L 17 U 60/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 U 343/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 60/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 69/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 21.11.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Lebererkrankung des Versicherten als Berufskrankheit (BK) streitig.

Der 1939 geborene Versicherte G. N. war von Beruf Lehrmeister im Maler-, Lackierer- und Verputzer-Handwerk bei der Handelskammer für Unterfranken in W ... Er hatte von 1954 bis 1957 eine Lehre als Maler und Lackierer abgeschlossen. Anschließend war er auch als Stukkateur tätig. Von Oktober 1966 bis März 1968 besuchte er die Meisterschule für Maler. Anschließend arbeitete er als Malermeister bis Juni 1976, insbesondere bei Industrieanstrichen, Maler-, Lackierertätigkeiten sowie im Gerüstbau. Von 1976 bis März 1981 übte er als Geschäftsführer dieselbe Tätigkeit aus. Den Beruf eines Lehrmeisters nahm er ab April 1981 wahr.

Erstmals 1987 machten sich bei ihm Beschwerden, insbesondere anhaltendes Nasenbluten, bemerkbar. Auf Grund der Blutungsneigung wurde bei ihm im August 1987 eine Leberzirrhose mit eingeschränkter Leberfunktion, Aszitesbildung und sekundärer Thrombozytopenie festgestellt. Seit dem 17.12.1993 war er arbeitsunfähig krank.

Exponiert war er gegenüber chlorierten Kohlenwasserstoffen, insbesondere Hexachlorbenzol, polychlorierten Biphenylen, DDT und Blei. In den Laborunterlagen des PD Dr.B. konnten am 28.10.1993 bzw. 24.11.1993 pathologische Werte im Blut bei Blei, DDE, PCB und HCB festgestellt werden. In den Stellungnahmen vom 14.02.1996 und 19.12.1997 des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Bau-BG Bayern und Sachsen wurde ausgeführt, dass der Versicherte als Maler- und Lackierermeister einer Exposition von leberschädigenden Stoffen ausgesetzt war.

Die Beklagte holte Krankheitenauskünfte der Barmer Ersatzkasse W. vom 05.12.1994 und der AOK W. vom 20.11.1996, die ärztlichen Unterlagen der Medizinischen Universitätsklinik W. sowie des Allgemeinarztes Dr.G. und einen Befundbericht des HNO-Arztes Dr.O. vom 15.11.1994 ein. Sodann erstellte der Gewerbearzt Dr.H. am 22.04.1996 eine gutachtliche Stellungnahme, in der er keine wesentliche leberschädigende Einwirkung von Arbeitsstoffen belegen konnte. Die stark ausgeprägte Leberzirrhose finde eine hinreichende Begründung durch den langjährigen Alkoholkonsum bzw. durch eine ehemals durchgemachte Virushepatitis B.

Mit Bescheid vom 22.05.1996 lehnte die Beklagte den Anspruch auf Entschädigung einer BK nach der Nr.1304 der Anlage 1 zur BKV ab.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren zog die Beklagte einen Befundbericht des H.-Krankenhauses vom 21.11.1997 bei. Sodann erstellte Prof.Dr.K. ein arbeitsmedizinisches Gutachten. In dem Gutachten vom 23.03.1998 wies er auf eine Leberzirrhose ungeklärter Genese hin. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der beruflichen Exposition gegenüber Lösungsmittel sei aber nicht hinreichend wahrscheinlich. Gegen eine berufliche Verursachung spreche neben der Arbeitsplatzbeschreibung, die keine dauerhafte in der Höhe erhebliche Überschreitung der gesetzlich festgesetzten Grenzwerte für Lösungsmittel erwarten lasse, das Fehlen von Brückensymptomen wie z.B. Schwindel, rauschartige Zustände und Übelkeit während der Arbeit.

