L 8 AL 100/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 1349/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 100/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 75/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.12.2002, ergangen unter dem Aktenzeichen S 5 AL 453/02, aufgehoben.
II. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.12.2002, ergangen unter dem Aktenzeichen S 5 AL 1349/00, S 5 AL 452/02, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer III. des Urteils aufgehoben wird.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bemessung des Arbeitslosengeldes (Alg) ab 01.04.1999 streitig.

Der 1940 geborene Kläger war bis 31.03.1999 als Systemingenieur beschäftigt und bezog zuletzt ein monatliches Bruttoentgelt von 12.022,00 DM. Mit Bescheid vom 07.04.1999 bewilligte die Beklagte ab 01.04.1999 Alg nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.940,00 DM in Höhe von wöchentlich 659,52 DM. Mit Bescheid vom 11.01.2000 bewilligte sie ab 01.01.2000 Alg in Höhe von wöchentlich 711,55 DM. Mit weiterem Bescheid vom 25.04. 2000 wurde dem Kläger ab 01.04.2000 das Alg nach einem Bemessungsentgelt von 1.980,00 DM in Höhe von wöchentlich 720,23 DM gewährt.

Mit Änderungsbescheid vom 26.07.2000 bewilligte die Beklagte ab 22.06.2000 Alg nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 2.010,00 DM in Höhe von wöchentlich 732,27 DM. Aufgrund des am 21.06.2000 veröffentlichten Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts zur Berücksichtigung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt werde die Leistung neu berechnet. Das bisher zugrunde gelegte Bemessungsentgelt sei im Rahmen einer pauschalen Regelung um 10% erhöht worden. Die Entscheidung ergehe in analoger Anwendung des § 328 Abs.1 Satz 1 Nr. SGB III vorläufig. Sollte die zu erwartende Neuregelung des Gesetzgebers zu keinem anderen Ergebnis führen, bleibe es bei dieser Entscheidung, bei einer Änderung erhalte er zu gegebener Zeit einen weiteren Bescheid.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und gab an, sein Widerspruch schließe alle früheren Bescheide ein. Die Berechnung sei in keiner Weise nachvollziehbar. Der Zeitpunkt 22.06.2000 erscheine willkürlich, er begehre die Korrektur rückwirkend ab 01.04.1999.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2000 verwarf die Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Der Bescheid vom 26.07.2000 sei nur vorläufig ergangen. Der Widerspruch gegen die Bescheide vom 07.04.1999 und 11.01.2000 sei befristet. Die Bescheide seien noch am gleichen Tag zur Post gegeben worden und würden spä- testens am dritten Tag nach Aufgabe zur Post, d.h. am 10.04.1999 und 04.01.2000, als zugestellt gelten.

Mit seiner hiergegen erhobenen Klage S 5 AL 1349/00 hat der Kläger darauf hingewiesen, dass bei ihm die Erhöhung tatsächlich nur 1,5% betrage. Da sein zu Grunde zu legendes Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze gelegen habe, hätte es durch die Neuregelung allein nicht zu einer Erhöhung von wöchentlich 1.980,00 DM auf 2.010,00 DM kommen können, weshalb der Verdacht nahe liege, dass zuvor das Bemessungsentgelt zu niedrig angesetzt gewesen sei, weshalb er die Korrektur ab 01.04.1999 begehre. Auch rüge er die Unproportionalität zwischen Beitrag und Leistung, da er als Besserverdienender erheblich höhere Leis-tungen in Form von Beiträgen erbracht und überproportional hohe Steuern gezahlt habe. Auch beinhalte die Leistungsbestimmung eine Art endgültiger Vorwegbesteuerung, die durch undurchsichtige Pauschalierungen zu einer nicht gerechtfertigten Minimierung des Leistungsentgelts führe; einem Arbeitslosen sei ein fairer Jahressteuerausgleich nicht möglich. Bereits am 01.04. 1999 hätte ein Bemessungsentgelt von 1.960,00 DM zu Grunde gelegt werden müssen, da dieses mit der Beitragsbemessungsgrenze von 8.500,00 DM, die das gesamte Jahr 1999 gegolten habe, korrespondiere. Auch sei der Abzug der Kirchensteuer nicht berechtigt, da er seit längerem keiner Kirche angehöre. Eine steuerliche Berücksichtigung seiner Schwerbehinderung (GdB 70 v.H.) sei ebenfalls nicht möglich. Da die Informationen zur Festsetzung des Alg in den Bescheiden unzureichend und unverständlich seien, sei die Einspruchsfrist von nur vier Wochen in seinem Fall nicht gültig. Auch sei der generelle Ausschluss von Arbeitslosen beim vermögenswirksamen Sparen nicht hinzunehmen, er beantrage als Vorsparprämien für die Jahre 2000 und 2001 insgesamt 320,00 DM.

