L 14 KG 13/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 KG 82/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 KG 13/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufungen gegen die Urteile des Sozialgerichts Nürnberg vom 15. Mai 2000 werden zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat der Beigeladenen zu 1) die außer- gerichtlichen Kosten beider Berufungsverfahren zu erstatten. Sonstige außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist in zwei Berufungsverfahren streitig, ob der Beklagte zu Recht die Kindergeldbewilligung für vier leibliche Kinder des Klägers mit Wirkung ab 01.06.1992 aufgehoben hat.

Der Kläger ist beim Beklagten als Beamter im mittleren Dienst beschäftigt. Mit dem seit 14.04.1992 rechtkräftigen Urteil des Amtsgerichts S. vom 05.11.1991 wurde die Ehe des Klägers geschieden und die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder der Mutter (Beigeladene zu 1.) übertragen. Diese widerrief im April 1992 ihr Einverständnis mit dem Kindergeldbezug durch den Kläger (Schreiben vom 15.04.1992 an den Beklagten) und bezog aufgrund eines eigenen Antrags ab 01.06.1992 das Kindergeld vom Arbeitsamt Weißenburg (Bescheid vom 26.05.1992).

Der Beklagte teilte dem Kläger am 24.04.1992 - mündlich gegen Unterschrift - den Widerruf der Berechtigungserklärung und die Einstellung der Kindergeldzahlungen an ihn mit Ablauf Mai 1992 mit.

Hiergegen erhob der Kläger am 08.10.1992 "Einspruch"und monierte nochmals mit Schreiben vom 28.12.1992, weil laut einem rechtskräftigen Unterhaltsurteil angeblich das Kindergeld an ihn zu zahlen sei. Nachdem der Kläger im Dezember 1992 auf das bisherige Fehlen eines schriftlichen Bescheids hinsichtlich des Kindergelds hingewiesen hatte, teilte ihm der Beklagte mit Schreiben vom 03.05.1993, zur Post gegeben am 04.05.1993, unter anderem mit:

"3) Festsetzung von Bezügen: a) Kindergeld: Gemäß Vergleichsmitteilung des Arbeitsamtes Weißenburg - Kindergeldkasse - vom 07.04.1992 hat Ihre geschiedene Frau am 02.04.1992 Antrag auf Gewährung von Kindergeld gestellt. Das Kindergeld wurde ihr deshalb ab Mai 1992 gemäß § 3 Abs.3 Satz 2 2. Halbsatz BKGG gewährt. Damit entfällt automatisch die früher vereinbarte Regelung, das Kindergeld an Sie zu zahlen. Am 24.04.1992 wurde Ihnen eröffnet, dass die Zahlung des Kindergelds an Sie mit Ablauf des Monats Mai 1992 eingestellt wird." Diesem Schreiben war keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt.

Im Oktober 1994 begründete der Kläger die Ablehnung der Übernahme eines Ehrenamtes unter anderem mit zahlreichen, ihn be- lastenden Verfahren, darunter auch wegen Kindergelds (Schreiben vom 10.10.1994); im Dezember 1995 mahnte er unter anderem die Zahlung des Kindergelds an und teilte mit, dass er sich nunmehr leider gezwungen sehe, alle Rechtsmöglichkeiten auszuschöpfen (Telefax vom 30.12.1995).

Am 31.12.1995 erhob der Kläger per Telefax unter anderem wegen höherer Besoldung und Kindergelds Klage beim Verwaltungsgericht Ansbach, das den Rechtsstreit wegen Kindergelds abtrennte und - soweit er dieses bis zum 31.12.1995 betrifft - an das Sozialgericht Nürnberg verwies (Beschluss vom 12.03.1998); wegen des Kindergelds ab 01.01.1996 erfolgte eine Verweisung des Rechtsstreits an das Finanzgericht Nürnberg.

