L 11 AL 135/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AL 495/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 135/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 27.03.2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Arbeitslosenbeihilfe (Alb) ab 01.08.2000.

Der 1974 geborene Kläger hat den Beruf eines Maurers erlernt (01.09.1991 bis 31.08.1994) und diesen bis 28.10.1994 ausgeübt. Anschließend bezog er vom 12.11.1994 bis 03.12.1994 Arbeitslosengeld (Alg). Bis zum Antritt des Grundwehrdienstes am 01.01.1995 war er als Maschinenarbeiter beschäftigt (05.12.1994 bis 31.12.1994). Grundwehrdienst leistete der Kläger bis 18.12.1995. Vom 19.12.1995 bis 18.12.1997 war er Soldat auf Zeit (SaZ). Seine vorzeitige Entlassung - ursprünglich hatte er sich für vier Jahre verpflichtet - erfolgte wegen Dienstuntauglichkeit infolge eines Wegeunfalls. Vom 19.12.1997 bis 31.07.2000 bezog er von der Allgmeinen Ortskrankenkasse Bamberg (AOK) Versorgungskrankengeld (VKrg) in Höhe von 61,99 DM/täglich (Regelentgelt).

Am 01.08.2000 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg. Mit Bescheid vom 03.08.2000 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil der Kläger die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) habe er ebenfalls nicht. Er habe innerhalb der Vorfrist von einem Jahr vor dem 01.08.2000 kein Alg bezogen. Ein Anspruch auf Alb nach § 86 a Soldatenversorgungsgesetz (SVG) bestehe nicht, da die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Arbeitsförderung (SGB III) über das Alg entsprechend anzuwenden seien.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, er habe die Anwartschaftszeit erfüllt, denn die Wehrdienstzeit als SaZ stehe einem Versicherungspflichtverhältnis gleich, so dass er vor dem Bezug von VKrg versicherungspflichtig gewesen sei. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 19.10.2000 zurück. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Alb, weil er innerhalb der Rahmenfrist vom 01.08.1997 bis 31.07.2000 nicht mindestens eine Wehrdienstzeit von 2 Jahren zurückgelegt habe, sondern lediglich 140 Kalendertage (01.08.1997 bis 18.12.1997). Die Zeit des Bezugs von VKrg stehe einem Versicherungspflichtverhältnis nicht gleich.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben und beantragt, den Bescheid vom 03.08.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.08.2000 Alb zu gewähren. Zur Begründung hat er vorgetragen: Da die Wehrdienstzeit einem Versicherungspflichtverhältnis gleichstehe, sei er unmittelbar vor Bezug des VKrg versicherungspflichtig im Sinne § 26 Abs.2 Nr 1 SGB III gewesen. Deshalb habe er innerhalb der Rahmenfrist als Bezieher von VKrg in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden, so dass Alb zu gewähren sei.

Mit Urteil vom 27.03.2003 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Leistung von Alb ab 01.08.2000 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe Anspruch auf Alb, weil er weder Anspruch auf Alg oder Alhi gemäß §§ 117 ff, 190 ff SGB III habe und er die Voraussetzungen des § 86 a SVG erfülle. Er habe die geforderte Mindestdauer des Wehrdienstes von 2 Jahren geleistet und innerhalb der entsprechend anzuwendenden Rahmenfrist der §§ 123, 124 SGB III (01.08.1997 bis 31.07.2000) die Anwartschaftszeit erfüllt. § 86 a SVG ordne die entsprechende Anwendung der Vorschriften des SGB III über das Alg - hierzu gehörten auch die Vorschriften über die Versicherungspflicht zur Begründung der erforderlichen Anwartschaftszeit - an. Die Zeiten des Bezugs von VKrg seien deshalb über eine entsprechende Anwendung des § 26 SGB III anwartschaftsbegründend zu berücksichtigen. Dieses Ergebnis werde durch den Wortlaut des § 86 a SVG und durch seinen Schutzzweck gestützt.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen: Nach § 86 a Abs 1 Satz 2 Nr 1 SVG seien allein die Wehrdienstzeiten einem Versicherungspflichtverhältnis gleichgestellt. Der Bezug von VKrg sei nur dann versicherungspflichtig, wenn unmittelbar zuvor Versicherungspflicht bestanden habe (§ 26 Abs 2 Nr 1 SGB III). Dies sei beim Kläger nicht der Fall gewesen, denn als SaZ habe keine Versicherungspflicht vorgelegen. Damit könne der Bezug von Versorgungskrankengeld nicht über § 86 a Abs 1 Satz 2 Nr 1 iVm §§ 123, 124 SGB III als anwartschaftsbegründend berücksichtigt werden.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 27.03.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Leistungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet. Zutreffend hat das SG entschieden, dass der Kläger ab 01.08.2000 dem Grunde nach Anspruch auf Alb hat.

Gemäß § 86 a Abs 1 Satz 1 SVG idF vom 06.05.1999 (gültig ab 01.01.1999 bis 31.12.2001) erhalten ehemalige Soldaten auf Zeit, die nach einer Wehrdienstzeit von mindestens 2 Jahren arbeitslos sind, Alb. Auf die Alb sind die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs und sonstiger Gesetze mit Ausnahme des Einkommensteuergesetzes über das Alg und für die Empfänger dieser Leistung u.a. mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass für den Anspruch auf Alb die Wehrdienstzeit als SaZ einschließlich der nach § 40 Abs 5 Soldatengesetz (SG) eingerechneten Wehrdienstzeiten der Zeit eines Versicherungspflichtverhältnisses gleichsteht (§ 86 a Abs 1 Satz 2 Nr 1 SVG). Der Anspruch auf Alb ruht während des Zeitraums, für den der Arbeitslose die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg erfüllt oder nur deshalb nicht erfüllt, weil er Alg nicht beantragt hat (Satz 2 Nr 5). Vorliegend hat der Kläger - worauf das SG zutreffend hingewiesen hat - keinen Anspruch auf Alg, so dass ein eventueller Alb-Anspruch nicht ruhen würde.

Der Kläger erfüllt jedoch die Anspruchsvoraussetzungen auf Alb.

So war er nach Beendigung der Wehrdienstzeit von 2 Jahren als SaZ (19.12.1995 bis 18.12.1997) ab 01.08.2000 arbeitslos gemeldet (§ 122 SGB III). Zu Recht ist das SG in diesem Zusammenhang davon ausgegangen, dass § 86 a Abs 1 Satz 1 SVG bereits nach seinem Wortlaut nicht den Eintritt der Arbeitslosigkeit unmittelbar nach Beendigung des Wehrdienstes fordert.

Der Kläger hat auch die Anwartschaftszeit erfüllt (§ 123 SGB III). Diese hat erfüllt, wer in der dreijährigen Rahmenfrist (§ 124 SGB III) mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg (§ 124 Satz 1 SGB III). In der vorliegend maßgebenden Rahmenfrist (01.08.1997 bis 31.07.2000) hat der Kläger vom 01.08.1997 bis 18.12.1997 (140 Kalendertage) Wehrdienst als SaZ geleistet. Diese Zeit steht kraft ausdrücklicher Regelung des § 86 a Abs 1 Satz 2 Nr 1 SVG einem Versicherungspflichtverhältnis gleich.

Einem Versicherungspflichtverhältnis gleichzustellen ist auch die Zeit des Bezuges von Versorgungskrankengeld (19.12.1997 bis 31.07.2000).

Zwar bestand nach Ansicht der AOK während dieser Zeit keine Versicherungspflicht, weil der Kläger unmittelbar vor der Arbeitsunfähigkeit Zeitsoldat war. Diese Ansicht, die auch die Beklagte teilt, stützt sich auf § 26 Abs 2 Nr 1 SGB III. Nach dieser Bestimmung sind versicherungspflichtig Personen in der Zeit, für die sie von einem Leistungsträger Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld oder von einem Träger der medizinischen Rehabilitation Übergangsgeld beziehen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren.

Die Beklagte verkennt jedoch in diesem Zusammenhang, dass der Kläger vor dem 19.12.1997 (Beginn der Versorgungskrankengeldes) Wehrdienst als SaZ geleistet hat, der nach der ausdrücklichen Regelung des § 86 a Abs 1 Satz 2 Nr 1 SVG der Zeit eines Versicherungspflichtverhältnisses gleichsteht und der Kläger daher so zu behandeln ist, als sei er versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Damit war der Kläger gemäß § 26 Abs 2 Nr 1 SGB III auch während des Bezugs von VKrg als versicherungspflichtig anzusehen. Es bestand mithin in der Rahmenfrist (01.08.1997 bis 31.07.2000) durchgehend Versicherungspflicht, so dass der Kläger die Anwartschaftszeit nach § 123 Satz 1 Nr 1 SGB III erfüllt hat. Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil wird verwiesen (§ 153 Abs 2 SGG). Da auch die übrigen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind, hat der Kläger ab 01.08.2000 dem Grunde nach Anspruch auf Alb. Das Urteil des SG ist daher nicht zu beanstanden, weshalb die Berufung der Beklagten zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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