L 13 RA 117/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 RA 507/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 117/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15. März 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1948 geborene Klägerin stellte am 03.07.1996 Antrag auf Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Sie war nach einer Lehre als Friseuse überwiegend als Kontoristin, Bürohilfe, Schreibkraft und in der Sachbearbeitung tätig gewesen, zuletzt vom 12.06.1995 bis 1996 bei einem Zeitarbeitsunternehmen (Aufhebung durch Vertrag im November 1998). Von Februar 1988 bis Mai 1988 absolvierte sie eine kaufmännische Ausbildung bei der IHK.

Nach Erstattung von psychiatrischen, orthopädischen und internistischen Gutachten (Dres. P. , N. und K.) lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 22.10.1996/Widerspruchsbescheid vom 22.09.1997 ab, da die Klägerin weiter in der Lage sei, in ihrem bisherigen Berufsbereich vollschichtig tätig zu sein. Darüber hinaus bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben, weil bei ihr eine Vielzahl von Leistungseinschränkungen vorlägen. Dies zeige sich auch an den fünf Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von 30 (Bescheid des Versorgungsamtes Nürnberg vom 03.01.1991). Auch sei die Gebrauchsfähigkeit beider Hände stark eingeschränkt, weswegen nicht alle Arbeiten im Büro erledigt werden könnten. Im Auftrag des SG hat der Orthopäde Dr. S. ein Gutachten vom 11.03.1998 erstellt, wonach noch vollschichtig Tätigkeiten ohne häufiges Heben und Tragen, ohne Hilfsmittel, ohne Überkopfarbeiten oder Überschulterarbeiten oder Arbeiten in Augenhöhe (Armhaltearbeiten) verrichtet werden könnten. Nicht mehr zumutbar seien häufige Schreibarbeiten (manuell oder maschinell), solche unter besonderem Leistungsdruck und mit besonderen Anforderungen an die Greiffähigkeit oder die Kraft der rechten Hand bzw. des rechten Armes. Wegen des Verdachts auf Morbus Bechterew sollten Tätigkeiten unter ungünstigen äußeren Bedingungen, wie solche im Freien, unter Einfluss von Kälte, Hitze, Zugluft und starken Temperaturschwankungen bzw. Nässe vermieden werden. Der Internist und Rheumatologe Prof. M. hat in seinem Gutachten vom 21.12.1998 vier Hauptdiagnosen gestellt (statisch myalgisches Wirbelsäulensyndrom, Periarthropathia humeroscapularis beidseits, beginnendes Fibromyalgie-Syndrom und initiale Polyarthrose). Im Vordergrund ständen Beschwerden in allen Wirbelsäulenabschnitten mit Ausstrahlung in Kopf, Arme, Brustkorb und Beine. Ein Morbus Bechterew ließe sich nicht bestätigen. Die zumutbaren Tätigkeiten, die im Wesentlichen wie im Vorgutachten beschrieben werden, könne die Klägerin unter betriebsüblichen Bedingungen halb- bis unter vollschichtig (etwa zwischen vier und sieben Stunden täglich) verrichten. Der Neurologe und Psychiater Dr. W. hat in seinen Gutachten vom 19.05.1999 und 02.06.1999 mit den Diagnosen einer sthenisch psychogenen Somatisierung und eines leichten chronischen Carpaltunnelsyndroms links eine vollschichtige Leistungsfähigkeit angenommen. Er stimme Prof. M. nicht zu, dass bei dem starken Entlastungswunsch bzw. Rentenbegehren therapeutische Bemühungen Erfolg versprächen, solange der Ausgang der Klage noch offen sei. Die Klägerin könne bereits jetzt ohne Gefährdung der Restgesundheit zumindest körperlich leichte Arbeiten vollschichtig verrichten. Der Orthopäde und Rheumatologe Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 25.10.1999 typische Beschwerden für einen Morbus Bechterew festgestellt und daraus geschlossen, dass die Klägerin nur geringfügig arbeiten könne, da sie wegen der schubweise auftretenden Beschwerden, insbesondere des schmerzhaften Funktionsdefizits der Hände nicht in einen geordneten Betriebsablauf einzuplanen sei. Abschließend hat der Internist und Sozialmediziner Dr. G. in seinem Gutachten vom 21.07.2000 im wesentlichen ein generalisiertes Wirbelsäulensyndrom und vielfältige Arthralgien ohne Hinweis für eine echte entzündliche Erkrankung des rheumatischen Formenkreises diagnostiziert. Damit könne die Klägerin noch vollschichtig leichte Tätigkeiten verrichten.

