L 8 AL 42/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 AL 390/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 42/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 14.11.2001 und der Bescheide vom 19.05.1999 und 01.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.1999 verurteilt, dem Kläger ab 23.05.1999 Anschluss-Arbeitslosenhilfe zu bewilligen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Anschluss-Arbeitslosenhilfe streitig.

Der 1941 geborene Kläger meldete sich am 14.08.1996 arbeitslos. Er hatte zuvor vom 07.01.1991 bis 31.08.1996 als Konstrukteur gearbeitet. Vom 02.09.1996 bis 22.05.1999 bezog er Arbeitslosengeld (Alg). Nach Erschöpfung des Alg-Anspruchs beantragte er am 14.04.1999 Anschluss-Arbeitslosenhilfe (Alhi). Bezüglich der eigenen Vermögensverhältnisse und denen seiner Ehefrau gab er an, man habe gemeinsam drei Freistellungsaufträge für Kapitalerträge, gemeinsames Festgeld in Höhe von DM 10.615,00 und eine Kapitallebensversicherung mit einer Versicherungssumme von DM 50.000,00, des Weiteren eine gemeinsame Kapitallebensversicherung mit einer Versicherungssumme von DM 5.000,00 und verfüge darüber hinaus über eine gemeinsame Eigentumswohnung. Die Kapitallebensversicherungen und die Eigentumswohnung würden der Altersvorsorge dienen. Die Ehefrau des Klägers, die seit Dezember 1994 arbeitslos ist, erhielt aus einer Wertpapierabrechnung vom 11.01.1991 DM 103.417,78. Hiervon zahlte sie DM 49.990,00 auf eine Rentenversicherung mit Überschussbeteiligung bei der B.-Versicherung ein und schenkte einen weiteren Betrag von DM 50.000,00 am 13.01.1999 der gemeinsamen Tochter A. M. zum Erwerb einer Immobilie. Mit Bescheid vom 01.03.1999 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Alhi für die Ehefrau des Klägers ab. Diese sei für 26 Wochen nicht bedürftig, wobei die Schenkung an die gemeinsame Tochter in Höhe von DM 50.000,00 als nicht vermögensmindernd berücksichtigt wurde.

Mit Bescheid vom 19.05.1999 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Alhi für den Kläger ab. Dieser würde über ein Vermögen in Höhe von DM 34.475,28 verfügen, das verwertbar und dessen Verwertbarkeit zumutbar sei. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages in Höhe von DM 8.000,00 würden DM 26.475,28 verbeiben. Dieser Betrag sei bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen. Bei der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das wöchentliche Arbeitsentgelt, nach dem sich die Höhe der Alhi richte (DM 1.010,00) ergebe sich, dass er für einen Zeitraum von 26 Wochen nicht bedürftig sei, so dass ein Anspruch auf Alhi nicht gegeben sei. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, das anzurechnende Vermögen sei zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht vorhanden gewesen. Mit Ausnahme des im Antrag aufgeführten Festgeldes bestehe kein weiteres Vermögen. Zum Zeitpunkt der Alhi-Antragstellung hätten er und seine Ehefrau ein Vermögen (Barguthaben) in Höhe von DM 10.000,00 und nicht in Höhe von DM 34.475,28 gehabt. Mit Bescheid vom 01.07.1999 verringerte die Beklagte den Zeitraum der fehlenden Bedürftigkeit auf 23 Wochen. Da der Antrag auf Anschluss-Alhi vom 14.04.1999 erst mit Wirkung zum 23.05.1999 gestellt worden sei, sei davon auszugehen, dass zu diesem Zeitpunkt nur noch ein verwertbares Vermögen von DM 24.041,32 vorhanden gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.1999 wies die Beklagte den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Der Leistungsakte der Ehefrau des Klägers sei zu entnehmen, dass am 11.01. 1999 eine Gutschrift über eine Wertpapierabrechnung in Höhe von DM 103.417,78 erfolgt sei. Nach Angaben der Ehefrau sei hiervon ein Betrag in Höhe von DM 49.990,00 zur Begleichung von Verbindlichkeiten sowie ein weiterer Betrag von DM 50.000,00 als Schenkung an die gemeinsame Tochter zum Erwerb einer Immobilie verwendet worden. Die aufgrund der Schenkung eingetretene Vermögensänderung sei mit Sinn und Zweck der Gewährung von Alhi nicht zu vereinbaren. Der Kläger könne nicht erwarten, vermögensabhängige Leistungen von Seiten des Arbeitsamtes zu erhalten, wenn trotz der nun schon mehrere Jahre andauernden Arbeitslosigkeit beider Ehegatten das zu berücksichtigende Vermögen vorsätzlich und ohne rechtlich anerkennenswerten Grund vorzeitig verbraucht werde, um die Voraussetzungen für die Gewährung von Alhi zu schaffen.

Hiergegen hat der Kläger zum Sozialgericht (SG) Augsburg Klage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, seine Ehefrau habe bei ihrem Alhi-Antrag dem Arbeitsamt dargelegt und nachgewiesen, wie der Auszahlungsbetrag die Wertpapiere betreffend, lautend allein auf seine Ehefrau, verwendet worden sei. Der Auszahlungsbetrag von insgesamt DM 103.417,78 sei zum einen zur Altersicherung angelegt worden und somit nicht als Tilgung von Verbindlichkeiten. Des Weiteren sei von den ausbezahlten Wertpapieren ein Betrag von DM 50.000 an die gemeinsame Tochter A. M. überwiesen worden. Insofern sei darauf hinzuweisen, dass die weitere Tochter P. P. etwa im Dezember 1992 einen Betrag in gleicher Höhe als Finanzierungshilfe zum Erwerb einer Immobilie schenkungweise erhalten habe. Es sei damals mit der Tochter A. M. vereinbart worden, dass diese einen Betrag in gleicher Höhe erhalten werde, sobald auch sie eine Immobilie erwerbe und durch Auflösung der Wertpapiere dann eine entsprechende Zuwendung möglich sein würde. Somit handele es sich entgegen den Ausführungen im Widerspruchsbescheid nicht um eine vorsätzliche Herbeiführung einer Bedürftigkeit ohne anerkennenswerten Grund bzw. vorzeitigen Verbrauch. Nachdem der Schenkungsbetrag bereits bei seiner Ehefrau als Vermögen berücksichtigt worden sei, könne dieser Betrag nicht noch einmal - wenn auch nur zur Hälfte - bei ihm als Vermögen berücksichtigt werden.

Die Beklagte hat dagegen eingewandt, der Umstand, dass bei der Alhi gemeinsames Vermögen von Eheleuten bereits einmal im Leistungsfall eines Ehegatten berücksichtigt worden sei, führe zu keinem "Verbrauch" dieses Vermögens in dem Sinne, dass eine erneute Berücksichtigung bei Eintritt des Leistungsfalls beim anderen Ehegatten nun nicht mehr statthaft wäre. Diese folge bereits daraus, dass die Beklagte bei auch nur einem Bezieher von Alhi jeweils zu Beginn eines neuen Bewilligungsabschnittes (noch) vorhandenes Vermögen berücksichtigen müsse und zwar unabhängig davon, ob es bereits früher zu einer (teilweisen) Leistungsversagung geführt habe.

Mit Urteil vom 14.11.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Gerichts liege Bedürftigkeit auch dann nicht vor, wenn das zu berücksichtigende Vermögen von dem Arbeitslosen nach Eintritt der Arbeitslosigkeit vorsätzlich ohne anerkennenswerten Grund vorzeitig verbraucht oder verschenkt werde. Der Kläger sei seit September 1996 arbeitslos gewesen. Sein Anspruch auf Alg sei am 22.05.1999 erschöpft gewesen. Im Merkblatt für Arbeitslose sei der Kläger hinreichend darüber aufgeklärt worden, dass Alhi nur im Falle von Bedürftigkeit gewährt werden könne. Der Kläger bzw. seine Ehefrau seien somit verpflichtet gewesen, das während ihrer Arbeitslosigkeit hinzutretende Vermögen zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes sicherzustellen. Mit der Schenkung von DM 50.000,00 an die gemeinsame Tochter habe der Kläger seine Bedürftigkeit vorsätzlich herbeigeführt. Es habe keine rechtliche Verpflichtung zu dieser Schenkung bestanden. Die aufgrund der Schenkung eingetretene Vermögensminderung sei mithin mit dem Sinn und Zweck der Gewährung von Alhi nicht zu vereinbaren. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Kläger die Schenkung an die gemeinsame Tochter unter den Voraussetzungen des § 528 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) rückgängig machen könne. Nach Auffassung des Gerichts sei dieser Rückforderungsanspruch als Vermögen im Sinne des § 193 SGB III zu werten. Insoweit der Kläger vortrage, dass die Schenkung in Höhe von DM 50.000,00 an die gemeinsame Tochter bereits bei der Gewährung von Alhi an seine Ehefrau durch die Beklagte berücksichtigt worden sei, sei dies unbeachtlich. Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens sei nicht die Frage, ob die Beklagte bei der Gewährung von Alhi an die Ehefrau des Klägers die Anrechnung des Schenkungsbetrags im Rahmen der Prüfung der Bedürftigkeit korrekt vorgenommen habe.

