L 8 AL 300/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 468/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 300/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichsbescheid des Sozialgerichts München vom 9. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist der Eintritt einer Sperrzeit von 6 Wochen bzw. die Frage streitig, ob aufgrund eines vor dem Sozialgericht geschlossenen Vergleiches die diesbezügliche Sperrzeitfeststellung bestandskräftig ist.

Die 1969 geborene Klägerin war bis 30.09.1998 als Frühstücksköchin bei der Firma N. beschäftigt. Auf die Arbeitslosmeldung vom 15.10.1998 hin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 11.11.1998 das Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld (Alg) in der Zeit vom 01.10. bis 23.12.1998 wegen Eintritts einer Sperrzeit fest.

Nachdem die Klägerin am 04.02.1999 die Überprüfung dieses Sperrzeitbescheides beantragt hatte, teilte die Beklagte mit Bescheid vom 10.02.1999 mit, die Überprüfung habe ergeben, dass dieser Bescheid nicht zu beanstanden sei. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.1999 als unbegründet zurück.

Mit ihrer zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, eine Sperrzeit sei nicht eingetreten, da sie nicht durch arbeitsvertragswidriges Verhalten die Arbeitgeberkündigung herbeigeführt habe.

In der mündlichen Verhandlung am 29.05.2001, zu der die Klägerin mit ihrem bevollmächtigten Rechtsanwalt erschienen und bei der eine Dolmetscherin für die russische Sprache zugegen war, hat das SG als Zeugen den Arbeitnehmer F. von der Firma N. vernommen. Anschließend haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen, wonach die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.1999 den Eintritt einer 6-wöchigen Sperrzeit, beginnend mit dem 01.10.1998, feststellt.

Laut Protokoll ist dieser Vergleich vorgelesen und von den Beteiligten genehmigt worden.

Mit Schreiben vom 25.02.2002 hat die Klägerin sinngemäß geltend gemacht, der Vergleich entspreche nicht ihren Interessen, da sie für die Monate Oktober und November 1998 keinerlei Leistungen erhalte und als Folge des Vergleiches lediglich eine Nachzahlung von 318,93 DM erhalten habe, da das restliche Alg wegen der ab Dezember bezogenen Sozialhilfe dem Sozialhilfeträger erstattet worden sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 09.07.2003 hat das SG festgestellt, dass das Klageverfahren S 5 AL 829/99 durch Prozeßvergleich erledigt sei. Die Klägerin sei in der mündlichen Verhandlung durch ihren Rechtsanwalt, den sie mit der Prozessführung bevollmächtigt gehabt habe, vertreten gewesen. Der Vergleich sei wirksam zustande gekommen. Nach dessen objektiven Erklärungsinhalt sei von den Beteiligten ausdrücklich erklärt worden, dass der Rechtsstreit mit Abschluss des Vergleiches seine Erledigung gefunden habe. Aus dem Schreiben der Klägerin vom 25.02.2002 ergebe sich, dass sie damals mit diesem Vergleich einverstanden gewesen sei. Sie mache lediglich geltend, dass sie sich über die Wirkung des Vergleiches nicht ganz im Klaren gewesen sei.

Gegen diesen Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Klägerin, die geltend macht, bei Abschluss des Vergleiches von ihrem Bevollmächtigten getäuscht worden zu sein.

Sie beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts München vom 09.07.2003 und des Bescheides vom 10.02.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.1999 zu verurteilen, den Bescheid vom 11.11. 1998 ganz zurückzunehmen und ihr ab 15.10.1998 Arbeitslosengeld zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin habe aufgrund des Vergleiches grundsätzlich ab 12.11.1998 Anspruch auf Zahlung von Alg in Höhe von 1.791,72 DM gehabt. Jedoch sei hiervon ein Betrag von 1.472,79 DM an den Sozialhilfeträger erstattet worden. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, beide Leistungen nebeneinander erhalten zu können.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtgsgesetzes - SG ), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Zu Recht hat das SG festgestellt, dass das Klageverfahren S 5 AL 829/99 durch den Prozessvergleich vom 29.05.2001 abgeschlossen wurde und aufgrund dieses Vergleiches bestandskräftig feststeht, dass der Sperrzeitbescheid vom 11.11.1998 nur zurückzunehmen war, soweit der Eintritt einer Sperrzeit von mehr als sechs Wochen festgestellt worden war. Da aufgrund dieser bestandskräftigen Feststellung der Anspruch für sechs Wochen gemäß § 144 Abs.3 Satz 1 SGB III ruht, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung von Alg für die Zeit vom 15.10. bis 11.11.1998.