Durch Urteil vom 15.03.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Es ging im Wesentlichen vom Vorliegen eines generalisierten Wirbelsäulensyndroms bei degenerativen Veränderungen aus und ist in der Einschätzung des Leistungsvermögens Dr. G. gefolgt. Die Nichterweislichkeit einer seelischen Krankheit - ebenso wie Zweifel an der Überwindbarkeit einer solchen Erkrankung - gingen zu Lasten der Klägerin. Ein Morbus Bechterew sei nicht bewiesen. Schon deswegen könne Prof. M. nicht zugestimmt werden. Dieser sei im Übrigen nur deswegen zu keinem vollschichtigen Leitungsvermögen gelangt, weil er entgegen der Ansicht der psychiatrischen Fachgutachter eine psychische Krankheit angenommen habe. Das Gutachten von Dr. H. sei unschlüssig. Die Klägerin sei insgesamt noch in der Lage, Tätigkeiten als Angestellte mit einfachen kaufmännischen Anforderungen in der Rechnungsprüfung, Auftragsbearbeitung und Personalkontrolle entsprechend dem Gehaltstarifvertrag für die Angestellten im Einzelhandel in Bayern, Beschäftigungsgruppe II, in der Gruppe der Angelernten vollschichtig zu verrichten. Damit sei sie weder erwerbs- noch berufsunfähig.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 15. März 2001 sowie des Bescheides vom 22.10. 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.1997 zu verurteilen, der Klägerin aufgrund des Antrags vom 03.07.1996 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu leisten.

Der Vertreter der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Gutachten des Prof. Dr. G. vom 07.03.2002 eingeholt, wonach die Klägerin noch in der Lage sei, acht Stunden täglich zu arbeiten, sowie des Orthopäden Dr. S. vom 13.07. 2002, wonach die Klägerin nur mehr weniger als vier Stunden, jedoch mindesten drei Stunden täglich arbeiten könne, als auch des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 08.04.2003, wonach ein vollschichtiges Erwerbsvermögen gegeben sei. Schließlich hat der Neurologe und Psychiater Dr. W. in seinem auf Antrag der Klägerin erstellten Gutachten vom 07.01.2004 die Feststellung getroffen, dass die Klägerin nicht in ihrer Fähigkeit gemindert sei, regelmäßig acht Stunden am Tag zu arbeiten.

Die Klägerin hat zahlreiche Einwendungen gegen die eingeholten Gutachten vorgebracht und Unterlagen zu ihrer Berufsbiografie vorgelegt.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die ohne Zulassung (§ 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151, 153 Abs. 1, 87 Abs. 1 Satz 2 SGG), hat aber in der Sache keinen Erfolg.

In der angefochtenen Entscheidung hat das SG zu Recht einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit verneint. Ungeachtet des Vorliegens der allgemeinen Wartezeit und der besonderen persönlichen Voraussetzungen für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (besondere Belegungsdichte nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI) - insoweit verweist der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung des SG und die Bescheide der Beklagten und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG in der Fassung der Vereinfachungsnovelle vom 11.1.1993, BGBl. I, 50)- ist die Klägerin weder berufs- noch erwerbsunfähig oder teilweise erwerbsgemindert.

