L 5 KR 178/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 RA 300/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 178/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist Inhaber eines Planungsbüros. Bei ihm führte die Beklagte am 19.07.1996 eine Betriebsprüfung betreffend die Zeit vom 01.12.1991 bis 29.02.1996 durch. Mit Bescheid vom 31.01. 1997 stellte sie fest, dass zwei Beschäftigte, die Beigeladene zu 1) und H.L. trotz Vorliegens abhängiger Beschäftigungsverhältnisse als freie Mitarbeiter geführt wurden. Sie forderte deshalb Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung in Höhe von insgesamt 62.811,96 DM nach. Entsprechend den Aufzeichnungen des Klägers erhielt die Beigeladene zu 1) im strittigen Zeitraum bis auf den Monat September 1995 fortlaufende Bezüge wechselnder Höhe zwischen 1.093,59 DM und zuletzt im Februar 1996 4.881,87 DM.

Im Widerspruchsverfahren machte der Steuerberater des Klägers geltend, die Beigeladene zu 1), die als Zeichnerin für den Kläger tätig gewesen sei, habe keine Arbeitnehmereigenschaft besessen. Sie habe sowohl Ort und Zeitpunkt ihrer Tätigkeit selbst bestimmen können, habe keinerlei feste Arbeitszeiten und keinen Urlaubsanspruch gehabt und sei nicht in den Betrieb eingegliedert gewesen. Sie habe selbst entscheiden können, ob sie ihre Tätigkeit im Büro des Klägers oder in ihrem eigenen zu Hause eingerichteten Zeichenbüro durchführe. Sie habe monatlich entsprechend den gearbeiteten Stunden mit ausgehandelten Stundensätzen abgerechnet. Insgesamt sei die Beigeladene zu 1) daher wie ein Subunternehmer für den Kläger tätig gewesen. Laut dem vorgelegten, am 02.01.1990 geschlossenen Vertrag über freiberufliche Mitarbeit übertrug der Kläger der Beigeladenen zu 1) Zeichenarbeiten, die sie bei freier Zeiteinteilung zu vorgegebenen Terminen erbringen musste. Auf Wunsch werde ihr ein Arbeitsplatz im Büro zur Verfügung gestellt. Sollte sie die Aufträge zeitlich nicht erbringen können, könne sie Aufträge auch ablehnen. Sie erhalte eine Vergütung in Höhe von 18,00 DM pro Stunde zuzüglich Mehrwertsteuer. Sie habe keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub, im Krankheitsfall keinerlei Anspruch auf Entgelt, könne jederzeit für mehrere Firmen tätig sein und müsse für Steuern, Altersversorgung etc. selbst aufkommen. 1992 und 1995 wurde der Vertrag hinsichtlich der Vergütung abgeändert. Ausweislich der vorgelegten Stundennachweise für den Monat November in den Jahren 1992 bis 1995 hat die Beigeladene zu 1) an 16 bis 18 Tagen monatlich für unterschiedliche Projekte gearbeitet, wobei überwiegend mehr als acht Stunden täglich (bis zu 14,5 Stunden) aufgewendet worden sind. Die erhöhten Entgelte im November des jeweiligen Jahres gehen laut Steuerberater darauf zurück, dass im Dezember vermehrt Projekte zum Abschluss gebracht werden müssen.

Nach Auswertung eines von der Beigeladenen zu 1) und H.L. ausgefüllten Fragebogens wies die Beklagte den Widerspruch am 18.08.1999 zurück. Beide hätten kein Unternehmerrisiko getragen, keine Betriebs- und Produktionsmittel einsetzen müssen, hätten kein eigenes Gewerbe angemeldet, keine Gewerbesteuer bezahlt und auch keine Meldung zum Handelsregister vorgenommen. Sie seien zwar nicht an einen Arbeitsort und an Arbeitszeiten gebunden gewesen, jedoch hätten ihnen in den Geschäftsräumen des Klägers entsprechende Arbeitsplätze zur Verfügung gestanden. Die zu leistenden Arbeiten seien mit den anderen Beschäftigten abzustimmen gewesen, es seien regelmäßige Arbeitskontakte in den Räumen des Klägers durchgeführt und die gleichen Arbeiten seien auch von fest angestellten Arbeitnehmern ausgeübt worden.

Dagegen hat der Kläger am 07.09.1999 Klage erhoben. Begründet hat er seine Klage betreffend die Beigeladene zu 1) vor allem damit, dass sie bei der Durchführung von Zeichenarbeiten nicht weisungsgebunden gewesen sei. Aus der Natur der Sache, nämlich um einzelne Vorgaben aus dem Gesamtauftrag des Klägers erfragen bzw. arbeiten zu können, seien immer wieder Absprachen mit dem Büro des Klägers erforderlich gewesen, ohne dass dies Weisungen beinhaltet habe.

Mit Beschluss vom 25.01.2001 hat das Gericht die Verfahren betreffend die Beigeladene zu 1) und H.L. getrennt. Laut Mitteilung der Beklagten entfallen 26.385,23 EUR der gesamten Nachforderung auf die Beigeladene zu 1).

Im Erörterungstermin am 23.01.2002 hat die Beigeladene zu 1) u.a. angegeben, jeweils zu 50 % zu Hause und im Büro des Klägers gearbeitet zu haben. Den eigenen PC habe sie auch steuerlich als Betriebsmittel abgesetzt. Die Software sei zumindest zum Teil ihre eigene. Ein Auftrag habe regelmäßig mehrere Monate gedauert, wobei es jedoch auch wochenweise Zeiten gab, in denen sie keine Aufträge hatte. Weitere Aufträge habe sie nur 1991/1992 für die Firma I. angenommen.

Mit Urteil vom 30.07.2002 hat das Sozialgericht Augsburg die Klage gegen den Bescheid vom 31.01.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.1999 hinsichtlich der Beitragsnachforderung, die die Beigeladene zu 1) betrifft, abgewiesen. Die Beigeladene zu 1) sei als Beschäftigte anzusehen, weil sie ausschließlich bzw. ganz überwiegend für den Kläger als Zeichnerin tätig gewesen sei. Der Umstand, dass nahezu jeder Monat eine Vergütung aufweise, spreche für eine regelmäßige Arbeit und die Umgehung einer abhängigen Beschäftigung durch den Abschluss eines Vertrags über eine sog. freie Mitarbeit. Sie sei stark an den Betrieb des Klägers gebunden gewesen, weil sie fast ausschließlich für diesen gearbeitet, teilweise im Büro des Klägers, und von diesem einen Teil der Zeichensoftware gestellt bekommen habe. Ihre Tätigkeit sei auch durchaus der einer sonst vom Kläger angestellten Zeichnerin vergleichbar. Von einer ernsthaften Ausschlagung im Sinne einer freien Gestaltung der Art der Arbeit könne nicht gesprochen werden. Die persönliche Abhängigkeit ergebe sich daraus, dass die Zeichenarbeiten dem Betriebszweck dienten und Teil des übergeordneten Planungsauftrags waren, den der Kläger gegenüber einem Dritten zu erfüllen hatte. Ein eigenes Unternehmerrisiko sei nicht erkennbar. Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 20.08.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.09.2002 Berufung eingelegt. Er hat geltend gemacht, der Vertrag über die freie Mitarbeit sei tatsächlich in die Praxis umgesetzt worden. Die Beigeladene zu 1) sei nicht persönlich abhängig und keinem Direktionsrecht des Klägers unterworfen gewesen. Aus der Ähnlichkeit mit einer Zeichnerin in abhängiger Beschäftigung dürften keine Schlüsse gezogen werden. Sie sei nicht in die Betriebsorganisation eingegliedert und ihre Arbeit sei nicht fremdbestimmt gewesen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.07.2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31.01.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.08.1999 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.07.2002 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Augsburg sowie der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.07.2002 ist ebenso wenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 31.01. 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.1999, soweit er Beiträge in Höhe von 51.605,02 DM bzw. 26.385,23 EUR nachfordert. Die Forderung ist berechtigt, weil die Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 01.12.1991 bis 29.02.1996 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zum Kläger gestanden hat.

Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung knüpft an die "entgeltliche Beschäftigung" an (§ 5 Abs.1 Ziffer 1 SGB V, § 20 Abs.1 Ziffer 1 SGB XI, § 1 Abs.1 SGB VI, § 25 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im strittigen Zeitraum ist § 7 Abs.1 SGB IV in seiner bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nichtselbständigkeit ist das rechtlich entscheidende Merkmal, das die Arbeit zur Beschäftigung im Sinn der Sozialversicherung macht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte und eigener Betriebsmittel, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (BSG, Urteil vom 19.08.2003, Az.: B 2 U 38/02 R m.w.N., BSG NJW 1994, 2974).

Das Sozialgericht hat im angegriffenen Urteil zutreffend dargestellt, dass die Merkmale des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses überwiegen. Der Senat folgt diesbezüglich den Gründen des erstinstanzlichen Urteils und sieht gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend ist auszuführen, dass die behauptete Weisungsfreiheit durch die Benutzung von Hard- und Software des Klägers in dessen Räumen relativiert ist. Auch in ihren eigenen Räumen benutzte die Beigeladene zu 1) nicht nur eigene Software. Damit war aber die Art der Erbringung der Arbeitsleistung eindeutig vorgegeben (ebenso BSG, SozR 3-2400 § 7 SGB IV Nr.15, S.46).

Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten war die Beigeladene zu 1) in der Gestaltung ihrer Arbeitszeit nicht frei. Zwar konnte sie selbst entscheiden, ob und in welchem Umfang sie für den Kläger arbeiten wollte. Sie war nicht verpflichtet, über das von ihr übernommene Pensum hinaus Arbeit in größerem Umfang und zu bestimmten Zeiten zu leisten. Sie konnte ihre Arbeit aber nur im einvernehmlich festgelegten zeitlichen Rahmen erbringen, der durch die betrieblichen Erfordernisse des Klägers bestimmt wurde und teilweise Arbeitszeiten von 14,5 Stunden täglich erforderte. Besonders deutlich wird die Abhängigkeit durch die Ausweitung der Arbeitszeit in den Novembermonaten, als der Kläger vermehrt Projekte zum Abschluss bringen musste. Von einer freien Gestaltung der Arbeitszeit kann daher nicht ausgegangen werden (ebenso BSG a.a.O., S.46 f). Zudem hat der Kläger über die Arbeitskraft der Beigeladenen zu 1) zumindest in der Zeit ab 1992 vollständig verfügt. Dies ergibt sich aus der Aussage der Beigeladenen zu 1), sie habe lediglich 1991/1992 für einen weiteren Auftraggeber gearbeitet; später wären ihr dann weitere Aufträge zu viel gewesen. Die hierfür maßgeblichen Motive der Beigeladenen zu 1) sind unwesentlich. Entscheidend ist, dass mit der Auftragsübernahme auf Wochen und Monate hinaus vollständig über die Arbeitsleitung der Beigeladenen zu 1) verfügt war, so dass ihr keinerlei Gestaltungsspielraum zukam (vergleichbar BSG, Urteil vom 19.08.2003, Az.: B 2 U 38/02 R).

Dass die Beigeladene zu 1) keinen festen Arbeitsplatz im Büro des Klägers hatte und hierauf auch entsprechend dem Vertrag keinen Anspruch hatte, ist von untergeordneter Bedeutung, nachdem auch Heimarbeiter, die ausschließlich zu Hause arbeiten, als Beschäftigte gelten (§ 12 Abs.2 SGB IV).

Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Beigeladene zu 1) nach ihrem Zeitaufwand bezahlt wurde und wochenweise keine Aufträge zu bearbeiten hatte. Die Art der Entlohnung kann jedoch nicht isoliert betrachtet werden (BSG in SozR 3-2400 § 7 SGB IV Nr.15). Als gewichtiges Indiz für die selbstständige Arbeit verbleiben sonach das Fehlen eines Wettbewerbsverbots und der Pflicht zur persönlichen Arbeitsleistung. Dass die Beigeladene zu 1) vom letzteren Recht tatsächlich Gebrauch gemacht hat, ist bislang nicht vorgetragen worden. Schließlich hatte sie auch keinen Anspruch auf Entgelt bei Schlechtleistung.

Demgegenüber überwiegen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung. Genannt wurde bereits die Verwendung von Arbeitsmitteln des Klägers, wofür von diesem kein Nutzungsentgelt erhoben wor- den ist. Zumindest ab 1992 war die Beigeladene zu 1) ausschließlich für den Kläger tätig. Dadurch hatte sie keine nennenswerten Möglichkeiten, durch eigene unternehmerische Initiative den Kun- denkreis zu erweitern. Die nahezu durchgehenden monatlichen Bezüge der Beigeladenen zu 1) beweisen, dass sie in einer für Arbeitnehmer typischen Regelmäßigkeit für den Kläger gearbeitet hat. Auch die abhängig beschäftigten Zeichner des Klägers haben projektbezogen gearbeitet. Ihre Arbeit war ebenso wie die der Beigeladenen zu 1) Teil eines übergeordneten Planungsauftrags, den allein der Kläger nach außen zu vertreten hatte. Schließlich hat die Beigeladene zu 1) weder eigenes Wagniskapital eingesetzt noch bestand die Gefahr, dass sie für ihre Arbeit nicht bezahlt wurde. Nicht zu übersehen ist, dass die Beigeladene zu 1) wirtschaftlich weitgehend abhängig und ihr sozialer Status nach dem Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und der praktischen Handhabung derjenigen eines Arbeitnehmers vergleichbar war. Ob der am 02.01.1990 datierte Vertrag tatsächlich zu diesem Zeitpunkt geschlossen oder unzulässigerweise vordatiert worden ist - wofür gewichtige Verdachtsmomente sprechen - spielte für die Entscheidung keine Rolle. Vertragliche Abreden der behaupteten Art können auch mündlich getroffen werden.

Nach allem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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