L 16 RJ 263/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 RJ 284/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 263/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 5/04 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26. Februar 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung für einen Aufenthalt am Toten Meer als Leistung zur medizinischen Rehabilitation (§ 15 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch -SGB IX-).

Die 1962 geborene Klägerin und Berufungsbeklagte leidet seit dem 14. Lebensjahr an einer generalisierten Psoriasis vulgaris. Sie hielt sich in den vergangenen Jahren zur Behandlung dieser Krankheit nach eigenen Angaben jährlich, zuletzt vom 13. Juni bis 12. Juli 2001, auf Kosten ihres Krankenversicherungsträgers am Toten Meer auf. Stationäre medizinische Rehabilitationsleistung in Deutschland wurden bisher nicht durchgeführt.

Am 10. Januar 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung medizinischer Rehabilitationsleistungen in Form einer Klima-Heilbehandlung am Toten Meer. Nur dadurch sei eine Heilung der Psoriasis möglich. Sie fügte ein Schreiben der Dermatologin Dr. E. vom 18. Dezember 2001 bei. Diese gab an, die Klägerin befinde sich bei ihr seit Juni 1996 fortlaufend in hautärztlicher Behandlung. Es bestehe eine ausgeprägte generalisierte Psoriasis vulgaris. Trotz konsequenter selektiver UVB-Therapie und adjuvanter Lokalbehandlung mit diversen speziellen antipsoriatrischen Externa komme es bei der Klägerin immer wieder zu massiven Exazerbationen. Der psychische Leidensdruck sei ungeheuer und daher dringend eine stationäre Behandlung am Toten Meer erforderlich. Erfahrungsgemäß sei die Klägerin nach drei bis vierwöchiger Therapie völlig hauterscheinungsfrei mit relativ anhaltender Wirkung.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin als medizinische Leistung zur Rehabilitation eine dreiwöchige stationäre Heilbehandlung in der Nordsee-Klinik W. (Bescheid vom 28. Januar 2002). Als Maßnahmebeginn teilte die Einrichtung den 20. Februar 2002 mit.

Dagegen erhob die Klägerin einen ausdrücklich auf den Leistungsort beschränkten Widerspruch mit der Begründung, eine Kur an der Nordsee verspreche keinerlei medizinischen Erfolg. Zudem sei in der Nordsee-Klinik auch ein Tumorzentrum untergebracht. Dies stelle für die Klägerin aufgrund familiärer Vorbelastung eine zusätzliche Belastung dar, der sie nicht gewachsen sei. Eine Behandlung am Toten Meer sei die einzig erfolgversprechende und zudem kostengünstigere Maßnahme. Andere Rehabilitationsmöglichkeiten im Inland bestünden nicht. Dr. E. teilte ergänzend mit, die Klägerin habe mit dem Nordsee-Klima schlechte Erfahrungen gemacht. Ein auf eigene Initiative durchgeführter dreiwöchiger Nordsee-Aufenthalt habe keinerlei Besserung der Psoriasis erbracht.

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 22. März 2002). Nach § 15 Abs.2 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) würden stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Einrichtungen erbracht, die unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal entweder von dem Träger der Rentenversicherung selbst betrieben werden oder mit denen ein Vertrag nach § 21 SGB IX bestehe. Die von der Klägerin gewünschte Einrichtung werde weder von der Beklagten selbst betrieben, noch bestehe ein Vertrag nach § 21 SGB IX. Deshalb könne dem Wunsch, die beantragte Leistung am Toten Meer zu erbringen, nicht entsprochen werden.

