L 5 RJ 491/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 15 RJ 1401/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 491/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 22. Juli 2003 aufgehoben und die Sache an das Sozialgericht München zurückverwiesen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der 1950 geborene Kläger ist aus gesundheitlichen Gründen (insbesondere insulinpflichtiger Diabetes, Herzerkrankung) nicht mehr in der Lage, seinen Beruf als Bäckermeister auszuüben und bezieht deshalb von der Beklagten auf Grund Bescheides vom 09.05.2000 seit 01.01.1999 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (13.02.2000) lehnte die Beklagte nach medizinischer Sachaufklärung durch Bescheid vom 17.05.2002/Widerspruchsbescheid vom 29.07.2002 ab, weil der Kläger trotz gesundheitlicher Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch wenigstens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten ausüben könne.

Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht München (SG) am 18.09.2002 und 09.12.2002 eine Originalvollmacht des Klägerbevollmächtigten angefordert sowie einen Fragebogen als nicht näher erläuterte Anlage zu letzterem Schreiben übersandt. Mit Schreiben vom 10.03.2003 hat das SG als "zweite Erinnerung" die Übersendung der Vollmacht und des Fragebogens angemahnt. Mit Schreiben vom 30.06.2003 hat das SG die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört und den Klägerbevollmächtigten darauf hingewiesen, dass keine Originalvollmacht vorliege und dass deren Fehlen zur Unzulässigkeit der Klage führen könne. Mit Schreiben vom 11.07.2003 hat der Klägerbevollmächtigte eine Originalvollmacht dem SG übersandt.

Mit Gerichtsbescheid vom 22.07.2003 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Kläger habe zweimal Fragebögen zur medizinischen Sachverhaltsaufklärung erhalten, diese jedoch nicht dem Gericht zurückgesandt. Es sei deshalb nicht möglich gewesen, Befundberichte zur Klärung des aktuellen Gesundheitszustandes beizuziehen. Es habe deshalb kein Anlass zur weiteren Sachverhaltsaufklärung bestanden. Nach den beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten bestehe kein Anhalt, am dort festgestellten Gesundheitszustand des Klägers zu zweifeln, weswegen kein Anspruch auf die begehrte Rente bestehe.

Gegen den am 12.08.2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Klägerbevollmächtigte die am 12.09.2003 eingegangene Berufung eingelegt und beantragt, unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 22.07.2003 sowie des Bescheides vom 17.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2002 die Beklagte zu verurteilen, ab Antragstellung Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid vom 22.07.2003 zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 13.01. 2004 waren die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Rechtsstreites S 26 RJ 1967/98 - Sozialgericht München. Auf diese Akten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.

Gemäß § 62 Sozialgerichtsgesetz (SGG) haben die Beteiligten Anspruch auf rechtliches Gehör. Dazu zählt, das Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten zu erörtern und diese auf entscheidungsrelevante Tatsachen hinzuweisen. Insbesondere besteht eine Hinweispflicht, wenn das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellen will, den ein Beteiligter erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat (vgl.Meyer-Ladewig, Sozialgerichts- gesetz, 7. Auflage, § 62 Rdnr.8b).

Diesen Grundsätzen hat das SG entsprochen, als es den Kläger mit Anhörungsschreiben vom 30.06.2003 auf eine drohende Klage-abweisung wegen Nichtvorlage einer Vollmacht hingewiesen hat. Dagegen ist ein Hinweis darauf, dass die Klage auch bei Nichtvorlage des Formblatt-Fragebogens abgewiesen werden könnte, nicht ergangen. Ein solcher Hinweis wäre aber gerade im Hinblick auf die Anmahnung der Vollmacht erforderlich gewesen, mit welcher das Gericht zu erkennen gegeben hatte, es werde bei Nichtvorlage von angeforderten Dokumenten erst nach Hinweis negativ entscheiden.

Ein entsprechender Hinweis war auch nicht entbehrlich, insbesondere weil der Formular-Fragebogen als unerläuterte Anlage zum Anforderungsschreiben vom 09.12.2002 erstmalig übersandt worden war. Das als "zweite Erinnerung" anmahnende Schreiben vom 10.03.2003 war in Bezug auf den Formblatt-Fragebogen somit unzutreffend als zweite Erinnerung überschrieben und enthielt keinen Hinweis auf die mögliche Entscheidungsrelevanz. Der Verstoss gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs führt somit zu einem wesentlichen Verfahrensmangel, auf welchem das Urteil des SG beruht.

Es kommt hinzu, dass das SG gemäß § 103 SGG zur Untersuchung des Sachverhalts von Amts wegen verpflichtet war und deshalb nur dann ohne weitere Sachaufklärung hätte entscheiden dürfen, wenn den Beteiligten die Folgen einer fehlenden Mitwirkung durch Nichtvorlage des Formblatt-Fragebogens angedroht worden wäre (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 103 Rdnr.17a).

Wegen des Verfahrensverstosses hält es der Senat im Rahmen des gemäß § 159 Abs.1 Nr.2 SGG bestehenden Ermessens für geboten, nicht selbst weitere Ermittlungen durchzuführen und zu entscheiden, sondern die Klage an das SG zurückzuverweisen. Andernfalls würden die notwendigen Ermittlungen zum medizinischen Sachverhalt vollständig in die zweite Instanz verlagert und der Rechtsschutz des Klägers verkürzt, weil eine Überprüfungsmöglichkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in der Berufungsinstanz entfiele.

Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.

Gründe, die Revision zuzulassen, nicht liegen vor, § 160 Abs.2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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