L 5 RJ 305/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 60/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 305/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27. Mai 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1958 in der Türkei geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Von dort übersiedelte sie am 01.09.1974 nach Deutschland, wo sie seither lebt. Sie verfügt über keine Berufsausbildung und war seit 03.03.1981 als ungelernte Bedienerin einer Oblaten-Stanzmaschine in der Firma K./G. beschäftigt. Am 10.12.1998 erkrankte sie arbeitsunfähig und bezog Krankengeld seit 17.01.1999. Seit 31.05.2000 ist die Klägerin arbeitslos gemeldet, das fortbestehende Arbeitsverhältnis ruht.

Nach Knieoperationen 1997 und Februar 1999 durchlief die Klägerin vom 26.10. bis 16.11.1999 ein medizinisches Heilverfahren in der J. Klinik Bad F ... Dort wurden bei einer Körpergröße von 156 cm und einem Körpergewicht von 130 kg Reizknie, LWS-Beschwerden, Bluthochdruck sowie Stoffwechselstörungen diagnostiziert. Die Entlassung erfolgte bis auf weiteres als arbeitsunfähig mit der Prognose der Wiederausübbarkeit der bisherigen Arbeit nach Besserung des Beschwerdebildes.

Am 25.04.2000 beantragte die Klägerin die streitige Rente wegen Erwerbs-/Berufsunfähigkeit (EU/BU). Nach Beiziehung der einschlägigen Befundberichte der behandelnden Ärzte und Kliniken, Einholung von Krankheitsbescheinigungen der zuständigen Krankenkasse und Beiziehung der Gutachten des Arbeitsamtsärztlichen Dienstes erstellte die Ärztin Dr.M. unter Einbezug der medizinischen Reha-Akten ein Gutachten (03.08.2000). Sie diagnostizierte Übergewicht, Kniegelenksverschleiß, Wirbelsäulensyndrom sowie Bluthochdruck und hielt die Klägerin infolgedessen für in der Lage, nur leichte, überwiegend sitzende Tätigkeiten in gut temperierten Räumen, ohne Gefährdung durch Witterungseinflüsse vollschichtig zu erbringen unter Ausschluss von Tätigkeiten mit dauerndem Gehen und Stehen, in Zwangshaltungen und taktgebundenen Arbeiten, mit häufigem Treppensteigen, Gehen auf unebenem Boden sowie im Knien. Die zumutbare Gehstrecke setzte sie mit über 500 m an. Dem folgend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.09.2000 den Rentenantrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Klägerin könne trotz der festgestellten Einschränkungen auf orthopädischem und internistischem Gebiet auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - auf welchen sie mangels Berufsschutzes zumutbar verwiesen werden könne - vollschichtig unter nur qualitativen Einschränkungen tätig sein. Auf Widerspruch holte die Beklagte ein orthopädisches Gutachten des Dr.W. (08.12.2000) ein, der zusätzlich ein chronisches Schmerzsyndrom bei lumbalem Bandscheibenverschleiß ohne neurologische Ausfälle feststellte mit im Wesentlichen unveränderter Leistungseinschätzung. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2001 wies die Beklagte dem folgend den Widerspruch als unbegründet zurück.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg (SG) hat die Klägerin beantragt, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Das SG hat nach Einholung aktueller Befund- und Behandlungsberichte ein internistisches Gutachten des Dr.S. (12.09.2001) und ein orthopädisches Gutachten des Dr.B. (23.01.2002) eingeholt. Dr.S. hat diagnostiziert:

1. leichte Lungenobstruktion bei chronischer Bronchitis,
2. Herzsensationen bei arterieller Hypertonie,
3. gastrointestinales Syndrom,
4. schluckverschiebliche Struma I bei Verdacht auf Immunthyreoiditis,
5. Adipositas permagna und
6. orthopädische Erkrankungen.

Bei einem seit dem Verwaltungsverfahren unveränderten Krankheits- und Leistungsbild hat er die Klägerin für in der Lage gesehen, nach stufenweiser Wiedereingliederung eine vollschichtige Tätigkeit für sechs und mehr Stunden täglich auszuüben unter Ausschluss von mittelschweren bis schweren Arbeiten, längeren Anmarschwegen zur Arbeit, Zeitdruckarbeiten, Arbeiten im Einzel- und Gruppenakkord, in Wechselschicht und Nachtarbeit, Arbeiten im überwiegenden Stehen und Gehen, mit Zwangshaltungen, mit Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, mit häufigem Bücken sowie Treppen- und Leitersteigen, an laufenden Maschinen sowie Tätigkeiten unter Einwirkung von Kälte und Hitze, Temperaturschwankungen, Zugluft, Nässe, Dampf, Rauch und Reizstoffen. Die nervliche Belastbarkeit sei vermindert. Die Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens sei jedoch im Wesentlichen auf orthopädischem Fachgebiet zu begründen.