Dagegen hat die Klägerin am 10. April 2002 Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben. Der Klägerin seien vom zuständigen Krankenversicherungsträger in der Vergangenheit bereits fünf Aufenthalte zur Klima-Heilbehandlung am Toten Meer bewilligt worden. Die Klägerin sei jeweils vollkommen beschwerdefrei und geheilt zurückgekehrt. Andere Behandlungsversuche seien fehl geschlagen. Weder Urlaubsaufenthalte in den Tropen noch in den Bergen oder am Meer hätten zur Abheilung der Symptome geführt. Da nur eine Heilbehandlung am Toten Meer erfolgversprechend sei, habe die Klägerin ihr Ermessen hinsichtlich des Leistungsortes fehlerhaft ausgeübt. Soweit noch kein Vertrag mit einer dortigen Einrichtung bestehe, sei die Beklagte verpflichtet, einen solchen ggf. für den Einzelfall abzuschließen. Die Krankenkassen bedienten sich zur Leistungserbringung besonderer Reiseveranstalter, die entsprechende Einrichtungen mit Ärzten und geschultem Personal zur Betreuung der Patienten unterhielten. Unterhalt und Verpflegung werde in Hotels gewährt. Die Abrechnung erfolge direkt zwischen der Krankenkasse und dem Veranstalter. Dieses Verfahren komme auch für die Beklagte in Betracht. Sie könne deshalb Leistungen am Toten Meer - wie das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ihr bestätigt habe (Schreiben vom 18. April 2002) nicht wegen eines fehlenden Vertrages nach § 21 SGB IX ablehnen.

Die Klägerin hielt sich vom 1. bis 22. Juni 2002 am Toten Meer auf. Sie legte eine ärztliche Bescheinigung des Dr. D. , European Medical Center Ldt., Israel, vor, wonach die Klägerin dort am 2. Juni und 19. Juni 2002 dermatologisch untersucht wurde. Sie habe sich bis zu vier Stunden täglich in der direkten Sonne und drei Stunden im Schatten aufgehalten und sei ab der ersten Aufenthaltswoche dreimal täglich für bis zu 20 Minuten im Toten Meer gewesen. Die Untersuchung am 19. Juni 2002 (und nicht wie angegeben 8. Mai 2002) habe eine vollständige Remission der Hauterscheinungen ergeben. Durch dieses Attest werde bestätigt, dass die Maßnahme am Toten Meer in besserer Qualität und Wirksamkeit als in der Einrichtung auf Sylt habe durchgeführt werden können. Sie sei mit Kosten in Höhe von 2.058 Euro (Anreise, Unterkunft und Halbpension) gegenüber 2.499 Euro auch wirtschaftlicher. Im Übrigen sei die Beklagte gemäß § 9 Abs.1 Satz 2 SGB IX verpflichtet, berechtigten Wünschen der Klägerin zu entsprechen. Ihr Wunsch nach einer Leistungserbringung in Israel sei berechtigt, denn er halte sich im Rahmen der Vorgaben und Zielsetzungen des Leistungsrechts. Da die beantragte Leistung im Ausland mit mindestens gleicher Wirksamkeit und Qualität wie im Inland wirtschaftlicher durchgeführt werden könne, sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen, einen anderen Leistungsort zu bestimmen.

Das SG hat die Beklagte verurteilt, "der Klägerin die medizinische Maßnahme in einer Einrichtung am Toten Meer/Israel zu gewähren und der Klägerin die verauslagten Kosten zu erstatten" (Urteil vom 26. Februar 2003). Die Beklagte habe die Gewährung einer stationären Maßnahme am Toten Meer zu Unrecht abgelehnt. Die Leistung habe im Ausland bei zumindest gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher durchgeführt werden können. Die Beklagte sei zu einem entsprechenden Vertragsschluss mit einer dortigen Einrichtung verpflichtet gewesen. Sie müsse deshalb der Klägerin gemäß § 15 Abs.1 SGB IX die entstandenen Aufwendungen erstatten.

