L 16 RJ 69/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 736/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 69/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 14. Januar 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit über den 31.12.1994 hinaus.

Der 1958 geborene Kläger ist türkischer Staatsbürger mit Wohnsitz in der Türkei. Er hat nach eigenen Angaben keinen Beruf erlernt und war in Deutschland nach seinem Zuzug (September 1973) vom 19.08.1974 bis 21.10.1991 mit Unterbrechungen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt langjährig als Maschinenbediener (vom 21.01.1985 bis 28.02.1991; das Arbeitsverhältnis endete durch Arbeitnehmerkündigung) und Hilfsarbeiter (vom 01.05. bis 21.10.1991). Vom 31.10.1991 bis 27.03.1992 und 08.05.1993 bis 15.01.1994 bezog er Leistungen des Arbeitsamtes (Versicherungsverlauf vom 14.04.1997). Vom 21.05.1992 bis 07.05.1993 war er als selbständiger Abbruchunternehmer tätig. In der Türkei hat der Kläger keine Versicherungszeiten zurückgelegt.

Im Dezember 1992 oder Januar 1993 erlitt der Kläger nach eigenen Angaben bei einem privaten Jagdunfall in der Türkei einen Fersenbeinbruch sowie im Januar 1994 bei einem privaten Autounfall in der Türkei einen Oberschenkelbruch und im Mai 1994 während einer stationären Rehabilitationsmaßnahme eine Kniescheibenfraktur rechts, derentwegen er am 04.07.1994 bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beantragte.

Die Beklagte lehnte den Antrag zunächst wegen fehlender Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ab (Bescheid vom 18.04.1995), nachdem der Sozialärztliche Dienst der Beklagten bei einer ambulanten Begutachtung des Klägers am 09.02.1995 unter Berücksichtigung eines arbeitsamtsärztlichen Gutachtens vom 05.08.1993 zu dem Ergebnis gekommen war, der Kläger könne trotz deutlicher Minderbelastbarkeit des rechten Beines und Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenks, einer geringgradigen Minderbelastbarkeit und Bewegungseinschränkung im rechten Sprunggelenk nach Fersenbeinbruch, chronischer Bronchitis und Neigung zu Hautausschlägen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig leichte Arbeiten mit einigen qualitativen Einschränkungen verrichten.

Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte ein Gutachten des Orthopäden Dr. H. vom 24.07.1996 ein, der die Leistungseinschätzung des Sozialärztlichen Dienstes und eine Wegefähigkeit von 400 bis 600 m bestätigte. Unter Berücksichtigung eines weiteren arbeitsamtsärztlichen Gutachtens vom 26.01.1995 kam der Sozialärztliche Dienst aber zu der Einschätzung, dass der Kläger infolge des Unfalls vom Januar 1994 bis zum Dezember 1995 (Metallentfernung rechtes Knie) vorübergehend nur unterhalbschichtig erwerbstätig sein konnte und die Gehstrecke unter 500 m betragen habe. Daraufhin gewährte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.08.1994 bis 31.12.1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit (Bescheid vom 14.04.1997).

Nach Übersiedlung in die Türkei stellte der Kläger am 16.02. 1998 bei der türkischen Verbindungsstelle einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Der Antrag wurde der beigeladenen Landesversicherungsanstalt (LVA) Oberfranken und Mittelfranken als zuständiger deutschen Verbindungsstelle übersandt. Nachdem die Beklagte ihre Zuständigkeit unter Hinweis auf den türkischen Wohnsitz des Klägers verneint hatte, lehnte die Beigeladene den Antrag ab (Bescheid vom 12.10.1998, Widerspruchsbescheid vom 01.02.1999).

Die Beklagte zog einen für die Beigeladene in der Türkei gefertigten ärztlichen Bericht des Lehrkrankenhauses der Sozialversicherungsanstalt I. vom 04.03.1998 bei und wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.04.1995 in der Fassung des Bescheides vom 14.04.1997 zurück (Widerspruchsbescheid vom 17.09. 1998). Der Kläger sei ab 01.01.1995 wieder in der Lage, Geh- strecken von mehr als 500 m zurückzulegen und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig leichte Arbeiten vorwiegend im Sitzen mit weiteren qualitativen Einschränkungen zu verrichten. Auf Grund der bisherigen Beschäftigung als angelernter oder ungelernter Arbeiter sei der Kläger sozial auf ungelernte Arbeiten verweisbar.

Gegen den wohl am 21.09.1998 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 28.09.1998 (Eingang bei Gericht) beim Sozialgericht Augsburg (SG) Klage erhoben. Ihm sei aus gesundheitlichen Gründen der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen.

