L 15 VS 16/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 VS 18/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VS 16/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 02. Juli 2003 aufgehoben.
II. Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 14.08.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2001 wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1998 ausgewiesenen Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Klägers ohne Verlustabzug bei der Berechnung der Ausgleichsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz zu berücksichtigen sind.

Der 1953 geborene Kläger erhält seit 01.10.1977 wegen der anerkannten Folgen einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) nach einer MdE um 70 v.H. nach § 30 Abs.1 und 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) Beschädigtenversorgung (Ausführungsbescheid vom 21.01.1985). Seit 01.03.1982 bezieht der Kläger neben der Grundrente auch Ausgleichsrente in unterschiedlicher Höhe, abhängig von den Gewinnen, die er als selbständiger Gewerbetreibender aus dem Handel mit Bildern erzielt. Nach § 60 a Abs.1 BVG werden die vom Einkommen abhängigen Versorgungsbezüge (auch der Berufsschadensausgleich) zunächst vorläufig gezahlt und nach Vorlage der jeweiligen Einkommensteuerbescheide nachträglich endgültig festgestellt.

Der vom Kläger im September 1999 vorgelegte Einkommensteuerbescheid für 1998 des Finanzamtes F. wies Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 276.356 DM aus, die sich aus dem laufenden Gewinn und einem Übergangsgewinn in Höhe von 271.689 DM zusammensetzten. Das zu versteuernde Einkommen wurde auf Null festgesetzt, weil insbesondere auch ein Verlustabzug für vergangene Jahre nach § 10 d Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 264.117 DM vorgenommen worden war. Dementsprechend erteilte der Beklagte am 14.08.2000 einen Bescheid nach § 60 a Abs. 1 BVG, durch den die einkommensabhängigen Versorgungsbezüge ab 01.01.1998 nachträglich endgültig und vom 01.01.1999 an vorläufig neu festgestellt wurden. Für das Jahr 1998 wurde ein monatliches Bruttoeinkommen aus Tätigkeit in Höhe von 23.029 DM zugrundegelegt, das zusammen mit einem Renteneinkommen aus der gesetzlichen Unfallversicherung dazu führte, dass eine Ausgleichsrente nicht mehr zustand. Es wurde eine Überzahlung in Höhe von 13.466,00 DM ermittelt, die zurückgefordert wurde.

Der Kläger erhob am 21.08.2000 gegen diesen Bescheid Widerspruch und begehrte, das im Rahmen der Ausgleichsrentenberechnung berücksichtigte zu versteuernde Einkommen für 1998 auf Null festzusetzen, wie es auch das Finanzamt getan habe. Die vermeintlich hohen Einkünfte hätten sich aus der Buchhaltungs- und Steuerermittlungsumstellung von der bisherigen Einnahmen-Überschuss-Berechnung auf Bilanzierung ergeben. Dies sei nötig gewesen, weil eine Bank zur Beurteilung einer Kreditbewilligung eine Bilanz verlangt habe. Der vorhandene Warenbestand sei in der Eröffnungsbilanz unter Einkünfte berücksichtigt, jedoch durch die Verlustvorträge der vergangenen Jahre kompensiert worden. Der Beklagte erließ am 14.02.2001 und 28.03.2001 Teilabhilfebescheide, die nicht streitgegenständliche Fragen betrafen.

Im Übrigen erging am 23.05.2001 ein zurückweisender Widerspruchsbescheid. Darin wurde ausgeführt, dass nach § 8 Abs.1 Ausgleichsrentenverordnung (AusglV) bei Einkünften aus Gewerbebetrieb die Gewinne, die der Veranlagung zur Einkommensteuer zugrundegelegt werden, als Bruttoeinkommen im Sinne des BVG anzusehen seien. Außerdem sei nach § 1 Abs.4 AusglV ein Ausgleich mit Verlusten der Vorjahre nicht möglich (so auch Urteil des Bundessozialgerichts vom 11.11.1976). Dass die Buchhaltung auf doppelte kaufmännische Buchführung umgestellt worden sei, könne nicht berücksichtigt werden.

Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 07.06.2001 zum Sozialgericht München Klage erhoben. Mit Schriftsatz vom 19.07.2001 hat er eine Stellungnahme des Steuerberaters P. vorgelegt, wonach die im Steuerbescheid 1998 ausgewiesenen Einkünfte aus Gewerbebetrieb zwei Komponenten umfassten, nämlich den sogenannten Übergangsgewinn wegen Umstellung der Gewinnermittlung von § 4 Abs.3 EStG auf § 4 Abs.1 EStG in Höhe von 271.689,66 DM und den regulären Gewinn in Höhe von 4.667,15 DM. Der Übergangsgewinn sei ein reiner Buchgewinn, der sich aus der Aktivierung von Vorräten, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen bzw. der Passivierung von Verbindlichkeiten ergebe. Zusätzliche Mittel seien dem Steuerpflichtigen in diesem Bereich nicht zugeflossen. Es sei unzutreffend, diesen Buchgewinn zur Berechnung einer Ausgleichsrente heranzuziehen.