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist (§ 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI i. d. F. des Rentenreformgesetzes 1992 - RRG 92, anwendbar gem. § 300 Absätze 1 und 2 SGB VI, Art 24 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 EMRefG, BGBl I, S. 1827 aufgrund des am 03.07.1996 gestellten Antrags). Wegen des für die zumindest ab dem Bezug von Arbeitslosengeld als beschäftigungslos anzusehende Klägerin und des dafür geltenden richterrechtlichen Gewohnheitsrechts zu Arbeitsmarktrenten (Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996, GS 2/95, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8; früher BSGE 43, 75) genügt zwar schon ein Unvermögen zur vollschichtigen Berufsausübung, aber auch daran ist die Klägerin durch ihren Gesundheitszustand nicht gehindert.

Zur Beurteilung des zunächst festzustellenden beruflichen Leistungsvermögens stützt sich der Senat auf die Feststellungen der Gutachter und Sachverständigen Dres. N. , S. , G. , K. , G. , P. , W. , K. und W ... Nach dem Gesamtergebnis der Beweiserhebung steht es zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin kaufmännische Tätigkeiten noch weiterhin ausüben kann und ihr Leistungsvermögen nicht unter die rentenrechtlich relevanten Zumutbarkeitsgrenzen eines Erwerbsverlustes von unter acht bzw. sechs Stunden (vgl. §§ 43 Abs. 2, 240 SGB VI i. d. F. des EM-RefG) gesunken ist.

Für die Annahme einer rechtlich relevanten Leistungsminderung liegen zu viele Zweifel vor, die durch die genannten Gutachten aufgeworfen worden sind. Daher kann den Gutachten der Sachverständigen Dr. S. , Dr. H. und Prof. M. , auch insgesamt betrachtet einer Minderheit, nicht gefolgt werden. Es handelt sich bei diesen Ärzten um Orthopäden bzw. internistische Rheumatologen, wohingegen bei den Gesundheitsstörungen der Klägerin an erster Stelle psychiatrische Krankheitsbilder stehen. So findet sich im Gutachten des Orthopäden Dr. S. vorab die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung, die nach Ansicht des Sachverständigen bewirkt, dass die Klägerin auch mit entsprechender Willenskraft einer Arbeit nicht vollschichtig nachgehen könne. Zu einer solchen Beurteilung, insbesondere der Frage der Willenskraft und deren zumutbaren Einsatzes, ist ein Orthopäde nicht vorrangig berufen. Dies umso mehr, als Dr. S. anhand seiner Feststellungen (Schmerzpunkte) eine Fibromyalgiesymptomatik ausschließt, bei der teilweise von der medizinischen Wissenschaft auch das Beurteilungsvermögen eines Orthopäden akzeptiert wird. Dementsprechend enthält das genannte Gutachten nur wenige individuelle Befunde auf psychiatrischem Fachgebiet. Es überzeugend den Senat nicht, wenn nur ausgeführt wird, dass der "psychosozialen Befund" eindeutig eine somatoforme Schmerzstörung zeige. Auch angesichts des Fehlens einer Auseinandersetzung mit zahlreichen entgegenstehenden Gutachten wirft das Gutachten von Dr. S. erhebliche Zweifel auf. Schließlich wird Dr. S. aber auch durch die nachfolgenden Gutachten der Psychiater und Neurologen Dr. K. und Dr. W. widerlegt. Dr. K. legt überzeugend dar, dass bei der Klägerin durchaus organische Ursachen für mögliche Schmerzen bestehen, so dass die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung nur bedingt gelte. Ausschlaggebend ist aber nach Dr. K. die mangelnde Erklärung der Intensität der angegebenen Beschwerden bzw. die Diskrepanz zu den organischen Veränderungen. Es ist nicht festzustellen, dass bei der Klägerin eine psychische Fehlhaltung vorliege, die einer zumutbaren Willensanspannung nicht zugänglich wäre, vielmehr haben sich zwischenzeitlich gewisse, nicht bewusstseinsferne tendenzielle Mechanismen eingestellt. Auch der Psychiater Dr. W. nimmt sehr detailliert zu allen Erkrankungen Stellung, z. B. in einer Längsschnittbetrachtung zur Frage einer Bechterew schen Erkrankung, wonach sich die behaupteten Schübe radiologisch nicht darstellen lassen. Weil sich die Beschwerden über Jahre hinweg nicht qualitativ verändert haben, kann man allenfalls von einem Frühstadium ausgehen, das keine wesentliche Erwerbsminderung bedingt. Auch für ein Fibromyalgiesyndrom erfüllt die Klägerin nach Dr. W. nur einige, keinesfalls alle Kriterien. Damit besteht letztlich nur ein einseitiges, links betontes Carpaltunnelsyndrom, dass aber nicht wesentlich die Fähigkeit der Klägerin beeinträchtigt, regelmäßig acht Stunden Tag zu arbeiten. Dadurch sind nur repetive Arbeiten, wie bei Fliesenlegern, Näherinnen und Metzgern ausgeschlossen, insgesamt Arbeiten mit erheblicher Belastungen des Sehnengleitgewebes. Auch ein rheumatisches Geschehen ist nicht bewiesen, wie Dr. G. in seinem Gutachten vom 21.07.2000 überzeugend darlegt. Danach bestehen ein generalisiertes Wirbelsäulensyndrom und vielfältige Arthralgien ohne Hinweis für eine echte entzündliche Erkrankung des rheumatischen Formenkreises. Auch Prof. Dr. M. musste in seinem Gutachten vom 21.12.1998 einräumen, dass sich ein Morbus Bechterew nicht bestätigen lässt. Dieser Sachverständige, ein Internist und Rheumatologe, gelangt im Übrigen auch nur zu einem quantitativ eingeschränkten Leistungsvermögen, weil er die organischen Störungen am Bewegungsapparat i. V. m. einem psychosomatischen Symptomenkomplex bewertet. Diese Einschätzung beruht, wie bereits ausgeführt, auf fachfremden Einschätzungen, die durch die eigentlichen Fachärzte widerlegt sind. Die Mängel des Gutachtens von Dr. H. werden sind bereits von der Beklagten (Schriftsatz vom 03.01.2000, auf den im Einzelnen Bezug genommen wird) aufgezeigt. Es fehlt ein korrekter Untersuchungsbefund des Stütz- und Bewegungsapparates und es wird zu Unrecht auf Grund unzureichender Untersuchungen ein rheumatologisches Leiden angenommen. Schließlich wird dieses von Dr. G. widerlegt, der wie schon die Beklagte einen ausführlichen funktionellen Befund vermisst.