Gegen das ihr am 14. April 2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 8. Mai 2003 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie habe eine Leistungserbringung am Toten Meer nicht zu Unrecht abgelehnt. Ihr stehe als Rehabilitationsträger ein Auswahlermessen hinsichtlich des Leistungsortes zu. Eine Reduzierung dieses Ermessens auf Null sei nicht gegeben. Zum einen handele es sich bei der begehrten Leistung schon nicht um eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Typische Bestandteile einer solchen Maßnahme seien neben den unmittelbaren medizinischen Behandlungsmaßnahmen badeärztliche Versorgung, gesundheitspädagogische Unterweisung sowie gruppen- und einzeltherapeutische Beratung. Klimatische Besonderheiten ergänzten diese Maßnahmen und seien oftmals maßgebend für die Auswahl des Kurortes. Sie machten jedoch nicht die Durchführung konkreter medizinischer und begleitender Maßnahmen entbehrlich. Daran fehle es hier, denn beim Aufenthalt am Toten Meer habe die bloße Veränderung des Aufenthaltsortes im Vordergrund gestanden. Auch handele es sich bei dem Sheraton Hotel, in dem die Klägerin untergebracht worden sei, nicht um eine stationäre Einrichtung der Rehabilitation im Sinne einer organisatorischen Einheit, die dem Zweck der Ausführung von Sozialleistungen gewidmet sei. Zum anderen führe die Anwendung des § 9 Abs.1 Satz 1 SGB IX nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null. Ein berechtigter Wunsch des Versicherten liege nur vor, soweit er mit dem Gesetz in Einklang stehe. Stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation würden nach § 15 Abs.2 Satz 1 SGB VI aber nur in Einrichtungen erbracht, die von dem Träger der Rentenversicherung selbst betrieben würden und mit denen ein Vertrag nach § 21 SGB IX bestehe. Solche Einrichtungen bestünden am Toten Meer nicht. Die Beklagte sei auch nicht zum Abschluss eines Einzelvertrages verpflichtet. Durch § 15 Abs.2 Satz 1 SGB VI solle u.a. die Einhaltung gewisser Qualitätsstandards bei der Ausführung der Leistungen und dem beteiligten Personal sichergestellt werden. Diese Qualitätsanforderungen könnten nur vor Ort geprüft werden, was im Fall einer Auslandsbehandlung erhebliche Kosten verursache und einen großen Verwaltungsaufwand bedinge.

Der Senat hat die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26. Februar 2003 bis zur Erledigung des Berufungsverfahrens ausgesetzt (Beschluss vom 4. Juni 2003) und die ärztlichen Unterlagen des für die Klägerin zuständigen Krankenversicherungsträgers sowie eine Auskunft der Beklagten über die Leistungsinhalte der vorgesehenen Heilbehandlung in der Nordsee-Klinik beigezogen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat auf Anfrage bestätigt, dass diese bisher keine stationären Rehabilitationsmaßnahmen in Deutschland in Anspruch genommen hat.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26. Februar 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass nur noch beantragt ist, die Kosten der Maßnahme in Höhe von 2218,- Euro zu erstatten.

Der Aufenthalt am Toten Meer in der Zeit vom 01. bis 22. Juni 2002 sei eine Rehabilitationsmaßnahme im Sinne des § 13 SGB VI. In Fällen der Psoriasis vulgaris bestehe die Heilbehandlung regelmäßig lediglich darin, dass der Versicherte sich täglich mit steigender Intensität in der Sonne aufhalte. Daneben sei zur Entschuppung das Bad im Toten Meer zu Beginn der Maßnahme dienlich. Ansonsten werde die Haut regelmäßig mit Cremes und Salben behandelt. Weitere medizinische Maßnahmen und damit eine weitergehende medizinische oder pflegerische Betreuung seien nicht erforderlich. Die vom Krankenversicherungsträger bisher bewilligten Aufenthalte hätten sich vom streitigen Aufenthalt 2002 kaum unterschieden. Es habe immer eine Erstuntersuchung im European Medical Center Ldt. stattgefunden, bei der der Arzt mit der Klägerin die Behandlung besprochen habe. Dies sei stets der Aufenthalt in der Sonne, regelmäßiges Baden im Toten Meer und Einfetten der Haut mit Cremes und Ölen gewesen. Weitere Behandlungen oder ein detaillierter Behandlungsplan seien auch früher nicht erstellt worden. Nach etwa einer Woche sei eine Kontrolluntersuchung durchgeführt worden, um das Erscheinungsbild zu prüfen und ggf. eine Intensivierung der Sonnenbestrahlung anzuordnen. Schließlich sei jeweils eine Abschlussuntersuchung erfolgt. Ansonsten bleibe es während des Aufenthalts weitgehend dem Patienten überlassen, wie er die Sonnenbestrahlung durchführe. Dies hänge auch stark von der individuellen Sonnenverträglichkeit ab. Im Jahr 2002 habe die Klägerin über das Reisebüro zunächst keine ärztliche Behandlung gebucht, da sie den Aufenthalt selbst finanzieren musste. Sie habe sich dann zur Untersuchung zu Dr. D. begeben, dem sie seit Jahren bestens bekannt sei. Dieser habe es aus medizinischer Sicht für angebracht gehalten, dass die Klägerin die ihr bereits bekannten Maßnahmen ergreife und sich lediglich zur Abschlussuntersuchung erneut vorstelle. Lediglich für den Fall von Komplikationen sei eine Vorstellung während des Aufenthalts vereinbart worden. Eine solche sei aber nicht erforderlich gewesen. Andere Landesversicherungsanstalten würden entsprechende Maßnahmen als Leistungen der stationären Rehabilitation bewilligen, wobei sich die Behandlungsmuster nicht von den durch die Krankenkassen bewilligten Therapiemaßnahmen unterscheide. Im Übrigen stehe auch bei Maßnahmen an der Nordsee die Veränderung des Aufenthaltsortes und die Ausnutzung der klimatischen Vorteile im Vordergrund. Andere Maßnahmen seien nur begleitender Natur. Hinzu komme, dass der Aufenthalt am Toten Meer psychisch entlastend wirke, da sich die Versicherten mit anderen Betroffenen zwangloser bewegen könnten, ohne von ihrer Umgebung neugierig mit Abscheu oder Ähnlichem betrachtet zu werden. Auch lebe die Klägerin bereits seit dem 14. Lebensjahr mit ihrer Erkrankung und wisse sehr gut damit umzugehen, so dass andere kostspielige Maßnahmen neben der Klimatherapie überhaupt nicht benötigt würden. Insbesondere habe sie bei ihren früheren Aufenthalten am Toten Meer den vollen Heilungserfolg stets ohne psychologische Hilfe erzielt.

