L 20 RJ 450/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 RJ 132/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 RJ 450/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.07.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1945 geborene Kläger hat den Beruf eines Brauers und Mälzers erlernt (Prüfung 1962). Er war ab 1974 mit Unterbrechungen bis 1995 als LKW-Fahrer und Busfahrer versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Auskunft der AOK Mittelfranken bestand seit 27.02.1996 Arbeitsunfähigkeit (mit Krankengeldbezug vom 09.04.1996 bis 16.02.1997); seit 17.02.1997 bezog der Kläger Leistungen nach dem AFG.

Am 30.04.1996 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte ließ ihn untersuchen durch den Chirurgen Dr. G. und den Sozialmediziner Dr.W ... Diese kamen zu dem Ergebnis, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch bis mittelschwere körperliche Arbeiten in Vollschicht verrichten könne; auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Busfahrer sei weiterhin zumutbar. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 02.07.1996 ab, da der Kläger weder berufs- noch erwerbsunfähig sei. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, der nicht näher begründet wurde. Die Beklagte holte eine Auskunft von der Firma Omnibus-W. in H. ein und wies den Widerspruch mit Bescheid vom 22.01.1997 zurück. Der Kläger sei weiterhin in Vollschicht einsatzfähig als Busfahrer wie auch sonst für leichte und mittelschwere Arbeiten.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 24.02.1997 Klage beim Sozialgericht Nürnberg erhoben. Er leide insbesondere unter Gesundheitsstörungen des orthopädischen Fachgebiets, auch bestünden Ganzkörperschmerzen; er sehe sich nicht mehr in der Lage, irgend eine Erwerbstätigkeit in Vollschicht auszuüben. Das SG hat Befundberichte des Allgemeinarztes Dr.S. , des Orthopäden Dr.P. , des Nervenarztes Dr.R. und des Internisten und Rheumatologen Dr.C. zum Verfahren beigenommen. Auf Veranlassung des SG hat der Orthopäde Dr.S. das Gutachten vom 12.01.1999 erstattet und den Kläger bei den im Einzelnen beschriebenen Befunden für fähig erachtet, in Vollschicht leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zu leisten. Zu dem gleichen Ergebnis kam der Internist und Sozialmediziner Dr.G. im Gutachten vom 22.04.1999. Ein Einsatz des Klägers als Busfahrer oder in der Personenbeförderung komme jedoch nicht mehr in Betracht. Auf Antrag des Klägers hat der Internist und Rheumatologe Prof.Dr.K. das weitere Gutachten vom 01.02.2000 erstattet. Angesichts des erheblichen subjektiven Krankheitsgefühls, der orthopädischen Erkrankung sowie einer anzunehmenden Schädigung der peripheren Nerven, insbesondere der oberen Extremität, sei dem Kläger nur eine halb- bis untervollschichtige Tätigkeit (vier bis unter acht Stunden täglich) zumutbar. Der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten möglichst in wechselnder Körperhaltung verrichten; ein weiterer Einsatz als Busfahrer verbiete sich wegen der dabei anfallenden länger dauernden Zwangshaltungen. Sowohl Dr.G. wie auch Prof.K. sind in ergänzender Stellungnahme zu ihrem Gutachten bei ihrer Leistungseinschätzung verblieben.

Mit Urteil vom 04.07.2001 hat das SG die Klage - gerichtet auf Gewährung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit - abgewiesen. In der Leistungsbeurteilung ist das SG im Wesentlichen dem Gutachten von Dr.G. gefolgt. Prof.Dr.K. habe seine Leistungseinschätzung beim Kläger überwiegend auf subjektives Krankheitsempfinden gestützt; die objektiven Leistungsdaten sprächen allerdings gegen eine wesentliche Leistungsminderung. Im Übrigen habe Prof.Dr.K. bei der Leistungsbeurteilung auch die geringen Chancen des Klägers am Arbeitsmarkt herangezogen. Der Kläger sei nach seinem Berufsweg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, ohne dass es der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit bedürfe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 31.07.2001 beim SG Nürnberg eingegangene Berufung des Klägers. Dieser verlangt weiterhin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit unter Hinweis auf seine multiplen Gesundheitsstörungen. Der Kläger hat Berichte des Radiologen Dr.H. , des Waldkrankenhauses St. M. , E. und der Medizinischen Klinik III mit Poliklinik der Universität E. vorgelegt. Der Senat hat Befundberichte des Orthopäden Dr.P. und des Allgemeinarztes Dr.S. , jeweils mit weiteren ärztlichen Unterlagen, zum Verfahren beigenommen. Auf Veranlassung des Senats hat der Internist und Arbeitsmediziner Dr.S. das Gutachten vom 22.04.2003 nach ambulanter Untersuchung des Klägers erstattet. Er hat als Diagnosen genannt:

- Adipositas (Übergewicht 25 kg), Bluthochdruck,
- Hyperurikämie mit wiederholter Arthritis urica, Leberzell schaden,
- Chondropathia der Kniegelenke,
- posttraumatische Handgelenksarthrose rechts,
- degeneratives HWS- und LWS-Syndrom bei leichtgradiger Fehlhaltung ohne Nervenwurzelreizerscheinungen,
- leichte chronisch-obstruktive Lungenerkrankung.

Dem Kläger seien noch leichte Arbeiten, möglichst im Wechselrhythmus, in Vollschicht bei durchschnittlicher Belastung und betriebsüblichen Pausen möglich. Hinsichtlich der Wegefähigkeit bestünden keine Einschränkungen. Als Busfahrer sollte der Kläger nicht mehr arbeiten; es kämen für ihn aber Arbeiten als Pförtner, Kommissionierer, Materialausgeber u.ä. infrage. Die Leistungseinschränkung auf nur leichte Tätigkeiten könne behoben werden innerhalb eines Zeitraums von acht Wochen durch eine adäquate Blutdruckeinstellung. In Kenntnis dieses Gutachtens hält sich der Kläger für berufsunfähig als Busfahrer. Das Gericht hat eine weitere Auskunft der Firma Omnibus-W. vom 21.07.2003 eingeholt. Der Kläger sei Omnibusfahrer vorwiegend im Linienverkehr gewesen, wobei eine zehnjährige Fahrerpraxis vorausgesetzt worden sei; im Übrigen habe der Kläger keine Ausbildung als Facharbeiter benötigt. Der Kläger hat schließlich Originalversicherungsunterlagen für die Zeit ab 1982 vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung hat er Arztbriefe von Dr.P. und Dr.W. übergeben.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.07.2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 02.07.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.01.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, ab dem 01.04.1996 zu zahlen. Hilfsweise beantragt er die Einholung eines weiteren fachorthopädischen Gutachtens von Amts wegen im Hinblick auf die heute vorgelegten Arztberichte.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakte des SG Nürnberg vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig.

Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich als nicht begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs 2 SGB VI und auch nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs 2 SGB VI, jeweils in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung, ist und dass ihm entsprechende Rente nicht zusteht. Es hat sich in der Leistungsbeurteilung dem Gutachten des Internisten und Sozialmediziners Dr.G. angeschlossen und hat sich darüberhinaus ausführlich mit den subjektiven und objektiven Aussagen aller weiteren Gutachter auseinandergesetzt. Es hat den Kläger nach seinem bisherigen Beruf ersichtlich als einfach angelernten Arbeiter (nach dem vom BSG entwickelten Mehrstufenschema) beurteilt, der auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen ist, ohne dass es der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit bedarf.

Die weitere Beweisaufnahme und die Begutachtung des Klägers im Berufungsverfahren durch Dr.S. hat dieses vom SG gefundene Ergebnis in vollem Umfang bestätigt. Auch Dr.S. hat den Kläger für fähig erachtet, zumindest leichte Arbeiten, möglichst im Wechselrhythmus, in Vollschicht zu leisten. Er hat eine Anhebung des Leistungsvermögens auf mittelschwere Arbeiten jedoch bei adäquater, medikamentöser Blutdruckeinstellung innerhalb von ca. acht Wochen für erreichbar gehalten. Dr.S. hat die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen des internistischen wie auch des orthopädischen Fachgebiets ausführlich und zutreffend beschrieben und bewertet. Danach hat sich das vorstehend beschriebene Leistungsbild für körperlich leichte Arbeiten ergeben, das keine Einschränkung der betriebsüblichen Arbeitszeit vorsieht. Der Kläger soll keine Arbeiten unter Einwirkungen von atemwegsreizenden Stoffen verrichten und soll auch nicht in Wechsel- oder Nachtschicht tätig sein; er soll zudem nicht lang dauernden körperlichen Zwangshaltungen (wiederholtes Bücken, Hocken oder Knien) ausgesetzt sein und Heben und Tragen schwerer Lasten vermeiden (was ohnehin in der Beschränkung auf leichte körperliche Arbeiten zum Ausdruck kommt). Als Busfahrer soll der Kläger zwar nicht mehr eingesetzt werden, der ärztliche Sachverständige hat jedoch eine Reihe anderer Berufstätigkeiten (von nicht völlig untergeordneter Bedeutung) benannt, die dem Kläger nach seinem körperlichen Befinden noch zumutbar sind. Der Senat schließt sich der Leistungsbeurteilung durch Dr.S. an, da dieser als erfahrener Sachverständiger, insbesondere auch für arbeitsmedizinische Fragen, sein Ergebnis schlüssig und überzeugend begründet hat. Dem SG ist auch darin zuzustimmen, dass der Kläger nach seinem beruflichen Werdegang und seinem "bisherigen Beruf" als einfach angelernter Arbeiter auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar ist. Der Kläger hat keine Ausbildung im Fahrerberuf zurückgelegt, insbesondere nicht die zweijährige Ausbildung zum Berufskraftfahrer durchlaufen. Er war von 1982 bis 1992 bei der Firma P. in H. beschäftigt und im Berufs- und Schüler-Linienverkehr sowie im Ausflugsverkehr eingesetzt; seine tarifliche Einstufung bei dieser Firma ist nicht mehr bekannt (der Unternehmer ist verstorben). Bei der Firma W. in H. war der Kläger nur von September 1994 bis Januar 1995 als Omnibusfahrer eingesetzt. Bei der Einstellung wurde offenbar vorausgesetzt, dass er über zehnjährige Fahrerpraxis verfügte (Auskunft der Firma an die Beklagte vom 19.08.1996 und weitere Auskunft im Berufungsverfahren vom 21.07.2003). Sonstige Einstellungsvoraussetzungen wurden nicht gefordert; für die Einweisung in den Linienverkehr hat eine Zeit von ca. 14 Tagen ausgereicht. Der Kläger kann demnach einem geprüften Berufskraftfahrer nicht gleichgesetzt werden, was für sich allein ebenfalls noch nicht Facharbeitereigenschaft begründen würde (Urteil des BSG vom 01.02.2000, Az: B 8 Kn 5/98). Bei vollschichtigem Leistungsvermögen und fehlendem Facharbeiterschutz ist der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, ohne dass eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen ist. Die qualitativen Einschränkungen beim Kläger rechtfertigen nicht die Annahme einer schweren spezifischen Behinderung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen.

Die Berufung des Klägers war deshalb zurückzuweisen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass dem Kläger auch Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach der seit 2001 geltenden Rechtslage nicht zusteht.

Dem Hilfsantrag des Klägers, ein weiteres orthopädisches Gutachten von Amts wegen einzuholen, war nicht stattzugeben. Die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Arztberichte von Dr.W. und Dr.P. lassen keine auffallende Verschlimmerung im Gesamtbefinden des Klägers erkennen. Dr.P. bezieht sich in seinem Bericht vom 20.11.2003 auf die von ihm veranlasste neurologische Untersuchung durch Dr.W. am 13.11.2003. Es wurde eine mediane Protrusio diagnostiziert, mit in allen untersuchten Schichten ausreichend weitem knöchernen Spinalkanal, ohne Nachweis eines Bandscheibenvorfalls. Der Wirbelsäulenbefund des Klägers wird bei Dr.S. als "degeneratives HWS- und LWS-Syndrom bei leichtgradiger Fehlhaltung, ohne Nervenwurzelreizerscheinungen" beschrieben; bereits Dr.S. hat in seinem Gutachten vom 12.01.1999 die jetzt wieder erwähnte Protrusio im Bewegungssegment L 5/S 1 als von nur geringer erwerbsmindernder Bedeutung bezeichnet (bei weiter bestehendem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte Arbeiten). Die zuletzt vorgelegten Berichte von Dr.P./ Dr.W. wiederholen lediglich das Vorliegen bereits bekannter Befunde. Der Einholung eines weiteren fachbezogenen Gutachtens bedarf es unter diesen Umständen nicht.

Da die Berufung des Kläger zurückzuweisen war, sind außergerichtliche Kosten unter den Beteiligten nicht zu erstatten. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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