L 4 P 43/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 P 2/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 P 43/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 22. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Beitritt zur Pflegeversicherung.

Der 1949 geborene Kläger, der seit 05.04.2001 unter Betreuung steht, erhält vom Beigeladenen mit Bescheid vom 13.11.2001 ab 27.11.2001 bis auf weiteres Eingliederungshilfe in einem Heim sowie einen Barbetrag ab dem auf den Aufnahmemonat folgenden Monatsersten. Er ließ durch seine Betreuerin am 15.05.2002 die Aufnahme in die Krankenversicherung der Rentner beantragen und am 23.05.2002 den Beitritt zur Pflegeversicherung erklären.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 10.06.2002 den Beitritt zur freiwilligen Pflegeversicherung ab; hiergegen legte die Betreuerin am 19.08.2002 Widerspruch ein. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22.08.2002 den freiwilligen Beitritt ein weiteres Mal ab und wies mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2002 den Widerspruch zurück. Nicht beitrittsberechtigt seien Personen, die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz beziehen, sowie Personen, die nicht selbst in der Lage sind, den erforderlichen Beitrag zu zahlen. Der Ausschluss des Beitrittsrechts beziehe auch vergleichbare Personengruppen mit ein, insbesondere solche, die bei Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung Hilfe in besonderen Lebenslagen erhalten. In diesen Fällen umfasse die Hilfe nämlich auch den in der Einrichtung gewährten laufenden Lebensunterhalt. Der Widerspruchsbescheid wurde der Betreuerin am 29.11.2002 zugestellt. Sie befand sich nach ihren Angaben vom 18.12.2002 bis 06.01.2003 in Weihnachtsurlaub. Der Beigeladene forderte mit Schreiben vom 12.12.2002 die Betreuerin auf, das ihr nach ihren Angaben erst nach dem 18.12.2002 zuging, Klage beim zuständigen Sozialgericht zu erheben.

Sie hat für den Kläger am 08.01.2003 beim Sozialgericht Augsburg (SG) Klage erhoben - zur Begründung verwies sie auf den Widerspruch - und sinngemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Mit Schreiben vom 09.02.2003 hat sie ausdrücklich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 22.07.2003 die Klage ab- gewiesen und den Beigeladenen verpflichtet, der Beklagten 150,00 EUR zu erstatten. Die Klage sei wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu bewilligen. Es seien keine Gründe ersichtlich, dass die Betreuerin nicht in der Lage gewesen wäre, noch vor ihrem Weihnachtsurlaub im Jahr 2002 Klage beim SG zu erheben. Die Klageerhebung hätte auch ohne Begründung erfolgen können. Der Umstand, dass die Betreuerin den Eingang der vom Beigeladenen abgefassten Klageschrift abgewartet habe, stelle keine ausreichende Entschuldigung dar. Dem Beigeladenen seien Kosten in Höhe der Pauschgebühr aufzuerlegen, da beim SG ungefähr 20 vergleichbare Verfahren anhängig seien. Hieraus würde den betroffenen Pflegekassen nicht unerhebliche Kosten erwachsen. Es erscheine daher sachgerecht, den Urheber und wirtschaftlich interessierten Beigeladenen zu verpflichten, der Beklagten die Pauschgebühr zu erstatten.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 08.09.2003. Die Betreuerin macht geltend, sie habe im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht für den Sozialhilfeträger Klage erheben müssen. Davon habe sie erst am 07.01.2003, nach der Rückkehr aus dem Weihnachtsurlaub, Kenntnis erlangt.

Sie beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 22.07. 2003 sowie die Bescheide der Beklagten vom 10.06.2002 und 22.08.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11. 2002 aufzuheben sowie festzustellen, dass der Kläger mit dem Beitritt vom 13.05.2002 freiwilliges Mitglied der Beklagten geworden ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist unbegründet.

Das SG durfte in vorliegender Streitsache nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Es hat zu Recht die Klage abgewiesen, weil der Kläger die Klagefrist versäumt hat (§ 87 Abs.1 SGG) und ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren ist (§ 67 Abs.1 SGG).

Die Klagefrist wurde mit dem Tag nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides, also am 30.11.2002, in Lauf gesetzt (§ 64 Abs.1 SGG). Die Zustellung erfolgte gemäß § 180 Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit §§ 37, 65 Sozialgesetzbuch X und Art.3 Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz als Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten. Die Frist hat am Montag, den 30.12. 2002 (24.00 Uhr) geendet (§ 64 Abs.2 SGG). Somit ist die Klage am 08.01.2003 nach Ablauf der Klagefrist beim SG eingegangen.

Dem Kläger ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren, da die Fristversäumnis nicht schuldlos gewesen ist (§ 67 Abs.1 SGG). Danach ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Eine schuldlose Versäumung der gesetzlichen Frist liegt vor, wenn der Prozessbeteiligte diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zuzumuten ist. Auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt durch einen gewissenhaften, sachgemäß Prozessführenden muss das Versäumnis der Verfahrensfrist nicht vermeidbar gewesen sein. Besteht auch nur die Möglichkeit einer verschuldeten Fristversäumnis, scheidet Wiedereinsetzung aus (Bundessozialgericht (BSG) vom 31.03.1993 BSGE 72, 158; BSG vom 18.03.1987 BSGE 61, 213; BSG vom 10.12. 1974 BSGE 38, 248). Ein Prozessbeteiligter kann zwar die Verfahrensfrist bis zu deren Ende ausschöpfen, aber mit dem Lauf der Frist erhöht sich auch die Sorgfaltspflicht, dass die Frist noch eingehalten wird. Für die Wiedereinsetzung kann ein Verschulden nach der Rechtsprechung nur dann ausgeschlossen werden, wenn durch geeignete organisatorische Vorkehrungen dafür gesorgt ist, dass Fristversäumnisse möglichst vermieden werden (BSG vom 30.11.1999 SozR 3-1500 § 63 Nr.6). Eine Fristversäumnis, die in der Sphäre des gesetzlichen Vertreters liegt, wird dem vertretenen Kläger zugerechnet (§§ 1896, 1902 Bürgerliches Gesetzbuch in Verbindung mit § 51 Abs.2 ZPO).

Danach hat die Betreuerin des Klägers es schuldhaft versäumt, rechtzeitig Klage zu erheben. Dies war auch nach ihren eigenen Einlassungen noch möglich in der Zeit ab Zustellung des Widerspruchsbescheides bis zum Antritt ihres Weihnachtsurlaubs am 18.12.2002. In dieser mehr als 14-tägigen Zeitspanne hätte sie ausreichend Zeit gehabt, auch mit dem Beigeladenen abzuklären, ob Klage erhoben werden soll. Ihr Einwand, sie habe nicht gewusst, dass fristwahrend Klage auch ohne Abgabe einer Begründung erhoben werden kann, ist schon deswegen unbeachtlich, weil sie Klage erhoben und sich im Weiteren auf den Widerspruch bezogen, also bereits eine Begründung abgegeben hat.

Der Senat hat nicht über die den Beigeladenen auferlegten Verschuldenskosten (§ 192 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGG) zu entscheiden, da der Kläger hierdurch nicht beschwert ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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