Das an das Sozialgericht verwiesene Verfahren wurde dort unter dem Aktenzeichen S 9 KG 82/98 geführt. Nach richterlichem Hinweis erteilte das Landratsamt Roth den Widerspruchsbescheid vom 14.02.2000. Hierin wurden die zwei Schreiben des Klägers vom 30. und 31.12.1995 als Widerspruch gegen die Entscheidung vom 03.05.1993 gewertet und - wegen Ablaufs der Widerspruchsfrist von einem Jahr - als unzulässig zurückgewiesen. Die Begründung des Widerspruchsbescheids enthielt den Zusatz: Im Übrigen ist festzustellen, dass nach den vorliegenden Unterlagen die Entscheidung des Marktes , die Kindergeldzahlung zum Ablauf des 31.05.1992 einzustellen, rechtens war und somit auch ein fristgerecht erhobener Widerspruch erfolglos geblieben wäre. Eine Würdigung der materiellen Rechtslage ist im Hinblick auf die eindeutige Unzulässigkeit des Widerspruchs weder angezeigt noch geboten. In der Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheids wurde auf die Möglichkeit der Klage beim Sozialgericht Nürnberg hingewiesen.

Am 14.03.2000 erhob der Kläger Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 14.02.2000, die beim Sozialgericht unter dem Az.: S 9 KG 20/00 erfasst wurde.

In der Streitsache S 9 KG 82/98 wies das Sozialgericht die - laut Entscheidungsgründen gegen den Bescheid vom 03.05.1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2000 gerich- tete - Klage mit Urteil vom 15.05.2000 wegen Unbegründetheit ab und führte hierzu unter anderem aus, dass der ehemaligen Ehefrau des Klägers das Kindergeld gemäß § 3 Abs.3 Satz 2, 2. Halbsatz des Bundeskindergeldgesetzes alter Fassung (BKGG a.F.) zustehe, weil ihr das Sorgerecht für die Kinder übertragen worden sei. Aus dem Unterhaltsurteil des Amtsgerichts Schwabach vom 12.06.1991 könne der Kläger keine Rechte herleiten, da dieses im Rahmen des § 3 BKGG ohne Bedeutung sei und das Amtsgericht im Übrigen keine Entscheidung darüber getroffen habe, wem das Kindergeld zustehe. Der damalige Kindergeldbezug des Klägers sei nur bei der Berechnung der Höhe des geschuldeten Unterhalts eingeflossen.

In der Streitsache S 9 KG 20/00 wies das Sozialgericht die Klage ebenfalls mit Urteil vom 15.05.2000 ab, weil sie unzulässig sei. Der Widerspruchsbescheid vom 14.02.2000 sei Gegenstand des Klageverfahrens S 9 KG 82/98 geworden; hierüber könne nicht nochmals in der Sache entschieden werden. Die Rechtsmittelbelehrung des Widerspruchsbescheids sei unrichtig gewesen.

Gegen beide Urteile legte der Kläger Berufung ein (L 14 KG 13/00 = S 9 KG 82/98 und L 14 KG 14/00 = S 9 KG 20/00), weil er in seinen Rechten verletzt worden sei, insbesondere durch Missachtung eines Unterhaltsurteils des Familiengerichts S. ; außerdem enthalte der Widerspruchsbescheid keine "Sachwürdigung" der Zuständigkeit des Finanzgerichts. Gleichzeitig stellte er Anträge auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts sowie auf die "Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz", die mit Beschluss vom 13.10.2000 abgelehnt bzw. zurückgewiesen wurden (L 14 KG 17/00 ER).

Der Senat hat die geschiedene Ehefrau und die Bundesanstalt für Arbeit (Kindergeldkasse) mit Beschluss vom 02.04.2001 beigeladen und die Personal- und Kindergeldakten des Beklagten und des Arbeitsamts Weißenburg beigezogen. Hieraus ist u.a. ersichtlich, dass das Unterhaltsurteil des Amtsgerichts S. vom 12.06.1991 auf Abänderungsantrag des Klägers vom 31.08.1994 mit Vergleich vom 30.01.1995 für die Zeit ab 01.02.1995 dahingehend abgeändert worden ist, als der vom Kläger zu zahlende Unterhalt wegen Bezugs des Kindergelds durch die Kindsmutter herabgesetzt worden ist.