Mit Bescheid vom 23.07.1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Versicherte Klage zum SG Würzburg erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, die Lebererkrankung als BK nach Nr.1300 ff der Anlage zur BKV anzuerkennen und ab 1988 mit einer Rente nach einer MdE von 50 vH, ab 1991 mit 80 vH und ab 1998 mit 100 vH zu entschädigen. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass die bei ihm vorliegende Gesundheitsstörung in keiner Weise vollständig erfasst sei. Es sei erforderlich, auch die Bleibelastung zu prüfen, ebenso wie Benzol. Die Feststellungen des TAD träfen nicht zu, da er noch unter der alten Spritzanlage gearbeitet habe. Diese habe immer Schwierigkeiten verursacht, insbesondere habe die Absauganlage nicht funktioniert. Auch sei der Beginn der Erkrankung zu spät angesetzt worden. Zudem habe er in früherer Zeit nur in mäßigem Umfang Alkohol zu sich genommen und diesen Konsum ab 1988 völlig eingestellt.

Am 29.01.1999 ist der Versicherte - nach einer Lebertransplantation - unter dem Bild eines Multiorganversagens verstorben. Seine Rechtsnachfolgerin, die Ehefrau E. N. , hat das Verfahren fortgeführt.

Anschließend hat das Gericht ein Gutachten des Arbeitsmediziners PD Dr.Z. vom 06.09.1999 veranlasst. Dieser hat bei dem Versicherten eine Leberzirrhose - allerdingst außerberuflich verursacht - bestätigt. Eine wesentliche Mitverursachung oder Verschlimmerung durch die berufliche Tätigkeit als Maler sei anhand des Erkrankungsverlaufes sowie der nicht wesentlich erhöhten beruflichen Exposition gegenüber leberschädigenden Stoffen nicht wahrscheinlich zu machen.

Nach Beiziehung der ärztlichen Unterlagen des Universitätsklinikums E. hat Prof.Dr.F. am 09.02.2001 ein Gutachten nach § 109 SGG erstellt. Der Gutachter hat eine BK nach den Nrn.1302, 1303 und 1310 angenommen. Ab 1988 seien diese mit einer MdE von 50 vH, ab 1991 mit 75 bis 80 vH zu bewerten.

Mit Urteil vom 21.11.2001 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die bei dem Versicherten festgestellten Gesundheitsschäden seien nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit auf die benutzten Arbeitsstoffe zurückzuführen. Das Gericht ist insoweit den Gutachten des Gewerbearztes sowie des Prof.Dr.K. und des PD Dr.Z. gefolgt.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerseite Berufung eingelegt und vorgetragen, dass konkurrierende Ursachen für die Lebererkrankung des Versicherten nicht in Betracht kämen. Außerdem sei die Lösemittelbelastung des Versicherten im Berufsleben höher gewesen. Der Alkoholkonsum sei dagegen als gering einzuschätzen. Auch sei die Exposition gegenüber Farben und Lacken 1981 nicht beendet gewesen. Das Gutachten des Prof. Dr.F. sei zudem überzeugend. Die Klägerseite hat zwei Zeugen dafür, dass die Absauganlage im Fortbildungszentrum defekt gewesen sei, benannt.

Das LSG hat die Akten des Versorgungsamtes Würzburg und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Berlin zum Verfahren beigezogen. Vom TAD der Bauberufsgenossenschaft hat der Senat Stellungnahmen vom 13.11.2002 und 08.04.2003 eingeholt. Dieser hat auf eine nicht zu vernachlässigende Lösemittelbelastung des Versicherten in den Beschäftigungszeiträumen 1954 bis 1981 hingewiesen. Dr.S. hat am 10.02.2003 ein arbeitsmedizinisches Gutachten erstellt und ausgeführt, dass eine berufsbedingte Erkrankung nach Nr.1304 bzw. einer anderen Nummer der Anlage 1 zur BKV nicht vorliege.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Würzburg vom 21.11.2001 sowie des Bescheides vom 22.05.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.07.1998 zu verurteilen, die Lebererkrankung des Versicherten als BK nach den Nrn.1302 ff der Anlage zur BKV anzuerkennen und Verletztenrente bis zum Tod des Versicherten zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 21.11.2001 zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung am 12.11.2003 haben sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt, dass der Berichterstatter in der Sache als Einzelrichter entscheidet.

Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Akten des Amtes für Versorgung und Familienförderung Würzburg und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Berlin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer BK, da die Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Die Berufung ist nach § 153 Abs 2 SGG aus den Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurückzuweisen.

Ergänzend ist auszuführen, dass die vom Berichterstatter vorgenommene weitere Sachaufklärung keine Anhaltspunkte erbracht hat, mit denen das Begehren der Klägerin zu begründen wäre. Zwar hat eine nicht zu vernachlässigende Lösemittelbelastung gerade in den Beschäftigungszeiträumen von 1954 bis 1981 vorgelegen, wie der TAD der Bau BG in seiner Stellungnahme vom 13.11.2002 überzeugend ausführt. Dies gilt insbesondere für das manuelle Verdünnen von Lacken, das Reinigen der verwendeten Geräte mit Verdünnern, das Abbeizen alter Anstriche in Innenräumen sowie auch für die Verarbeitung von Holzschutzmitteln in Innenräumen. Hinzu kommt das Reinigen der Hände mit Verdünnern.

Der ursächliche Zusammenhang zwischen der zum Tode führenden Lebererkrankung und der Exposition gegenüber Lösungsmittel kann darin aber nicht gesehen werden. Der Arbeitsmediziner Dr.S. hat dies in seinem Gutachten vom 10.02.2003 nochmals dargestellt.

Hinsichtlich der Ursache der Leberzirrhose sind halogenierte, aber auch aromatische Kohlenwasserstoffe, aromatische Amine, Phenole und Alkohole zu prüfen, da sie zu den leberzellschädigenden Arbeitsstoffen gehören. Obwohl über mehrere Jahrzehnte eine Exposition gegenüber Lösemitteln vorgelegen hat, ist eine Erkrankung der Leber erst ab 1987 dokumentiert. Die Verursachung einer Lebererkrankung durch Exposition am Arbeitsplatz kann damit nicht belegt werden. Auch ist nicht nachgewiesen, dass durch die Exposition eine andere lösemittelbedingte Erkrankung, insbesondere eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie hervorgerufen worden ist.

Ein Leberparenchymschaden ist erstmals im Januar 1987 beschrieben worden. Ab 1981 war der Versicherte als Lehrmeister im Maler- und Lackiergewerbe im Ausbildungszentrum in W. tätig. Eine relevante gesundheitsschädigende Exposition gegenüber Lösemitteln ab April 1981 kann aber nicht begründet werden. Der Verlauf und die Höhe der Exposition einerseits und der Erkrankungsverlauf andererseits sprechen gegen eine wesentliche Verursachung der Lebererkrankung durch die berufliche Tätigkeit. Während des Zeitraums 1981 bis 1987 sind auch keine Symptome an anderen Organen, z.B. an den Nerven bekannt, die auf eine toxische Lösemitteleinwirkung schließen würden. Die beim Versicherten vorliegende Leberzirrhose lässt sich aber durch den in den Akten mehrfach kommentierten Alkoholkonsum erklären. Es liegen Befundberichte von verschiedenen Untersuchungen vor, insbesondere von Dr.H. und der Medizinischen Klinik des Klinikums der Universität W. aus den Jahren 1991 bis 1994, die auf einen konstanten Alkoholkonsum hinweisen. Bei zweimaliger Bestimmung 1994, insbesondere in der H.klinik, fiel der Alkoholspiegel positiv aus. Die zahlreichen Befunde weisen auf eine relevante Alkoholeinwirkung hin, die durchaus geeignet war, die beim Kläger vorliegende Leberzirrhose zu verursachen. Auch der Pathologe, der die Leber nach der Transplantation untersuchte, beschreibt eine weit fortgeschrittene Leberzirrhose bei klinisch bekanntem Alkoholabusus. Die von den Angehörigen des Versicherten angegebene Alkoholkarenzzeit ab 1989 lässt sich jedenfalls nicht nachweisen. Damit spricht mehr gegen eine berufliche Verursachung der Lebererkrankung im Sinne einer BK als dafür. Die Einvernahme von Zeugen erübrigt sich daher.

Die Berufung der Klägerin ist als unbegründet zurückzuweisen. Der Berichterstatter konnte im Einverständnis mit den Beteiligten anstelle des Senats entscheiden (§ 155 Abs 3, 4 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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