Da der Wunsch der Klägerin, Heilmaßnahmen am Toten Meer durchzuführen, im Sinne des § 9 SGB IX berechtigt gewesen sei, sei das Ermessen der Beklagten bei der Auswahl des Leistungsortes auf Null reduziert gewesen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, der Klägerin gemäß § 15 SGB VI i.V.m. § 18 SGB IX unter Abschluss eines Einzelvertrages nach § 21 SGB IX mit einer Einrichtung am Toten Meer stationäre medizinische Rehabilitationsleistungen in Form eines Klima-Aufenthalts am Toten Meer zu bewilligen. Da sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt habe, habe die Klägerin die Maßnahme auf eigene Kosten durchführen müssen und Anspruch auf Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten. Auch sei die erfolgte Bewilligung hinsichtlich des Zeitpunkts der vorgesehenen Leistungserbringung ungeeignet, da gerade im Februar die Sonneneinstrahlung an der Nordsee nicht besonders hoch sei. Eine stattdessen erforderliche Bestrahlungstherapie sei bereits ambulant erfolglos durchgeführt worden. Auch würde die dann bestehende Kälte Psoriatikern besonders zusetzen, so dass ein Aufenthalt im Freien und damit die Ausnutzung der klimatischen Bedingungen an der Nordsee gar nicht möglich sei. Außerdem würden in der Nordsee-Klinik auch Anschlussheilbehandlungen bei bösartigen Geschwulsterkrankungen durchgeführt. Da der Sohn der Klägerin als Kind unter aplastischer Anämie monatelang stationär onkologisch in München behandelt worden sei, wäre die Klägerin der psychischen Belastung beim Kontakt mit solchen Patienten der Nordsee-Klinik nicht gewachsen gewesen. Vielmehr hätte die Gefahr einer Verschlechterung der Psoriasis bestanden. Auch andere Reha-Einrichtungen im Inland kämen für die Klägerin nicht in Frage, nachdem ambulante Heilbehandlungen stets erfolglos geblieben seien. Die Höhe der entstandenen Aufwendungen hat die Klägerin auf 2.218 Euro beziffert.

Der Senat hat die Akten der Beklagten und Akten des SG (S 9 RJ 283/92 ER und S 9 RJ 284/02) beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten und die Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und begründet.

Das SG hat die Beklagte zu Unrecht unter Abänderung des Bescheides vom 28. Januar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2002 verurteilt, der Klägerin den in der Zeit vom 1. Juni bis 29. Juli 2002 auf eigene Kosten durchgeführten Aufenthalt am Toten Meer/Israel als stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren und der Klägerin die verauslagten Kosten zu erstatten.

Streitig ist nur noch ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der ihr für den Aufenthalt am Toten Meer vom 01. bis 29. Juli 2002 entstandenen Kosten in Höhe von 2.218,- Euro (Kosten für Anreise, Unterkunft und Verpflegung abzüglich Einzelzimmerzuschlag 2.058 Euro, Kosten für ärztliche Untersuchungen 160,- Euro - Rechnungen vom 15.05.2002 und 09.07.2002).

Ein (Verpflichtungs-)Anspruch der Klägerin auf "Gewährung" des von ihr auf eigene Kosten durchgeführten Aufenthalts kommt nach dem im Rentenversicherungsrecht für die Erbringung stationärer Leistungen zur medizinischen Rehabilitation geltenden Sachleistungsprinzip nicht mehr in Betracht. Ist die beantragte Leistung bereits auf eigene Kosten oder auf Kosten Dritter erbracht worden, kann eine (kostenfreie) Sachleistungsgewährung nicht mehr erfolgen. Soweit die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid inzident einen entsprechenden Sachleistungsanspruch der Klägerin abgelehnt hat, hat sich der Verwaltungsakt mit der Selbstbeschaffung der Leistung außerhalb der Sachleistungsgewährung erledigt (§ 39 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X -). Einer Aufhebung des ablehnenden Verwaltungsaktes oder einer gesonderten förmlichen Feststellung seiner Rechtswidrigkeit bedarf es zur Durchsetzung des Kostenerstattungsanspruchs nicht (zum Anspruch auf Übergangsgeld vgl. dagegen BSG SozR 2200 § 1236 Nr. 50).

Die Klägerin hat aber keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr geltend gemachten Kosten für Anreise, Unterkunft, (Teil-) Verpflegung und ärztliche Untersuchungen am Toten Meer in der Zeit vom 01. bis 22. Juni 2002.

Es erscheint bereits fraglich, ob der Aufenthalt der Klägerin am Toten Meer als stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 15 Abs. 2 SGB VI in Verbindung mit § 26 Abs.1 Nr.2 SGB IX anzusehen ist. Dies ergibt sich nicht bereits daraus, dass Aufenthalte am Toten Meer seitens verschiedener Krankenversicherungsträger und möglicherweise auch Rentenversicherungsträger als stationäre Rehabilitationsleistungen bewilligt werden.

Nach § 15 Abs. 2 SGB VI werden stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation einschließlich der erforderlichen Unterkunft und Verpflegung in Einrichtungen erbracht, die unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal entweder von dem Träger der Rentenversicherung selbst betrieben werden oder mit denen ein Vertrag nach § 21 SGB IX besteht. Die Einrichtung braucht nicht unter ständiger ärztlicher Verantwortung zu stehen, wenn die Art der Behandlung dies nicht erfordert.

Die Klägerin hat bei dem hier streitigen Aufenthalt am Toten Meer keine stationäre Rehabilitationseinrichtung in Anspruch genommen. Sie hat nach Maßgabe der zur Erstattung vorgelegten Rechnungen bei einem Reiseveranstalter lediglich einen Hotelaufenthalt in Israel (inklusive Flug und Halbpension) gebucht. Die medizinische "Maßnahme" erfolgte - mit Ausnahme zweier freiwilliger Untersuchungen in einem ärztlichen Zentrum - nicht unter medizinischer Kontrolle und bestand im Wesentlichen darin, dass die Klägerin sich eigenverantwortlich der Sonnenbestrahlung aussetzte und zur Entschuppung Bäder im Toten Meer nahm. Es ist nicht ersichtlich, dass der wohl auf die Vermittlung von Klimaheilbehandlungen am Toten Meer spezialisierte Reiseveranstalter selbst oder der Hotelbetreiber Träger einer auf medizinische Behandlungsmaßnahmen ausgerichteten Einrichtung sind, wobei dahinstehen kann, ob diese - wofür die bei früheren Aufenthalten der Klägerin jeweils erfolgten ärztlichen Untersuchungen sprechen - unter ständiger ärztlicher Verantwortung stehen müsste, oder die Art der (Klima-)Behandlung eine solche ständige ärztliche Verantwortung entbehrlich macht. Für die Annahme einer stationären Einrichtung reicht es auch nicht aus, dass sich die Klägerin während ihres Aufenthalts in einer weder vom Reiseveranstalter noch vom Hotelbetreiber betriebenen medizinischen Einrichtung untersuchen lässt und die Kosten hierfür durch den Reiseveranstalter in Rechnung gestellt werden. Die bloße Vermittlung der Leistungen unterschiedlicher "Leistungserbringer" verbindet diese nicht zu einer einheitlichen, der Erbringung durch eine stationäre Einrichtung gleichzustellenden medizinischen Rehabilitationsmaßnahme. Ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn der Aufenthalt unter Leitung und Kontrolle einer medizinischen Einrichtung durchgeführt wird, die sich lediglich zur Unterbringung und Verpflegung der Versicherten ihrerseits der Leistungen eines Hotels bedient, kann dahinstehen, da eine solche Fallgestaltung hier nicht vorliegt.

