L 2 U 322/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 41 U 225/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 322/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei einem nach Gewerbezweigen gegliederten Gefahrtarif ist einerseits entscheidend, ob die Definition des Gewerbezweigs rechtlich zu beanstanden ist, und wenn dies nicht der Fall ist, ob andererseits das betreffende Unternehmerin dem zutreffenden Gewerbezweig zugeordnet ist. Entspricht die Veranlagung beiden Vorgaben, kann nicht mehr eingewendet werden, es müsse von Rechts wegen eine nach Tätigkeiten und den davon ausgehenden Risiken ausgerichtete Veranlagung erfolgen.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 8. August 2002, soweit es die Veranlagung der Klägerin mit Bescheid der Beklagten vom 31.03.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2000 betrifft, wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt eine Werbeagentur und wendet sich gegen ihre Veranlagung bei der Beklagten.

In dem von der Beklagten für die Zeit vom 01.01.1998 bis 31.12.2000 beschlossenen Gefahrtarif sind in der Gefahrtarifstelle 25 die Werbeunternehmen aufgeführt und der Gefahrklasse 0,52 zugeteilt. Unter der betreffenden Gruppe werden nur büromäßige Werbeunternehmen erfasst. Für Unternehmen der Außenwerbung ist die Gefahrtarifstelle 34 mit einer Gefahrklasse von 1,41 vorgesehen. Herstellung und Verteilung von Werbemitteln gehören in den Zuständigkeitsbereich anderer Berufsgenossenschaften. Zu den Werbeunternehmen gehören nach den von der Beklagten angewandten Kriterien die Werbeagenturen, Unternehmen für Öffentlichkeitsarbeit, die Werbeberatung sowie Werbetexter.

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 31.03.1998, mit dem diese das Unternehmen in Gefahrtarifstelle 25 mit Gefahrklasse 0,52 veranlagte, legte die Klägerin Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass es sich bei ihr um eine klassische Werbeagentur handele, die nicht der Unternehmensart Werbeunternehmen zugeordnet werden dürfe. Für sie sei die niedrigste Gefahrenklasse anzusetzen wie z.B. für Datenerfassung, Datenverarbeitung, Kreditinstitute etc. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2000 als unbegründet zurück.

Im Klageverfahren hat die Klägerin zunächst u.a. die Aufhebung des Veranlagungs- und des Widerspruchsbescheides beantragt. Das Spektrum von Tätigkeiten eines Werbeunternehmens sei so weitreichend und decke einen so großen Grad von Gefährdungspotentialen ab, dass ihre Zusammenfassung willkürlich sei. Die Klägerin betreibe nur Beratung von Kunden für den werblichen Auftritt nach außen und diese bestehe im Wesentlichen in Computertätigkeit bzw. Telefonaten mit Kunden und sonstigen Geschäftspartnern. Unter die Werbeunternehmen fielen jedoch auch Drü- ckerkolonnen, Großplakateaufhänger und Propagandisten, deren Tätigkeit einem wesentlich höheren Unfallrisiko ausgesetzt sei.

Das Sozialgericht hat die Klage, die auch einen Rechtsstreit einer Gesellschafterin gegen ihre Veranlagung in der freiwilligen Versicherung und die anschließenden Beitragsbescheide zum Gegenstand hatte, mit Urteil vom 08.08.2002 als unbegründet abgewiesen. In der Begründung ist das Gericht im Wesentlichen davon ausgegangen, dass es der Beklagten im Rahmen ihrer Satzungsbefugnis gestattet sei, bei der Schaffung des Gefahrtarifes die einzelnen Gefahrtarifstellen nach Gewerbezweigen zu untergliedern und dass die Zuordnung der Klägerin zu den Werbeunternehmen nicht willkürlich sei.

Im Berufungsverfahren hat der Senat die Verfahren der Klägerin und der Gesellschafterin getrennt.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 08.08.2002 und den Veranlagungsbescheid vom 31.03.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2000 aufzuheben.

Sie ist weiterhin der Meinung, die von der Beklagten für Werbeunternehmen festgesetzte Gefahrklasse entspreche bei weitem nicht dem tatsächlichen Gefahrenpotential der Klägerin, die lediglich bürogebundene Tätigkeiten verrichte. Andere Unternehmen mit ebenfalls nur bürogebundenen Tätigkeiten seien in wesentlich niedrigeren Gefahrklassen eingestuft. Zudem umfasse der Begriff der Werbeunternehmen zu unterschiedliche Tätigkeiten und Gefährdungspotentiale, als dass sie in einer Gefahrtarifstelle zusammengefasst werden könnten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts München in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Senat stützt sich in seiner Entscheidung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, SozR 4-2700 § 157 Nr.1 und die eigene Rechtsprechung, Breithaupt 1993, S.34, jeweils mit weiteren Nachweisen.