Das SG hat das Vorbringen des Klägers hinsichtlich der pauschalen Besteuerung als eigenes Verfahren unter dem Aktenzeichen S 5 AL 452/02 geführt, ebenso das Vorbringen hinsichtlich der vermögenswirksamen Leistungen (S 5 AL 490/02).

In der mündlichen Verhandlung am 11.12.2002 hat es die Verfahren S 5 AL 1349/00 und S 5 AL 452/02 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Es hat den Kläger zu Protokoll auf § 192 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - hingewiesen und die Auferlegung von Gerichtskosten in Höhe von 150,00 EUR angekündigt. Mit Urteil vom 11.12.2002 hat es die Klagen abgewiesen. Die Beklagte habe hinsichtlich der Bescheide vom 07.04. 1999 und 11.01.2000 den Widerspruch zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, da er nicht innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist nach § 84 Abs.1 SGG eingelegt worden sei. Gründe für eine Wiedereinsetzung könnten nicht darin gesehen werden, dass sich der Kläger nicht rechtzeitig informiert habe. Seinem Schreiben vom 04.04.2000 sei zu entnehmen, dass er bereits vor Beantragung des Alg die Berechnung nicht habe nachvollziehen können, sodass es ihm zuzumuten gewesen sei, sich rechtzeitig zu informieren bzw. bereits gegen den Bewilligungsbescheid vom 07.04.1999 Widerspruch einzulegen. Hinsichtlich des Bescheides vom 26.07.2000 sei die Klage unbegründet. Da die Beklagte nur bei Änderungen vorläufiger Bescheide einen neuen Bescheid erlasse, bleibe den Betroffenen nichts anderes übrig, als bereits gegen den vorläufigen Bescheid vorzugehen. Das der Leistungsbemessung zu Grunde liegende Bemessungsentgelt sei durch die Beitragsbemessungsgrenze zur Arbeitslosenversicherung begrenzt. Deshalb habe im Jahre 1999 das höchstmögliche Bemessungsentgelt 1.940,00 DM betragen. Aufgrund des BVerfG-Beschlusses vom 24.05.2000 seien die Bemessungsentgelte erst vorläufig durch die Beklagte, dann pauschal durch das Gesetz um 10 v.H. angehoben, diese Anhebung jedoch durch die im Jahre 2000 geltende Beitragsbemessungsgrenze auf wöchentlich 2.010,00 DM begrenzt worden. Die weiteren Ausführungen des Klägers zur Berechnung des Bemessungsentgelts entsprächen nicht der gesetzlichen Lage. Für das Jahr 1998 sei die für dieses Jahr gültige Beitragsbemessungsgrenze zu Grunde zu legen.

Unter dem Aktenzeichen S 5 AL 453/02 hat das SG ein weiteres Urteil vom 11.12.2002 erlassen. Der Kläger begehre die Überprüfung des im Rahmen der Leistungsberechnung zu Grunde gelegten pauschalierten Nettoentgelts. Das Leistungsentgelt sei gemäß § 136 SGB III korrekt berechnet worden. Bereits mit Urteil vom 24.07.1997, 11 RAr 45/96, habe das BSG bestätigt, dass für Schwerbehinderte kein höheres Alg aufgrund des Steuerfreibetrages zu leisten sei; insbesondere sei eine Verurteilung der Beklagten, die Geltendmachung dieser Begünstigungen im Rahmen der Einkommensteuererklärungen zu ermöglichen, nicht möglich. Mit Urteil vom 31.10.1996, 11 RAr 27/96, habe das BSG den Abzug von Kranken- und Rentenversicherungsbeiträgen bestätigt, mit Urteil vom 26.07.1994, 11 RAr 103/91 auch den fiktiven Kirchensteuerabzug für Arbeitslose, die keiner Kirche angehörten. Das BVerfG habe mit Beschluss vom 23.10.1996, 1 BvR 70/96, den Abzug des Pflegeversicherungsbeitrages und des Solidaritätszuschlages für verfassungsgemäß erklärt.

Gegen diese Urteile richten sich die Berufungen des Klägers, die er nicht begründet hat.

Der Kläger beantragt, die Urteile des Sozialgerichts München vom 11.12.2002 und die Bescheide vom 07.04.1999, 11.01.2000 und 26.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2000 aufzuheben und ihm ab 01.04.1999 höheres Arbeitslosengeld zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt, die Berufungen zurückzuweisen.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 30.10.2003 die Berufungen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen sind zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Anschließungsgrund gemäß § 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel gegen das unter dem Aktenzeichen S 5 AL 453/02 ergangene Urteil des SG als begründet. Zu Unrecht hat das SG für das Vorbringen des Klägers mehrere Klagen geführt. Denn es handelt sich um einen Streitgegenstand, nämlich die Gewährung höheren Algs. Die einzelnen Faktoren, mit denen der Kläger sein Begehren begründet, stellen nicht jeweils einen eigenen Streitgegenstand dar, weshalb auch nur ein Urteil ergehen durfte und deshalb das unter dem Aktenzeichen S 5 AL 453/02 ergangene aufzuheben war.

Im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da dem Kläger höheres Alg nicht zusteht. Die ab 22.06.2000 vorweggenommene Erhöhung entspricht § 434c Abs.1 Satz 2 SGB III, eingefügt durch das Gesetz vom 21.12.2000 (BGBl.I S.1971), wonach die in Satz 1 geregelte Erhöhung für Ansprüche, über die am 21.06.2000 bereits unanfechtbar entschieden war, vom 22.06.2000 an gilt. Satz 1 sieht eine Erhöhung des Bemessungsentgelts um 10 v.H., höchstens jedoch bis zur jeweiligen Leistungsbemessungsgrenze, vor. Die Beklagte hat das nach der aufgrund der Ermächtigung der §§ 151 Abs.2, 2 SGB III erlassenen maßgeblichen SGB III-Leis-tungsentgeltverordnung 2000 vom 17.12.1999 (BGBl.I S.2810) höchstmögliche Bemessungsentgelt von 2.010,00 DM zu Grunde gelegt. Da weder der Kläger noch seine Ehefrau ein Kind im Sinne des § 32 Abs.1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes haben, steht ihnen gemäß § 129 Nr.2 SGB III das sich aus diesem Bemessungsentgelt in der Leistungsgruppe C ergebende wöchentliche Alg von 732,27 DM zu.

Zu Recht hat das SG festgestellt, dass über die Bemessung des Alg ab 01.04.1999 bestandskräftig entschieden ist, weil der Widerspruch des Klägers insoweit verfristet ist. Unabhängig davon ist auch insoweit die Bewilligung des Alg rechtmäßig. Bemessungszeiträume sind gemäß § 130 Abs.1 SGB III die in den letzten 52 Wochen vor dem Entstehen des Anspruchs abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume. Bemessungsentgelt ist gemäß § 132 Abs.1 SGB III in der bis 31.07.1999 geltenden Fassung das im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallene Entgelt, das der Erhebung der Beiträge nach diesem Buch zu Grunde lag. Beiträge wurden aber gemäß § 341 Abs.4 SGB III nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze, die der in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten gemäß §§ 159 und 160 SGB VI geltenden entspricht, erhoben. Dies waren im Jahr 1998 8.400,00 DM monatlich und 1999 8.500,00 DM. Der sinngemäß erhobene Vorwurf des Klägers, es fehle insoweit an einer Äquivalenz zwischen Beitrag und Leistung, geht deshalb ins Leere, da von seinem die angeführten Grenzen übersteigenden Gehalt keine Beiträge abgeführt wurden. Für den Bemessungszeitraum April 1998 bis März 1999 ist die Beklagte deshalb zu Recht von einem Jahresgehalt von 101.100,00 DM ausgegangen, woraus sich ein gerundetes wöchentliches Bemessungsentgelt von 1.940,00 DM und hieraus ein wöchentlicher Leistungssatz von 695,52 DM ergaben.

Zu Recht hat das SG dargelegt, dass die gesetzeskonforme Bemessung der Leistung durch die Beklagte nicht gegen Verfassungsrecht verstößt. Der Senat folgt gemäß § 153 Abs.2 SGG den Gründen des angefochtenen Urteils des SG und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Die Entscheidung des SG, dem Kläger Verschuldenskosten gemäß § 192 SGG aufzuerlegen, war aufzuheben. Zwar hat das SG zu Recht dargelegt, dass über die vom Kläger aufgeworfenen Fragen bereits höchstrichterlich entschieden wurde. Dennoch kann nicht von einer Mißbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung im Sinne des § 192 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGG ausgegangen werden, da der Kläger von einer Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung ausgeht und insoweit ihm nicht nachgewiesen werden kann, dass er diesen Rechtsstandpunkt wider besseren Wissens vertritt.

Die Kostenentscheidung beruht im Übrigen auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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