Trotz mehrfacher Aufforderungen und eines am 15.02.2001 durchgeführten Erörterungstermins, in dem der Kläger ausführliche rechtliche Hinweise erhielt und auch anlässlich dieses Termins zu einer Stellungnahme aufgefordert worden ist, hat er seine Berufung nach mehr als eineinhalb Jahren nur mit der Wiederholung des Arguments begründet, im Urteil des Amtsgerichts S. vom 12.06.1991 sei ihm das Kindergeld zugesprochen worden. Auf Hinweis des Senats auf die Möglichkeit der Zurückweisung der Berufung wegen Versäumnis der Widerspruchsfrist behauptet der Kläger, dass er seit Einstellung des Kindergelds ständig mündlich beim Personalsachbearbeiter Sch. der Beklagten Widerspruch eingelegt und auch später Klage erhoben habe. In der mündlichen Verhandlung am 30.10.2003 sind die Berufungen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

Der Kläger beantragt, die Urteile des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.05.2000 und den Bescheid der Beklagten vom 03.05.1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2000 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Berufungen zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge vor. Zur Ergänzung des Tatbestands wird hierauf sowie auf die zu Beweiszwecken beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die eingelegten Berufungen sind zwar form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 143 ff., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), aber in der Hauptsache unbegründet, weil eine der zugrundeliegenden zwei Klagen unbegründet und die andere unzulässig gewesen ist.

Der Urteilstenor des Sozialgerichts in beiden Streitsachen ("die Klage wird abgewiesen") war im Ergebnis, wenn auch teilweise mit anderer Begründung, zu bestätigen, wobei der Kläger darauf hingewiesen wird, dass die Urteilsbegründung des Sozialgerichts nicht wie der Urteilstenor in Rechtskraft erwachsen kann und auch vorher keinerlei Bindungswirkung entfaltet, so dass sie jederzeit durch eine andere Begründung "abänderbar" ist bzw. ersetzt werden kann.

Verfahrensfehlerhaft waren beide Urteile deswegen, weil das Sozialgericht nicht die geschiedene Ehefrau des Klägers und die Bundesanstalt für Arbeit (Kindergeldkasse) beigeladen hatte. Die hierzu vom Sozialgericht im Urteil abgegebene Begründung, dass eine Beiladung nicht erforderlich sei, ist unzutreffend, entspricht im Übrigen auch nicht den Rechtsauffassungen des Bayer. Landessozialgerichts und des Bundessozialgerichts. Die oben Genannten waren beizuladen, weil unter anderem nach dem vorgegebenen Streitgegenstand die Kindergeldberechtigung des Klägers oder dessen geschiedener Ehefrau in Frage stand (§ 3 BKGG a.F.). Unerheblich war, ob eine mögliche Entscheidung des Gerichts hierzu nicht mehr zur Folge haben kann, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers Kindergeld zurückzahlen müsste, falls dem Kläger das Kindergeld "zugesprochen" werden sollte. Eine Rückzahlungspflicht der Ehefrau in einem solchen Falle wäre mit großer Wahrscheinlichkeit aus mehreren Gründen auszuschließen gewesen; allerdings wäre auch zu berücksichtigen, dass für die Rückforderung je nach Sachverhalt eine einjährige, vierjährige, zehnjährige oder auch eine 30-jährige Frist hypothetisch denkbar ist und dass das Sozialgericht zu einem solchen Sachverhalt nicht ermittelt hat, weiterhin, dass eine solche Rechtsfolge auch eintreten könnte, wenn ein rechtswidriger Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid des Arbeitsamts ergehen und bindend werden sollte. In erster Linie allerdings ist maßgebend, dass das Sozialgericht über eine Aufhebung der Kindergeldbewilligung des Arbeitsamts für die Beigeladene und eine diesbezügliche Rückforderung nicht entscheiden konnte und durfte, und dass bereits die notwendig einheitliche Entscheidung allein über die materiell-rechtliche Kindergeldberechtigung (Teilfrage bei Zahlungsansprüchen, auch bei Fehlen eines Antrags) unmittelbar in Rechte der Beteiligten eingreift und zwangsläufig zur notwendigen Beiladung im Sinne von § 75 Abs.2 SGG führt (vgl. BSG vom 23.10.1984 - 10 RKg 14/83).

Der in erster Instanz unterlaufene Verfahrensmangel ist durch Nachholung der Beiladung in zweiter Instanz geheilt. Der Senat hat den Fehler nicht zum Anlass genommen, die Urteile des Sozialgerichts aufzuheben und die Sachen zurückzuverweisen, sondern von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, als Rechts- und Tatsachengericht selbst endgültig zu entscheiden (§ 159 SGG).

1. Zutreffend hat das Sozialgericht das Schreiben des Beklagten vom 03.05.1993 als Verwaltungsakt gewertet. Hierin kommt nämlich deutlich zum Ausdruck, dass der Beklagte keine materiell-rechtliche Kindergeldberechtigung des Klägers mehr sieht und von der bisherigen Kindergeldbewilligung mit Wirkung ab 01.06. 1992 Abstand nimmt. Es liegt darin die Regelung, dass dem Kläger Kindergeld nicht mehr zusteht und daher mit Wirkung für die Zukunft nicht mehr gewährt wird.

Der Aufhebungsbescheid im Sinne von § 48 des Sozialgesetzbuches Teil X (SGB X) mag an Form und Begründung "unglücklich" ausgefallen sein. Dies ändert jedoch nichts daran, dass eine inhaltlich hinreichend bestimmte Entscheidung vorliegt, die zur Re- gelung eines Einzelfalls getroffen worden und auf unmittelba- re Wirkung nach außen gerichtet ist (§ 31 Satz 1, § 33 Abs.1 SGB X). Damit liegt ein Verwaltungsakt vor. Keineswegs ist es - so auch die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung - erforderlich, dass der Verwaltungsakt mit "Bescheid" überschrieben ist oder eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt ist. Das Fehlen der gemäß § 36 SGB X vorgeschriebenen Rechtsbehelfsbelehrung (u.a. mit Hinweis auf die Einlegung des Widerspruchs binnen eines Monats nach Bekanntgabe - § 84 Abs.1 SGG) macht einen Verwaltungsakt nicht rechtswidrig, es besteht bei unterlassener oder unrichtiger Belehrung nur die Möglichkeit, länger einen Rechtsbehelf einzulegen. Es läuft dann die Jahresfrist des § 66 Abs.2 SGG.

Die Einlegung des Rechtsbehelfs war vorliegend nunmehr innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung (bzw. Bekanntgabe) zulässig, danach nur mehr, wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich gewesen oder eine schriftliche Belehrung dahin erfolgt wäre, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei.

Die Jahresfrist ist im Mai 1994 abgelaufen, ohne dass der Kläger Widerspruch erhoben hätte. Der Bescheid vom 03.05.1993 wurde laut dem darauf befindlichen Postvermerk am 04.05.1993 zur Post gegeben und gilt mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (§ 37 Abs.2 SGB X). Der Kläger hat im Verfahren beim Verwaltungsgericht erwähnt (und damit eingeräumt), dass er den Bescheid vom 03.05.1993 auch erhalten hat. Der Zugang und der Zeitpunkt des Zugangs wurden, obwohl der Widerspruchsbescheid vom 14.02.2000 maßgebend auf die Versäumung der Jahresfrist abgestellt hat, vom Kläger nicht bestritten. Damit verbleibt es bei einem Ablauf der Jahresfrist im Mai 1994. Eine Reaktion, die zeigt, dass der Kläger mit der Aufhebung der Kindergeldbewilligung nicht einverstanden gewesen ist, sich vielmehr hiergegen mit Rechtsbehelf wenden will, liegt erst in seinem Telefax an die Beklagte vom 30.12.1995. Der Beklagte bzw. deren Widerspruchsstelle hat zu Recht den Widerspruch als verfristet und auch als unzulässig angesehen, weil der Kläger nicht binnen eines Jahres Widerspruch erhoben hat und keine Anhaltspunkte für höhere, das heißt für den Kläger unvermeidbare und unabwendbare Gewalt vorgetragen worden noch sonst wie ersichtlich gewesen sind.

Dadurch, dass das Sozialgericht die Unzulässigkeit des Widerspruchs ohne jegliche Ausführungen übergangen hat und nur zur Begründetheit der Klage in Bezug auf den materiell-rechtlichen Kindergeldanspruch Ausführungen machte, wird weder der Widerspruch zulässig (die gesetzlichen Fristen können nicht abgeändert werden) noch stillschweigend irgendeine Art von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt (was das Sozialgericht im Übrigen stillschweigend auch nicht tun könnte).

Den kurz vor der mündlichen Verhandlung erfolgten Vortrag des Klägers, er habe mündlich rechtzeitig bei der Beklagten Widerspruch gegen die "Einstellung des Kindergelds" eingelegt, hielt der Senat teilweise für eine Schutzbehauptung. Richtig hieran ist lediglich, dass der Kläger sich gegen die tatsächliche Einstellung der Zahlungen ("Anhörung" vom 24.04. 1992) gewehrt hatte, wie auch aus der Beklagtenakte hervorgeht. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat sich der Kläger jedoch mehr als ein Jahr nicht gegen den dann maßgebenden Bescheid vom 03.05.1993 (Aufhebung der Kindergeldbewilligung) gewandt.

