L 2 U 392/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 142/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 392/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 12. November 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Feststellung einer Berufskrankheit, hervorgerufen durch den Umgang mit Reinigungs- und Desinfektionsmitteln.

Die 1954 geborene Klägerin war von April 1986 bis Dezember 1992 im Kreiskrankenhaus G. als Hausgehilfin und Küchenhilfe beschäftigt. Dabei war sie bis Juni 1986 als Stationshilfe mit Reinigungsarbeiten in den Stations- und Funktionsbereichen befaßt. Es folgte bis August 1991 eine Tätigkeit im Hol- und Bringdienst und anschließend eine Tätigkeit als Küchenhilfe. Hiermit verbunden war wiederum die Reinigung von Arbeitsflächen, Geräten und Einrichtungsgegenständen. Während ihrer gesamten Tätigkeit war sie einmal aushilfsweise für einen Zeitraum von etwa einer Woche mit Reinigungstätigkeiten im OP-Bereich beschäftigt.

Der Nervenarzt Dr. B. erstattete am 24.11.1995 eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit. Er nannte als Krankheit eine "BK Nr. 13", als Ergebnis der Untersuchung die Diagnose "Verdacht auf toxische Schädigung" und als berufliche Einwirkungen auf die die Versicherte ihre Beschwerden zurückführe: Pestizide, Reinigungsmittel, Lösungsmittel.

Die Anerkennung einer Hauterkrankung als Berufskrankheit lehnte der Beklagte insoweit ab, die Klägerin nahm die hiergegen gerichtete Klage zurück.

Nachdem die Klägerin eine Fülle von Gefahrstoffen genannt hatte, mit denen sie angeblich Umgang hatte, und andererseits eine eingeschränkte Einverständniserklärung der Klägerin zur Beiziehung ärztlicher Unterlagen dazu führte, dass dem Beklagten lediglich die von der Klägerin überlassenen Arztbriefe zur Verfügung standen, wandte sich der Beklagte an das Gewerbeaufsichtsamt Regensburg mit der Bitte um einen Hinweis, auf welche Stoffe der frühere Arbeitsplatz der Klägerin untersucht werden solle. Unter Berücksichtigung der zur Verfügung gestellten ärztlichen Unterlagen kam der Gewerbearzt zu der Einschätzung, bei einer Stationshilfe, Küchenhilfe und Reinigungskraft sollten vor allem die Flächendesinfektion und die Desinfektion der Hände eine Rolle gespielt haben. Quartäre Ammoniumverbindungen wie Benzalkoniumchlorid, hier war eine Intoxikation bzw. Allergie in einer toxikologischen Klinik abgeklärt worden, hätten einen niedrigen Dampfdruck, so dass eine Intoxikation bei einer normal üblichen Flächendesinfektion oder Handdesinfektion unwahrscheinlich sei. Auch eine Allergie sei bei negativen Tests (die insoweit anderweit durchgeführt worden waren) nicht wahrscheinlich. Die Anerkennung einer BK Nr.1302 der BKVO werde nicht empfohlen. Mit Hinweis hierauf und unter Zitierung der betreffenden Stelle lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 08.10.1997 die Anerkennung einer Berufskrankheit und die Gewährung von Leistungen ab.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und schilderte u.a. die Arbeiten und die Arbeitsmittel im Kreiskrankenhaus G ... Der technische Aufsichtsdienst des Beklagten führte daraufhin Ermittlungen am früheren Arbeitsplatz der Klägerin hinsichtlich sämtlicher Tätigkeiten, Arbeitsplätze und Arbeitsmittel durch. Von den verwendeten Mitteln enthielten nur zwei (Taski-saninet und Pervistra) Gefahrstoffe, eine Überschreitung der zulässigen Grenzwerte für diese Stoffe sei aber bei bestimmungsmäßigem Gebrauch nicht anzunehmen. Zusammenfassend führte der technische Aufsichtsdienst aus, die für die Desinfektion und Reinigung in Stations- und Funktionsbereichen sowie in der Küche verwendeten Mittel seien ausschließlich handelsüblich gewesen und beinhalteten nur zum Teil Gefahrstoffe. Schutzausrüstung und Hautpflegemittel seien zur Verfügung gestanden. Bei den verwendeten Gebrauchsverdünnungen sei nicht davon auszugehen, dass das normale, im täglichen Leben übliche Gefährdungsmaß überschritten werde. Unter der Voraussetzung des bestimmunggemäßen Einsatzes der Mittel sei eine toxische gesundheitliche Schädigung unwahrscheinlich; allergische Reaktionen auf die beschriebenen Einzelstoffe bzw. Stoffgemische seien hingegen möglich, hätten im vorliegenden Fall aber nicht nachgewiesen werden können. Fernmündlich begehrte die Klägerin, die Prüfung eines Entschädigungsanspruches könne nicht auf Nr.1302 beschränkt werden, sie müsse u.a. auch die Nr.1317, 5101 und schließlich auch § 9 Abs.2 SGB VII umfassen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.1999 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. In der Begründung ist u.a. ausgeführt, die Ermittlungen hätten ergeben, dass allenfalls die BK Nr.1302 in Betracht kommen könne. Der Widerspruchsausschuß sehe auch keinen Anlaß, die Prüfung auf andere Berufskrankheitennummern auszudehnen bzw. ein Gutachten darüber einzuholen inwieweit etwa die Voraussetzungen für eine Entschädigung nach § 551 Abs.2 RVO (jetzt § 9 Abs.2 SGB VII) in Betracht kommen könnten.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin beantragt, die Bescheide des Beklagten aufzuheben und diesen zu verpflichten, ihrem Antrag auf Anerkennung als Berufskrankheit zu entsprechen und Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung seit Antragstellung zu gewähren.