Das SG hat die LVA Oberfranken und Mittelfranken als Verbindungsstelle zur Türkei beigeladen, den Kläger mehrfach erfolglos aufgefordert, Angaben zu seinen behandelnden Ärzten zu machen und diese von der ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden, und die Klage unter Bezugnahme auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 14.01. 2000).

Gegen den am 19.01.2000 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 04.02.2000 (Eingang bei Gericht) beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Der Senat hat Befundberichte der früher behandelnden Ärzte Dr. W. (Orthopäde, vom 09.05.2000) und Dr. H. (Orthopäde, vom 22.05.2000) beigezogen und Gutachten des Orthopäden Y. vom 19.10.2001 (nach ambulanter Untersuchung vom 09.10.2001), des Chirurgen und Orthopäden Dr. B. vom 06.05.2002 (nach Aktenlage mit ergänzender Stellungnahme vom 26.08.2002) und 09.09.2003 (nach ambulanter Untersuchung) sowie des Neurologen Prof. Dr. B. vom 10.09.2003 (nach ambulanter Untersuchung) eingeholt. Dr. B. bestätigt ein vollschichtiges Leistungsvermögen für zumindest leichte Arbeiten vorwiegend im Sitzen ohne schweres Heben und Tragen, ohne Bücken oder ungünstige Körperhaltung sowie eine mögliche Gehstrecke von über 500 m. Neurologische Gesundheitsstörungen liegen laut Prof. Dr. B. beim Kläger nicht vor.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 14.01. 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.04.1995 in der Fassung des Bescheids vom 14.04.1997 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 31.12.1994 hinaus Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten, der Beigeladenen sowie des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten und die Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 105 Abs.2 Satz 1, 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist (nur) der Bescheid der Beklagten vom 18.04.1995 in der Fassung des Bescheides vom 14.04.1997 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.1998, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, dem Kläger über den 31.12. 1994 hinaus Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren. Das SG hat die dagegen erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 14.01.2000 zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für die Zeit ab 01.01.1995.

Der Bescheid der Beigeladenen vom 12.10.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.1999 ist nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Eine unmittelbare Anwendung des § 96 SGG kommt nicht in Betracht, da der Bescheid vom 12.10.1998 den hier streitigen Bescheid der Beklagten weder abgeändert noch ersetzt oder bestätigt hat. Der Bescheid, über den das SG im angefochtenen Urteil nicht entschieden hat, ist aufgrund übereinstimmender Erklärung der Beteiligten auch nicht in entsprechender Anwendung des § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl. BSGE 61, 45).

Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente richtet sich nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.), da der Kläger seinen Rentenantrag vor dem 01.04.2001 gestellt hat und Rente auch für Zeiten vor dem 31.12.2000 begehrt (§ 300 Abs.2 SGB VI).

Soweit die (erneute) Entstehung eines Rentenanspruchs für die Zeit nach dem 31.12.2000 in Betracht kommt, richtet sich der Anspruch des Klägers nach den Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (n.F.). Über einen solchen Anspruch liegt allerdings bisher keine anfechtbare Verwaltungsentscheidung der Beklagten vor, die ggf. im Wege einer (gewillkürten) Klageänderung Gegenstand des Verfahrens geworden sein könnte.

Nach § 43 SGB VI (a.F.) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie 1. berufsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähig keit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Be schäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Diese Voraussetzungen sind beim Kläger nicht erfüllt. Zwar hat er die allgemeine Wartezeit (§§ 50 Abs.1 Satz 1, 51 Abs.1 SGB VI) erfüllt. Beim Kläger lag jedoch ab 01.01.1995 keine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit mehr vor.

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs.2 SGB VI a.F.).

Dagegen besteht Erwerbsunfähigkeit bei solchen Versicherten, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (ab 1. April 1999 630,00 DM) übersteigt (§ 44 Abs.2 Satz 1 SGB VI a.F.). Da der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit an strengere Voraussetzungen geknüpft ist, als derjenige der Berufsunfähigkeit, folgt aus der Verneinung von Berufsunfähigkeit ohne weiteres das Fehlen von Erwerbsunfähigkeit (vgl. BSG Urteil vom 5. April 2001 - B 13 RJ 61/00 R -).