Selbst wenn aber das Vorliegen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme angenommen wird, sind die Voraussetzungen für eine Erstattung der dafür entstandenen Kosten nach § 15 SGB IX bei der Klägerin nicht erfüllt.

Nach dieser Vorschrift ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet, die einem Versicherten dadurch entstehen, dass er eine erforderliche Leistung selbst beschafft, wenn der Rehabilitationsträger

über den Leistungsantrag nicht oder nicht fristgerecht entschieden hat (Abs. Satz 1 und 2 a.a.O.),

eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringt oder

eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Abs.1 Satz 3 a.a.O.).

Der Kläger hat über den Leistungsantrag vom 10.01.2002 mit Bescheid vom 28. Januar 2002 innerhalb der in § 14 Abs.2 SGB IX genannten Frist von drei Wochen nach Antragseingangs entschieden. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die beantragte Leistung unaufschiebbar war und von der Beklagten nicht rechtzeitig erbracht worden ist. Zwar wurde sowohl seitens der behandelnden Dermatologin als auch seitens des Ärztlichen Dienstes der Beklagten die Notwendigkeit einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vor Ablauf der in § 12 Abs.2 SGB VI festgesetzte Vierjahresfrist nach Beendigung der letzten, vom Krankenversicherungsträger bewilligten Heilbehandlung bejaht. Eine Unaufschiebbarkeit der Maßnahme ergibt sich daraus jedoch noch nicht. Unaufschiebbar ist eine Rehabilitationsmaßnahme nur dann, wenn die Verzögerung der Leistungserbringung den Rehabilitationserfolg gefährdet oder dem Versicherten unzumutbare Nachteile - etwa eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes - droht. Den vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere dem Befundbericht der behandelnden Dermatologin vom 27. Dezember 2001 und dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) vom 04.06.2002 sind keine Angaben darüber zu entnehmen, dass ohne unverzügliche Durchführung der Erfolg der Maßnahme gefährdet oder eine wesentliche Verschlechterung der Psoriasis oder der psychischen Situation der Klägerin zu erwarten war. Der MDK weist in seinem Gutachten ausdrücklich und nachvollziehbar darauf hin, dass keine dramatische Befundverschlechterung beschrieben wurde und hält schon eine vorzeitige Kurwiederholung aufgrund der mitgeteilten Befunde nicht für gerechtfertigt.

Die Beklagte hat die beantragte Leistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt. Gemäß § 13 Abs.1 SGB VI bestimmt der Rentenversicherungsträger, soweit die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen vorliegen (§§ 10, 11 SGB VI) und Ausschlussgründe fehlen (§ 12 SGB VI), unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Rehabilitationsleistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Der Träger kann dabei im Rahmen seines Auswahlermessens sowohl eigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen im Sinne des § 21 SGB IX (§ 15 Abs.2 Satz 1 SGB VI) im Inland, als auch (Vertrags-)Einrichtungen im Ausland (§ 18 Satz 1 SGB IX) berücksichtigen. Tatbestandsvoraussetzung für eine Einbeziehung von Auslandseinrichtungen in das Auswahlermessen ist dabei, dass die Leistung dort bei zumindest gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher ausgeführt werden kann. Liegen diese Tatbestandsvoraussetzungen vor, ergibt sich daraus aber noch kein Anspruch des Versicherten auf eine Sachleistungsgewährung im Ausland, der das Auswahlermessen des Trägers auf Null reduziert. Die Berücksichtigung der Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit im Sinne des § 13 Abs.1 SGB VI erschöpft sich nicht in einem einzelfallbezogenen Kostenvergleich, wie er von der Klägerin vorgetragen wird. Der Träger ist vielmehr berechtigt, bei der Auswahlentscheidung zwischen mehreren geeigneten Einrichtungen unter dem Gesichtspunkt einer von der Auslastung abhängigen Rentabilität die gemäß der gesetzlichen Verpflichtung aus § 19 Abs. 1 SGB IX zur Bedarfsdeckung vorgehaltenen eigenen Einrichtungen und Vertragseinrichtungen im In- und Ausland zu bevorzugen. Nur soweit dem Leistungsträger unter diesen Gesichtspunkten gleich geeignete Einrichtungen im In- und Ausland bereits zur Verfügung stehen, kommt dem Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten nach § 9 Abs.1 Satz 1 SGB IX eine ermessensbeschränkende Wirkung zu.

