L 2 U 36/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 274/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 36/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Aus dem nicht versicherten Bereich stammenden körperlichen Beeinträchtingen dürfen nicht zur Begründung des Ursachenzusammenhangs zwischen Leiden und versicherungsrechtlich geschützter Verrichtung herangezogen werden. Die nicht durch die versicherte Tätigkeit bedingte Systemerkrankung der Wirbelsäule ist deshalb nicht als prädisponierend in dem Sinn anzusehen, dass die schädigende Belastungsdosis wesentlich herabgesetzt und damit das Vorliegen einer BK im Sinne der Nr.2108 der BKVO umso eher zu begründen ist. Für die Frage, ob die schädigende Tätigkeit aufgegeben ist, kommt es nicht darauf an, ob die nunmehrige Tätigkeit das für die Annahme einer BK nach Nr.2108 der BKVO als erforderlich angesehenes Schädigungsausmaß hat.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.12.2000 aufgehoben. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 15.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.1998 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob beim Kläger eine Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegt, die als Berufskrankheit zu entschädigen ist.

Der 1943 geborene Kläger war nach Tätigkeiten bei der Bundesbahn von 1968 an als Forstarbeiter beschäftigt. Dort wird der Kläger nach Auskunft des Arbeitgebers seit Dezember 1994 nicht mehr für Akkordarbeiten, sondern mit Zeitlohntätigkeiten eingesetzt. Bei einer Reihe von Tätigkeiten ist hierbei das Heben und Tragen von wenigstens 20 kg Gewicht erforderlich. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten hat die Tätigkeiten des Klägers als Waldarbeiter für ausreichend gehalten, Berufskrankheiten nach den Nrn.2108 und 2109 der Anlage zur BKVO zu verursachen.

Die Beklagte holte hierzu ein Gutachten des Chirurgen Prof. Dr.B. , Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik M. , vom 22.01.1996 ein. Danach bestand beim Kläger eine Skoliose der BWS/LWS, darüber hinaus eine Torsionsfehlstellung. Im LWS-Bereich bestand eine Streckstellung, computertomographisch war eine knöcherne Enge des Kaudakanales nachweisbar. Im BWS-Bereich bestand eine verstärkte Kyphosierung und eine Verknöcherung des vorderen Längsbandes zwischen 5. und 9. BWK. Im HWS-Bereich bestand eine fortgeschrittene Spondylose, ebenso im LWS-Bereich. Von Seiten der Bandscheiben lag eine Protrusion der Bandscheibe zwischen 4. und 5. LWK vor sowie eine Protrusion linkslateral der Bandscheibe zwischen 5. Lenden- und 1. Sakralwirbel unter Einengung des entsprechenden Nervenaustrittsloches. Insgesamt bestand darüber hinaus eine fortgeschrittene Spondylose der gesamten Wirbelsäule, also auch der nicht belasteten BWS mit ankylosierenden Spangenbildungen und Teilverknöcherungen des vorderen Längsbandes, des weiteren Beckentiefstand links bei Beinverkürzung links um 1 cm, eine Abflachung der Lendenhohlkrümmung und verstärkte Kyphosierung der BWS. Es handle sich nicht im Wesentlichen um eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Wirbelsäule und der Halswirbelsäule, sondern primär um eine knöcherne Enge des Kaudakanales und entsprechende Spondylose mit Protrusionen der Bandscheiben zwischen 4. und 5. Lendenwirbel und linkslateral zwischen 5. Lenden- und 1. Sakralwirbel. Die Erkrankung stehe nicht mit Wahrscheinlichkeit in ursächlichem Zusammenhang mit den als schädigend angesehenen Einwirkungen, da eine Protrusion zwischen 4. und 5. LWK in diesem Alter nicht außergewöhnlich sei, d.h. altersentsprechend, und die Protrusion linkslateral der Bandscheibe zwischen 5. Lenden- und 1. Sakralwirbel keine neurologischen Störungen verursache bzw. die Enge des Kaudakanales und die Enge des Nervenaustrittloches links durch die Spondylophyten eine wesentlichere Raumforderung verursachten als diese linkslateral protrusierte Bandscheibe. Darüber hinaus sei bekannt, dass ein ungünstiger Flachrücken (im vorliegenden Fall Streckhaltung der oberen drei Lendenwirbel und Übergang in Kyphose bereits am Brust-Lendenwirbelsäulenübergang sowie eine seitliche Verbiegung und Verdrehung der Wirbelsäule bei zusätzlicher körperlicher Belastung) eher Bandscheibenschädigungen verursache. Bei zusätzlicher Adipositas des Erkrankten lägen diese Bandscheibenveränderungen für sein Alter und die ungünstigen Wirbelsäulenvoraussetzungen im Normbereich. Lediglich die Spondylarthrosen im unteren LWS-Bereich dürften auf eine etwas stärkere Belastung hinweisen. Trotz der entsprechenden beruflichen Belastung hält der Sachverständige die ungünstigen Voraussetzungen an der Brust-Lendenwirbelsäule und die Systemerkrankung für die wesentliche Ursache für die Veränderungen an der LWS.