In der mündlichen Verhandlung am 02.10.2002 haben sich die Beteiligten darüber geeinigt, dass der Abrechnungszeitraum 1999 mit dem Bescheid vom 14.02.2001 richtig abgerechnet worden sei.

Das Sozialgericht hat anschließend die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung für 1998 vom Steuerberater des Klägers beigezogen.

In der mündlichen Verhandlung am 02.07.2003 hat der Kläger beantragt, den Bescheid vom 14.08.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2001 hinsichtlich der Ausgleichsrente für das Jahr 1998 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Ausgleichsrente für dieses Jahr auf der Basis eines Jahresgewinns aus Gewerbebetrieb in Höhe von 4.667,15 DM festzustellen.

Das Sozialgericht hat den Beklagten anschließend antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestünden durchgreifende Bedenken dagegen, Gewinne, die bei der Umstellung der Gewinnermittlung von § 4 Abs.3 auf § 4 Abs.1 EStG (als sogenannte Übergangsgewinne) anfielen, im Rahmen von § 8 AusglV/§ 33 BVG zu berücksichtigen. Da in § 1 Abs.1 Satz 1 AusglV als Einkommen alle "Einkünfte in Geld oder Geldeswert" definiert würden, seien damit (verwertbare) Einkommenszuwächse im weitesten Sinn vorausgesetzt. Hierzu stünden reine Buchgewinne im Gegensatz. Auch sei die Anrechenbarkeit von Buchgewinnen mit dem Gesamtkonzept des § 33 BVG nicht vereinbar. Nur wenn Einkünfte vorlägen, die letztlich das fehlende Arbeitseinkommen eines Schwerbeschädigten kompensierten, erfolge unter Ansetzung von Freibeträgen eine entsprechende Kürzung der Ausgleichsrente. Der Übergangsgewinn habe an der Einkommenssituation des Klägers nichts geändert. Bei der bisherigen Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG hätten weder Vorräte oder Forderungen noch Verbindlichkeiten eine gewinnrelevante Rolle gespielt. Erst ihre Aktivierung im Bereich der Gewinnermittlung nach § 4 Abs.1 EStG habe den (Buch-)Gewinn geschaffen, der tatsächlich zu keiner wirtschaftlichen Besserstellung des Klägers geführt habe. Eine entsprechende Regelung sei nicht durch die Verordnungsermächtigung in § 33 Abs.5 BVG gedeckt und wäre nichtig.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 04.09.2003 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen, aus dem bereits zitierten Urteil des Bundessozialgerichts vom 11.11.1976 gehe hervor, dass der Beklagte die Gewinnfeststellung aus den Einkommensteuerbescheiden ohne eigene Prüfung zu übernehmen und zur Grundlage seiner Feststellung des Bruttoeinkommens zu machen habe. Nach § 8 Abs.1 Satz 1 AusglV seien die Gewinne, die der Veranlagung zur Einkommensteuer zugrundegelegt würden, als Bruttoeinkommen im Sinne des § 33 Abs.1 BVG bei der Berechnung der Ausgleichsrente anzusehen.

Der Senat hat die Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuerakten des Klägers vom Finanzamt F. beigezogen.

In der mündlichen Verhandlung am 17.02.2004 haben die Beteiligten einvernehmlich erklärt, dass nur der Bescheid vom 14.08.2000 streitig sei.

Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 02.07.2003 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.08.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2001 abzuweisen.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,

die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 02.07.2003 zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Rentenakte des Beklagten, die Akten des Finanzamts F. sowie die Gerichtsakten des ersten und zweiten Rechtszuges Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und erweist sich auch als begründet.

Der Beklagte hat zu Recht das Einkommen des Klägers aus Gewerbebetrieb im Jahr 1998 aus dem Einkommensteuerbescheid 1998 in Höhe von 276.356 DM entnommen und im angefochtenen Bescheid bei der Berechnung der monatlichen Ausgleichsrente gemäß § 33 BVG i.V.m. § 8 Abs.1 AusglV in der Weise berücksichtigt, dass im Jahr 1998 keine Ausgleichsrente mehr zustand.

Nach § 8 AusglV gelten bei Einkünften aus Gewerbebetrieb die Gewinne, die der Veranlagung zur Einkommensteuer zugrundegelegt worden sind, als Bruttoeinkommen im Sinne des § 33 Abs.1 BVG. Hieraus ergibt sich, dass sich das soziale Entschädigungsrecht bei der Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit voll an das Einkommensteuerrecht anlehnt und den vom Finanzamt bei der Einkommensteuerveranlagung zugrundegelegten Gewinn übernehmen darf (vgl. Förster in Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7.Auflage, RdNr.22 zu § 33 BVG). Wie sich aus der Einkommensteuerakte des Finanzamtes F. ergibt, wurde der sogenannte Übergangsgewinn in Höhe von 271.689 DM dem laufenden Gewinn in Höhe von 4.667 DM hinzugerechnet. Der Übergangsgewinn wurde nicht auf drei Jahre verteilt, sondern auf Wunsch des Klägers voll im Jahre 1998 berücksichtigt.

Es ist zwar richtig, dass der Übergangsgewinn nicht dadurch entstanden ist, dass dem Kläger im Jahre 1998 Geld oder Geldeswert zugeflossen ist; vielmehr ergibt sich dieser Gewinn aus dem Übergang von der Gewinnermittlungsart gem. § 4 Abs.3 durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung auf die Gewinnermittlungsart nach § 4 Abs.1 EStG durch Betriebsvermögensvergleich. Deshalb wurde erstmals in der Eröffnungsbilanz zum 01.01.1998 ein Warenbestand im Wert von 275.201 DM als Teil des Umlaufvermögens angegeben und es errechnete sich nach bestimmten Kürzungen ein Übergangsgewinn von rund 271.689,00 DM, der auch vom Finanzamt bestätigt wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 28.05.1968 - BFHE 92, 555 -, Urteil vom 13.09.2001 - BFHE 196, 546; Schmidt, EStG, 20. Auflage, RdNr.661 zu § 4) erhöht der Übergangsgewinn den laufenden Gewinn des Steuerpflichtigen, weil die Besteuerung bei einem Übergang von der Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG zum Bestandsvergleich nach §§ 4 Abs.1, 5 EStG so durchgeführt wird, als ob der Steuerpflichtige seinen Gewinn von Anfang an durch Bestandsvergleich ermittelt hätte. Andernfalls würden durch den Wechsel der Gewinnermittlungsart Gewinne endgültig der Besteuerung als laufende Einkünfte entgehen. Somit ist die Zunahme des Betriebsvermögens, die sich in der Zeit der Überschussrechnung gewinnmindernd auswirkte, dem Bilanzgewinn im ersten Jahr des Bestandsvergleichs zuzurechnen. Die Rechtsprechung hat zur Vermeidung von Härten die Möglichkeit von Gewinnkorrekturen in der Weise entwickelt, dass der Übergangsgewinn auf drei Jahre verteilt werden kann. Der Kläger hat von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht, weil er nach § 10 d EStG Verluste aus den Vorjahren zur Anrechnung bringen konnte. Diese Möglichkeit ist jedoch im sozialen Entschädigungsrecht nicht vorgesehen (vgl. BSG Urteil vom 11.11.1976, SozR 3100 § 40 a Nr.5). § 8 Abs.1 Satz 2 AusglV betrifft einen anderen - ebenfalls nicht erlaubten - Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkunftsarten. Somit entfällt wegen des Übergangsgewinns im Jahr 1998 der Anspruch des Klägers auf Ausgleichsrente; in den folgenden Jahren spielt der Übergangsgewinn für die Ausgleichsrente jedoch keine Rolle mehr.

Nach Auffassung des Senats ist die Regelung in § 33 BVG/§ 8 Abs.1 AusglV eindeutig so zu verstehen, dass die Versorgungsverwaltung keine eigene Prüfung der Einkommensverhältnisse insbesondere bei Selbständigen vornehmen soll. Es bleibt somit kein Raum für eine "teleologische" Auslegung des Gesetzes, wie sie das Sozialgericht München vorgenommen hat. Im Übrigen werden auch die vom Sozialgericht geäußerten Bedenken nicht geteilt, wonach die Berücksichtigung des Übergangsgewinns als Einkommen im Rahmen des § 8 AusglV systemwidrig und von der Ermächtigung in § 33 Abs.5 BVG nicht gedeckt sei. Schließlich hat der Kläger vor 1998 seine Gewinne auch dadurch verringert, dass er umfangreiche Warenvorräte angekauft hat. Nach § 4 Abs.3 EStG wurden diese Vorgänge ausschließlich unter Betriebsausgaben, also gewinnmindernd und dementsprechend die Ausgleichsrente mehrend, registriert. Da die Ansammlung von Waren jedoch zweifellos das Betriebsvermögen erhöht hat, erscheint es gerechtfertigt, bei einer Umstellung der Gewinnermittlungsart diesen Übergangsgewinn einmalig als Einkommen zu berücksichtigen.

Aus diesen Gründen war das Urteil des Sozialgerichts München aufzuheben. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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