L 2 U 328/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 194/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 328/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 391/03 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 10.08.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung der von der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des am 19.10.1995 verstorbenen Versicherten, des Rechtsanwaltes W. B. (B), geltend gemachten Arbeitsunfälle vom 26.08.1994 und 01.02.1995.

Am 26.08.1994 stürzte B. nach den Angaben der Klägerin im Schreiben vom 22.02.1995 eine Marmortreppe rückwärts hinunter, als er ein Telefax entgegen nehmen wollte. Laut Außendienstbericht vom 16.03.1995 gab die Klägerin an, sie habe sich mit B. in den Privaträumen im Erdgeschoss aufgehalten, als das Faxgerät, das sich im Büro im ersten Stock befinde, durch Signal zu erkennen gegeben habe, dass ein Fax ankomme. B. habe zum Büro gehen wollen, sei auf halber Höhe der Treppe gestürzt und heruntergefallen. Die Klägerin habe einen Krankenwagen benachrichtigt, der B. ins Krankenhaus F. gebracht habe. Dort seien ein Schulterbruch sowie Rippenverletzungen und diverse Prellungen festgestellt worden. Im Erdgeschoss des Hauses befänden sich Wohnzimmer, Speisezimmer, Küche und Toilette, ins Obergeschoss führe eine wendelartige Treppe, dort befänden sich Schlafzimmer, Bad und ein sog. Bauernzimmer, das als Büro benutzt werde und in dem das Faxgerät stehe.

In der Unfallanzeige vom 07.04.1995 gab die Klägerin an, der Unfall habe sich am 26.08.1994 um 20.45 Uhr ereignet. B. habe Verletzungen an der Schulter, Rippenbrüche, Frakturen, Thorax- prellungen und eine Kopfverletzung erlitten.

Der praktische Arzt Dr. S. erklärte am 10.03.2003 auf Anfrage des Senats, B. sei von ihm im Rahmen des ärztlichen Notfalldienstes am 26.08.1994 um 23.30 Uhr behandelt worden. Er habe über Schulter- und Thoraxschmerz geklagt. Dr. S. habe eine Schulter- und Thoraxprellung diagnostiziert. Er habe auf dem Notfallschein "Sturz von Treppe" verzeichnet. Ob weitere Angaben gemacht worden seien, sei ihm nicht mehr erinnerlich.

Am 27.08.1994 wurde B. gegen 8.00 Uhr im Kreiskrankenhaus F. , Chirurgische Abteilung, aufgenommen. In der Anamnese ist angegeben: "häuslicher Treppensturz aus äußerer Ursache". Der Unfall sei am 26.08.1994 um 22.00 Uhr passiert. Im Entlassungsbericht nach stationärer Behandlung vom 27.08. bis 15.09.1994 sind die Diagnosen angegeben: Schwere Thoraxprellung mit Fraktur der 2. und 3. Rippe rechts, Fraktur der Spina scapulae rechts, Fraktur der 9. bis 11. Rippe links, linksseitiger Spitzenpneu sowie Hautemphysem links lateral, primär chronische Polyarthritis. Im Unfallbericht für die E. Versicherungen wurde von B. angegeben, der Unfall habe sich am 26.08.1994 um 22.00 Uhr ereignet. Er sei beim Begehen der Treppe gestolpert. Es handle sich um einen Unfall "ohne Beziehung zum Beruf". Er habe sich dabei diverse Rippenbrüche, Hämatome und Prellungen zugezogen. Gegenüber dem G. Konzern erklärte B. am 07.09.1994, er habe am 26.08.1994 um 22.00 Uhr im eigenen Haus einen "Freizeitunfall" erlitten. Er sei beim Begehen der Treppe gestolpert und gestürzt. Die Klägerin erklärte gegenüber dem G. Konzern in einem Schreiben vom 29.08.1994, B. habe am 26.08.1994 einen Unfall gehabt. Er sei die Treppe im eigenen Haus heruntergefallen und befinde sich im Kreiskrankenhaus F ...