Ausgehend von diesen Grundsätzen war das Ermessen der Beklagten bei der Auswahl des Leistungsortes nicht in dem Sinne auf Null reduziert, dass die Leistungsgewährung am Toten Meer (mit der aus dem Fehlen dortiger eigener oder Vertragseinrichtungen folgenden Pflicht zum Abschluss eines Vertrages nach § 21 SGB IX mit einer geeigneten Einrichtung) als einzig rechtmäßige Entscheidung in Betracht gekommen wäre. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass eine Leistungserbringung im Inland aus medizinischen Gründen nicht erfolgversprechend war. Sowohl der Ärztliche Dienst der Beklagten als auch der MDK haben eine Durchführung der Maßnahme im Inland ausdrücklich befürwortet. Die bei der Klägerin vorliegende generalisierte Psoriasis vulgaris wird regelmäßig auch in inländischen stationären Rehabilitationseinrichtungen mit Erfolg behandelt. Anhaltspunkte für eine Aussichtslosigkeit der Behandlung gerade im Falle der Klägerin sind den medizinischen Unterlagen nicht zu entnehmen. Dass Urlaubsaufenthalte ohne gezielte therapeutische Interventionen und ambulante Behandlungsmaßnahmen bisher keinen längerfristigen Erfolg gezeigt haben, schließt einen Erfolg stationärer Maßnahmen nicht von vornherein aus. Die von der Klägerin vorgetragene Notwendigkeit einer Bestrahlungstherapie im Winter zum Ausgleich fehlender Sonneneinstrahlung an der Nordsee gäbe allenfalls Anlass zu einer zeitlichen Verlegung der inländischen Rehabilitationsmaßnahme in den Sommer. Da derartige Maßnahmen im Inland bisher bei der Klägerin nicht durchgeführt worden sind, ergeben sich auch aus der Krankheitsgeschichte insoweit keine Anhaltspunkte für eine voraussichtliche Erfolglosigkeit.

Ob die von der Beklagten ausgesprochene Bewilligung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Nordsee-Klinik in zeitlicher (klimatische Bedingungen im Februar) und einrichtungsbezogener (Versorgung von Tumor-Patienten) Hinsicht zu beanstanden wäre, bedarf hier keiner Prüfung, da die positive Bewilligungsentscheidung der Beklagten nicht Gegenstand des Verfahrens ist und sich auch bei einer objektiven Rechtfertigung der von der Klägerin erhobenen Einwände gegen die bewilligte Maßnahme keine Ermessensreduzierung auf Null im Hinblick auf die Bewilligung einer Maßnahme am Toten Meer ergeben würde. Der Beklagten stehen neben der Nordsee-Klinik eine Reihe weiterer, insbesondere inländischer (Vertrags-)Einrichtungen zur Verfügung, die bei der Auswahlentscheidung der Beklagten zu berücksichtigen wären. Ein genereller Ausschluss der Geeignetheit dieser Einrichtung könnte sich allenfalls aus der bereits verneinten generellen Ungeeignetheit einer inländischen Leistungserbringung ergeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Da noch keine Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Wahlrecht nach § 9 SGB IX und dessen Verhältnis zu § 15 Abs. 2 SGB VI vorliegt, hat der Senat nach § 160 Abs. 2 SGG die Revision zugelassen.
Rechtskraft
Aus
Saved