Die mündliche Mitteilung des Beklagten vom 24.04.1992 selbst stellt keinen Verwaltungsakt dar (der im Übrigen gemäß § 25 Abs.1 BKGG a.F. mangels Schriftform nicht unwirksam, sondern sogar nichtig wäre). Hieraus ist ein unbedingter Regelungswille nicht ersichtlich. Der gesamte Sachverhalt bzw. die Unterlagen, die zur Aufhebung der Kindergeldbewilligung berechtigen würden, lagen noch nicht vor, lediglich neben dem Widerruf der Berechtigtenerklärung die Mitteilung des Arbeitsamts Weißenburg, dass ein Kindergeldantrag der Beigeladenen zu 1. vorliege und berechtigt erscheine, mithin beabsichtigt sei, insoweit noch einen kindergeldbewilligenden Bescheid zu erteilen. Die Beklagte hat dann auch noch ermittelt (Scheidungsurteil, Rechtskraftvermerk, Sorgerechtsbeschluss zugunsten der Beigeladenen zu 1.). Seitens des Beklagten war am 24.04.1992 noch keine abschließende Entscheidung über das Kindergeld ab 01.06.1996 ergangen; auch der Kläger, dem der oben genannte Sachverhalt über den Beklagten bekannt war - dies ergibt sich aus dem Schriftsatz vom 13.03.2000 (Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 07.03. 2000) und seiner am 24.04.1992 verfassten Dienstaufsichtsbeschwerde beim Arbeitsamt Weißenburg -, durfte nicht von einer definitiven Regelung (im Außenverhältnis) ergehen.

Der "Einspruch" bzw. die "Einsprüche" gegen die Mitteilung des Beklagten vom 24.04.1992 können mangels erkenntlich vorliegenden Verwaltungsakts und fehlenden Willens des Klägers nicht als förmlicher Rechtsbehelf (Widerspruch) gewertet werden, im Übrigen auch nicht als Rechtsbehelf gegen den erst später ergangenen Bescheid vom 03.05.1993. Ein Widerspruch ist erst möglich, nachdem ein Bescheid ergangen bzw. bekanntgegeben wurde (§§ 83, 84 SGG). Ein vorher - z.B. vorsorglich - eingelegter Widerspruch gegen einen künftigen Verwaltungsakt wäre unzulässig und unwirksam und würde auch nicht bei Ergehen des Bescheids zulässig werden (Meyer-Ladewig, SGG, Rdnr.3 zu § 83 SGG mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).

Nach Ergehen des Bescheids vom 03.05.1993 hat der Kläger hiergegen im Dezember 1995 keinen Widerspruch erhoben. Aus seiner Sicht bestand hierzu keinerlei Veranlassung, weil er nach wie vor von einer Einstellung des Kindergelds ohne Verwaltungsakt ausging und sinngemäß die bloße Fortzahlung des Kindergelds an ihn wegen der früheren Kindergeldbewilligung, die seiner Ansicht noch wirksam gewesen ist, begehrte (vgl. Schriftsätze vom 13.03.2000 zum Sozialgericht Nürnberg und vom 24.06.1996 zum Verwaltungsgericht Ansbach). Bestätigt wird dies letztlich auch durch die Behauptung mündlicher "Widersprüche" anlässlich der Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 08.02.2000 (Schriftsatz vom 23.03.2000), wobei der Kläger Bezug auf Geschehnisse vor dem 03.05.1993 nahm.

Ein mündlicher Widerspruch vom Mai bis Dezember 1995 erscheint auch deshalb nicht glaubhaft, weil zu dieser Zeit - wie sich aus der Beklagtenakte ergibt - das Verhältnis zwischen Beklagtem und Kläger wegen Strafanzeige des Beklagten und zahlreicher Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis äußerst gespannt und belastet gewesen ist; es ist ersichtlich, dass der Kläger zu allen "Streitpunkten" schriftlich Widerspruch oder Einspruch erhoben bzw. Einwendungen geltend gemacht hat. Weiterhin erscheint die Beklagtenakte sorgfältig geführt und vollständig. Der Sachbearbeiter Sch. der Beklagten hat auch mündliche Vorgänge dokumentiert (vgl. neben der "Anhörung" des Klägers vom 24.04.1992 auch den Vermerk vom Januar 1992 zu einem Telefonat mit dem Arbeitsamt wegen einkommensbedingter Höhe des Kindergelds und Vermerk vom 19.01.1993 wegen einer Mitteilung des Klägers über einen künftigen längeren Klinikaufenthalt bei unbekanntem Termin).

Die Klage gegen den Bescheid vom 03.05.1993 - zum Klagegegenstand kraft Gesetzes ist dann später der Widerspruchsbescheid vom 14.02.2000 (Prozessvoraussetzung) geworden - ist im Laufe des Rechtsstreits mit Ergehen des Widerspruchsbescheides zulässig geworden, blieb aber unbegründet, weil der Widerspruchsbescheid zutreffend war. Darauf, dass der Kläger - auch nach Ansicht des Senats - keinen Kindergeldanspruch mehr hatte, kam es nicht mehr an.

2. Die zweite Klage war dem Wortlaut nach nur gegen den Widerspruchsbescheid vom 14.02.2000 gerichtet, kann sich aber notwendigerweise nur (auch) gegen den Ausgangsbescheid vom 03.05. 1993 richten, der in der Fassung des jeweiligen Widerspruchsbescheides gilt. Nachdem bereits in derselben Sache ein Rechtsstreit beim Sozialgericht anhängig war, war die zweite Klage unzulässig.

Ein Ausnahmefall, dass der Widerspruchsbescheid gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine gesonderte (selbständige und trennbare) Beschwer enthält, zum Beispiel eine zusätzliche belastende Regelung, und nicht der Ausgangsbescheid, sondern nur der Widerspruchsbescheid wegen dieser gesonderten Beschwer angegriffen werden soll, liegt nicht vor.

Dem Senat ist nicht nachvollziehbar, was der Kläger mit der Rüge meinte, der Widerspruchsbescheid enthalte keine "Sachwürdigung" der Zuständigkeit des Finanzgerichts. Dies gehört weder zum Regelungssatz noch zur Begründung eines Widerspruchsbescheids. Im Übrigen war die "Sachwürdigung" überflüssig und der Rechtsweg vorgezeichnet, nachdem das Verwaltungsgericht bereits vor Ergehen des Widerspruchsbescheides den Rechtsstreit hinsichtlich des Kindergelds bis 31.12.1995 an das Sozialgericht und hinsichtlich des Kindergelds ab 01.01.1996 an das Finanzgericht verwiesen hat. Wenn die Widerspruchsstelle der Beklagten dann auf Anregung des Sozialgerichts einen Widerspruchsbescheid zu dem beim Sozialgericht streitgegenständlichen Kindergeld (1992 bis 1995) erteilt, ist der Rechtsweg weiterhin klar und offensichtlich. Allein die Rechtsmittelbelehrung im Widerspruchsbescheid vom 14.02.2000 (Klage beim Sozialgericht) war unzutreffend; richtigerweise hätte es heißen müssen, dass der Widerspruchsbescheid zum Gegenstand des bereits beim Sozialgericht anhängigen Klageverfahrens wird. Die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung machte den Widerspruchsbescheid aber nicht rechtswidrig und hätte nur die Klagefrist von einem Monat auf eine solche von einem Jahr verlängert; hierauf kam es aber vorliegend nicht an, da bereits rechtzeitig Klage erhoben worden war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs.1 und Abs.4 SGG; außergerichtliche Kosten des Beklagten können demgemäß diesem trotz Obsiegens im Prozess nicht erstattet werden. Dem Kläger hingegen waren außergerichtliche Kosten wegen Unterliegens nicht zu erstatten. Der Senat hatte davon abgesehen, den Beklagten zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers - entgegen dem "Erfolgsprinzip" - insoweit zu verurteilen, als ersterer in zurechenbarer Weise durch unzutreffende Rechtsmittelbelehrung im Widerspruchsbescheid eine zweite Klage beim Sozialgericht verursacht hat. Der Kläger war in diesem Klageverfahren nicht durch einen Anwalt vertreten, so dass ihm keine oder allenfalls minimale Kosten durch Prozessführung entstanden sein können, zumal sein eigener Zeit- und Arbeitsaufwand nicht erstattungsfähig ist. Gesetzliche Kostenfolge war jedoch nach Beiladung die Auferlegung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) für beide Berufungsverfahren.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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