Nachdem die Klägerin in einem Erörterungstermin erklärt hatte: "Eine generelle Entbindung von der Schweigepflicht erteile ich nicht, sondern nur für die wichtigen Sachen.", hat das Sozialgericht keine weiteren Ermittlungen mehr vorgenommen. Mit einem entsprechend angekündigten Gerichtsbescheid vom 12.11.2001 hat es die Klage abgewiesen. In der Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dass eine entsprechende Schadstoffkonzentration, die zu Gesundheitschädigungen führen könne, in den von der Klägerin verwendeten Arbeitsstoffen nicht nachzuweisen gewesen sei. Diesbezüglich werde auf die Ergebnisse der durchgeführten Arbeitsplatzanalyse verwiesen. Ungeachtet dessen sei bei der Klägerin eine durch toxische Einwirkungen verursachte Erkrankung nicht nachzuweisen. Die Auswertung der von der Klägerin zur Verfügung gestellten ärztlichen Berichte habe keinerlei Hinweise auf eine organische oder psychische Erkrankung ergeben. Die von der Klägerin und ihren behandelnden Ärzten beschriebenen Beschwerden seien unspezifisch und ließen sich nicht objektivieren. Bezug genommen ist hierbei auch auf ein Sachverständigengutachten in einer Rentenstreitsache der Klägerin vor dem Sozialgericht Landshut.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und beantragt,
den Gerichtsbescheid des SG Landshut sowie den Bescheid des Beklagten vom 08.10.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.1999 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr unter Anerkennung einer Berufskrankheit Nr.1302 der Anlage zur BKVO Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab Antragstellung zu gewähren.

Geltend gemacht werden weiter die Auswirkungen von toxischen Stoffen in Reinungs- und Lösungsmitteln bei der Tätigkeit im Kreiskrankenhaus G ...

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat mit Schreiben vom 19.07.2002 u.a. darauf hingewiesen, dass als Berufskrankheit nur genau bezeichnete Krankheiten anerkannt werden könnten, nicht Symptome, Beschwerdebilder oder Krankheitsfolgen. Ferner müsse es sich entweder um eine in der Anlage zur BKV genannte Krankheit oder eine durch dort genannte Einwirkungen verursachte Krankheit handeln.

Die Klägerin hat demgegenüber geltend gemacht, in der Berufskrankheitenanzeige sei die Nummerngruppe 13, also die Berufskrankheiten Nr.1301 bis 1317 genannt, zum anderen durch internationale Klassifikation bezeichnete Erkrankungen, nämlich toxische Wirkung von organischen Lösungsmittel sowie toxische Wirkung sonstiger nicht näher bezeichneter Substanzen.

