L 14 RA 93/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RA 1001/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RA 93/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 137/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 30. März 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1943 geborene Klägerin hat nach ihren Angaben den Beruf einer Arzthelferin (W.-Schule, M.) gelernt und als solche bis 13.07.1979 Pflichtbeiträge entrichtet. Anschließend ließ sie sich als Heilpraktikerin ausbilden; insoweit sind im Kontenspiegel vom Mai 1998 für den Zeitraum vom 14.07.1979 bis 31.01.1981 Anrechnungszeiten gespeichert. Danach war sie als selbständige Heilpraktikerin tätig ohne weiteres Beitragsaufkommen.

Der am 29.09.1997 gestellte Antrag auf Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit war mit dem Vermerk "kein Rentenanspruch, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen fehlen" versehen. Gleichwohl bestand die Klägerin auf der Durchführung des Rentenverfahrens, da sie an einem Pockenimpfschaden leide, dessen Entschädigung sie im Dezember 1996 beantragt habe, und auf Grund dessen bereits im Zeitraum der Jahre 1976 bis 1978 Beschwerden aufgetreten seien.

Auf den Versuch der Beklagten, frühere ärztliche Unterlagen zu ermitteln, teilte die Klägerin mit, sie habe nicht in ärztlicher Behandlung gestanden, dies sei auch nicht nötig gewesen, da sie sich als Heilpraktikerin selbst behandelt habe. Gleichwohl ließ die Beklagte eine Untersuchung durch den Internisten Dr.W. durchführen, der am 13.01.1998 keinerlei Leistungsfähigkeit mehr feststellte. Daraufhin erließ die Beklagte den Ablehnungsbescheid vom 27.01.1998 mit der Begründung, zwar liege seit Antrag Berufsunfähigkeit vor - nicht jedoch Erwerbsunfähigkeit wegen der selbständigen Tätigkeit -, aber es fehle an den besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 30.07.1998).

Im Klageverfahren beharrte die Klägerin auf ihrem Rentenbegehren, da sie schon seit 1976 an einem chronischen Erschöpfungssyndrom leide und seit Januar 1998 eine Schwerbehinderung anerkannt sei (GdB 60 v.H.). Sie vertrat die Auffassung, dass sämtliche Gutachten, die im Schwerbehindertenverfahren (S 24 SB 878/98) und im Impfschadensverfahren (S 29 VJ 1/98) gefertigt worden seien, beizuziehen und die bisherigen Gutachter auch zur Berentungsfrage anzuhören seien.

Das Sozialgericht beauftragte Dr.K. mit Aktenlage-Begutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet mit der Fragestellung, welche Gesundheitsstörungen bei der Klägerin seit Juni 1983 vorlägen. Unter ausführlicher Auswertung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen vertrat dieser im Gutachten vom 18.01.2001 die Auffassung, dass die Krankengeschichte weder Anhaltspunkte für eine peripher neurologische noch für eine zentral neurologische Komplikation nach Pockenschutzimpfung biete. Allerdings könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich im Laufe der 90iger Jahre bei der Klägerin offensichtlich die Überzeugung entwickelt habe, an Gesundheitsstörungen zu leiden, die mit der Pockenschutzimpfung zusammenhingen. Es sei durchaus möglich, dass sich hieraus in der Zwischenzeit ein sozialmedizinisch relevantes Krankheitsbild entwickelt habe mit zunehmender Fixierung, an einem solchen Krankheitsbild zu leiden. Genauere Angaben seien allerdings, insbesondere in zeitlicher Hinsicht nicht möglich. Jedenfalls hätten bei der Klägerin zum Juni 1983 keine nervenärztlichen Gesundheitsstörungen vorgelegen und keine funktionelle Einschränkung der Einsatzfähigkeit im Erwerbsleben bestanden.

Mit Gerichtsbescheid vom 30.03.2001 wies das Sozialgericht die Klage ab.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rentenbegehren weiter.

Auf den Hinweis des Senats, dass nach dem schlüssigen Gutachten des Dr.K. keine Beweisaufnahme beabsichtigt sei, benannte die Kläger-Seite zunächst Frau Dr.A. , danach Dr.R. als Ärzte des Vertrauens, beide lehnten jedoch eine Gutachtenserstellung ab. Daraufhin machte die Klägerin eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes geltend (nunmehr auch posttraumatische iatrogene Belastungsstörungen) und verwies insoweit auf das laufende Berufungsverfahren wegen Schwerbehinderung (L 15 SB 30/01) mit internistisch-hämatologischem Fachgutachten des Prof.Dr.E. - Innenstadtklinik - vom 19.02.2003 mit der Fragestellung nach Gesundheitsstörungen ab Juli 1997. Abschließend behauptet die Klägerin, bereits 1972 habe eine Somatisierungsstörung, auch anders genannt "Lambert-Eaton myasthenisches Syndrom" vorgelegen mit rascher Erschöpfung bei Anstrengung, so dass der Versicherungsfall schon 1972 eingetreten sei.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 30.03. 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 27.01.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Antrag Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie wendet ein, dass ein objektivierbarer Nachweis für ein gemindertes Leistungsvermögen vor 1984 nicht erbracht sei.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Rentenakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vor. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird wegen der Einzelheiten, insbesondere hinsichtlich des Vortrags der Klägerseite, hierauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 ff. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Bei einem im Jahre 1997 gestellten Rentenantrag hat Anspruch auf Rente, wer die allgemeine Wartezeit von 60 Kalendermonaten erfüllt hat, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt und berufs- oder erwerbsunfähig ist (vgl. §§ 43, 44 in den bis 31.12.2000 geltenden Fassungen des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI - a.F.). Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt werden; fehlt schon eine der Voraussetzungen, kann kein Rentenanspruch bestehen.

Nach dem feststehenden Versicherungsverlauf hat die Klägerin den letzten Pflichtbeitrag im Juli 1979 entrichtet. Damit fehlen bei weitem die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Da die Klägerin ab Januar 1984 keinerlei Versicherungsaufkommen nachweisen kann, erübrigt sich die lückenlose Überprüfung von Versicherungszeiten nach den §§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI a.F. bzw. § 240 Abs.2 SGB VI n.F.

Damit hätte die Klägerin ihr Rentenbegehren nur durchsetzen können, wenn ihr der Nachweis gelungen wäre, dass der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit - den der Erwerbsunfähigkeit schloss die Beklagte wegen der damals bestehenden selbständigen Erwerbstätigkeit als Heilpraktikerin zu Recht aus - bereits zur Geltung alten Rechts, also vor 1984 unter Geltung des Angestelltenversicherungsgesetzes (seit 01.01.1992 ersetzt durch das SGB VI) eingetreten wäre. Soll der Versicherungsfall schon vor langer Zeit - hier vor etwa 20 Jahren - eingetreten sein, ist es notwendig, dass fundierte medizinische Unterlagen aus der damaligen Zeit vorliegen, die durch entsprechende Sachverständige nach Aktenlage nachprüfbar ausgewertet werden können. Zu diesem entscheidungserheblichen Aufklärungsmonent konnte die Klägerin jedoch keineswegs beitragen, da sie sich nach eigenem Bekunden nicht ärztlich behandeln ließ und dies auch als nicht notwendig bezeichnete, da sie sich als ausgebildete Heilpraktikerin selbst behandelte. In diesem entscheidenden Punkt verkennt die Klägerin die allgemeinen Beweisregeln. Zur Feststellung des Eintritts einer schon damals vorliegenden rentenrelevanten Einschränkung des Erwerbsvermögens (1983) sind objektiv überprüfbare ärztliche Unterlagen erforderlich, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine erhebliche Leistungseinbuße schon damals nachvollziehbar machen. Subjektive Einschätzungen und Behauptungen genügen umso weniger, als nicht einmal nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung die bloße Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit im Sinne der überwiegenden Wahrscheinlichkeit oder hohen Wahrscheinlichkeit ausreichen. Die Beweislosigkeit für den Eintritt einer relevanten Minderung des Erwerbsvermögens für das Jahr 1983 trägt die Klägerin.

Da das nach Auffassung des Senats sehr sorgfältige und schlüssige Aktenlagegutachten des Dr.K. nicht einmal Zweifel am uneingeschränkten Leistungsvermögen der Klägerin zum 1. Juni 1983 aufkommen ließ und die angesprochenen Ärzte des Vertrauens sich weigerten, eine Aktenlagebegutachtung vorzunehmen, trägt die Klägerin die Folgen der Beweislosigkeit eines früher eingetretenen Versicherungsfalles. Dabei ist die in jüngerer Zeit eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustandes rechtlich ebenso ohne Belang wie das Ergebnis des internistisch-hämatologischen Fachgutachtens des Prof.Dr.E. vom 19.02. 2003 im Schwerbehindertenverfahren, da die Fragestellung auf die Zeit ab Juli 1997 begrenzt ist.

Im Übrigen wird die Klägerin darauf hingewiesen, dass es für sie - ebenso wie für jeden/jede sonstigen/sonstige Versicherten/Versicherte mit vergleichbarem Versicherungsleben - erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres zu einer Rentengewährung kommen kann (Regelaltersrente).

Nach alldem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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