Mit seiner Berufung macht der Kläger weiterhin geltend, dass entgegen der Ansicht des SG die Schenkung nicht als vorsätzliche Herbeiführung von Bedürftigkeit anzusehen sei. Der Antrag auf Gewährung von Alhi sei am 14.04.1999 gestellt worden, wo- hingegen die Schenkung unstreitig am 13.01.1999 bereits vollzogen gewesen sei. Jedoch auch dann, wenn man die Schenkung durch seine Ehefrau und ihn an die Tochter A. als vorsätzliche Herbeiführung einer Bedürftigkeit ansehen würde, könne dieser Betrag nicht als Vermögen nach § 6 Alhi-VO berücksichtigt werden. Der Schenkungsbetrag sei daher nicht zu berücksichtigen, da er zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr zur Verfügung gestanden habe. Im Übrigen dürfe das frühere Vermögen seiner Ehefrau nicht nochmals bei ihm berücksichtigt werden.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 14.11.2001 und der Bescheide vom 19.05.1999 und 01.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.1999 zu verurteilen, ihm ab 23.05.1999 Anschluss-Arbeitslosenhilfe zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die vom Kläger zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 09.08.2001 - B 11 AL 11/01 R - ins Leere gehe. Diese Entscheidung beziehe sich ausschließlich auf die mehrfache Berücksichtigung von Vermögen bei demselben Arbeitslosen bei einheitlichem Leistungsanspruch.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als begründet. Zu Unrecht hat das SG Augsburg die Klage abgewiesen, denn die zugrunde liegenden Bescheide der Beklagten vom 19.05.1999 und 01.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07. 1999 entsprechen nicht der Sach- und Rechslage. Denn beim Kläger lag nach Erschöpfung seines Alg-Anspruchs am 22.05.1999 Bedürftigkeit vor. Zu Unrecht hat die Beklagte insoweit auf das Vermögen des Klägers den hälftigen Schenkungsbetrag in Höhe von DM 25.000,00 angerechnet mit der Folge einer fehlenden Bedürftigkeit von 23 Wochen.

Anspruch auf Alhi besteht nur im Falle der Bedürftigkeit des Arbeitslosen (§ 190 Abs.1 SGB III). Nach § 193 Abs.1 SGB III ist ein Arbeitsloser bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Gemäß § 193 Abs.2 SGB III ist ein Arbeitsloser nicht bedürftig, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen und das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder das Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist.

Hinsichtlich der Verwertung von Vermögen wird § 193 Abs.2 SGB III ergänzt durch die Vorschriften der Alhi-VO. Nach § 6 Abs.1 Alhi-VO ist Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es verwertbar ist, die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils DM 8.000,00 übersteigt.

Der Kläger hat zwar wohl grob fahrlässig durch die erfolgte Schenkung Bedürftigkeit herbeigeführt. Aber die Beklagte war nicht berechtigt, dasselbe Vermögen zweimal anzurechnen, einmal bei seiner Ehefrau und nochmals bei ihm selbst. Denn nach dem Urteil des BSG vom 09.08.2001 - B 11 AL 11/01 R - ist Vermögen des Arbeitslosen, das in der Bedürftigkeitsprüfung bereits berücksichtigt worden ist, nicht erneut zu berücksichtigen. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn die Berücksichtigung von Vermögen bereits einmal zur Verneinung eines Leistungsanspruchs auf Alhi geführt hat. Dies war aber bereits bei der Ehefrau des Klägers der Fall. Die erneute Anrechnung des hälftigen Schenkungsbetrags in Höhe von DM 25.000,00 auf den Kläger ist somit nicht statthaft.

Somit war auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG Augsburg vom 14.11.2001 und die Bescheide vom 19.05.1999 und 01.07. 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.1999 aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen, dem Kläger ab 23.05.1999 Anschluss-Alhi zu bewilligen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Nachdem das BSG bislang ausschließlich darüber entschieden hat, dass Vermögen grundsätzlich nur einmal bei demselben Arbeitslosen angerechnet werden kann, nicht aber darüber, wie die Anrechnung bei einem Ehepaar zu erfolgen hat, war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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