L 14 RA 133/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 47 RA 572/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RA 133/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 2. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
I. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Berechtigung der Klägerin zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit vom 01.06.1994 bis 31.12.1995.

Die 1957 geborene Klägerin, die bis Mai 1994 Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung entrichtet hatte, nahm in der Folgezeit eine selbständige Erwerbstätigkeit auf. Am 25.03.1997 stellte sie bei der LVA Oberbayern Antrag auf Entrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit ab 01.01.1996. Der Antrag wurde an die zuständige Beklagte abgegeben, die ihm mit Bescheid vom 18.04.1997 stattgab. Mit weiterem Bescheid vom 26.05.1998 stellte sie die bisher zurückgelegten Versicherungszeiten der Klägerin gem. § 149 Abs.5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) fest. Im Rahmen des hiergegen eingelegten Widerspruches beantragte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten die Zulassung zur Zahlung von freiwilligen Beiträgen auch für die Zeit vom 01.06.1994 bis 31.12.1995. Zur Begründung führte sie an, sie sei nach Beendigung der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht über die Notwendigkeit der Zahlung von freiwilligen Beiträgen zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes bei Invalidität informiert worden.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24.07.1998 ab, da die Frist für die in Frage stehende Beitragsentrichtung bereits am 31.03.1995 bzw. am 31.03.1996 abgelaufen sei.

Der am 28.08.1998 eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Er wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.1999 als verspätet zurückgewiesen: der angefochtene Bescheid sei am 24.07.1998 zur Post gegeben worden und gelte gemäß § 37 Abs.2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) als am 27.07.1998 bekanntgegeben; die sich daraus ergebende Widerspruchsfrist vom 28.07. bis 27.08.1998 sei nicht eingehalten. Darüber hinaus sei der angefochtene Bescheid aber auch in der Sache nicht fehlerhaft. Die Beklagte verwies hierzu auf § 197 Abs.2 SGB VI, wonach freiwillige Beiträge nur dann wirksam seien, wenn sie bis zum 31. März des Jahres gezahlt seien, das dem Jahr folge, für das sie gelten sollten. Die Beiträge für 1994 hätten somit spätestens bis zum 31. März 1995 und die für das Jahr 1995 bis zum 31. März 1996 gezahlt werden müssen.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter und trug u.a. vor, sie stamme aus den neuen Bundesländern, wo zur Zeit der ehemaligen DDR auch selbständig Tätige versicherungspflichtig gewesen seien. Sie sei nach Beendigung der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung im Mai 1994 bzw. bei Beginn ihrer selbständigen Tätigkeit in dem Glauben gewesen, die Versicherungsträger würden auch bei der Erhebung von Beiträgen Selbständiger von Amts wegen tätig. Da sie im Falle der Bestandskraft des ablehnenden Bescheides wegen fehlender Anwartschaft die Voraussetzungen einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht mehr erfülle, liege ein Härtefall im Sinne des § 197 SGB VI vor. Bereits jetzt sei ihre Erwerbsfähigkeit wegen gesundheitlicher Einschränkungen gefährdet.

Die Beklagte übersandte die inzwischen mikroverfilmten, sodann reproduzierten Antragsunterlagen der LVA Oberbayern von März 1997. Sie verwies darauf, dass ein Selbständiger in der ehemaligen DDR der Versicherungspflicht gemäß §§ 10, 3 Sozialversicherungsgesetz (SVG) unterlegen habe und sich zum Zwecke der Beitragsentrichtung beim Sozialversicherungsträger habe melden müssen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin sich nicht unmittelbar nach Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit bei der Beklagten gemeldet habe. Ihre Unkenntnis von der Notwendigkeit des Antrags zur Entrichtung von freiwilligen Beiträgen sei daher nicht der Beklagten anzulasten. Im Übrigen sei die Klägerin bei Antragstellung bezüglich freiwilliger Beiträge ab Januar 1996 am 25.03.1997 darüber informiert worden, dass Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsschutz nicht bestehe, wie sich aus dem handschriftlichen Vermerk des Sachbearbeiters auf dem Antragsformular "wurde darauf hingewiesen, dass ein BU/EU-Schutz nicht besteht" ergebe. Die Zulassung zur nachträglichen Beitragsentrichtung wegen eines Falles besonderer Härte komme ebenfalls nicht in Betracht, da die Klägerin nicht ohne Verschulden an einer fristgerechten Beitragszahlung gehindert gewesen sei. Ein Verschulden seitens der Rentenversicherungsträger liege nicht vor; insbesondere seien diese ihren Aufklärungspflichten nach § 13 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) durch Aufklärungsmaßnahmen über die gesetzlichen Regelungen in Sondermerkblättern, Broschüren etc. sowie durch Mitteilungen an Presse, Rundfunk und Fernsehen nachgekommen.