Die Klägerin hat ein in dem bereits genannten Rentenstreitverfahren eingeholtes Gutachten nach § 109 SGG vorgelegt, das mehr als zehn Seiten anamnestische und aktuelle Beschwerdeschilderungen beinhaltet, ferner eine Vielzahl von Diagnosen, darunter Encephalopathie, Polyneuropathie und eine Immunkomplexkrankheit als Folge chronischer toxischer Aldehydexposition. Die Diagnosestellung stützt sich ausschließlich auf die Aktenlage und die Anamneseerhebung, die Einwirkung von Desinfektionsmitteln ausschließlich auf Angaben der Klägerin.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts Landshut in dem vorangegangengen Klageverfahren sowie in einer Reihe weiterer, nicht den vorliegenden Rechtsstreit betreffender Verfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegt worden; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG liegt nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Die Entscheidung über den Rechtsstreit richtet sich auch im Berufungsverfahren nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, weil der behauptete Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten wäre und erstmals über Leistungen für einen davor liegenden Zeitraum zu entscheiden ist (§§ 212 f. SGB VII).

Das Klagebegehren, wie es auch im Berufungsverfahren weiterhin formuliert ist, enthält bezüglich der "Anerkennung einer Berufskrankheit" keinen zulässigen Klageantrag. Aus der Vorschrift des § 551 RVO ebenso wie aus § 55 SGG ergibt sich, dass als Berufskrankheit bzw. Folge einer Berufskrankheit eine bestimmte, benannte Erkrankung geltend zu machen ist. Jeder anderen Entscheidung würde ein vollzugsfähiger Inhalt fehlen, aus dem sich ergäbe, wofür der Unfallversicherungsträger dem Grunde nach die gesetzlichen Leistungen zu erbringen hat. Eine solche Benennung einer Krankheit liegt bisher nicht vor. Insbesondere ist der Berufskrankheitenanzeige des Dr. B. keine solche zu entnehmen, weil die dort genannten Nummern lediglich durch Einwirkungen, nicht jedoch durch bestimmte Erkrankungen benannt sind. In der Berufskrankheitengruppe 13 sind nur zwei definierte Krankheitsbilder enthalten, nämlich Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege nach Nr.1301 und Hornhautschädigungen des Auges nach Nr.1313. Keine dieser Erkrankungen steht hier im Raum. Darüber hinaus kann, worauf auch das Sozialgericht hingewiesen hat, bei der Klägerin kein gesichertes Krankheitsbild angenommen werden, jedenfalls soweit es das von der Klägerin eingeschränkte Beweisergebnis betrifft. Das gilt auch für das im Berufungsverfahren vorgelegte Gutachten. Auch dies basiert einzig auf Angaben und Unterlagen der Klägerin und enthält keinerlei eigene diagnostische Maßnahmen des gehörten Sachverständigen.

Somit verbleibt als zulässiges Klagebegehren lediglich die Aufhebung des Bescheides des Beklagten, mit dem die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung durch Halogenkohlenwasserstoffe nach Nr.1302 der Anlage zur BKVO abgelehnt wurde. Dieses Begehren ist unbegründet. Der Beklagte und das Sozialgericht sind zurecht davon ausgegangen, dass es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme an einer Einwirkung durch Halogenkohlenwasserstoffe in der versicherten Tätigkeit der Klägerin gefehlt hat, wie sie für das Vorliegen einer Berufskrankheit erforderlich wären. Es kann hierbei dahingestellt bleiben, ob die Klägerin entsprechend den Voraussetzungen des § 551 Abs.1 Satz.2 RVO besonderen Einwirkungen durch Halogenkohlenwasserstroffe ausgesetzt war, die einen erheblich höheren Grad als bei der übrigen Bevölkerung erreicht haben, oder ob die festgestellte Exposition nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht geeignet war, wesentlich an der Entstehung einer Gesundheitsstörung mitzuwirken. Die Ergebnisse der Ermittlungen des Beklagten begründen beide Deutungen. Im ersteren Fall fehlt es an der für die Entstehung einer Berufskrankheit notwendigen Expositionshöhe, im zweiten Fall ist die Exposition nicht ausrechend um wenigstens wesentlicher Mitverursacher einer Erkrankung zu sein. Gegen das vom Beklagten gefundene Ermittlungsergebnis sind keine nachvollziehbaren Einwände vorgetragen und auch nicht ersichtlich.

Die Berufung hat deshalb keinen Erfolg.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass die Klägerin in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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