Ausgangspunkt für die Prüfung von Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat. In der Regel ist dies die letzte, nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.130, 164). Kann ein Versicherter seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben, liegt Berufsunfähigkeit aber nur dann vor, wenn es nicht zumindest eine andere berufliche Tätigkeit gibt, die sozial zumutbar und für ihn sowohl gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, in Gruppen eingeteilt, die durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 132, 138, 140). Maßgebend für die Bestimmung des bisherigen Berufs des Versicherten sind nur die in der deutschen Rentenversicherung versicherungspflichtig ausgeübten Beschäftigungen oder Tätigkeiten (BSGE 50, 165), sofern nicht ein zwischenstaatliches Abkommen oder überstaatliches Recht (insbesondere das europäische koordinierende Sozialrecht, vgl. BSGE 64, 85) im Einzelfall die Berücksichtigung einer im Abkommens- bzw. Mitgliedsstaat ausgeübten Beschäftigung oder Tätigkeit vorsieht. Solche Regelungen bestehen im Verhältnis zur Türkei nicht.

Gemessen an den vom BSG aufgestellten Kriterien ist der Kläger aufgrund der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Hilfsarbeiter in einem Abbruchunternehmen der Gruppe der ungelernten Arbeiter zuzuordnen. Er hat keinen Beruf erlernt. Für eine vom Kläger nach Aktenlage wiederholt behauptete Ausbildung oder Umschulung zum Maschinenschlosser (Facharbeiterberuf mit dreijähriger Ausbildung) oder gar Maschinenbautechniker (Fachangestelltenberuf mit akademischer Ausbildung) finden sich keine Anhaltspunkte. Ob die vom Kläger in der Zeit vom Januar 1985 bis Januar 1991 ausgeübte Tätigkeit als Bediener einer Spezialmaschine im Herstellungsprozess für Leiterplatten (entlohnt nach dem Manteltarifvertrag der bayerischen Metallindustrie, Lohngruppe 8 von 12 nach Siemens-Arbeitsbewertung , Arbeitgeberauskunft vom 16.05. 2000), für die weder das Erfordernis einer mindestens zweijährigen Berufsausbildung noch eine tarifliche Gleichstellung mit Facharbeiterberufen ersichtlich ist, einer längeren Anlernzeit bedurfte, kann hier dahinstehen. Der Kläger hat sich von dieser Tätigkeit nicht aus gesundheitlichen Gründen gelöst. Das Arbeitsverhältnis endete nach übereinstimmenden Angaben des Klägers und des damaligen Arbeitgebers durch Arbeitnehmerkündigung. Der Arbeitgeber hat hierzu erläuternd ausgeführt, dass wegen häufigen Zuspätkommens und unentschuldigten Fehlens im Herbst 1990 eine Abmahnung erfolgt war. Bemühungen des anschließend als abhängig Beschäftigter und als Unternehmer im Abbruchgewerbe tätigen Klägers um eine Rückkehr in den Beruf des Maschinenbedieners sind nicht ersichtlich.

Als ungelernter Arbeiter ist der Kläger sozial (auch) auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Solche Tätigkeiten konnte der Kläger ab 01.01.1995 wieder vollschichtig verrichten. Dies ergibt sich aus den von den Sachverständigen Dr. B. und Prof. Dr. B. in Kenntnis umfangreicher Vorbefunde und Vorgutachten für den Senat nach eigener ambulanter Untersuchung des Klägers erstellten Gutachten.

Das Leistungsvermögen des Klägers wurde in der Zeit seit 01.01. 1995 im Wesentlichen durch die 1992/1993 und 1994 erlittenen Verletzungen am rechten Bein beeinträchtigt. Dr. B. stellte hier eine Ankylose des rechten Kniegelenks nach Patellafraktur (vom Mai 1994) und Vernarbungen des Streckapparates, Vernarbungen des rechten Oberschenkels nach Femurschaftfraktur (vom Januar 1994) mit liegendem Osteosynthesematerial, eine geringe Fehlstellung des Fersenbeins nach Fraktur (vom Januar 1993) ohne degenerative Veränderungen sowie einen Verdacht auf Anfallsleiden fest. Die Behinderungen am Fersenbein seien durch die Knieverletzung überlagert. Insgesamt ergebe sich ein weitgehend gleiches Bild wie im Vorgutachten des Sachverständigen Dr. H ... Das Kniegelenk sei reizfrei und lasse - entgegen einer im Aktenlagegutachten vom 06.05.2002 vertretenen Ansicht - eine Gehstrecke von mindestens 500 m zu. Weitere orthopädische Gesundheitsstörungen liegen auch nach den Beschwerdeangaben des Klägers nicht vor.