Dr.B. hat diagnostiziert:

1. Lumboischialgien beidseits rechts mehr als links bei lumbaler Diskopathie sowie degenerativen Veränderungen mit beginnender Osteochondrose L 4/5 sowie Chondrose L 5/S 1,
2. Gonarthralgien beidseits links mehr als rechts, Zustand nach zweimaliger Knieoperation wegen Meniskusschaden und beginnender Gonarthrose links, anamnestisch auch Retropatellararthrose rechts, aktuell beidseits in den Kniegelenken kein messbares Funktionsdefizit,
3. leichte Lungenobstruktion bei chronischer Bronchitis,
4. Reizmagen, Ausschluss von Ulzera und einer Heliobacter-Besiedelung,
5. schluckverschiebliche Struma Grad I bei Verdacht auf Immunthyreoiditis,
6. die Belastungsfähigkeit maßgeblich einschränkende Adipositas permagna.

Bei im Wesentlichen unveränderten Befunden hat er die Klägerin für in der Lage gesehen, vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte körperliche Tätigkeiten auszuüben ohne Heben und Tragen, ohne Zwangshaltungen für Rumpf und Wirbelsäule, bei überwiegend sitzender Arbeitshaltung mit Möglichkeit zum Aufstehen und etwas Umhergehen, ohne Klettern und Steigen, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Absturzgefahr, ohne besonderen Zeitdruck, Nacht- oder Wechselschicht, nicht an laufenden Maschinen, ohne taktgebundene Arbeiten sowie Akkord, ohne Arbeiten unter ungünstigen Witterungsverhältnissen mit Einfluss von Temperaturschwankungen, Zugluft, Kälte und/oder Nässe, ohne Einfluss von Reizstoffen, Staub, Gas, Dampf und/oder Rauch sowie ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sowie keine Tätigkeiten mit hohem Publikumsverkehr. Die Wegefähigkeit hat er wegen eines nach Abschluss der Untersuchungen zu beobachtenden relativ flotten Gangbildes für nicht relevant eingeschränkt angesehen.

Mit Urteil vom 27.05.2002 hat das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, bei der Klägerin bestehe weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit, weil sie trotz der festgestellten Gesundheitsstörungen auf orthopädischem sowie internistischem Gebiet noch vollschichtig unter nur qualitativen Einschränkungen tätig sein könne. Mangels Berufschutzes könne sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden, der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedürfe es nicht. Im Übrigen könne sie nach wie vor als Oblatenschneiderin vollschichtig tätig sein, ebenso als Pförtnerin, Kassiererin in einem kleinen Hallenbad bzw. Verkäuferin von Eintrittskarten.

Die dagegen eingelegte Berufung hat die Klägerin im Wesentlichen damit begründet, dass der Sachverständige Dr.S. das Leistungsvermögen unter dem Vorbehalt einer zuvor durchgeführten Rehabilitation/stufenweiser Eingliederungsmaßnahme gestellt habe. Der Senat hat nach Beiziehung aktueller Befund-/Behandlungsberichte ein internistisches Sachverständigengutachten des Dr.E. (06.03.2003), ein nervenärztliches Gutachten des Prof.Dr.W. (07.07.2003) und gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein orthopädisch/rheumatologisch/sportmedizinisch/ schmerztherapeutisch sowie physiotherapeutisches Gutachten des Dr.R. (01.12.2003) eingeholt.

Dr.E. hat diagnostiziert:
1. chronifiziertes Schmerzsyndrom,
2. Adipositas Grad III,
3. arterielle Hypertonie,
4. Verdacht auf Asthma bronchiale bei nachweisbarer Hyperreagibilität und Pollenallergie,
5. Hypercholesterinämie,
6. heliobacter-negative Antrumgastritis sowie
nebenbefundlich Verdacht auf Autoimmunthyreopathie.