Mit Bescheid vom 27.08.1996 lehnte die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung der Erkrankungen an der Wirbelsäule als Berufskrankheit ab. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 13.06.1997 beantragte der Kläger die Überprüfung dieses Bescheides und eine Entscheidung zu seinen Gunsten. Er bezog sich dabei auf ein Gutachten, das sein behandelnder Orthopäde Dr.D. für ihn verfasst hatte. Soweit es sich auf die Lendenwirbelsäule bezieht, werden dort diagnostisch ein chronisch schmerzhaftes Wirbelsäulensyndrom, eine Spondylosis hyperostotica, chronisch rezidivierendes Thorakolumbalsyndrom und lumboischialgieforme Beschwerden beidseits genannt. Differenzialdiagnostisch müssten eine systemische Erkrankung, z.B. ein latenter Diabetes mellitus, ein Leberschaden, abgeklärt werden. Die röntgenmanifesten Veränderungen der Brust- und Lendenwirbelsäule ließen an ein systemisches Geschehen denken. Gestützt auf dieses Gutachten und das Gutachten des Prof.Dr.B. sprach sich der Gewerbeärztliche Dienst gegen die Anerkennung einer Berufskrankheit aus.

Mit Bescheid vom 15.12.1997 lehnte es die Beklagte ab, ihren vorhergehenden Bescheid zu Gunsten des Klägers zu ändern. Den anschließenden Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.1998 als unbegründet zurück.

Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger die Anerkennung der Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit und die Gewährung von Verletztenrente beantragt.

Das Sozialgericht hat hierzu ein Gutachten des Orthopäden Dr.B. vom 15.04.2000 eingeholt. Der Sachverständige diag- nostiziert beim Kläger ein generalisiertes Wirbelsäulensyndrom mit pseudoradikulärer Symptomatik und mäßige Bewegungseinschränkung aller drei Wirbelsäulenabschnitte bei Wirbelsäulenfehlstatik und Spondylosis hyperostotica. Es sei festzustellen, dass beim Kläger prädisponierende Faktoren und eine für die Entstehung einer bandscheibenbedingten Berufskrankheit durchaus ausreichende Belastung zusammenträfen. Die Wirbelsäulenfehlstatik sei nur von geringem Ausmaß. Die ausgeprägte Spondylosis deformans im Bereich der unteren Halswirbelsäule, der mittleren und unteren Brustwirbelsäule und der Lendenwirbelsäule sei auch im Rahmen einer Spondylosis hyperostotica zu sehen. Andererseits bestünden durchaus Bandscheibenveränderungen. Bei der Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung würden keine neurologischen Ausfälle gefordert. Das Vorliegen eines engen Spinalkanals durch degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke, wie im Gutachten der Unfallklinik M. betont, spreche keinesfalls gegen das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung. Der Begriff der bandscheibenbedingten Erkrankungen umfasse alle Formen des Lumbalsyndroms, sowohl das radikuläre als auch das pseudoradikuläre wie auch das mono- oder polyradikuläre Syndrom. Im vorliegenden Fall seien die Bedingungen eines mehretageren Befalles eindeutig erfüllt. Auf Grund der - wenn auch geringen - Fehlstatik der Wirbelsäule sei außerdem klar, dass die für den Versicherten kritische Belastungsdosis deutlich reduziert sei. Der von der Unfallklinik M. angesprochene Beckenschiefstand habe bei der jetzigen Untersuchung genauso wenig festgestellt werden können wie bei der Untersuchung für die Schwerbehindertenanerkennung. Auf den jetzt vorliegenden Röntgenaufnahmen lasse sich auch der Befund einer Spondylolyse nicht nachvollziehen. Ein Wirbelgleiten sei jedenfalls nicht feststellbar. Auch eine ungünstige Flachrückenform lasse sich jetzt nicht feststellen. Hinsichtlich der BK Nr.2108 ergäben sich sicherlich Schwierigkeiten der Abgrenzung des anlagebedingten Wirbelsäulenleidens von den durch die berufliche Belastung bedingten Schädigungen. Die anlagebedingten Veränderungen führten jedoch sogar zu einer deutlichen Reduzierung der für den Betroffenen kritischen Belastungsdosis, was bei den jeweiligen Ermittlungen zu berücksichtigen sei. Es habe aus medizinischer Sicht auch eindeutig ein Zwang zum Unterlassen der Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Wirbelsäulenerkrankung ursächlich gewesen seien oder sein könnten, bestanden. Diesem Umstand sei durch die Umsetzung im Betriebsbereich bereits Rechnung getragen worden. Die bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule sei zum größten Teil durch die in Nr.2108 umschriebene berufliche Exposition verursacht. Die konstitutionellen Ursachen hätten dabei im Sinne einer Reduzierung der Belastungsgrenze mitgewirkt. Die durch die Berufskrankheit bedingten Gesundheitsstörungen bewirkten eine MdE um 20 v.H. Es liege eine deutliche Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule in allen Richtungen vor und es bestehe eine ständige pseudoradikuläre Schmerzsymptomatik. Die statische Belastbarkeit sei durch diese Schäden deutlich herabgesetzt.

Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme ihres beratenden Arztes, des Chirurgen Dr.B. , vorgelegt, der das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule verneint. Röntgenologisch seien alle Bandscheibenfächer im Lendenabschnitt normal hoch und die CT von 1996 habe dementsprechend überhaupt keine Bandscheibenprolabierungen ergeben. Leichte Protrusionen seien bei einem 55- oder 56-jährigen Mann ganz normal. Insoweit sei nirgendwo ein der Altersnorm vorauseilender Bandscheibenschaden zu bestätigen. Die allgemeinen Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers seien durch eine hyperostotische Spondylose verursacht, wobei es sich um ein eigenständiges Krankheitsbild aus dem rheumatischen Formenkreis handle. Diese Spondylose sei insbesondere im 4. und 5. Lebensjahrzehnt bei Männern zu beobachten und dabei fast immer mit hypertonen Herzbeschwerden vergesellschaftet, auch mit depressiven Zuständen, die jeweils beim Kläger festgestellt worden seien. Im Übrigen seien als konkurrierende Ursachen noch eine deutliche Übergewichtigkeit zu nennen, eine leichte Kyphoskoliose im Brustabschnitt, eine Binde- und Stützgewebsschwäche mit einem groben Krampfadernleiden, psychovegetative Irritationen, Stoffwechselstörungen im Sinne überhöhter Fettwerte, wahrscheinlich zum Krankheitsbild passend auch noch subklinische Zuckerstoffwechselstörungen und des Weiteren eine allgemeine Veranlagung zur Verschleißschädigung, was sich in Form von Gonarthrosen beidseits ausdrücke, in Form einer hochgradigen Arthrose der Kreuzdarmbeingelenke (CT M.) und in Form von hochgradig ausgeprägten spondylarthrotischen Veränderungen an der beruflich nicht belasteten HWS. Schließlich müsse auch noch ein Sacrum acutum genannt werden, eine starke Einengung des Kreuzbeines mit einer hieraus resultierenden, tief sitzenden Knicklordose.

Hierzu hat Dr.B. in einem weiteren Gutachten vom 07.10.2000 im Wesentlichen ausgeführt, bei der Spondylosis hyperostotica, die beim Kläger vorliege, handle es sich um kein Krankheitsbild, das dem rheumatischen Formenkreis zuzurechnen sei. Es handle sich vielmehr um ein nicht entzündliches Krankheitsbild, das mit Stoffwechselveränderungen, die bei dem Kläger zweifelsohne vorlägen, zusammenhänge. Den Befund eines Sacrum arcuatum könne er nicht bestätigen. Beim Kläger liege die Nearthrosis interspinalis baastrup eindeutig in den Segmenten L 3/4 und L 4/5. Dr.B. gehe überhaupt nicht auf die wegen der anlagebedingten Veränderungen deutliche Reduzierung der für den Betroffenen kritischen Belastungsdosis ein. Zum andere liege nicht nur eine, sondern mehrere Bandscheibenvorwölbungen vor und eine ausgeprägte Spondylarthrose. Eine rheumatoide hyperostotische Spondylose gebe es nicht, auch nicht, dass die Spondylosis hyperostotica fast immer mit hypertonen Herzbeschwerden vergesellschaftet sei. Depressive Zustände finde man dabei nicht häufiger als bei anderen chronischen Wirbelsäulenpatienten. Diese depressiven Zustände seien als reaktive Depressionen bei chronischen Schmerzgeschehen zu bewerten.