Das SG wies die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 02.05.2003 ab.

Es führte aus, es könne offen bleiben, ob der Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.07.1998 rechtzeitig eingelegt worden sei; der Zugang des Bescheids zu dem im Widerspruch angegebenen Zeitraum lasse sich auch nach dem Vorbringen der Beklagten nicht beweisen. Die Klägerin habe jedenfalls kein Recht auf Nachzahlung der beantragten Beiträge. Sie habe die in § 197 Abs.2 SGB VI festgelegte Frist für die freiwillige Beitragsentrichtung der Jahre 1994 und 1995 versäumt, die am 31.03.1995 bzw. 31.03.1996 abgelaufen sei. Die Klägerin habe sich erstmals am 25.03.1997 an die LVA Oberbayern gewandt und die Entrichtung freiwilliger Beiträge für die in diesem Zeitpunkt nurmehr zulässige Zeit ab 1996 beantragt. Auch die Zulassung der Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen nach Ablauf der genannten Frist wegen einer besonderen Härte im Sinne des § 197 Abs.3 SGB VI komme nicht in Betracht, denn die Klägerin habe die rechtzeitige Beitragsentrichtung nicht unverschuldet versäumt. Ihr Vorbringen, dass sie aus dem Gebiet der ehemaligen DDR stamme, erbringe dazu nichts, denn auch in der ehemaligen DDR sei gemäß §§ 3, 10 SVG bei selbständiger Tätigkeit eine Meldung vorgesehen gewesen, auch habe der Gesetzgeber keine Sonderregelungen im Rahmen des § 197 SGB VI aus dem Gesichtspunkt des Beitritts der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland getroffen. Schließlich sei die Klägerin auch nicht infolge eines Beratungsfehlers eines Versicherungsträgers, der ebenfalls ein Hinderungsgrund im Sinne des § 197 Abs.3 darstellen könne, an der rechtzeitigen Beitragszahlung gehindert gewesen. Zum einen seien die Versicherungsträger ihrer allgemeinen Aufklärungspflicht nach § 13 SGB I im Zusammenhang mit den seit dem 01.01.1992 geltenden Regelungen des SGB VI durch Aufklärungsschriften, Merkblätter und Mitteilungen durch Presse, Rundfunk und Fernsehen ausreichend nachgekommen; bei einem darüber hinausgehenden Beratungsbedarf hätten sich die Versicherten an die Beratungsstellen der Rentenversicherungsträger wenden können. Zum anderen sei ein konkreter Beratungsfehler vorliegend nicht zu erkennen. Bei den Vorsprachen bzw. Antragstellungen der Klägerin im März 1997, August 1997 und Juni 1998 seien die Fristen des § 197 SGB VI für Beitragsentrichtungen für Zeiten bis Dezember 1995 bereits abgelaufen gewesen. Im Übrigen sei die Frage der Beitragszahlung für die Zeit vor Januar 1996 bei der Antragstellung im März 1997 offensichtlich erörtert worden, was sich aus dem Vermerk auf dem Antragsvordruck ergebe, dass auf nichtbestehenden BU/EU-Schutz hingewiesen worden sei. Soweit nach allem davon auszugehen sei, dass die Klägerin aus persönlicher Unkenntnis zunächst keinen Antrag auf Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die streitige Zeit gestellt habe, sei darin kein geeigneter Hinderungsgrund im Sinne des § 197 Abs.3 Satz 1 SGB VI - selbst im Falle einer besonderen Härte - zu sehen.

Schließlich legte das SG dar, dass es sich bei den Fristen des § 197 Abs.1 bis 3 SGB VI um Ausschlussfristen handele, bei denen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht möglich sei, wie sich aus § 197 Abs.4 SGB VI ergebe. Die Anwendung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs wegen eines Beratungsfehlers, auf den sich die Klägerin noch stütze, sei neben § 197 Abs.3 SGB VI umstritten; ein solcher scheitere vorliegend jedenfalls daran, dass eine fehlerhafte Beratung nicht erkennbar bzw. nachgewiesen sei.

Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen dieses Urteil und wiederholt im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Darüber hinaus führt sie an, auf dem ihr ausgehändigten Abdruck des im März 1997 gestellten Antrags auf freiwillige Beiragszahlung sei der von der Beklagten erwähnte Vermerk über den Hinweis auf fehlenden BU/EU-Schutz nicht enthalten. Sie regt die Einvernahme des zuständigen Mitarbeiters der LVA Oberbayern an, der seinerzeit den Vermerk auf dem Antragsvordruck angebracht habe.

Die Beklagte hält dem entgegen, dass die der Versicherten ausgehändigte Kopie des Antragsvordrucks offensichtlich vor Anbringung des anschließend ebenfalls am 25.03.1997 aufgenommenen Vermerks gefertigt worden sei; es könne nicht daraus geschlossen werden, dass die Frage des fehlenden Versicherungsschutzes mit der Klägerin nicht rechtzeitig erörtert worden sei.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid vom 02.05.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin das Recht zur Zahlung von freiwilligen Beiträgen für die Zeit vom 01.06.1994 bis 31.12.1995 einzuräumen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Versichertenakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), sie erweist sich aber nicht als begründet.

Zutreffend hat das Erstgericht die Klage abgewiesen.

Die Klägerin kann nicht beanspruchen, nach Ablauf der normalen Beitragsentrichtungsfrist des § 197 Abs.2 SGB VI am 31.03.1995 bzw. am 31.03.1996 aus Gründen besonderer Härte oder wegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu der begehrten Beitragsentrichtung für die Jahre 1994 und 1995 zugelassen zu werden.

Zunächst ist der angefochtene Bescheid nicht infolge verspäteten Widerspruchs nach Ablauf der Widerspruchsfrist bindend geworden, wie das Erstgericht im Ergebnis zutreffend ausführt. Da der Zeitpunkt der Absendung des mit einfachem Brief verschickten Bescheids mangels Absendevermerk in der Akte nicht nachweisbar ist, ist die Widerspruchsfrist nicht genau berechenbar und daher auch eine Fristversäumnis durch den am 31.08.1998 eingegangenen Widerspruch nicht feststellbar.

Ein Fall des § 197 Abs.3 SGB VI liegt nicht vor. Danach ist in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei drohendem Verlust der Anwartschaft auf eine Rente, auf Antrag der Versicherten die Zahlung von Beiträgen auch nach Ablauf der in den Abs.1 und 2 genannten Fristen zuzulassen, wenn die Versicherten an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert waren; der Antrag kann nur innerhalb von drei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt werden. Es ist zwar vorliegend zutreffend, dass es durch die entstandene Beitragslücke zu einem drohenden Anwartschaftsverlust gekommen ist; ein mangelndes Verschulden der Klägerin an diesem Tatbestand bzw. an der rechtzeitigen Beitragsentrichtung für die streitigen Zeiten ist aber nicht zu erkennen. Das SG hat die entscheidenden Gesichtspunkte hierzu aufgeführt. Die Frist des § 197 Abs.2 SGB VI war bereits abgelaufen, als sich die Klägerin erstmals im März 1997 an die LVA Oberbayern wandte. Eine gesonderte Aufklärung der Klägerin über die Härtefallregelung des § 197 Abs.3 SGB VI musste zu diesem Zeitpunkt nach Auffassung des Senats nicht erfolgen. Die Klägerin hat nichts dazu vorgebracht, dass für den entgegennehmenden Sachbearbeiter Anhaltspunkte für die Voraussetzungen einer Härtefallregelung erkennbar gewesen wären. Soweit die Klägerin im Übrigen tatsächlich aufgrund falscher, noch aus der Zeit der ehemaligen DDR herrührender Vorstellungen bzw. aus Unkenntnis eine Antragstellung unterließ, hat sie die Folgen einer solchen Unkenntnis selbst zu verantworten. Eine unverschuldete Verhinderung der rechtzeitigen Beitragszahlung bzw. entsprechenden Antragstellung kann darin nicht gesehen werden.

Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch wegen eines von der Beklagten zu vertretenden Beratungsfehlers mit der Folge, dass die Klägerin so zu stellen wäre, als hätte sie die streitige Beitragsentrichtung rechtzeitig beantragt, kann - wie das Erstgericht zutreffend ausführt - nicht greifen. Unabhängig davon, ob er neben § 197 Abs.3 SGB VI überhaupt zum Tragen kommen kann, scheitert er jedenfalls am mangelnden Verschulden der Klägerin an der Einhaltung der Beitragsentrichtungsfristen des § 197 Abs.2 SGB VI.

Bei dieser Sachlage konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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