Die Verdachtsdiagnose Anfallsleiden hat sich bei der neurologischen Begutachtung durch Prof. Dr. B. nicht bestätigt. Zwar hat sich der Kläger bei dem Verkehrsunfall 1994 eine Gehirnerschütterung zugezogen. Für ein höhergradiges Schädel- Hirntrauma liegen aber keine Anhaltspunkte vor. Es wurden zu keinem Zeitpunkt Störungen der Kraft, der Sensibilität, der Koordination oder der Konzentration und auch keine Kopfschmerzen, Schwindel oder Übelkeit berichtet. Auch ein Bewusstseinsverlust oder eine anfallsartige, nicht mit einem lokalen Schmerz im Zusammenhang stehende Störung der Motorik lag nicht vor. Vom Kläger berichtete krampfartige Schmerzattacken mit Störung der Bewegung und des Gefühls im rechten Bein sowie Gleichgewichtsstörungen, die nur bei Belastung des Beines auftreten, sind nach Ansicht des Sachverständigen Folge der bestehenden Beinverletzung. Auch im EEG fanden sich keine Hinweise auf ein zerebrales Geschehen. Es ergaben sich auf neurologischem Gebiet für die Zeit ab 01.01.1995 keine neurologischen Gesundheitsstörungen von leistungsmindernder Bedeutung.

Dr. B. hält den Kläger noch für fähig, vollschichtig leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen, ohne Bücken oder ungünstige Körperhaltung, vorwiegend im Sitzen zu verrichten. Diese Leistungseinschätzung entspricht dem bereits in den Vorgutachten des Arbeitsamtsärztlichen Dienstes vom 26.01.1995 und des Orthopäden Dr. H. vom 24.07. 1996 zeitnah auf Grund eigener Untersuchung festgestellten Leistungsvermögen.

Der Senat schließt sich dieser Leistungseinschätzung an. Eine weitergehende Fachbegutachtung ist nicht erforderlich. Zwar ist bereits im arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 26.01.1995 von erhöhtem Alkoholkonsum die Rede, doch fanden sich weder damals noch bei der jetzigen Begutachtung durch Prof. Dr. B. Anzeichen für damit verbundene leistungsmindernde Erkrankungen. Eine vom behandelnden Internisten Dr. S. im Widerspruchsverfahren 1996 angegebene Neigung zu hypertoner Kreislaufdysregulation findet ebenso wie die 1995 angegebene chronische Bronchitis und die Neigung zu Hautausschlägen in den weiteren ärztlichen Unterlagen und den Beschwerdeangaben des Klägers keine Erwähnung mehr, so dass keine Anhaltspunkte für daraus resultierende weitergehende Leistungseinschränkungen bestehen.

Bei vollschichtiger Leistungsfähigkeit für leichte Arbeiten ist der Kläger ohne Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich machen würden (vgl. BSGE 80, 24), liegen nicht vor. Für ungelernte Tätigkeiten typische Verrichtungen wie das Zureichen, Abnehmen, Sortieren, Verpacken oder Montieren sind dem weder hinsichtlich der Konzentrations- und Umstellungsfähigkeit noch der Feinmotorik erkennbar eingeschränkten Kläger ohne weiteres möglich. Bei einer möglichen Gehstrecke von über 500 m kann der Kläger auch die üblichen Arbeitswege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zurücklegen. Diese Einschätzung der Wegefähigkeit durch Dr. B. steht auch für die Zeit ab Januar 1995 mit den vorhandenen Vorbefunden und Vorgutachten in Einklang. Dr. H. hat die zumutbare Wegstrecke anlässlich seiner Begutachtung im Juli 1996 lediglich unpräzise mit 400 - 600 m angegeben und zeitlich auf eine Viertelstunde begrenzt. Der ärztliche Dienst des Arbeitsamtes hat bereits bei seiner Begutachtung im Januar 1995 keine Beschränkung der Wegstrecke auf unter 500 m festgestellt. Nach Angaben des Sachverständigen Dr. B. ist gegenüber der Vorbegutachtung durch Dr. H. keine Befundverschlechterung eingetreten, die auf eine zwischenzeitlich unter 500 m liegende Wegefähigkeit schließen lassen könnte. Dr. Y. hat sich zur Wegefähigkeit des Klägers nicht geäußert.

War der Kläger in der Zeit ab 01.01.1995 nicht berufsunfähig nach § 43 Abs.2 SGB VI a.F., so lag auch keine Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F. vor. Da die Begutachtung auch keine Anhaltspunkte für eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes seit 01.01.1995 erbracht hat, bedarf es keiner Prüfung, ob bei einem erneuten Eintritt des Versicherungsfalles nach dem 31.12.1994 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente noch erfüllt wären.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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