Mit dem zur Überzeugung des LSG feststehenden Leistungsvermögen auf Grund der genannten Gutachten der Dres. N. , S. , G. , K. , G. , P. , W. , K. und W. kann die Klägerin noch ihren Hauptberuf als kaufmännische Angestellte ausüben. Dabei geht der Senat auch von der Verwertbarkeit des Gutachtens von Dr. G. aus, obwohl der klinische Befund von Oberarzt Dr. S. erhoben wurde, weil Dr. G. verantwortlich für die Schlussfolgerungen gezeichnet hat, nachdem er zuvor mit Dr. S. insbesondere die Frage der entzündliche Erkrankung im einzelnen anhand der Bilddokumentation wie auch zusätzlicher Literatur diskutiert hat.

Zusammengefasst kann die Klägerin vollschichtig berufstätig sein, wenn weder häufiges Heben und Tragen ohne Hilfsmittel noch Überkopfarbeiten oder Überschulterarbeiten oder Arbeiten in Augenhöhe (Armhaltearbeiten) noch repetive Arbeiten wie bei Fliesenlegern, Näherinnen und Metzger verlangt werden. Ebenso wenig dürfen häufige Schreibarbeiten (manuell oder maschinell) und solche unter besonderem Leistungsdruck und mit besonderen Anforderungen an die Greiffähigkeit oder die Kraft der rechten Hand bzw. des rechten Armes gefordert werden.

Diese Einschränkungen sind mit dem körperlichen Leistungsprofil kaufmännischer Tätigkeiten vereinbar. Dabei geht der Senat davon aus, dass desto weniger schematisch mechanische Hilfstätigkeiten wie z.B. ausschließliche Schreibarbeiten gefordert werden, je höher die kaufmännische Berufsqualifikation ist. Unter der Annahme, dass die Klägerin - wie behauptet - den Kaufmannsgehilfenbrief besitzt, obwohl sie zwischen Februar 1988 bis Mai 1988 einen nur viermonatigen Lehrgang absolviert hat, ist ihr das Berufsfeld der kaufmännischen Angestellten nicht verschlossen. Wie sich schon aus der am 11.08.2003 im Rahmen einer Beweisanordnung den Beteiligten übersandten berufskundlichen Stellungnahme des Landesarbeitsamtes vom 19.09.2001 (Auskunft des Landesarbeitsamtes Bayern an das Sozialgericht Würzburg, Az. S 6 RJ 93/99) ergibt, wird das Berufsbild kaufmännischer Tätigkeiten mit körperlich leichten Tätigkeiten in geschlossenen Räumen überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit des Haltungswechsels beschrieben. Die gesundheitlichen Anforderungen an den Beruf des Bürokaufmannes haben sich zwar durch den zunehmenden Einsatz der EDV in den letzten Jahren gewandelt, bieten aber immer noch ein vielfältiges Berufsbild, das nicht durch permanente Schreibarbeiten geprägt ist, zumal Schreibtätigkeiten am Computer von der mechanischen Belastbarkeit her nicht mit denen an früheren Schreibmaschinen (erhebliche Beanspruchung des Sehnengleitgewebes) vergleichbar sind. Dies gilt besonders, wenn die von der Klägerin selbst angeführten Tätigkeitsbeschreibungen zugrundelegt werden, nach denen sie überwiegend als Kontoristin, Sachbearbeiterin, in der Kundenbetreuung und in der Rechnungsprüfung tätig war. Weitere Bescheinigungen über Tätigkeiten aus der Zeit nach der Ausbildung zum Bürokaufmann besagen, dass die Klägerin als Mitarbeiterin im Innendienst beschäftigt war und dabei mit Tätigkeiten der Telefon- und Fernschreiberbedienung, Schreiben der Korrespondenz mittels Diktiergerät, Ablage der ein- und ausgehenden Korrespondenz, Postabfertigung, Gespräche mit Kunden und Bedienen der EDV-Anlage, dabei insbesondere der Erfassung aller Aufträge sowie der Abwicklung der hieraus anfallenden Arbeiten betraut war. Eine weitere Tätigkeit vom Juni 1989 bis November 1990 bezeichnet die Klägerin als Sachbearbeiterin in der Abteilung innere Logistik. Schließlich war die Klägerin von Januar bis Juni 1991 als kaufmännische Angestellte in der Abteilung Rechnungskontrolle tätigt. Daraus kann auf die Befähigung für Tätigkeiten geschlossen werden, die die Berücksichtigung der bei der Klägerin gegebenen körperlichen Einschränkungen durch das Carpaltunnelsyndrom zulassen.

Schließlich kann die Klägerin aber, wie schon im Urteil des SG beschrieben, sozial zumutbar Tätigkeiten verrichten, die eine Anlernzeit von über drei Monaten erfordern und wie sie beispielsweise in der Beschäftigungsgruppe II (E II) für die Angestellten im Einzelhandel in Bayern vom 23.07.1999 beschrieben sind. Wegen der insoweit anzuwendenden Stufentheorie für Angestellte wird auf die zutreffenden Ausführungen des Urteils des SG Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Denn eine Eingruppierung nach Beschäftigungsgruppe II für die Angestellten im Einzelhandel in Bayern vom 23.07.1999 verlangt eine abgeschlossene zweijährige Berufsausbildung oder eine dreijährige Berufsausbildung ohne Abschluss und eine praktische Tätigkeit von anschließend mindestens drei Jahren. Die Tätigkeitsmerkmale in E II beschreiben Angestellte mit einfachen kaufmännischen Tätigkeiten u.a. in Warenannahme, Lager und Versand, Warenausgabe mit Kontrolltätigkeit, Angestellte in der Buchhaltung, in Registratur, Kalkulation, Rechnungsprüfung, Auftragsbearbeitung.

Letztlich hat die Klägerin aber nicht bewiesen, dass sie den Berufsschutz dreijährig gelernter kaufmännischer Angestellter besitzt. Einen eine Lehre abschließenden Nachweis hat die Klägerin nie beigebracht, obwohl dies Gegenstand der Erörterungen beim SG wie auch der Berufungsbegründung gewesen war. Allein aus den bekannten Umständen (viermonatigen Lehrgang) kann nicht zwingend auf einen erfolgreichen Abschluss der Regelausbildung von drei Jahren von kaufmännischen Angestellten geschlossen werden. Die alternative Erlangung des Berufsschutzes als Fachangestellte verlangt neben der tariflichen Eingruppierung, dass der Versicherte in voller Breite über die theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten verfügt, die von einem regelausgebildeten dieses Berufes gemeinhin erwartet werden, die also denjenigen eines vergleichbaren mit abgeschlossener Ausbildung entsprechen (vgl. z.B. BSG SozR 2200, 1246 Nrn. 53, 168). Dafür liegen keine Anhaltspunkte vor. Das zuletzt beschäftigende Zeitarbeitsunternehmen hat keine Gleichstellung mit Fachangestellten bestätigt. Nach einer Arbeitgeberauskunft der Fa. R. war die Klägerin als Kontoristin, Bürohilfe, Schreibkraft und in der Sachbearbeitung beschäftigt.

Damit unterliegt die Klägerin allenfalls aufgrund ihrer Berufserfahrung der nach § 43 Abs. 2 SGB VI in Verbindung mit dem Stufenschema zu berücksichtigenden Vergleichsgruppe der sogenannten Oberangelernten (Anlernzeit von über 12 Monaten bis zu 24 Monaten). Dabei handelt es sich um Angestellte mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren aus der weiteren Einteilung der Gruppe der Angelernten in einen oberen und einen unteren Bereich (SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45 m. w. N.). Diese sind zwar nicht uneingeschränkt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, aber es genügt eine Verweisungstätigkeit, die sich durch eingeschränkte Qualitätsmerkmale, wie das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnet. Damit wäre die Klägerin ebenfalls zulässig auf Berufsfelder wie in der Gruppe E II des Tarifvertrag für die Angestellten im Einzelhandel in Bayern vom 23.07.1999 verweisbar. Jedenfalls sind damit auch Tätigkeiten umfasst, wie sie in der Stellungnahme des Landesarbeitsamtes vom 11.12.2003 für Tagespförtner umschrieben sind, die fast keinerlei Schreibtätigkeiten verlangen.

Zusammengefasst ist die Klägerin damit nicht berufsunfähig.

Erst recht ist sie damit auch nicht erwerbsunfähig. Denn dies setzt eine noch größere Beeinträchtigung der Erwerbstätigkeit in quantitative Hinsicht sowie hinsichtlich der Verweisungsbreite voraus. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist erwerbsunfähig nur, wer außerstande ist eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben (§ 44 Abs. 2 RRG 92) bzw. voll erwerbsgemindert, wer außerstande ist, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 EM-RefG). Einschränkung des subjektiven Zumutbarkeit bestehen beim Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit im Regelfall nicht. Nur beim Vorliegen derart weitgehender Einschränkungen, dass die Verweisung auf dem gesamten allgemeinen Arbeitsmarkt unbillig wäre, ist die Benennung zumutbarer Tätigkeitsfelder geboten (vgl. Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996, GS 2/95, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8, Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schweren spezifischen Leistungsbehinderung). Dies trifft auf die Klägerin, die wie aufgezeichnet, noch vollschichtig kaufmännische Tätigkeiten und damit konkret bezeichnete Tätigkeitsfelder ausüben kann, nicht zu.

Die Klägerin ist damit auch nicht erwerbsunfähig.

Insgesamt ist deshalb die Berufung zurückzuweisen.

Außergerichtliche Kosten sind nichts zu erstatten (§ 193 SGG).

Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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