L 3 U 23/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 13/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 23/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 4. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Klägerin bestehende gesundheitliche Störungen die Folge eines bei der Beklagten versicherten Wegeunfalles sind.

Die 1962 geborene Klägerin war zuletzt als Erzieherin beim Kinder- und Jugendförderungswerk D. e.V. beschäftigt. Sie wurde am 26.02.1998 gegen 18.30 Uhr an der S-Bahn-Haltestelle D. auf dem Bahnsteig am Boden liegend aufgefunden; sie sei nach Angeben eines unbekannt gebliebenen Passanten aus der Bahn ausgestiegen, sodann zusammengebrochen und bewusstlos auf dem Bahnsteig liegen geblieben. Die Klägerin konnte etwa zwanzig Minuten nach dem Eintreffen der Rettungssanitäter reanimiert werden. Sie wurde sodann zu medizinischer Versorgung in die Klinik verbracht. Dort stellte man mittels Computertomographie eine Orbitawandfraktur fest, sowie eine Demarkierung im Bereich der pons im Sinne eines Hirninfarkts. Die Klägerin befindet sich seither in einem erheblich eingeschränkten Gesundheitszustand.

Mit Bescheid vom 18.09.1998 lehnte die Beklagte nach diversen medizinischen Ermittlungen die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ab, weil nach den Ermittlungsergebnissen keine äußeren Einwirkungen gegeben gewesen seien, die zum Sturz der Klägerin geführt hätten. Ein Unfall im Sinne der gesetzlichen Vorschriften liege daher nicht vor.

In der Widerspruchsbegründung führte die Mutter der Klägerin und Betreuerin ua aus, sie habe bei ihren häufigen Besuchen in der Klinik, in der sich ihre Tochter aufgehalten habe, versucht, diese nach dem Hergang zu befragen. Dabei habe diese ihr und ihrem ebenfalls anwesenden Lebenspartner zu verstehen gegeben, dass eine fremde Frau sie irgendwie angerempelt, geschubst und gestoßen habe. Mit Schriftsatz vom 15.05.1999 ergänzte die Betreuerin der Klägerin ihren Vortrag dahin, dass am Freitag, den 07.05.1999 etwas fast Unglaubliches geschehen sei, denn gegen 08.30 Uhr habe bei ihr das Telefon geläutet und zu ihrer großen Verwunderung sei ihre Tochter am Apparat gewesen und habe klar und deutlich sowohl mit ihr als auch mit ihrem Lebenspartner gesprochen. Am Nachmittag des gleichen Tages habe die Klägerin bei einem Besuch in der Klinik auf erneutes Befragen gesagt, eine Frau habe sie angerempelt und angestoßen und sie sei gefallen.

Nach weiteren medizinischen Ermittlungen holte die Beklagte ein neurochirurgisches Aktenlagegutachten (27.07.2000) von Prof. Dr. S. , Direktor der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik im Universitätsklinikum E. , mit ergänzender Stellungnahme vom 24.10.2000, ein. Darin ist zusammenfassend ausgeführt, es müsse davon ausgegangen werden, dass es bei der Klägerin zu einem Unfall aus ungeklärter Ursache gekommen sei, welcher eine Krafteinwirkung auf den Schädel zur Folge gehabt habe, so dass der jetzige klinisch-neurologische Zustand als Folge eines Unfalles aus innerer Ursache zu sehen sei; die Krafteinwirkung habe ausgereicht, um eine Orbitawandfraktur zu verursachen, die indes folgenlos ausgeheilt sei. Daraufhin erging der Widerspruchsbescheid vom 14.12.2000. In seiner Begründung hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass die bei der Klägerin nunmehr bestehenden Gesundheitsstörungen nicht die Folge der allein durch den Sturz bedingten, aber folgenlos ausgeheilten Orbitawandfraktur seien, sondern eine davon unabhängig aufgetretenen Hypoxie, die allenfalls Urasche des Sturzes, nicht aber seine Folge gewesen sein könne.

Hiergegen reichte die Klägerin beim Sozialgericht Landshut Klage ein. Nach Durchführung umfangreicher Ermittlungen auf medizinischem Gebiet beauftragte das Erstgericht den Neurologen und Psychiater Dr. K. mit der Begutachtung. Auch dieser kam zu der Auffassung, dass es sich bei dem Unfall um einen Unfall aus innerer Ursache - Herzkammerflimmern oder Hirninfarkt - gehandelt habe, dessen Folge allein die Orbitawandfraktur sei. Der bei der Klägerin vorhandene Zustand nach hypoxämischer Hirnschädigung auf dem Boden eines Kammerflimmerns mit erheblichen neurologischen und psychiatrischen Defiziten sei nicht mit Wahrscheinlichkeit Folge des Sturzes am 26.02.1998, vielmehr sei dieser Sturz die Folge eines aus innerer Ursache entstandenen Leidens, wie auch Prof. Dr. S. zutreffend dargelegt habe. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 04.12.2002 hörte das Sozialgericht die behandelnde Ärztin Dr. R. und den Lebensgefährten der Mutter der Klägerin, Herrn S. , als Zeugen; Dr. R. hat dabei ua erklärt, auch aus der Tatsache, dass die Klägerin am 07.05.1999 in der Lage gewesen sei, mit ihrer Mutter zu telefonieren, könne nicht geschlossen werden, dass sie auch zu Äußerungen zu komplexeren Sachverhalten im Stande gewesen sei.

Mit Urteil vom 04.12.2001 hat das Erstgericht die Klage abgewiesen und sich dabei im wesentlichen auf die Auswertung der gutachterlichen Feststellungen gestützt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Sie beantragt, das Ersturteil und die zugrundeliegenden Bescheide der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 26.02.1998 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Demgegenüber beantragt die Beklagte, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Sitzungsniederschrift des Sozialgerichts vom 04.12.2001, auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und die dort in Bezug genommenen Beweismittel verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil und die zugrunde liegenden Bescheide sind nicht zu beanstanden. Das Ereignis vom 26.02.1998 war kein Arbeitsunfall im Sinne der §§ 7, 8 Abs. 1 und Abs. 2 Ziffer 1 SGB VII. Zwar liegt danach ein Arbeitsunfall auch dann vor, wenn ein Unfall eingetreten ist infolge des Zurücklegens des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Der fragliche Sturz der Klägerin ist jedoch nicht eingetreten infolge des Zurücklegens des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges von dem Ort der Tätigkeit nach Hause.

Ein Wegeunfall im dargestellten Sinne könnte nur angenommen werden, wenn das Zurücklegen des - von den Regeln der gesetzlichen Unfallversicherung geschützten - Weges wesentliche Ursache für das die Klägerin schädigende Ereignis gewesen wäre. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden.

Es ist nicht ersichtlich, welche Besonderheit in der Beschaffenheit des von der Klägerin zurückgelegten Weges zu einem Sturz geführt haben könnte. Insbesondere spricht nichts für ein Stolpern, Ausrutschen oder etwas Ähnliches. Ebenso wenig kann angenommen werden, dass die Klägerin durch das Verhalten einer Dritten Person - einer "fremden Frau" - zu Sturz gekommen ist. Zwar hat die Klägerin nach den Angaben ihrer Mutter und des Zeugen S. Derartiges erklärt. Diese Angaben sind jedoch nicht geeignet, darauf eine Verurteilung der Beklagten zu stützen, denn sie erscheinen nicht in ausreichendem Maße glaubhaft. Zum einen muss nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch das Erstgericht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin nicht in der Lage war - und ist -, den Hergang des streitgegenständlichen Ereignisses zuverlässig zu berichten. Zum anderen steht einer solchen Geschehensschilderung auch der Umstand entgegen, dass die von der Beklagten und vom Erstgericht befragten ärztlichen Sachverständigen ausreichende Anhaltspunkte dafür gefunden und geschildert haben, dass der Sturz der Klägerin auf eine innere - medizinische - Ursache zurückzuführen ist. Im übrigen darf nicht übersehen werden, dass selbst dann, wenn man davon ausgehen wollte, dass die Klägerin in der Tat durch ein "Schubsen" einer dritten Person zu Sturz gekommen sei, dies keineswegs ohne weiteres zur Annahme eines Arbeitsunfalles im Sinne der Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung des SGB VII führen würde. Denn ein tätlicher Angriff auf einem geschützten Wege führt nur dann zu einem Arbeitsunfall, wenn die Beweggründe der angreifenden Person unmittelbar aus der Zugehörigkeit der Klägerin zu ihrem Beschäftigungsbetrieb abzuleiten gewesen wären (vgl. zB BSGE Bd. 50, S. 100 ff). Dafür, dass dies hier so gewesen sein könnte, gibt es indes keinerlei Anhalt.

Im übrigen soll noch auf folgenden Gesichtspunkt hingewiesen werden: selbst dann, wenn man den fraglichen Sturz als Arbeitsunfall werten wollte, so könnte der Klägerin doch keine Verletztenrente im Sinne des § 58 SGB VII zugebilligt werden. Denn ein Anspruch auf Verletztenrente kann nur auf solche Gesundheitsstörungen gestützt werden, die infolge eines Arbeitsunfalles eingetreten sind und einen Grad der Erwerbsminderung von wenigstens 20 v.H. auf Dauer hinterlassen haben (§ 58 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Folge des Sturzes ist aber nach übereinstimmender Angabe der im Verfahren gehörten medizinischen Sachverständigen allein eine Fraktur der Orbitawand, welche inzwischen ohne Folgen verheilt ist und somit eine dauerhafte Erwerbsminderung nicht hinterlassen hat; die übrigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin lassen sich dagegen unter keinem medizinischen Aspekt auf den streitgegenständlichen Sturz zurückführen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Ein Grund für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 SGG besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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