.2002 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 26.03.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.1999 die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen EU über den 31.03.1999 hinaus bis 28.02.2001 zu gewähren. Hilfsweise beantragt er die Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens von Amts wegen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen sind neben den Streitakten erster und zweiter Instanz die Unterlagen der Beklagten, die Unterlagen der Lederindustrie-BG und die früheren Klageakten des SG Bayreuth S 5/13 An 119/73 und S 10 U 71/97. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 22.05.2002 zu Recht entschieden, dass der Kläger Anspruch gegen die Beklagte auf Leistungen wegen EU bis längstens 30.09.1999 hat. Darüberhinaus stehen ihm keine solchen Leistungen zu, da der Kläger im streitigen Zeitraum bis zum Beginn der Altersrente am 01.03.2001 nicht erwerbsunfähig im Sinne des Gesetzes war.

Der Anspruch auf Rente wegen EU bei Antragstellung vor dem 31.03.2001 (hier 21.12.1998) ist nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) zu beurteilen, soweit ein Anspruch aus der Zeit vor dem 01.01.2001 geltend gemacht wird (vgl. § 300 Abs.2 SGB VI).

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 44 SGB VI a.F. Danach erhalten Rente wegen EU Versicherte, die erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EU drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der EU die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das 1/7 der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor.

Insoweit schließt sich der Senat den überzeugenden Ausführungen der vom SG gehörten ärztlichen Sachverständigen Prof. Dr.S. , Dr.E. und Dr.G. an. Die vom SG angenommene Leistungsbeurteilung, dass der Kläger noch in der Lage ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus bei Beachtung bestimmter Funktionseinschränkungen vollschichtig zu verrichten, ist nicht zu beanstanden. Im Gegensatz zu der Leistungsbeurteilung des auf Antrag des Klägers gehörten Orthopäden Dr.K. im Gutachten vom 17.02.2001 ist der Kläger auch zur Überzeugung des Senats ab 01.10.1999 in dem von den ärztlichen Sachverständigen aufgezeigten Rahmen wieder vollschichtig einsatzfähig. Insoweit verweist der Senat gem. § 153 Abs.2 SGG auf die zutreffenden Gründe in der angefochtenen Entscheidung.

Der Leistungsbeurteilung von Dr.K. , der Kläger sei ab 01.10.1999 nur halbschichtig einsatzfähig, hat sich das SG zu Recht nicht angeschlossen. Begründet hat Dr.K. diese Auffassung mit einem polytopen Befall mit Funktionseinschränkung der verschiedenen großen Gelenke der oberen und unteren Extremitäten mit Tendenz zur weiteren Verschlechterung. Diese vom Sachverständigen angeführten Diagnosen waren aber sowohl der Beklagten wie auch dem bis dahin vom SG gehörten Sachverständigen Prof. Dr.S. bekannt. Im Vergleich hierzu hat Dr.K. aber eine Verschlimmerung, die zu einer wesentlich anderen Leistungsbeurteilung hätte führen müssen, nicht nachweisen können. Er hat vielmehr wesentlich andere Bewegungsausmaße der Schulter, der Hüften und der Wirbelsäule nicht feststellen können, auch nicht bezüglich des Rotatorenmanschettensyndroms und der Coxarthrose. In der Gesamtwürdigung hat er somit keinen objektiv anderen Befund festgestellt als die Vorgutachter, seine Leistungsbeurteilung ist daher auch für den Senat nicht nachzuvollziehen.

Der Kläger war im streitigen Zeitraum auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer eingeschränkten Gehstrecke erwerbsunfähig. So hat Prof. Dr.S. im Gutachten vom 26.06.2000 keinen Anlass gesehen, hierzu Ausführungen zu machen. Der auf Antrag des Klägers gehörte Orthopäde Dr.K. hat eine Gehstrecke von 500 Meter für zumutbar gehalten. Lediglich Dr.E. hat eine Gehstrecke bis 500 Meter angenommen, ohne dies allerdings näher zu begründen. Demgegenüber hat der Sachverständige Dr.G. im Gutachten vom 28.03.2002 alle Befunde nochmals überprüft und ist schließlich in der Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Einschränkung des zumutbaren Anmarschweges nicht gegeben ist. Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an insbesondere im Hinblick darauf, dass der Kläger selbst nie eine eingeschränkte Gehfähigkeit geltend gemacht hat.

Auch betriebsunübliche Pausen sind nicht erforderlich. Insoweit hat lediglich Dr.K. darauf hingewiesen, dass auf regelmäßige und ausreichende Pausen zu achten sei. Dr.E. hat zusätzliche Pausen mit etwa 1 bis 1,5 Stunden täglich in entsprechenden zeitlichen Abständen für erforderlich gehalten. Dies wird damit begründet, dass während einer beruflichen Tätigkeit zusätzliche Pausen erforderlich seien, um stets eine wechselnde Körperposition einnehmen zu können. Diese Vorgabe ist zur Überzeugung des Senats nicht nachvollziehbar, da dem Kläger Tätigkeiten im Wechselrhythmus zumutbar sind. Solche Arbeiten erlauben nämlich dem Kläger den notwendigen Wechsel von einer Körperposition in die andere. Damit war der Kläger im streitigen Zeitraum nicht erwerbsunfähig.

Der Senat brauchte auch dem hilfsweise gestellten Antrag des Klägers, ein orthopädisches Sachverständigengutachten von Amts wegen einzuholen nicht nachzugehen. Denn der Sachverhalt ist in medizinischer Hinsicht genügend aufgeklärt, dies insbesondere im Hinblick auf den Entlassungsbericht der Klinik B. Bad K. und die insgesamt vier vom SG eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten. Da streitgegenständlich der Zeitraum vom 01.10.1999 bis 28.03.2001 ist, sind von einem weiteren ärztlichen Sachverständigengutachten keine neuen Befunde und Untersuchungsergebnisse zu erwarten. Auch ergibt sich aus den vom Senat beigezogenen Unterlagen gegenüber den Vorbefunden im Klageverfahren keine wesentliche Änderung. Die Nervenärztin Dr.N. bescheinigt die Diagnosen "ausgeschlossen Morbus Alzheimer mit frühem Beginn, mäßiger eher ortsüblicher Alkoholabusus mit unspezifischer depressiver Entwicklung". Auf dem HNO-ärztlichen Gebiet wurde - nach Beginn der Altersrente - im März 2001 eine Pan-Sinus-Operation beidseits sowie eine Septumkorrektur durchgeführt; anschließend war der Kläger zwei Wochen arbeitsunfähig. Auch haben die Beschwerden im Bereich der rechten Schulter zwischenzeitlich zu einer Operation im Klinikum L. geführt; diese wurde am 19.03.2003 durchgeführt, also müssen diese Erkrankungen bzw. Operationen für den streitigen Zeitraum außer Betracht bleiben. Nachdem auch in den Unterlagen der Lederindustrie-BG und im anschließenden Unfallklageverfahren S 10 U 71 97 drei orthopädische und ein neurologisches Sachverständigengutachten enthalten sind, hat der Senat keinen Anlass gesehen, von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufzuklären. Die Berufung musste daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung gem. § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung des Klägers erfolglos geblieben ist.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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