Er hat das Leistungsvermögen durch das ausgeprägte Übergewicht sowie ein chronifiziertes Schmerzsyndrom wesentlich eingeschränkt, die Klägerin jedoch für in der Lage erachtet, unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses eine Tätigkeit von acht Stunden/Tag zu verrichten. Er hat nur leichte körperliche Tätigkeiten als zumutbar angesehen unter Vermeidung von Heben und Tragen von Lasten, häufigem Bücken, Zwangshaltungen, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, unter Zeitdruck und im Akkord, mit vermehrtem Staubanfall oder der Möglichkeit, reizende Gase und Dämpfe zu inhalieren, im Freien mit Einfluss von Kälte und Nässe sowie mit häufigem Temperaturwechsel. Die Tätigkeiten sollten überwiegend im Sitzen bei gelegentlichem Positionswechsel und überwiegend in geschlossenen Räumen stattfinden. Die Wegefähigkeit hat er mit knapp über 500 m angegeben und eine Summierung außergewöhnlicher Einschränkungen verneint.

Prof.Dr.W. hat diagnostiziert:
1. chronifizierte somatoforme Schmerzstörung (ICD 10 F 45.4) mit vorwiegenden Schmerzen im Bereich der LWS mit Ausstrahlung in beide Beine ohne akute Nervenreizerscheinungen und ohne neurologische Ausfälle,
2. Gonarthrose beidseits links mehr rechts ohne messbares Funktionsdefizit,
3. Adipositas permagna,
4. arterielle Hypertonie und
5. Asthma bronchiale ohne wesentliche Obstruktion.

Er hat das Leistungsvermögen der Klägerin ebenso wie die bis dahin bestellten Sachverständigen als vollschichtig mit nur qualitativen Einschränkungen bezeichnet und Anhaltspunkte für eine quantitative Einschränkung wegen einer Erkrankung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht erkennen können. Leichte Sortier- oder Montagearbeiten hat er für zumutbar erachtet und eine Summierung außergewöhnlicher Leistungseinschränkungen verneint.

Dr.R. hat diagnostiziert:
- chronisch rezidivierende Cervikobrachialgie als Schulter-Arm-Syndrom mit nur geringen Funktionseinbußen ohne neurologische Auffälligkeiten,
- rezidivierende Lumbalgie mit gelegentlichen Ischialgien bei mäßiggradigen degenerativen LWS-Veränderungen mit deutlichen Funktionseinschränkungen ohne neurologische Auffälligkeiten,
- somatoforme Schmerzstörung sowie
- Angst- und depressive Störung.

Es bestehe eine ausgeprägte psychische Komorbidität, vor allem mit Angst und Depressionen sowie chronischer Müdigkeit bei gleichzeitig gestörtem Nachtschlaf und auch Colopathie. Ein chronisches Krankheitsverhalten habe eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik verursacht, welche sich bei einer primär asthenischen Persönlichkeitsstruktur und den lebensgeschichtlichen Belastungen akzentuiert hätte. Infolge hiervon habe die Klägerin ab Januar 2000 möglicherweise zumindest noch ein bis zwei Jahre vollschichtig tätig sein können. Das Schmerzsyndrom habe sich zunehmend chronifiziert, so dass zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung ein Zustand erreicht sei, dass die Klägerin nur noch weniger als sechs Stunden, jedoch noch mindestens vier Stunden tätig sein könne. Zumutbar sei eine Gehstrecke von max. 500 m in 15 Minuten. Eine Besserung des Gesundheitszustands sei in absehbarer Zeit nicht zu erreichen, in einem Zeitraum von zwei bis drei Jahren sei bei adäquater Therapie ein verbesserter Zustand denkbar.

Hierauf hat Prof.Dr.W. erwidert (12.01.2004), im Gutachten Dr.R. fehle die notwendige ICD-Klassifizierung, angenommen werden könne nur das Hinzutreten einer von Dr.R. neu geschilderten Angstsymptomatik, die sich in Flugangst, Höhenangst oder Klaustrophobie äußere. Diese Angstform sei jedoch für das Alltags-/Arbeitsleben nicht relevant. Im Übrigen enthalte das Gutachten Dr.R. ausführliche theoretische Darstellungen zur Entwicklung einer Schmerzstörung, ohne dass ein inhaltlicher Bezug auf die Klägerin hergestellt würde. Theoretische Überlegungen seien mit der Anamnese der Klägerin nicht konkret in Übereinstimmung zu bringen, die aus den Angaben der Klägerin gezogenen Schlüsse seien nicht mit einer Diagnose nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu vereinbaren. Es fänden sich deutliche Hinweise darauf, dass die Annahme einer asthenischen Persönlichkeitsstruktur unzutreffend sei, insbesondere habe ein sozialer Rückzug nicht stattgefunden, die Klägerin habe noch deutlich soziale Kontakte geschildert. Die quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens auf vier bis sechs Stunden täglich sei weder schlüssig noch nachvollziehbar begründet.

Anhaltspunkte für die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 29.08.2003 angegebene Fibromyalgie haben weder Dr.R. noch die anderen Sachverständigen gefunden. Dr.E. hat das Bild eines Fibromyalgie-Syndroms, wie es von orthopädischer Seite vermutet worden sei, unter Berücksichtigung der gültigen Kriterien verneint.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Augsburg vom 27.05.2002 sowie des Bescheides vom 18.08.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2001 zu verurteilen, ihr Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Augsburg vom 27.05.2002 zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 20.04.2004 waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin erfüllt nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen der strittigen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Das Urteil des SG Augsburg vom 27.05.2002 ist damit ebenso wenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 18.08.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2001.

Der Rentenanspruch der Klägerin richtet sich nach den §§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.), weil er wegen der Antragstellung am 25.04.2000 Zeiten vor diesem Datum erfasst (vgl. § 300 Abs.1 i.V.m. Abs.2 SGB VI). Die ab 01.01.2001 geltende neue Fassung (Neuregelung durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, BGBl.I S.1827) ist allerdings heranzuziehen, soweit ein Rentenanspruch am 31.12.2000 noch nicht bestanden hatte, aber für die nachfolgende Zeit in Betracht kommt.

Nach § 43 Abs.2 SGB VI a.F. sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen gesunken ist. Nach § 240 SGB VI n.F. haben Versicherte - die wie die Klägerin vor dem 02.01.1961 geboren sind - bei Vorliegen von Berufsunfähigkeit einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Erwerbsunfähigkeit setzt nach § 44 Abs.2 SGB VI a.F. ebenso wie eine volle Erwerbsminderung im Sinne des neuen Rechts (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI n.F.) eine gegenüber der Berufsunfähigkeit noch weiter herabgesetzte Erwerbsfähigkeit voraus.

Vollschichtiges Leistungsvermögen in einer zumutbaren Tätigkeit schließt somit nach alter und neuer Rechtslage einen Rentenanspruch wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit sowie wegen Erwerbsminderung regelmäßig aus.

Ausgangspunkt bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf des Versicherten, d.h. die zuletzt in der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig ausgeübte Tätigkeit (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr.61 m.w.N.). Die Klägerin, die über keine Berufsausbildung verfügt und die in den letzten 15 Jahren ihres aktiven Erwerbslebens als Bedienerin einer Oblatenstanzmaschine nur Hilfsarbeitertätigkeiten ausgeübt hat, darf zumutbar auf alle Arbeiten verwiesen werden, die der allgemeine Arbeitsmarkt zur Verfügung stellt (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn.13, 27 m.w.N.).

Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kann die Klägerin ihrem gesundheitlichen Leistungsvermögen entsprechend noch vollschichtig tätig sein. Nach den überzeugenden Sachverständigengutachten der Dres.S. , B. , E. und W. , die sich auf der diagnostischen Seite im Wesentlichen auch mit den Feststellungen des Dr.R. decken, bestehen bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen:

1. chronifizierte somatoforme Schmerzstörung (ICD 10 F 45.4) mit vorwiegenden Schmerzen im Bereich der LWS mit Ausstrahlung in beide Beine ohne akute Nervenreizerscheinungen und ohne neurologische Ausfallserscheinungen,
2. Gonarthrose beidseits, links mehr als rechts, ohne messbares Funktionsdefizit,
3. Adipositas Schweregrad III,
4. arterielle Hypertonie,
5. Verdacht auf Asthma bronchiale bei nachweisbarer Hyperreagibilität und Pollenallergie,
6. Hypercholesterinämie,
7. heliobacternegative Antrumgastritis.

Diese Diagnosen haben die Sachverständigen Dr.E. , Prof.Dr. W. , Dr.B. sowie Dr.S. auf Grund eigener eingehender Untersuchung der Klägerin mit eigener Anamnese und Exploration übereinstimmend mit den ärztlichen Dokumentationen und beigezogenen Befundberichten gestellt. Sie decken sich im Wesentlichen auch mit dem im Heilverfahren erkannten Gesundheitsbild der Klägerin. Nicht nachgewiesen sind hingegen Anhaltspunkte für eine Fibromyalgie. Diese Diagnose hat keiner der gerichtlich bestellten Sachverständigen in Erwägung gezogen, Dr.E. hat sie vielmehr ausdrücklich mit überzeugender Begründung verneint.

