L 5 RJ 498/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 308/02 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 498/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 18. August 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit vom 01.05.1999 bis 25.04.2001.

Die Klägerin ist die Tochter der Versicherten O. J. , die 1938 geboren und am 25.04.2001 verstorben ist. Die Versicherte war kroatische Staatsangehörige und wurde von ihren beiden Töchtern zu je ½ beerbt. Die Klägerin wurde von der zweiten Tochter bevollmächtigt, Rentenansprüche geltend zu machen.

Die Versicherte, die ab 23.07.1994 Invalidenrente bezog, hat in Kroatien bis 1968 und wieder von Juni 1983 bis September 1986 mit Unterbrechungen (ingesamt 25 Monate) Versicherungszeiten zurückgelegt. Laut einer Bescheinigung des kroatischen Arbeitsamtes von Mai 1984 wurde die Versicherte seit 23.03.1984 als einstweilig nicht beschäftigt geführt. Ein Leistungsanspruch wurde verneint. Leistungen wegen Arbeitslosigkeit hat die Versicherte ab 07.12.1985 und ab 25.04. 1986 bezogen.

In Deutschland wurde die Zeit von Februar 1970 bis Juni 1981 mit Pflichtbeiträgen belegt, wobei diese ab März 1980 aus AFG-Leistungsbezug resultierten.

Der erste Rentenantrag der Versicherten vom 24.05.1999 wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 14.07.1999 wegen fehlender besonderer versicherungsrechtlicher Voraussetzungen abgelehnt. Ausgehend vom Versicherungsfall zum Zeitpunkt der Antragstellung liege auch unter Verlängerung des Fünfjahreszeitraums um kroatische Rentenbezugszeiten keine 3/5-Belegung vor.

Am 04.09.2000 beantragte die Klägerin für ihre kranke Mutter wegen absoluter Arbeitsunfähigkeit Erwerbsunfähigkeitsrente. Hierzu legte sie einen Beschluss des Zentrums für Sozialfürsorge O. vom 10. August 2000 vor, wonach die Klägerin im Verfahren des Entzugs der Geschäftsfähigkeit zum vorläufigen Fürsorger bestellt wurde. Mit Schreiben vom 12.09.2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, es verbleibe bei dem Bescheid vom 14.07.1999, weil die gesetzlich geforderten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

Dem widersprach die Klägerin am 17.10.2000, legte medizinische Unterlagen von August 1987 bis August 1992 vor und behauptete, das letzte Arbeitsverhältnis 1986 habe wegen Krankheit beendet werden müssen. Wegen depressiver Symptome sei ihre Mutter seit August 1987 in fortlaufender psychiatrischer Behandlung gewesen. Der erste stationäre psychiatrische Aufenthalt erfolgte vom 13.03. bis 29.03.2000 wegen paranoid psychoorganischen Syndroms und Cholelithiasis.

Von sozialmedizinischer Seite wurde dazu ausgeführt, der tatsächliche Rentenbeginn 1994 in Kroatien spreche gegen einen Versicherungsfall bereits 1986. Ein Formblattgutachten sei notwendig.

Im Formblattgutachten JU 207 vom 22.03.2001 heißt es, die Versicherte stehe seit Februar 2001 fast kontinuierlich in stationärer psychiatrischer Behandlung, sei vorher auch von Juli bis September 2000 stationär behandelt worden und wegen eines schweren paranoid psychoorganischen Syndroms und Kachexie seit Januar 2001 erwerbsunfähig. Es wurde die Krankengeschichte ab April 2000 und ein psychologischer Befund vom 23.07.1993 vorgelegt. Danach bestehe eine ausgeprägte unterdurchschnittliche Intelligenz mit Indikatoren eines organischen Psychosyndroms und einer manifesten neurasthenisch depressiven Symptomatologie und Ängstlichkeit und die Patientin sei zu einer systematischen Arbeit nicht fähig. Nach Ansicht des Beratungsdienstes der Beklagten ist eine Vorverlegung des Versicherungsfalls nicht zu begründen.

Mit Bescheid vom 20.11.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ausgehend vom Versicherungsfall am 24.05.1999 lägen die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vor.

Diesen Bescheid hat die Klägerin zusammen mit Abdrucken ihrer Widerspruchsbegründung an das Sozialgericht Landshut übersandt. Dort ist er am 27. Februar 2002 eingegangen. Mit einer am 18.02.2003 beim Sozialgericht eingegangenen Erklärung hat sie bestätigt, Klage erheben zu wollen. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18.08.2003 zurückgewiesen. Es bestehe kein Anhaltspunkt für den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit vor 1988.

Gegen den am 22.08.2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 16.09.2003 Berufung eingelegt und geltend gemacht, der Versicherungsfall sei bereits vor 1988 eingetreten. Sie hat eine ärztliche Bescheinigung aus dem Waldkrankenhaus S. vom 16.03.1987 betreffend einen Aufenthalt am 29.10.1975 und eine Bescheinigung vom 29.03.1984 vorgelegt, wonach die Versicherte ab 29.12.1982 als arbeitslos gemeldet war. Ausweislich des kroatischen Rentenbescheids vom 17.11.1994 hat die Versicherte am 27.03.1987 Rentenantrag gestellt. Erwerbsunfähigkeit ist ab 23.07.1993 entsprechend einem Gutachten vom 24.10.1994 bejaht worden. Das Krankenhaus S. hat nach Aufforderung den vorhandenen Kurzbefund vom 30.10.1975 übersandt, der eine gynäkologische Untersuchung zum Gegenstand hat und den Vermerk enthält, die Versicherte habe fluchtartig die Klinik verlassen.

Die Klägerin beantragt: 1. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 18.08.2003 wird aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, ab 01.05.1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 18.08.2003 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Landshut sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 18.08.2003 ist ebenso wenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 12.09. 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2001. Die Klägerin kann keinen Anspruch ihrer Mutter geltend machen. Zweifellos war diese ab Antragstellung im Mai 1999 erwerbsun- fähig. Für eine Rentengewährung fehlen hingegen die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.

Eine sachliche Entscheidung über den Anspruch ist möglich, obwohl die Klägerin den ausdrücklichen Wunsch auf eine Entscheidung des Sozialgerichts erst am 18.02.2003, über ein Jahr nach der Übersendung des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2001, geäußert hat. Aus der Übersendung von Kopien aus dem Widerspruchsverfahren, wie sie innerhalb der Klagefrist am 27.02.2002 erfolgt ist, kann nicht ohne weiteres entnommen werden, dass die Klägerin eine gerichtliche Überprüfung erstrebte. Anders als im Berufungsverfahren kann aber auch noch nachträglich verdeutlicht werden, dass und wer Klage eingereicht hat (Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 7. Auflage, § 90 Rdzr.5a mit weiteren Nachweisen). Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass der Umschlag, mittels dessen die Kopien übersandt worden sind, einen handschriftlich verfassten Absender enthielt. Dieser ist in den Akten nicht vorhanden.

Die Aktivlegitimation der Klägerin ist unstreitig. Als Rechtsnachfolgerin der Versicherten kann sie im eigenen Namen und im Namen ihrer miterbberechtigten Schwester die Ansprüche der Versicherten bis zu deren Tod geltend machen. Die Klägerin und ihre Schwester sind als die einzigen Kinder der im Zeitpunkt des Todes geschiedenen Versicherten deren Sonderrechtsnachfolger gemäß § 56 Abs.1 Nr.2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I -. Die Klägerin ist damit berechtigt, den streitigen Rentenanspruch zu dem ihr zustehenden Anteil (§ 56 Abs.1 Satz 2 SGB I) im eigenen Namen geltend zu machen und ebenso im Wege der Prozessstandschaft gemäß notarieller Urkunde vom 31. Juli 2001 den Anspruchsanteil ihrer Schwester.

Prüfungsmaßstab für einen Rentenanspruch der Verstorbenen ist § 44 SGB X, nachdem der Rentenantrag der Versicherten vom 24.05.1999 mit Bescheid vom 14.07.1999 bestandskräftig abgelehnt worden ist. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs.1 Satz 1 SGB X). Zutreffend hat es die Beklagte abgelehnt, den Bescheid vom 14.07.1999 zurückzunehmen. Der Bescheid ist rechtmäßig.

Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 maßgeblichen Fassung in Betracht. Danach steht Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu, wenn ein Versicherter erwerbsunfähig ist, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt hat und vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt hat (§ 44 Abs.1 SGB VI a.F.). Unstreitig war die Versicherte zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung am 24.05.1999 erwerbsunfähig und hatte auch die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt. Von den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung sind jedoch nicht mindestens drei Jahre mit Pflichtbeiragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt. Im maßgebenden Fünfjahreszeitraum vom 24.05.1994 bis 23.05.1999 sind keinerlei Pflichtbeiträge entrichtet worden. Der letzte Pflichtbeitrag in Deutschland endet am 15.06.1981, nach kroatischen Rechtsvorschriften anrechnungsfähige Versicherungszeiten liegen bis 15.09.1986 vor.

Zwar wird der Zeitraum von fünf Jahren durch Zeiten des Rentenbezugs in Kroatien ab 23.07.1994 verlängert. § 44 Abs.1 Ziffer 2 in Verbindung mit Abs.4 und § 43 Abs.3 SGB VI a.F. sahen ebenso wie die vergleichbaren aktuellen Rechtsnormen vor, dass der Fünfjahreszeitraum durch bestimmte Tatbestände verlängert wird. Wegen der in Artikel 26 Abs.2 des deutsch-kroatischen Abkommens enthaltenen Gleichstellung zählt hierzu auch die kroatische Invalidenrente. Dadurch verlängert sich der Fünfjahreszeitraum wegen des Rentenbezugs vom 23.07.1994 bis 23.05.1999 bis zu dem Zeitraum vom 01.06.1989 bis 23.05.1999. Auch in diesem Zeitraum sind jedoch keine Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden.

Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit sind für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt oder wenn die Erwerbsunfähigkeit vor dem 01.01.1984 eingetreten ist (§ 241 Abs.2 Satz 1 SGB VI). In der Zeit vom 01.01.1984 bis 30.04.1999 ist nicht jeder Kalendermonat mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt; unbelegt sind zumindest die Monate April und Mai 1984, für die laut Bescheinigung des Arbeitsamts von Mai 1984 kein Leistungsanspruch ausgewiesen ist. Vergleichbare Tatbestände, die nach dem deutsch-kroatischen Sozialversicherungsabkommen die Anwartschaft erhalten, sind Zeiten, in denen Invaliditäts oder Altersrente oder Leistungen wegen Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfällen nach den Rechtsvorschriften der Republik Kroatien gezahlt wurden und Zeiten der Kindererziehung in Kroatien (Art.26 Abs.2 Satz 2 des Sozialversicherungsabkommens Kroatien vom 24.11.1997 in BGBl.II 1998, S.2034). Die Bescheinigung über eine seit 29.12.1982 bestehende Arbeitslosigkeit reicht daher nicht aus; lediglich der ab 07.12.1985 nachgewiesene Arbeitslosengeldbezug kann zur Anwartschaftserhaltung führen.

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 01.01.1984 eingetreten ist. Zwar trifft es zu, dass sich die Versicherte 1975 kurzfristig in stationärer Behandlung in Deutschland befunden hat. Aus dem Kurzbefund des Evangelischen Waldkrankenhauses S. vom 30.10.1975 ergeben sich jedoch keinerlei Hinweise auf eine dauerhafte psychische Erkrankung. Die Versicherte hat anschließend auch noch bis Februar 1980 Pflichtbeiträge auf Grund von Beschäftigungszeiten entrichtet. Anschließend folgen bis Juni 1981 keine Zeiten wegen Arbeitsunfähigkeit, sondern Pflichtbeiträge aufgrund AFG-Leistungsbezugs.

Wegen der frühen Rentenantragstellung beim kroatischen Rentenversicherungsträger am 27.03.1987 und laufender psychiatrischer Behandlungen ab August 1987 war zu prüfen, ob bei einem fiktiven Versicherungsfall zum Zeitpunkt dieser ersten Rentenantragsstellung die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt wären. Auch dies ist jedoch zu verneinen. Im danach maßgebenden Fünfjahreszeitraum vom 26.03.1982 bis 26.03.1987 hat die Versicherte lediglich 25 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Zwar wird der maßgebende Zeitraum um Zeiten des Leistungsbezugs wegen Arbeitslosigkeit vom 07.12.1985 bis 10.09.1986 um acht Monate bis zum 26.07.1981 verlängert. Währenddessen wurden jedoch keine zusätzlichen Pflichtbeiträge entrichtet. Angesichts der Bescheinigung des Arbeitsamts von Mai 1984, in der der Versicherten Arbeitslosigkeit, aber kein Leistungsbezug bescheinigt wird, scheiden die zwischen 17.06. 1983 bis Mai 1984 bestehenden Versicherungslücken als Verlängerungstatbestände aus. Es mag sein, dass die Versicherte auch in den Versicherungslücken im Januar 1985 und von April bis Juni 1985 Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bezogen hat. Wegen der geringen Anzahl von drei Monaten, um die dann im Fall der Wahrunterstellung der Fünfjahreszeitraum zu verlängern wäre, ist dies nicht entscheidungserheblich. Selbst mit den zusätzlich von April bis Juni 1981 zurückgelegten Versicherungsbeiträgen wären im Fünfjahreszeitraum die notwendigen 36 Monate an Pflichtbeiträgen nicht erreicht.

Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved