L 6 RJ 536/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 14 RJ 269/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 536/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 29. Mai 2000 wird zurückgewiesen.
I. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung der Zeit von Juli 1947 bis Juli 1949 als Beitragszeit gemäß § 247 Abs.2a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und Berücksichtigung bei der Berechnung seiner Regelaltersrente.

Der 1933 geborene Kläger war nach seinen Angaben in der Zeit von April 1947 bis Juli 1949 als landwirtschaftlicher Lehrling im elterlichen Betrieb tätig. Er legt dazu unter anderem die Abschrift des Entlassungszeugnisses der ländlichen Berufsschule J. vor, worin ihm bestätigt wird, dass er am 17.07.1947 aus der Volksschule J. und am 14.07.1949 aus der landwirtschaftlichen Berufsschule J. entlassen worden ist. Unterlagen über einen Lehrvertrag aus der damaligen Zeit konnte er nicht vorlegen, ebenso wenig hat das Amt für Landwirtschaft und Ernährung in P. Unterlagen über eine Lehrzeit des Klägers. Zum weiteren Beweis legte der Kläger im Verwaltungsverfahren eine Bestätigung der Zeugen W. und H. vom 10.11.1998 vor, worin ihn diese bestätigen, dass er seinerzeit in der elterlichen Landwirtschaft mitgearbeitet habe und von seinem Vater die Landwirtschaft erlernt habe. Gleichzeitig habe er einmal in der Woche die landwirtschaftliche Berufsschule besucht, später die sog. Winterschule.

Mit Bescheid vom 18.11.1998 lehnte die Beklagte eine Anrechnung dieser Zeit ab. In den Jahren 1947 bis 1949 habe der Kläger zwar in der elterlichen Landwirtschaft mitgearbeitet. Als Landwirtschaftslehre könne diese Zeit jedoch nicht angerechnet werden, da eine regelrechte Berufsausbildung nicht nachgewiesen worden sei.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.1999 zurück.

Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Landshut Klage erhoben. Mit seinen Eltern sei damals zwar kein schriftlicher Lehrvertrag abgeschlossen worden, dennoch habe er auf dem elter- lichen Hof eine komplette Landwirtschaftslehre absolviert. Dies sei im Übrigen Voraussetzung für den Besuch der Landwirtschaftsfachschule S. - sog. Winterschule - gewesen.

Mit Urteil vom 29. Mai 2000 hat das Sozialgericht die Klage hinsichtlich der Anerkennung der Beitragszeit von Juli 1947 bis Juli 1949 gemäß § 247 Abs.2a SGB VI abgewiesen. Die betreffende Zeit als Pflichtbeitragszeit anzuerkennen sei lediglich dann möglich, wenn in der betreffenden Zeit ein ordentliches Lehrverhältnis bestanden habe. Der Kläger habe zwar seinerzeit als Familienangehöriger im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses gearbeitet und naturgemäß dabei die Tätigkeiten in der Landwirtschaft erlernt. Dies allein reiche jedoch nicht aus, um die betreffende Zeit als fiktive Beitragszeit im Sinne des § 247 Abs.2a SGB VI anzuerkennen, da ein ordentliches Ausbildungsverhältnis im Rechtssinne nicht nachgewiesen werden konnte.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, er sei seinerzeit in allen Tätigkeiten ausgebildet worden, die zur Leitung eines landwirtschaftlichen Betriebes erforderlich gewesen wären. Die Zeit zwischen Juli 1947 bis Juli 1949 sei deshalb eine Ausbildungszeit im Sinne einer Lehrzeit gewesen. Die Tätigkeit in der elterlichen Landwirtschaft sei ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gewesen. Der Kläger habe, wie die übrigen Bediensteten seines Vaters, auf dessen Kosten eine Krankenversorgung durch den damaligen Hofarzt erfahren und habe, als er zu einem späteren Zeitpunkt in eine andere Landwirtschaft eingeheiratet habe, ein Heiratsgut erhalten, das als Lohn Bestandteil neben freie Kost und Logis anzusehen sei.

Zum Beweis bot er als Zeugen L. W. und M. H. an, die in der nichtöffentliche Sitzung vom 09.12.2003 von Gericht vernommen worden sind. Während M. H. bestätigen konnte, dass der Kläger seinerzeit wie alle übrigen Familienmitglieder auf dem väterlichen Hof des Klägers wie familienfremde mitgearbeitet hätten, hat der weitere Zeuge L. W. mitgeteilt, dass er gemeinsam mit dem Kläger acht Jahre die Volksschule besucht habe und er anschließend beobachten konnte, dass der Kläger wie seine übrigen Geschwister zur damaligen Zeit auf dem elterlichen Hof beschäftigt gewesen sei. Im Einzelnen sei er über die Ausgestaltung dieser Arbeitsverhältnisse nicht informiert. Üblicherweise seien mitarbeitende Familienangehörige seinerzeit nicht kranken- oder rentenversichert worden und hätten gewöhnlich nicht einmal einen festen Lohn bekommen, sondern gegen Kost und Logis und der Anschaffung ihrer persönlichen Habe gearbeitet, bis sie den elterlichen Hof verlassen hätten.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 09.12. 2003 verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2004 benennt der Kläger als weitere Zeugen zum Beweis seines Lehrverhältnisses im elterlichen Betrieb seinen älteren Bruder J. , sowie seine jüngeren Brüder J. und L. , die wie er selbst seinerzeit in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet haben.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 29.05.2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit von Juli 1947 bis Juli 1949 als Beitragszeit gemäß § 247 Abs.2a SGB VI bei der Berechnung der Rente des Klägers zu berücksichtigen, hilfsweise die Vertagung der mündlichen Verhandlung zur Anhörung der Brüder des Klägers als Zeugen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Beigezogen waren die Akten der Beklagten und die des Sozialgerichts Landshut, auf deren Inhalt sowie auf den Inhalt der Berufungsakte zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich ist sie jedoch nicht begründet, weil der Kläger keinen Anspruch darauf hat, dass seine Tätigkeit als mithelfendes Familienmitglied als landwirtschaftliche Berufsausbildung im elterlichen Betrieb als fiktive Beitragszeit gemäß § 247 Abs.2a SGB VI bei der Berechnung der Rente berücksichtigt wird.

Fiktive Beiträge für die Zeit von Juli 1947 bis Juli 1949 können nicht anerkannt werden, weil die Tätigkeit des Klägers in dieser Zeit keine grundsätzlich versicherungspflichtige Beschäftigung zur Berufsausbildung gewesen ist.

Gemäß § 247 Abs.2a SGB VI sind Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung auch Zeiten, in denen in der Zeit vom 1. Juni 1945 bis 30. Juli 1965 Personen als Lehrling oder sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt waren und grundsätzlich Versicherungspflicht bestand, eine Zahlung von Pflichtbeiträgen für diese Zeit - wie im vorliegenden Fall - jedoch nicht erfolgte. Voraussetzung für die Anerkennung einer fiktiven Pflichtbeitragszeit ist, dass die Tätigkeit des Klägers in der betreffenden Zeit als Lehre oder als sonstige Berufsausbildung zu qualifizieren ist.

Ein formelles ordentliches Lehrverhältnis ist für den Kläger nicht nachgewiesen, das Bestehen eines schriftlichen Lehrvertrages nicht einmal behauptet. Ob ein Lehrverhältnis vorliegt, ist dennoch nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, wobei der Annahme eines Lehrverhältnisses nicht grundsätzlich entgegen steht, dass eine solche Ausbildung im elterlichen Betrieb erfolgte. Erforderlich ist jedoch eine geregelte Ausbildung, weshalb ein Lehrverhältnis nur dann besteht, wenn die Beschäftigung in einem Betrieb hauptsächlich der Fachausbildung dient und damit der Beschäftigte die Stellung eines Lehrlings einnimmt. Das Bestehen eines derartigen Lehrverhältnisses ist jedoch für den Kläger nicht nachgewiesen. Es ist einerseits selbstverständlich, dass der Kläger auf dem elterlichen Hof, wie auch seine übrigen Geschwister, im Rahmen der familienhaften Mithilfe alle Tätigkeiten erlernt hat, die zur Führung eines landwirtschaftlichen Betriebs erforderlich gewesen waren. Andererseits ist nicht nachgewiesen, dass die dem Kläger zuteil gewordene Unterweisung im Rahmen eines formellen Lehrverhältnisses abgelaufen ist und erfüllt auch sonst nicht die Voraussetzung einer geregelten Ausbildung als Lehrling, da die "Ausbildung" sich eher als Nebenprodukt der Mitarbeit im elterlichen Betrieb darstellt, da der Kläger, wie seine übrigen Geschwister auch, vornehmlich eine fremde Arbeitskraft ersetzt hat. Dies ergibt sich aus den Aussagen der vom Senat gehörten Zeugen. Die Anerkennung der betreffenden Zeit als Beschäftigung zur sonstigen Berufsausbildung ist erst für Beschäftigungen ab 1. März 1957 gesetzlich möglich und kommt daher im betreffenden Fall nicht in Betracht (vgl. BSG Urteil vom 1. Dezember 1999, Az.: B 5 RJ 56/98 R).

Die Vernehmung der vom Kläger nunmehr als weitere Zeugen benannten Bruder war entbehrlich. Was die jüngeren Brüder des Klägers betrifft, so waren diese in dem rechtserheblichen Zeitraum noch Kinder, die natürgemäß bestenfalls Aussagen aufgrund ihrer damaligen Beobachtungen machen könnten. Die Tätigkeit des Klägers in der elterlichen Landwirtschaft ist jedoch unbestritten und bedarf keines weiteren Beweises. Was die Vernehmung des älteren Bruders betrifft, so geht der Senat auch ohne dessen Vernehmung davon aus, dass dieser eine ähnliche "Ausbildung und Unterweisung" auf dem elterlichen Hof erfahren hat, wie der Kläger. Der rechtliche Unterschied, der dazu führt, dass die betreffende Zeit beim Bruder in der Rentenversicherung berücksichtigt wird, beim Kläger jedoch nicht, liegt in der nach außen erkennbaren Förmlichkeit der Ausbildung, die zu einem anerkannten Berufsabschluss geführt hat. Hätte der Kläger diesen ebenfalls vorzuweisen, wäre die betreffende Zeit ebenfalls anzuerkennen. So jedoch bleibt die Ausbildung des Klägers im Rahmen seiner familienhaften Tätigkeit im Unverbindlichen und erfüllt nicht die Voraussetzungen der Anerkennung in der Rentenversicherung, auch wenn der Bruder des Klägers als Zeuge dessen "Ausbildung" bestätigen würde, da der Senat schon aufgrund der Lebenserfahrung davon ausgeht, dass der Kläger selbstverständlich im Rahmen seiner langjährigen Tätigkeit auf dem elterlichen Hof alles nötige zur Führung einer Landwirtschaft erlernt hat.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 29. Mai 2000 war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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