Der Gefahrtarif als autonomes Recht des Unfallversicherungsträgers ist nach Gefahrtarifstellen zu gliedern, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs.1 und 2 SGB VII). Von den Gerichten ist der Gefahrtarif nur daraufhin überprüfbar, ob er mit dem Gesetz, das die Ermächtigungsgrundlage beinhaltet und mit sonstigem höherrangigem Recht vereinbar ist. Bei seiner Schaffung steht den Trägern der Unfallversicherung ein nicht zu eng bemessener Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zu. Als gesetzliche Vorgaben sind die in §§ 152 f., 157, 162 SGB VII zum Audruck kommenden Zielvorstellungen und Wertentscheidungen sowie die tragenden Grundsätze des Unfallversicherungsrechts zu beachten. Die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, ist nicht Aufgabe der Gerichte; die Abwägung zwischen mehreren, jeweils für die eine oder andere Regelung bei der Gestaltung des Gefahrtarifs wesentlichen Gesichtspunkte und die daraus folgende Entscheidung obliegt dem Unfallversicherungsträger.

Nach § 157 Abs.2 Satz 1 SGB VII sind Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs zu bilden. Bei einem nach Gewerbezweigen gegliederten Gefahrtarif sind demnach Gewerbezweige und bei einem nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif Tätigkeiten mit annähernd gleichen Risiken zu Tarifstellen zusammenzufassen. Es steht dem Unfallversicherungsträger frei, nach welchen der beiden Kriterien er den Gefahrtarif aufbaut, er kann die jeweiligen Kriterien auch mischen.

Bei einem nach Gewerbezweigen gegliederten Gefahrtarif, wie ihn vorliegend die Beklagte aufgestellt hat, ist einerseits entscheidend, ob die Definition des Gewerbezweiges rechtlich zu beanstanden ist, und wenn dies nicht der Fall ist, ob andererseits das betreffende Unternehmen dem zutreffenden Gewerbezweig zugeordnet ist. Entspricht die Veranlagung beiden Vorgaben, kann nicht mehr eingewendet werden, es müsse von Rechts wegen eine nach Tätigkeiten und den davon ausgehenden Risiken ausgerichtete Veranlagung erfolgen.

Der Begriff des Gewerbezweiges darf einerseits nicht zu eng verstanden werden, auf der anderen Seite erfordern die sich aus der Zuordnung zu einem bestimmten Gewerbezweig und damit zu einer bestimmten Gefahrengemeinschaft ergebenden finanziellen Folgen eine möglichst klare Definition der einzelnen Gewerbezweige bzw. Gefahrengemeinschaften. Innerhalb eines jeden Gewerbezweiges können die Tätigkeiten und die Gefährdungsrisiken unterschiedlich sein. Eine solche Risikomischung auf der Ebene des jeweiligen Gewerbezweiges ist eine Konsequenz eines Gewerbezweigtarifs - also einer Entscheidung, die der Selbstverwaltung des Unfallversicherungsträgers vorbehalten ist. Die Unfallversicherungsträger können abgrenzbare Teile aus Unternehmen des selben Gewerbezweiges zu einer besonderen Bewertung im Gefahrtarif zusammenfassen, müssen dies aber nicht. Der Gesichtspunkt, dass in einer Gefahrengemeinschaft nur annähernd gleiche Gefährdungsrisiken nach § 157 Abs.2 Satz 1 SGB VII zusammengefasst werden dürfen, kommt nur dann zum Tragen, wenn mehrere Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle zusammengefasst werden.

Mit den Werbeunternehmen in Gefahrtarifstelle 25 hat die Beklagte einen klar definierten Gewerbezweig benannt. Erfasst sind nämlich nicht sämtliche Unternehmen, die im weitesten Sinn der Werbung tätig sind. So sind die Unternehmen der Außenwerbung in einer eigenen Gefahrtarifstelle erfasst und Herstellung und Verteilung von Werbemitteln gehören in den Zuständigkeitsbereich anderer Berufsgenossenschaften. Der dann noch verbleibende Bereich der Werbeunternehmen, wie ihn die Beklagte auch selbst definiert und veranlagt, stellt danach einen Gewerbezweig dar, unter den auch die Klägerin als Werbeagentur fällt. Dafür, dass sie von dieser Definition nicht umfasst wäre, hat die Klägerin nichts vorgetragen, insbesondere nicht, unter welche andere Art Werbeunternehmen oder sonst in einem Gefahrtarif der Beklagten oder eines anderen Unfallversicherungsträgers in einer Gefahrtarifstelle genannten Unternehmen sie fallen würde.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass die Klägerin in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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