Mit Urteil vom 14.12.2000 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr.2108 anzuerkennen und Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Es hat das Gutachten des Dr.B. für schlüssig und überzeugend gehalten.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.12.2000 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 15.07.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.1998 abzuweisen.

Sie macht geltend, dass es bereits an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule fehle. Darüber hinaus liege kein sog. belastungskonformes Schadensbild vor, weil beim Kläger fortgeschrittene degenerative Veränderungen im Bereich aller Wirbelsäulenabschnitte vorlägen, also auch der nicht belasteten Brustwirbelsäule. Dr.B. weise selbst auf die konkurrierenden Ursachen hin. Die MdE von 20 v.H. dürfte für den hier in Rede stehenden LWS-Abschnitt als überhöht abzusehen sein. Schließlich habe der Kläger die für die Anerkennung einer Berufskrankheit und deren rentenmäßige Entschädigung notwendige Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten noch nicht vollzogen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Mit Schreiben vom 19.10.2001 hat der Senat den Kläger darauf hingewiesen, dass nach dem bisherigen Beweisergebnis die Berufung Erfolg haben dürfte. Für die Rentengewährung fehle es an der Aufgabe jeglicher potenziell gefährdender Tätigkeit. Für die Feststellung der Voraussetzungen einer Berufskrankheit fehle es an der Feststellung eines die Altersnorm übersteigenden Bandscheibenschadens.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind die Akte der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts Augsburg in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist auch begründet, denn die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers ist keine Berufskrankheit nach Nr.2108 der Anlage zur BKVO; sie kann deshalb auch nicht durch Verletztenrente entschädigt werden.

Der Anspruch des Klägers ist sowohl nach den Vorschriften der RVO als auch nach denen des SGB VII zu prüfen. Die Berufskrankheit nach Nr.2108 der Anlage zur BKVO hat zur Voraussetzung, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung vorliegt, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Der Versicherungsfall kann danach frühestens mit dem tatsächlichen Unterlassen der genannten Tätigkeiten eintreten. Soweit es um den Eintritt des Versicherungsfalles vor dem 01.01.1997 geht, richtet sich der Anspruch nach § 551 Abs.1 RVO, bei einem späteren Eintritt nach den Vorschriften des SGB VII (§ 212 SGB VII). Ist die potentiell belastende Tätigkeit nicht aufgegeben, verbleibt die Frage nach einem Anspruch gemäß § 9 Abs.4 SGB VII, wonach der Unfallversicherungsträger ggf. darüber zu entscheiden hat, ob die übrigen Voraussetzungen mit Ausnahme der Unterlassung der potentiell schädigenden Tätigkeit für die Anerkennung der Berufskrankheit erfüllt sind.

Nach jeder Rechtslage muss jedoch eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung vorliegen. Diese Voraussetzung ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erfüllt.

Das Sozialgericht hat seine Entscheidung zu Unrecht auf das Gutachten des Dr.B. gestützt. Dem Gutachten fehlt es bereits an der Benennung einer konkreten bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers. Dies wäre umso notwendiger gewesen, als die Sachverständigen Prof.Dr.B. und Dr.B. eine solche ausdrücklich bestreiten. Insbesondere wäre notwendig gewesen darzulegen, inwiefern überhaupt eine der Altersnorm vorauseilende Schädigung der Bandscheiben vorliegt. Der Sachverständige Dr.B. beschränkt sich insoweit auf die Aussage, es lägen "durchaus Bandscheibenveränderungen" vor, was vom Sozialgericht in der Urteilsbegründung übernommen worden ist. Diese Wortwahl ist jedoch noch nicht einmal gleichbedeutend mit einer Bandscheibenschädigung. Schon gar nicht wird damit ein Abweichen von der Altersnorm zum Ausdruck gebracht. Eine solche Abweichung wäre jedoch schon deshalb von Nöten, weil der Begriff der Berufskrankheiten erfordert, dass sie Ergebnis besonderer Einwirkungen sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 551 Abs.1 Satz 2 RVO; § 9 Abs.1 Satz 2 SGB VII). Ein der Altersnorm der gesamten Bevölkerung entsprechender körperlicher Zustand kann mit einem solchen Begriff der Berufskrankheit nicht korrelieren. Mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann deshalb eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung nicht begründet werden.