Vom 16.09.1994 bis 21.10.1994 befand sich B. in stationärer Behandlung in der S. Klinik Bad E ... Die Diagnosen lauteten: Zustand nach Rippenfrakturen, Fraktur der Spina scapula, der Supraspinatussehne und der Bizepssehne sowie nach Pneumothorax. Seit 1989 sei eine chronische Polyarthritis bekannt. Der Orthopäde Dr. J. gab an, B. sei erstmals am 24.10. 1994 wegen der Unfallfolgen in seine Praxis gekommen. Es habe sich um die Folgen eines häuslichen Sturzes im August 1994 gehandelt. Am 27.11.1994 wurde B. ins Kreiskrankenhaus R. wegen einer akuten Lungenembolie als Folge einer Oberschenkelvenenthrombose eingeliefert. Im Entlassungsbericht nach stationärer Behandlung vom 27.11. bis 16.12.1994 wurde ausgeführt, es habe sich um eine akute Lungenembolie mit konsekutiver Infarktpneumonie als Folge einer Oberschenkelvenenthrombose gehandelt. Hingewiesen wurde auf eine seit 1989 bekannte chronische Polyarthritis, Zustand nach Pleuropericarditis 1989, Zustand nach Contusio bulbi mit sekundärem Glaukom und Myopie 1989, Zustand nach Polytrauma als Folge eines Sturzes vom 27.08.1994.

Auf Anfrage der Beklagten teilte die Klägerin mit, B. habe täglich je nach Arbeitsanfall zwischen acht und zehn Stunden gearbeitet. Im Haus befinde sich im Souterrain ein Raum für Akten.

Mit Schreiben vom 22.02.1995 berichtete die Klägerin, B. sei am 01.02.1995 erneut im Haus gestürzt. Bei der wegen Hirnblutung erforderlichen Operation habe sich herausgestellt, dass eine alte Hirnblutung als Folge des Sturzes vom 26.08.1994 vorgelegen habe. Im Außendienstbericht vom 16.03.1995 ist angegeben, die Klägerin sei am 01.02.1995 nach P. gefahren. Da sich B. auf ihre Anrufe nicht gemeldet habe, habe sie eine Bekannte benachrichtigt, die einen Schlüssel zum Haus besitze. Diese habe B. im Schlafzimmer an das Bett gelehnt auf der Erde sitzend vorgefunden. Er habe angegeben, dass er in seinem Büro diktiert habe und aufgestanden sei, um die Toilette aufzusuchen. Dabei sei er auf dem oberen Flur über den Teppich gestolpert und gestürzt. Er habe sich nicht mehr allein erheben können und sei, weil ihm kalt geworden sei, in das Schlafzimmer gerobbt, um dort die Decke zum Wärmen zu greifen. In der Unfallanzeige vom 07.04.1995 wurde angegeben, nach Auskunft des B. sei dieser morgens zwischen Kanzleiraum und WC gestürzt. Er habe sich dabei den Kopf angeschlagen. Er sei von sich aus nicht mehr auf die Beine gekommen. Frau K. habe ihn gegen 13.00 Uhr liegend am Boden gefunden und den Notarzt verständigt.

Frau K. erklärte gegenüber der G. Versicherungs AG, sie habe für B., nachdem er die Kanzlei in sein Haus verlegt habe, gelegentlich geschrieben und besitze einen Schlüssel zum Haus. Am 01.02.1995 habe sie morgens um ca. 7.oo Uhr die von ihr zu Hause geschriebene Geschäftspost in den überdachten Hauseingang gestellt, um die Eheleute B. nicht so früh zu stören. Im Haus habe sowohl im Arbeitszimmer als auch im Flur Licht gebrannt. Um ca. 10.30 Uhr habe die Klägerin aus P. bei ihr im Büro angerufen und sie gebeten, in der Mittagspause ins Haus zu gehen, da B. nicht ans Telefon gehe. Frau K. habe B. im ersten Stock auf dem Boden liegend gefunden. Er habe erklärt, er sei zwischen Büro und WC in der Diele gestolpert. Dort liege eine Teppichbrücke, die offensichtlich verschoben gewesen sei. Beim Sturz, so B., sei er mit dem Kopf an die Wand angeschlagen.

Im Termin vom 29.04.1999 erklärte Frau K. als Zeugin, am 26.08.1994 habe sie bis 19.30 Uhr im Haus von B. für ihn geschrieben. Wegen des geplanten Urlaubs habe noch viel Post fertiggestellt werden müssen. B. habe gesagt, er werde ein angekündigtes Fax selbst entgegen nehmen und die betreffende Sendung fertig machen. Als sie gegangen sei, sei er gerade draußen im Garten gewesen. Am 01.02.1995 sei sie gegen Mittag ins Haus gegangen und habe B. im ersten Stock quer in der Diele auf dem Boden liegend zwischen Bürotür und Badezimmertür gefunden. Die Aktentasche habe vor der Bürotür gelegen, die Bänder seien herausgefallen. B. habe erklärt, er sei gestolpert und gestürzt. Sie habe gesehen, dass er am Kopf ein großes Hämatom gehabt habe. Im Termin vom 10.08.2001 erklärte Frau K. als Zeugin, sie habe am 26.08.1994 bis ca. 19.30 Uhr gearbeitet. Als sie das Haus verlassen habe, habe sich B. im Erdgeschoss befunden, und zwar habe er vor der Haustüre gestanden. Wo er hergekommen sei oder habe hingehen wollen, wisse sie nicht. Die Klägerin und B. hätten am nächsten Tag sehr früh in Urlaub fahren wollen.

Am 01.02.1995 gegen 14.00 Uhr wurde B. im Kreiskrankenhaus F. eingeliefert. Bei der Aufnahme wurde ein ausgedehntes subdurales Hämatom beiderseits festgestellt. B. gab an, er habe in der Nacht auf dem Weg zur Toilette plötzlich eine Schwäche in den Beinen verspürt, sei aber nicht gestürzt, sondern auf den Boden gesunken. Er sei zum Bett zurückgekrochen und habe neben dem Bett weitergeschlafen; aufzustehen sei ihm nicht mehr möglich gewesen. Gegen 12.30 Uhr habe ihn die Sekretärin gefunden. Zur weiteren Diagnostik wurde B. ins Klinikum B. verlegt. Die Einweisungsdiagnose lautete: chronisches Subduralhämatom beidseits. Im Operationsbericht vom 03.02.1995 wurde ausgeführt, im September 1994 sei ein Treppensturz erfolgt. Vor etwa zwei Tagen sei es plötzlich zu einem hirnorganischen Psychosyndrom gekommen. Die CT-Untersuchung zeige bifrontale chronische subdurale Hämatome. Im Entlassungsbericht nach stationärer Behandlung vom 01.02. bis 08.03.1995 führte Prof. Dr. L. , Chefarzt der Abteilung für Neurochirurgie des Krankenhauses, aus, B. sei im September 1994 eine Treppe hinabgestürzt. Zunächst sei es zu keinen neurologischen Auffälligkeiten gekommen. Nach einem neuerlichen Treppensturz am 01.02.1995 habe er rasch eine Bewusstseinsstörung entwickelt.

Mit Bescheiden vom 11.01.1996 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Unfälle vom 26.08.1994 und 01.02.1995 als Arbeitsunfälle und die Gewährung von Leistungen ab. Der Versicherungsschutz beginne grundsätzlich erst mit dem Erreichen der Betriebsräume. Der Unfall vom 26.08.1994 habe sich auf der dem privaten Bereich zuzurechnenden Treppe ereignet. Der Unfall vom 01.02.1995 habe sich auf dem Weg zur Toilette im privaten Flur des Wohnhauses ereignet. B. habe somit zum Unfallzeitpunkt jeweils nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden.