Der Vergleich ist wirksam zustandegekommen. Der Inhalt ist eindeutig. Die Klägerin macht auch selbst nicht geltend, sie und ihr Bevollmächtigter seien im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses der Meinung gewesen, eine andere Regelung als die Feststellung des Eintritts einer sechswöchigen Sperrzeit, beginnend ab 01.10.1998, getroffen zu haben. Im Übrigen ist der Inhalt des Vergleiches vorgelesen und von den Beteiligten genehmigt worden, wie die Sitzungsniederschrift beweist. Neben der Erstattung der Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin durch die Beklagte waren sich die Beteiligten ausdrücklich darüber einig, dass mit Abschluss dieses Vergleichs der Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt ist.

Die Klägerin erklärt sinngemäß die Anfechtung dieses Vergleiches mit der Begründung, sie habe nicht gewusst, dass ihr wegen des Erstattungsanspruches des Sozialhilfeträgers das Alg für die Zeit ab 12.11.1998 nur in Höhe von 318,93 DM ausbezahlt würde. Jedoch ist diese Anfechtung nicht wirksam. Zu Recht führt das SG aus, dass der Prozessvergleich Doppelnatur hat, nämlich einerseits materiellrechtlich die gegenseitigen Ansprüche in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages regelt und zum anderen das gerichtliche Verfahren beendet. Hinsichtlich keiner dieser Rechtswirkungen liegt ein Anfechtungsgrund im Sinne der §§ 119 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) liegt vor. Die Klägerin macht lediglich einen unbeachtlichen Motivirrtum geltend, wenn sie vorträgt, nicht gewusst zu haben, dass wegen des Erstattungsanspruches nach § 104 SGB X des Sozialhilfeträgers ihr nur ein relativ geringer Betrag ausgezahlt werden würde. Soweit sie geltend macht, von ihrem Bevollmächtigten getäuscht worden zu sein, berechtigt dieser Umstand nicht zu einer Anfechtung nach § 123 BGB, da ihr Bevollmächtigter gerade mit Wirkung für sie diesen Vergleich abgeschlossen hat, und allenfalls eine Täuschung durch eine andere, dritte Person einen Anfechtungsgrund darstellen könnte. Die Klägerin macht selbst nicht geltend, sie und ihr Bevollmächtigter seien vom Gericht oder von der Beklagten getäuscht worden.

Eine Unwirksamkeit des Vergleichs ergibt sich auch nicht aus § 779 Abs.1 BGB, wonach ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird, unwirksam ist, wenn der nach dem Inhalt des Vertrages als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Die Beteiligten haben durch den Vergleich die sich aus der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin bei der Firma N. ergebenden Rechtsfolgen dahingehend geregelt, dass ab 01.10.1998 eine Sperrzeit von sechs Wochen eingetreten ist. Es ist nicht ersichtlich, dass sie hierbei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind. Vielmehr wurde zu der Frage, ob die Klägerin sich arbeitsvertragswidrig verhalten hat, ein Zeuge gehört und anschließend die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Rechtsfolge der §§ 104, 107 SGB X, nämlich dass der Anspruch auf Alg als erfüllt gilt, soweit ab dem 12.11.1998 Sozialhilfe gewährt worden war, war nicht Gegenstand des Vergleiches, da diese Rechtsfolge von Gesetzes wegen eintritt. Der Klägerin war bekannt, dass sie Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten hatte. Im Übrigen musste ihr klar sein, das sie nicht für den gleichen Zeitraum zwei Sozialleistungen erhalten kann.

Somit war die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 09.07.2003 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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