Darüber hinaus leidet das Gutachten des Sachverständigen Dr.B. an weiteren wesentlichen Mängeln. Der Sachverständige behandelt die nicht durch versicherte Tätigkeiten bedingte Systemerkrankung an der Wirbelsäule des Klägers als prädisponierend in dem Sinne, dass damit die schädigende Belastungsdosis wesentlich herabgesetzt und damit das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr.2108 der BKVO umso eher zu begründen sei. Das widerspricht den Kriterien für die Begründung des wesentlichen Ursachenzusammenhanges. Für die Annahme einer Berufskrankheit ist u.a. erforderlich, dass die versicherungsrechtlich geschützte Verrichtung und die mit ihr verbundene äußere Einwirkung auf den Körper des Versicherten wesentlich ursächlich oder wenigstens mitursächlich für die Gesundheitsstörung gewesen ist (vgl. BSG Urteil vom 06.12.1989, Az.: 2 RU 17/89). Aus dem nicht versicherten Bereich stammende körperliche Beeinträchtigungen durften deshalb nicht zur Begründung des Ursachenzusammenhanges herangezogen werden, weil dies zur Entschädigung von Gesundheitsstörungen führen würde, die nicht vom Versicherungsschutz umfasst sind. Bei der Abwägung der konkurrierenden Ursachen müssen sie darüber hinaus, wofern sie wesentliche Ursache der bestehenden und als Berufskrankheit geltend gemachten Gesundheitsstörung sind, als gegen den geforderten Ursachenzusammenhang sprechend gewertet werden. Die aus der versicherten Tätigkeit resultierenden Belastungen könnten dann günstigstenfalls zu Gunsten des Versicherten nur noch als Ursache einer Verschlimmerung zum Tragen kommen. Darauf kommt es im vorliegenden Fall jedoch nicht an, weil es schon an der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule fehlt.

Auch weitere, vom Sozialgericht zur Begründung herangezogene Kriterien, die der Sachverständige Dr.B. nennt, halten einer Überprüfung nicht Stand. Von einer Spondylolyse oder einem Wirbelgleiten ist an keiner Stelle des Gutachtens des Sachverständigen Prof.Dr.B. die Rede. Es ist auch sonst nicht ersichtlich, worauf der Sachverständige Dr.B. und das Sozialgericht hier Bezug nehmen. Der Sachverständige Prof.Dr.B. bezieht sich in seiner Annahme eines (näher beschriebenen) Flachrückens des Klägers auf die Deutung einer Röntgenaufnahme vom 16.01.1996. Hierzu meint der Sachverständige Dr.B. , ein solcher Flachrücken habe sich nicht bestätigen lassen. Dem ist schon deshalb mit Skepsis zu begegnen, weil dieser Sachverständige unter den ihm zur Verfügung gestellten Röntgenaufnahmen gerade diese vorgenannte nicht ausgewertet hat und deshalb nicht ersichtlich ist, warum die Deutung des Prof.Dr.B. unzutreffend sein sollte. Dass sich der Befund mit anderen Aufnahmen nicht bestätigen ließ, ist mindestens mehrdeutig und damit wenig aussagekräftig, denn es bleibt offen, ob dies an der Aufnahme oder am Aufnahmeobjekt liegt. Es hätte mindestens dargelegt werden müssen, warum die Annahme des Prof.Dr.B. nicht mehr haltbar sein sollte. Ähnliches gilt von der Annahme des Beckenschiefstandes durch Prof.Dr.B ... Diese Annahme basiert auf der aktenkundigen Beinlängenmessung beim Kläger. Eine solche hat der Sachverständige Dr.B. - jedenfalls aktenkundig - nicht vorgenommen.

Die für die Gewährung einer Verletztenrente nach Nr.2108 der Anlage zur BKVO sowohl in Verbindung mit § 551 Abs.1 RVO als auch in Verbindung mit § 9 Abs.1 SGB VII notwendige Unterlassung aller Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der als Berufskrankheit angesehenen Erkrankung ursächlich warten oder sein können, hat das Sozialgericht nicht geprüft, einen Beginn der Verletztenrente hat es ohnehin nicht festgesetzt. Die Aussage des Sachverständigen Dr.B. , dem sei durch die Umsetzung im Betriebsbereich bereits Rechnung getragen worden, hätte schon deshalb nicht akzeptiert werden dürfen, weil der Kläger die gleiche Tätigkeit statt bisher im Akkordlohn nunmehr im Zeitlohn ausgeübt hat. Auf die Frage, ob die nunmehrige Tätigkeit das für die Annahme einer Berufskrankheit nach Nr.2108 der Anlage zur BKVO als erforderlich angesehene Schädigungsausmaß hat, wäre es insoweit nicht angekommen (BSG Urteil vom 22.08.2000, Az.: B 2 U 34/99 R).

Das Urteil des Sozialgerichts kann deshalb keinen Bestand haben, die Klage ist abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger im Ergebnis nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved