L 16 RJ 703/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 673/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 703/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 30. Oktober 2003 abgeändert und festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 30. September 1997 nichtig ist.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Regelaltersrente sowie in diesem Zusammenhang die Wirksamkeit einer Beitragserstattung.

Der 1936 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Marokko. Er hat in Deutschland zwischen November 1964 und Mai 1966 für insgesamt 18 Monate Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. In Marokko hat er nach eigenen Angaben (S.7 des Fragebogens zum Beitragserstattungsantrag) keine Versicherungszeiten zurückgelegt.

Auf seinen Antrag vom 30. Juni 1997 erstattete die Beklagte ihm den Arbeitnehmeranteil dieser Pflichtbeiträge. Der Erstattungsbescheid vom 30. September 1997 konnte dem Kläger damals nicht zugestellt werden.

Am 18. Juni 2001 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres (Regelaltersrente). Die Beklagte lehnte diesen Antrag wegen fehlender Wartezeiterfüllung ab (Bescheid vom 28. Juni 2001). Der Kläger habe statt 60 Monaten nur 18 Monate anrechenbare Versicherungszeit zurückgelegt. Sie wies den Kläger auf die erfolgte Beitragserstattung hin und fügte den Erstattungsbescheid vom 30. September 1997 bei.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, er habe keine Beitragserstattung, sondern eine Rente beantragt. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 28. August 2001). Aufgrund der 1997 erfolgten Beitragserstattung seien keine auf die Wartezeit für eine Regelaltersrente anrechenbaren Versicherungszeiten mehr vorhanden.

Mit der dagegen am 1. Oktober 2001 zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger angeboten, den Erstattungsbetrag an die Beklagte zurückzuzahlen. Er habe nur irrtümlich eine Beitragserstattung beantragt.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 30. Oktober 2003). Die Wartezeit für eine Regelaltersrente sei nicht erfüllt. Der Kläger habe in Deutschland nur 18 Kalendermonate Beitragszeit zurückgelegt. Weitere anrechenbare Versicherungszeiten in Deutschland und Marokko oder eine vorzeitige Wartezeiterfüllung seien nicht ersichtlich. "Insoweit" komme es nicht darauf an, ob durch die 1997 erfolgte Beitragserstattung das Versicherungsverhältnis aufgelöst worden sei oder der Kläger die Beitragserstattung noch rückgängig machen könne. Da nicht anzunehmen sei, dass der Kläger die Beitragserstattung auch für den Fall rückgängig machen wolle, dass ihm keine Regelaltersrente gewährt werde, sei auch der Bescheid vom 30. September 1997 im Ergebnis nicht aufzuheben.

Mit der dagegen am 17. Dezember 2003 - Eingang beim SG - zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhobenen Berufung macht der Kläger weiterhin geltend, er habe die Beitragserstattung 1997 irrtümlich beantragt und begehre statt dessen Regelaltersrente.

Er beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 30. Oktober 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 28. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2001 aufzuheben, die Nichtigkeit des Bescheides vom 30. September 1997 festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihm aufgrund seines Antrags vom 18. Juni 2001 Regelaltersrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten und die Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 105 Abs.2 Satz 1, 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und teilweise begründet.

Gegenstand des Verfahrens sind

- der Bescheid vom 30. September 1997, mit dem die Beklagte dem Kläger auf dessen Antrag vom 1. Juli 1997 die Arbeitnehmeranteile der zur deutschen Rentenversicherung für die Zeit von November 1964 bis Mai 1966 entrichteten Pflichtbeiträge erstattet hat (dazu unten 1.) und

- der Bescheid vom 28. Juni 2001 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 28. August 2001, mit dem die Beklagte die Gewährung einer Regelaltersrente abgelehnt hat (dazu unten 2.).

1. Auf die Berufung des Klägers ist das Urteil des SG abzuändern und die Nichtigkeit des Bescheides vom 30. September 1997 festzustellen (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG). Die Beklagte war im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses Bescheides im Juli 2001 nicht (mehr) berechtigt, einen das Beitragserstattungsverfahren abschließenden Verwaltungsakt zu erlassen. Der Kläger hatte seinen Erstattungsantrag vom 1. Juli 1997 mit dem Antrag vom 18. Juni 2001 auf Gewährung einer Regelaltersrente konkludent zurückgenommen. Dem stand nicht entgegen, dass die Beklagte den Erstattungsbetrag - was vom Kläger nicht bestritten wird - 1997 an ihn ausgezahlt hat. Den Erstattungsantrag als materiell-rechtliche Voraussetzung einer Beitragserstattung konnte der Kläger noch bis zur wirksamen Bekanntgabe des Erstattungsbescheides zurücknehmen (vgl. BSGE 68, 144) mit der Folge, dass sein mit der Antragstellung entstandener Anspruch auf Beitragserstattung rückwirkend entfallen und der trotz fehlenden Antrags ergangene Erstattungsbescheid nichtig ist(vgl. BSG SozR 2200 § 1303 Nr.22).

Ob diese Feststellung objektiv im Interesse des Klägers liegt, ist nicht zu prüfen. Der Kläger hat sowohl im Widerspruchsverfahren als auch im Klage- und Berufungsverfahren geltend gemacht, er habe die Beitragserstattung irrtümlich beantragt, und im Klageverfahren mehrfach angeboten, den Erstattungsbetrag zurückzuerstatten. Danach kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Kläger sich mit seiner Klage auch gegen den das Verwaltungsverfahren der Beitragserstattung abschließenden Verwaltungsakt vom 30. September 1997 wendet. Ob dies im Wesentlichen auf der rechtlich unzutreffenden Begründung des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2001 beruht, dem Antrag auf Beitragserstattung sei (wirksam) entsprochen worden mit der Folge, dass anrechenbare deutsche Versicherungszeiten nicht mehr vorhanden seien, bedarf keiner Erörterung. Es ist allein Sache des Klägers, im Rahmen seiner Dispositionsbefugnis den Streitgegenstand des Verfahrens zu bestimmen. Eine davon abweichende Einschränkung des erkennbaren Klagebegehrens - hier der Gewährung einer Regelaltersrente anstelle einer Beitragserstattung - ist dem Gericht auch dann versagt, wenn es das Begehren des Klägers als für ihn objektiv nachteilig beurteilt.

2. Soweit der Kläger die Gewährung einer Regelaltersrente begehrt, ist die Berufung zurückzuweisen. Das SG hat die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 28. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2001 zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Regelaltersrente nach § 35 SGB VI, weil er die erforderliche Wartezeit von 60 Kalendermonaten (§ 50 Abs.1 Satz 1 Nr.1, 51 Abs.1 SGB VI) nicht erfüllt. Er hat in Marokko keine anrechenbaren Versicherungszeiten und in Deutschland nur 18 Kalender- monate Beitragszeit zurückgelegt. Aus diesen - nicht wirksam erstatten - deutschen Beitragszeiten kann der Kläger keine Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung erhalten. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug genommen (§ 153 Abs.2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Klage und Berufung hatten teilweise Erfolg.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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