Die Widersprüche der Klägerin vom 21.01.1996 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 29.03.1996 zurück. B. habe sich am 26.08.1994 im Erdgeschoss aufgehalten, als er den Signalton des Telefaxgerätes gehört habe. Auf dem Weg zu den Räumen im ersten Stock, in dem sich auch das Büro befinde, sei er gestürzt. Der Unfall habe sich also noch vor dem Betreten des betrieblich genutzten Raumes auf der privaten Treppe ereignet. Am 01.02.1995 habe sich B. im Flur des Wohnhauses befunden, weil er sich zur Toilette begeben wollte. Er habe somit den betrieblich genutzten Raum bereits verlassen gehabt und sei im Privatbereich über eine Teppichkante gestürzt und zwar bei einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit.

Die hiergegen gerichteten Klagen wies das Sozialgericht München mit Urteil vom 04.04.1997 zurück. B. habe den Sturz am 26.08. 1994 nicht bei einer versicherten Tätigkeit erlitten. Auch für die Folgen des Sturzes am 01.02.1995 bestehe kein Anspruch auf Entschädigung.

Im Berufungsverfahren erklärte die Klägerin am 06.05.1997, am 26.08.1994 habe sich B. im Erdgeschoss Notizen gemacht, als sich das Fax angekündigt habe. Am 01.02.1995 habe Frau K. auf der Diele im ersten Stock auch die Aktentasche gefunden, die B. offensichtlich von der Haustür nach oben geholt hatte. Vermutlich habe er sie nicht mehr ins Büro tragen können, da er gestürzt sei. B. sei entweder mit den Akten gestürzt oder habe- gehen. Dies seien aber alles Spekulationen.

Die Beteiligten schlossen im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29.04.1999 einen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, unter Verzicht auf die Rechte aus dem angefochtenen Urteil die Voraussetzungen für die Anerkennung der Arbeitsunfälle des verstorbenen Ehemanns der Klägerin am 26.08.1994 und am 01.02.1995 erneut zu überprüfen und etwaige Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung rechtsbehelfsfähig zu verbescheiden.

Mit Bescheiden vom 13.08.1999 lehnte die Beklagte die Anerkennung als Arbeitsunfälle und die Gewährung von Leistungen aus Anlass der Ereignisse vom 26.08.1994 und 01.02.1995 ab. Treppen und Hausflure zählten nur zum betrieblichen Bereich, wenn sie in rechtlich wesentlichem Umfang den Zwecken des Unternehmens dienten. Der Unfall auf der zum privaten Wohnraum gehörenden Treppe am 26.08.1994 begründe keinen Versicherungsschutz. Auch eine betriebsbedingte Eile könne nicht angenommen werden, da sich B. bereits auf eine längere Abwesenheit durch Urlaub eingerichtet gehabt habe und das Einstellen des Faxgeräts keine Tätigkeit darstelle, die einer besonderen Eile bedurft hätte. Da sich der Unfall vom 01.02.1995 auf dem zum privaten Wohnraum gehörenden Flur ereignet habe, könne eine betriebliche Tätigkeit nicht ausreichend begründet werden. Es bleibe ungeklärt, bei welcher Tätigkeit sich B. zum Unfallzeitpunkt befunden habe. Die Prüfung eines Folgeunfalles entfalle bereits durch die Ablehnung des Ereignisses vom 26.08.1994 als Arbeitsunfall.

Die Widersprüche der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 29.10.1999 zurück.

Die hiergegen gerichteten Klagen hat die Klägerin damit begründet, dass zwischen der Tätigkeit des B. am 26.08.1994 und dem Unfall ein innerer Zusammenhang bestehe. Dies ergebe sich aus der Aussage der Zeugin K ... Auch ihre Schilderung bezüglich- Bändern vor der Bürotür gelegen habe, weise eindeutig darauf hin, dass B. nicht auf dem Weg zur Toilette gewesen sei, denn dann hätte sich die Aktentasche bereits im Büro befunden.

Mit Urteil vom 10.08.2001 hat das SG die Klagen abgewiesen. Es sei nicht nachgewiesen, dass jeweils im Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt worden sei. Bezüglich des Unfalles vom August 1994 könne zwar davon ausgegangen werden, dass B. bis ca. 19.00 Uhr gearbeitet habe. Was er nach diesem Zeitpunkt getan habe, habe nicht zweifelsfrei festgestellt werden können. In den ärztlichen Berichten werde ein Arbeitsunfall nicht erwähnt. Auch sei nicht erklärbar, warum B. eine Unfallmeldung in nahem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis nicht abgegeben habe. Für den Empfang des Telefaxes hätten keinerlei Nachweise erbracht werden können. Auch bezüglich des Sturzes vom 01.02.1995 habe sich die Kammer nicht vom Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit überzeugen können. Warum Angaben, dass es sich um einen Arbeitsunfall handle, in den Unterlagen der stationären Behandlungen nicht dokumentiert seien, sei nicht erklärbar. Im Übrigen sei es unwahrscheinlich, dass die chronische subdurale Blutung bzw. die Lungenembolie durch den Sturz vom August 1994 und/oder vom Februar 1995 verursacht worden seien. Die dokumentierte Multimorbidität des B. einerseits und der fehlende Nachweis einer entsprechenden Verletzung andererseits sprächen gegen eine solche Annahme.

Zur Begründung der Berufung vom 26.10.2001 erklärte die Klägerin, nach der Aussage der Zeugin K. stehe fest, dass B. am 24.08.1994 einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen sei. Da B. Privatpatient gewesen sei, sei bei der Behandlung nicht nach einer Kostenübernahme gefragt worden. So sei lediglich "häuslicher Unfall" eingetragen worden und nicht der übliche Durchgangsarztbericht erstellt worden. Übersandt wurde ein Schreiben der (inzwischen verstorbenen) I. H. vom 03.03.1997. Sie sei seit 15 Jahren bei den Eheleuten B. im Haushalt tätig.- kommen, da B. die Treppe hinunter gestürzt sei. B. habe über Schmerzen am ganzen Körper, besonders an Schulter und Kopf geklagt. Der Notarzt Dr. S. habe B. schmerzstillende Mittel gegeben. Später habe sie gesehen, dass B. am Kopf große Hämatome gehabt habe.

Dr. B. erklärte im Attest vom 30.04.2003 (87), B. sei von 1989 bis zu seinem Tod bei ihr in Behandlung gewesen. Er habe unter einer chronischen Bronchitis sowie einer primär chronischen Polyarthritis gelitten. 1989 sei es zu einem Schädelhirntrauma nach einem tätlichen Angriff durch einen Nachbarn gekommen. Es hätten zahlreiche stationäre Behandlungen gefolgt.

Am 07.07.1992 erstellte der Neurologe Dr. M. eine Rechnung wegen: Folgen eines Schädelhirntraumas mit einer Contusio cerebri und Halbseitenzeichen links und einem organischen Psychosyndrom, Polyneuropathie. Dr. M. erklärte im Schreiben vom 03.07.2003, er habe B. erstmals am 15.10.1990 auf Veranlassung von Dr. B. untersucht und die Diagnose eines Zustandes nach Schädelhirntrauma mit Contusio cerebri und einer davon unabhängigen Poly- neuropathie mit Myopathie gestellt. B. habe angegeben, er sei vom 23.07. bis 01.08.1989 stationär untersucht worden in Zusammenhang mit einem kriminellen Vergehen an ihm. Bei den Untersuchungen, die mehrfach, zuletzt 1992 erfolgt seien, sei eine diskrete Halbseitensymptomatologie mit Betonung der Arm- und Beineigenreflexe festgestellt worden. Die Leistungsfähigkeit habe sich im weiteren Verlauf deutlich gebessert, ebenso die Unregelmäßigkeiten im EEG, das zunächst ausgeprägte organische Psychosyndrom und die Polyneuropathie. B. habe eine Contusio cerebri mit Ausschluss einer intracraniellen Blutung erlitten. Ein Zusammenhang der jetzt berichteten Hirnblutung mit den früheren Verletzungsfolgen sei mit Sicherheit nicht anzunehmen, da sich die objektiven Befunde unter Beobachtung doch gebessert hätten.

Aus den Unterlagen der Bayer. Beamtenkrankenkasse ergeben sich für 1994 als Diagnosen: PCP mit multilokularer Lokalisation, rezidivierende Gelenksergüsse, Arthritis urica, Zustand nach Pericarditis, Hypercholesterinämie, fortgeschrittener reduzierter Allgemeinzustand, vegetatives Syndrom.

Die Klägerin stellt die Anträge aus dem Schriftsatz vom 25.10.2001.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Klage- und Berufungsakten sowie der Unterlagen der Bayer. Versicherungskammer, der G. Versicherungs-AG und des Kreiskrankenhauses F. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da die streitigen Versicherungsfälle vor dem 01.01.1997 eingetreten sind und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII i.V.m. § 580 RVO).

Ein Arbeitsunfall setzt gemäß § 548 Abs.1 RVO einen Unfall voraus, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten versichterten Tätigkeiten erleidet. Der Begriff des Unfalls erfordert ein äußeres Ergeignis, das heißt, ein von außen auf den Körper einwirkenden Vorgang, der rechtlich wesentlich den Körperschaden verursacht hat (vgl. BSGE 23, 139 ff.). Das äußere Ereignis muss mit der die Versicherteneigenschaft begründenden Tätigkeit rechtlich wesentlich zusammenhängen. Dabei bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises, das heißt, sie müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSGE 45, 285 ff.). Die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt nur insoweit, als der ursächliche Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden undzum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie der Zusammenhang betroffen ist, der im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und der maßgebenden Verletzung bestehen muss (vgl. Krasney, VSSR 1993, 81, 114).

Ein Arbeitsunfall ist weder für den 26.08.1994 noch für den 01.02.1995 nachgewiesen, denn zur Überzeugung des Senats ist keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit dafür gegeben, dass B. tatsächlich am 26.08.1994 und am 01.02.1995 jeweils einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Gegen die Annahme eines Arbeitsunfalles am 26.08.1994 spricht zunächst schon, dass B., der als Rechtsanwalt bei der Beklagten freiwillig versichert war, nach einem Sturz, der immerhin einen Krankenhausaufenthalt vom 27.08.1994 bis 15.09.1994 und anschließende weitere Behandlung vom 16.09.1994 bis 21.10.1994 nach sich zog, keine Unfallanzeige an die Beklagte richtete.

Die volle Überzeugung, dass am 26.08.1994 ein Arbeitsunfall eingetreten ist, ist nach Lage der Akten unter Berücksichtigung der widersprüchlichen Angaben des B. und der Klägerin nicht zu gewinnen. Festzuhalten bleibt, dass B., möglicherweise auch die Klägerin, bei der Aufnahme im Krankenhaus F. am 27.08.1994 nur von einem häuslichen Treppensturz aus äußerer Ursache gesprochen haben. Im Unfallbericht für die E. Versicherungen wurde von B. angegeben, es handle sich um einen Unfall ohne Beziehung zum Beruf, B. sei beim Begehen der Treppe gestolpert. Auch gegenüber dem G. Konzern erklärte B., er habe am 26.08. 1994 einen "Freizeitunfall" erlitten. Zudem gab die Klägerin in der Unfallanzeige an, der Unfall habe sich um 20.45 Uhr ereignet, während der Notarzt Dr. S. B. erst um 23.30 Uhr behandelte und B. selbst im Kreiskrankenhaus F. angab, der Unfall habe sich um 22.00 Uhr ereignet. Im Hinblick auf die Aussage der Haushaltshilfe H. , B. habe sich nicht allein aufrichten können und sie und die Klägerin hätten ihn ins Bett gelegt, erscheint es unwahrscheinlich, dass bei einem so dramatischen Sturz der Notarzt erst fast drei Stunden später verständigt worden wäre.

Im Hinblick auf diese Widersprüchlichkeiten in den Angaben der Klägerin und des B. kann auch die Aussage der Zeugin K. nicht den vollen Beweis des Vorliegens eines Arbeitsunfalles erbringen, zumal sie bei diesem Unfall nicht zugegen war.

Was im Übrigen die von der Klägerin außerdem vermutete Kopfverletzung vom 26.08.1994 betrifft, so stellten weder Dr. S. am 26.08.1994 noch die erstuntersuchenden Ärzte vom Krankenhaus F. am 27.08.1994 Verletzungen am Schädel, wie sie beim Anschlagen auf einer Marmortreppe zu erwarten gewesen wären, fest. In den sehr detaillierten Beschreibungen im chirurgischen Versorgungsblatt vom 27.08.1994 sind zwar sogar 2 mm lange Glasschnittwunden erwähnt, dagegen keine Verletzungszeichen am Kopf, wie sie die Hausgehilfin H. gesehen haben will. Eine Prellung oder eine Platzwunde hätte auch nach allgemeiner Erfahrung zu weiteren diagnostischen Maßnahmen Anlass gegeben.

Nicht überzeugen können auch die Angaben der Klägerin, was den Unfall vom 01.02.1995 betrifft. Sie stehen in deutlichem Widerspruch zu den Angaben, die im Krankenhaus F. bei der Aufnahme am 01.02.1995 gemacht wurden. Während die Klägerin im Schreiben vom 22.02.1995 und der Unfallanzeige vom 07.04.1995 angibt, Frau K. habe B. in der Diele im ersten Stock liegend gefunden, wurden bei der Notfallaufnahme B s Angaben festgehalten, er habe in der Nacht auf dem Weg zur Toilette eine plötzliche Schwäche in den Beinen verspürt, sei zum Bett zurückgekrochen und habe dort weitergeschlafen. Welche der Schilderungen zutreffend ist, lässt sich nicht mehr aufklären. Immerhin hat die Zeugin K. am 13.02.1996 angegeben, B. habe im ersten Stock auf dem Boden gelegen und habe gesagt, er sei zwischen Büro und WC in der Diele gestürzt. Erst später vor dem Sozialgericht hat sie auch die Aktentasche mit den Tonbändern erwähnt, die B. bereits ins Haus gebracht gehabt habe. Dies widerspricht aber den Angaben, die die Klägerin gegenüber dem Außendienstmitarbeiter am 16.03.1995 machte, Frau K. habe B. an das Bett gelehnt auf der Erde sitzend im Schlafzimmer gefunden. Diese Schilderung stimmt mit der Schilderung im Krankenhaus F. am 01.02.1995 deutlich überein. Ob B. tatsächlich in der Nacht wegen einer Schwäche in den Beinen nicht mehr gehen konnte oder ob er auf dem Weg zur Toilette stolperte und stürzte, wie die Klägerin am 16.03.1995 angegeben hat, lässt sich allerdings nicht mehr klären, jedenfalls ist bei beiden Varianten ein Arbeitsunfall nicht gegeben.

Ob das am 01.02.1995 festgestellte subdurale Hämatom Folge der Contusio cerebri von 1989 oder des Sturzes vom 26.08.1994 ist, kann dahingestellt bleiben. Es ist kein Nachweis gegeben, dass sich am 26.08.1994 oder am 01.02.1995 ein Arbeitsunfall des B. ereignet hätte.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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