In Würdigung der Feststellungen der Sachverständigen ist der Senat überzeugt, dass die Klägerin in ihrer Leistungsfähigkeit im Wesentlichen durch das Übergewicht, welches sich auf die kardiale und pulmonale Belastbarkeit negativ auswirkt, sowie durch das Schmerzsyndrom des LWS-Bereiches beeinträchtigt ist. Wie Dr.S. , Dr. B. , Dr.E. und Prof.Dr.W. überzeugend festgestellt haben, kann die Klägerin deshalb nur noch leichte Tätigkeiten ausüben, zu vermeiden sind Heben und Tragen auch mittelschwerer Lasten, Tätigkeiten mit häufigem Bücken und in Zwangshaltungen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten unter Zeitdruck und im Akkord, mit vermehrtem Staubanfall oder reizenden Gasen, durch Rauch oder Dämpfe belastete Tätigkeiten, Arbeiten im Freien mit Einfluss von Kälte und Nässe sowie mit häufigem Temperaturwechsel. Die der Klägerin zumutbaren Tätigkeiten sind überwiegend im Sitzen auszuüben, bei Ermöglichung gelegentlichen Positionswechsels. Unzumutbar sind auch Arbeiten mit besonderen Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, an die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sowie Tätigkeiten mit häufigem Publikumsverkehr, wie Prof.Dr.W. ausgeführt hat. Jedoch sind der Klägerin Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zumutbar, insbesondere weil bei der Klägerin keine Einschränkungen der oberen Extremitäten vorliegen.

Nicht gefolgt werden kann der Leistungseinschätzung des Dr.R. , der wenigstens ab Dezember 2003 ein vier- bis sechsstündiges Leistungsvermögen angenommen hat. Dr.R. hat seine zeitlich herabgesetzte Leistungseinschätzung mit einer Erkrankung auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet begründet, nämlich mit einer somatoformen Schmerzstörung. Insoweit handelt es sich für Dr.R. , der Facharzt für Orthopädie, Rheumatologie, Sportmedizin ist sowie spezielle Schmerztherapie und Physiotherapie ausübt, also nicht im Bereich der psychiatrischen Diagnostik qualifiziert ist, im Vergleich zu dem Neurologen und Psychiater Prof.Dr.W. um fachfernere Diagnosen. Wie Prof.Dr.W. überzeugend ausgeführt hat, kann die von Dr.R. zusätzlich angegebene Angststörung in Form von Flug- und Höhenangst sowie Klaustrophobie eine relevante Auswirkung auf das berufliche Leistungsvermögen nicht begründen. Im Übrigen rügt Prof.Dr.W. zu Recht und überzeugend im Gutachten des Dr.R. eine Diskrepanz zwischen den tatsächlichen objektivierbaren Feststellungen und den rein theoretischen Ausführungen zur Entwicklung einer chronisch-somatoformen Schmerzstörung, die nicht ausreichend in Bezug gesetzt werden mit den eigenen Schilderungen der Klägerin sowie der festgestellten Biografie. Die von Dr.R. gezogenen Schlüsse sind damit nicht ausreichend und auch nicht nachvollziehbar in tatsächlichen Feststellungen verankert. Im Übrigen fehlt für die zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin im Gutachten des Dr.R. eine nachvollziehbare Begründung ebenso wie für die nur von Dr.R. angenommene Wegeunfähigkeit.

Anhaltspunkte für eine besondere Summierung von Leistungseinschränkungen liegen nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen Prof.Dr.W. , Dr.B. , Dr.E. und Dr.S. nicht vor. Die Wegefähigkeit der Klägerin liegt noch über 500 m in einer angemessenen Zeit von 15 Minuten, diese Strecke kann die Klägerin auch nach den überzeugenden Feststellungen der genannten Sachverständigen täglich viermal zurücklegen. Der Benennung einer besonderen Verweisungstätigkeit bedarf es damit nicht. Im Übrigen sind nach den überzeugenden Angaben des Prof.Dr.W. der Klägerin leichte Tätigkeiten wie z.B. Montieren, Verpacken leichter Waren, Kontrolltätigkeiten oder Sortieren zumutbar. Diese stellt der Arbeitsmarkt in ausreichendem Maße zur Verfügung, so dass die Klägerin weder berufs-, noch erwerbsunfähig noch ganz oder teilweise erwerbsgemindert ist.

Die Berufung bleibt somit in vollem Umfange ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.2 und 3 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved