L 5 RJ 229/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 10 RJ 56/97 ZVW
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 229/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 23. März 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente über den 31.12.1992 hinaus.

Die 1951 im ehemaligen Jugoslawien geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt und hält sich seit 1973 in Deutschland auf. Sie war von August 1973 bis September 1974 als Packerin und von September 1974 bis Oktober 1980 als Reinigungsfrau bei der Technischen Universität M. beschäftigt. 1988 hat sie eine sechsmonatige Fortbildung zur Industrienäherin absolviert.

Mit Bescheid vom 20.08.1981 erkannte die Staatliche Ausführungsbehörde für Unfallversicherung bei der Klägerin "chronisches Ekzem an den Händen und Unterarmen; Allergie gegen Formalin, Thiuramgruppe, Kobalt und anderes" als Berufskrankheit an und gewährte eine Unfallrente nach einer MdE um 30 v.H. Eine Rentenerhöhung wurde von der Berufsgenossenschaft am 25.09.2002 nach Einholung eines Gutachtens von Prof.Dr.R. abgelehnt.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin auf ihren Antrag vom 01.12.1980 Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit bis 30.04.1987. Nach Ablehnung eines neuerlichen Rentenantrags vom 17.11.1988 hatte die Klägerin im Berufungsverfahren Erfolg. Der 16. Senat des Bayerischen Landessozialgerichts verurteilte die Beklagte - gestützt auf ein Gutachten des Direktors der Dermatologischen Klinik und Poliklinik der TU M. , Prof. Dr.B. , vom 12.12.1990 mit ergänzender Stellungnahme vom 07.08.1991 - durch Urteil vom 21.11.1991 zur Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bis 31.12.1992. Es könnten keine zumutbaren Arbeitsplätze benannt werden, an denen das Auftreten der schädlichen Allergene ausgeschlossen sei. Wegen der Notwendigkeit beruflicher Reha-Maßnahmen komme keine Dauerrente in Betracht.

Am 02.09.1992 beantragte die Klägerin, die Erwerbsunfähigkeitsrente über den 31.12.1992 hinaus weiter zu zahlen. Die Beklagte veranlasste ein Heilverfahren in der Klinik für Dermatologie und Allergien D. in der Zeit vom 08.11. bis 06.12.1993 - bis Ende 1993 wurde Übergangsgeld gezahlt -, holte ein dermatologisches Fachgutachten des Medizinaldirektors Dr.B. vom 05.03. 1994 sowie ein weiteres Gutachten der Internistin und Sozialmedizinerin Dr.K. vom 12.04.1994 ein und lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 21.04.1994 ab, weil die Klägerin wieder in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten ohne Kälte-, Nässe- und Staubeinfluss sowie ohne Exposition von Allergenen und sonstigen hautschädigenden Substanzen vollschichtig zu verrichten.

Gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 05.07.1994 hat die Klägerin beim Sozialgericht München Klage erhoben. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht der behandelnden Internistin Dr.A. (vom 18.11.1994) eingeholt und von dem Internisten und Arbeitsmediziner Dr.K. ein Gutachten (vom 21.01.1995) erstellen lassen. Aufgrund der von diesem Sachverständigen getroffenen Feststellungen hat es die Klage mit Urteil vom 11.05.1995 abgewiesen. Die Klägerin könne noch vollschichtig leichte bis mittelschwere Tätigkeiten verrichten, trotz ihrer Allergie kämen noch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes - etwa als Sortiererin oder Verpackerin von kleineren Gegenständen in gewerblichen oder industriellen Betrieben wie z.B. bei der Post - in Betracht.

Auf die Berufung der Klägerin hat der 5. Senat des Bayerischen Landessozialgerichts mit Urteil vom 19.11.1996 das Urteil vom 11.05.1995 aufgehoben und die Streitsache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht München zurückverwiesen. Das Verfahren leide an wesentlichen Mängeln, da nicht im Einzelnen geprüft worden sei, welche Verweisungstätigkeiten für die Klägerin aus berufskundlicher und medizinischer Sicht noch in Frage kämen.

Das Sozialgericht hat beim Landesarbeitsamt Bayern nachgefragt, welche Tätigkeiten für die Klägerin angesichts der von Dr.K. genannten Einschränkungen in Betracht kämen. Das Landesarbeitsamt hat in seiner Stellungnahme vom 09.12.1999 trotz der bekannten Allergene folgende Tätigkeiten für zumutbar gehalten: Sortier- und Verpackungsarbeiten, Mitarbeit in einer Poststelle, in einer Registratur, Tätigkeiten als Kassiererin, Auffüllerin, Telefonistin, Museumswärterin, Pförtnerin. Auch laut Dr.S. (Sozialmedizinischer Dienst der Beklagten) sind lediglich intensive Metallkontakte und medizinische Pflegetätigkeit ausgeschlossen. Der Klägerbevollmächtigte hat sich gegen die Verwertung des Gutachtens Dr.K. wegen dessen strafrechtlicher Verurteilung verwahrt.

Das Sozialgericht München hat die Klage mit Urteil vom 23.03. 2000 - gestützt auf die Auskunft des Landesarbeitsamts - abgewiesen.

Gegen das am 09.08.2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.04.2000 Berufung eingelegt und geltend gemacht, das Landesarbeitsamt habe ihre individuellen Einschränkungen nicht beachtet. Ihr sei der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen; ihre Bemühungen um einen Arbeitsplatz seien seit Jahren erfolglos.

Der Senat hat die Akten des Arbeitsamts und die BG-Akten beigezogen. Die Berufsgenossenschaft hat sich ausweislich eines Schreibens vom 10.08.1995 immer wieder bemüht, der Klägerin einen Arbeitsplatz zu vermitteln. Diese Bemühungen seien ebenso wie das Angebot auf konkrete Umschulungsmaßnahmen an der Tatsache gescheitert, dass die Klägerin die deutsche Sprache in Schrift nicht beherrsche. Das 1992 unterbreitete Angebot, zunächst eine Sprachschulung im Rahmen der beruflichen Reha-Maßnahmen zu durchlaufen, um Vermittlungen an einen Arbeitsplatz wie Registratur, Dateiführung etc. durchzuführen, sei an der fehlenden Mitwirkung der Klägerin gescheitert. Das Landesarbeitsamt Bayern hat auf Rückfrage am 05.06.2001 erklärt, bei der Auskunft vom 09.12.1999 seien die Erwerbstätigkeiten benannt worden, die für die Klägerin mit ihren Leistungseinschränkungen als Arbeitsplatz in Betracht kämen. Vermittlungsmöglichkeiten seien nicht zu berücksichtigen. Laut Befundbericht der Dermatologischen Klinik der TU M. vom 07.05.2001 wird die Klägerin dort seit 1993 laufend wegen chronisch allergischen Kontaktekzems mit wechselnd stark ausgeprägten Beschwerden behandelt. Das Gericht hat das von Prof.Dr.R. , Direktor der Dermatologischen Klinik der TU M. , am 25.07.2002 im Auftrag der Berufsgenossenschaft erstellte Gutachten beigezogen, worin eine Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse gegenüber 1981 verneint worden ist. Es hat anschließend diesen Sachverständigen nach Aktenlage dazu gehört, in welchem Umfang die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch einsatzfähig ist. Der Sachverständige hat die Klägerin für vollschichtig leistungsfähig erachtet, wenn die Exposition gegenüber feuchtem Milieu und Allergenen wie Desinfektionsmittel, Gummi und Kosmetika vermieden werde. Ungeeignet seien Arbeiten im medizinischen Bereich, in der Gummiverarbeitung, Putztätigkeiten und Tätigkeiten als Kosmetikerin, Friseurin, in der Kosmetikherstellung und im Verkauf. Gegen einen Einsatz als Telefonistin, Museumswärterin oder Pförtnerin sprächen keine dermatologischen Gründe, Tätigkeiten als Kommissioniererin und Mitarbeiterin in einer Poststelle seien bei entsprechendem Handschutz (Baumwollhandschuhe) zumutbar.

Nachdem die Klägerin Prof.Dr.R. gegenüber eine Radiusfraktur im Jahr 1999 erwähnt hatte und verschiedene Atteste von Fachärzten, u.a. von der Internistin Dr. A. , über weitere Gesundheitsstörungen vorgelegt worden waren, hat das Gericht weitere Gutachten eingeholt. Der Internist Dr.M. hat in seinem Gutachten vom 05.10.2003 neben dem allergischen Kontaktekzem eine arterielle Hypertonie, Refluxösophagitis, Verdacht auf Autoimmunthyreoditis, Hyperlipoproteinämie und Nephrolithiasis festgestellt, gleichwohl aber ein vollschichtiges Leistungsvermögen bejaht. Seines Erachtens können der Klägerin auf Grund einer arteriellen Hypertonie nur leichte bis mittelschwere Arbeiten und keine Akkordarbeiten zugemutet werden.

Laut Gutachten des Orthopäden Dr.G. vom 29.11.2003 leidet die Klägerin an einer schweren Funktionsstörung des rechten Handgelenks bei Zustand nach operativ versorgter Flexionsfraktur des distalen Radius und abgelaufenem Morbus Sudeck, degnerativen Veränderungen am linken Kniegelenk und einem chronisch rezidivierenden Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom. Danach liegen die wesentlichen Gesundheitsstörungen erst seit 1999 vor. Trotz zahlreicher Einschränkungen sei die Klägerin noch vollschichtig arbeitsfähig. Auf Grund der schweren Funktionsstörungen des rechten Handgelenks seien Tätigkeiten mit dauerndem manuellen Einsatz - auch nur leichter Art (wie z.B. Versandfertigmacherin, Mitarbeiterin in einer Poststelle) - nicht mehr möglich, zumutbar hingegen solche wie die einer Telefonistin, Museumswärterin und Pförtnerin. Auf Grund der Kniegelenksveränderungen linksseitig seien Tätigkeiten mit langen Geh- und Stehphasen nicht zumutbar. Tätigkeiten in regelmäßigem Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen mit selbstwählbarem Positionswechsel seien zumutbar. Ausgeschlossen seien mittelschwere Tätigkeiten, Zwangshaltung, häufiges Bücken, Akkordarbeit, Zugluft. Die geforderten Anmarschwege zur Arbeit seien in angemessener Geschwindigkeit zurückzulegen.

Der Klägerbevollmächtigte hat gegen das Gutachten eingewandt, eine Verweisung auf fiktive Tätigkeiten widerspreche der Menschenwürde. Nach dem Hinweis des Gerichts, dass die Verweisung auf eine Tätigkeit als Museumswärterin und Telefonistin angesichts aktueller berufskundlicher Stellungnahmen des Landesarbeitsamts Bayern vom 09.07.2001 und 20.11.2003 zweifelhaft erscheine, hat die Beklagte ihre Ansicht aufrecht erhalten, die Klägerin sei zumutbar auf die Tätigkeit einer Pförtnerin verweisbar.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 23.03.2000 sowie des Bescheides vom 21.04.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 05.07. 1994 zu verurteilen, ihr über den 31.12.1992 hinaus Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 23.03.2000 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der erledigten Prozessakten des Sozialgerichts München S 8 Ar 1668/86, S 14 Ar 232/89, S 10 Ar 820/94, der erledigten Prozessakten des Bayerischen Landessozialgerichts L 16 Ar 268/90, L 16 Ar 292/90, L 5 Ar 328/95, der Akten des Bayerischen Gemeindeunfallversicherungsverbands, der Akten des Arbeitsamts München, der Klageakten des Sozialgerichts München sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 23.03.2000 ist ebenso wenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 21.04.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.07.1994. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 10.12.1993 - für die Zeit vorher ruht ein Anspruch gemäß § 116 Abs.1 Satz 2 SGB VI. Sie ist nicht erwerbsunfähig.

Als Anspruchsgrundlage kommt für die Zeit bis 31.12.2001 § 44 SGB VI alter Fassung und für die Zeit danach § 43 SGB VI in Betracht. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs.2 Satz 2 Ziffer 2 SGB VI a.F.). Im gleichen Sinn heißt es in § 43 Abs.3 SGB VI, erwerbsgemindert sei nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei sei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Bei vollschichtiger Einsatzfähigkeit ist davon auszugehen, dass es für Vollzeittätigkeiten in hinreichender Zahl Arbeitsplätze (offen oder besetzt) gibt. Ob Arbeitsplätze vermittelbar sind oder konkrete Einsatzmöglichkeiten bestehen, ist unerheblich (BSG SozR 2200 § 1247 Nr.33). Bei der Klägerin ist nach wie vor von einem vollschichtigen Leistungsvermögen auszugehen. Hieran können angesichts der Übereinstimmung der in Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahren gehörten Gutachter keine vernünftigen Zweifel bestehen. Auch keiner der behandelnden Ärzte hat der Klägerin Erwerbsunfähigkeit attestiert. Die Internistin Dr.A. hat in ihrem Attest vom 18.06.2003 lediglich Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.

Bei vollschichtiger Einsatzfähigkeit kann der Arbeitsmarkt ausnahmsweise als verschlossen gelten. Bei schweren spezifischen Leistungseinschränkungen kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für an sich mögliche Vollzeittätigkeiten eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen gibt (BSG SozR 2200 § 1246 Nr.136). Dies gilt aber nur für Personen, deren Erwerbsfähigkeit auf körperlich leichte Tätigkeiten beschränkt ist. In Bezug auf Personen, die noch vollschichtig körperlich mittelschwere Arbeiten erbringen können, wird das Bezeichnungsgebot nicht benötigt (Großer Senat des Bundessozialgerichts in SozR 3-2600 § 44 Nr.8). Diesem Personenkreis ist die Klägerin aber bis 1999 zuzuordnen.

Bis 1999 lagen keine Gesundheitsstörungen vor, die die körperliche Leistungsfähigkeit beschränkt hätten. Die schwerwiegenden orthopädischen Gesundheitsstörungen sind erst ab diesem Zeitraum feststellbar und auch die leistungslimitierende Gesundheitsstörung auf internistischem Fachgebiet, die Hypertonie, ist erst in der Folgezeit objektiviert worden. 1994 hatte die Internistin Dr.A. eine Hypertonie nicht diagnostiziert. Aus hautärztlicher Sicht ist weder von Seiten Prof.Dr.B. noch von Seiten Dr.B. oder Prof.Dr.R. eine körperliche Leistungseinschränkung angegeben worden.

Für die Zeit vor 1999 ergeben sich auch deshalb Zweifel an der vom 5. Senat 1996 postulierten Benennungspflicht, weil sich das Hautleiden nicht als so leistungslimitierend darstellt, wie dies der 5. Senat im Urteil vom 19.11.1996 angenommen hat. Bereits aus dem Grad der MdE mit 30 v.H. lässt sich kein Vergleich mit typischen schweren spezifischen Leistungsbehinderungen wie Einarmigkeit oder Einäugigkeit (BSG SozR 2200 § 1246 Nr.30) herstellen. Der laut Gutachten Prof.Dr.B. ubiquitäre Charakter der allergischen Sensibilität der Klägerin relativiert sich angesichts der konkreten Beschränkungen, wie sie von Prof.Dr.R. dargestellt werden. An der Kompetenz dieses Sachverständigen werden auch von Seiten des Klägerbevollmächtigten keine Zweifel angemeldet. Prof.Dr.R. ist Direktor der Dermatologischen Klinik der TU M. , in der sich die Klägerin seit 1993 laufend in Behandlung befindet. Die Typ-IV-Sensibilisierungen gegen Thiuram-Mix, Tetraethylthiurammonosulfid, Disulfiram, Kobaltchlorid, Nickelsulfat, Formaldehyd, Chlormethylisothiazolinon, Benzalkoniumchlorid, Incidin und Buraton 10 F haben zur Folge, dass die Klägerin Arbeiten im feuchten Milieu sowie Arbeiten mit Allergenexposition strikt vermeiden muss. Die multiplen Allergene finden sich insbesondere bei Desinfektionsmitteln und in der Gummiverarbeitung. Daher eignen sich Arbeiten im medizinischen Bereich, in der Gummiverarbeitung sowie Putztätigkeiten, Tätigkeiten als Kosmetikerin, Friseurin und in der Kosmetikherstellung sowie im Verkauf nicht. Wie den Stellungnahmen des Landesarbeitsamts Bayern vom 09.12. 1999 und 05.06.2001 zu entnehmen ist, verbleiben aber dennoch Tätigkeitsbereiche in der industriellen Fertigung und der gesamte Bereich der Büroarbeit. Die Pflicht zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist daher bis 1999 zu verneinen.

Die Klägerin, die aus gesundheitlichen Gründen ihre bisherige Erwerbstätigkeit als Reinigungsfrau nicht mehr verrichten kann, leidet hingegen seit Dezember 1999, dem Zeitpunkt der Radiusfraktur, unter einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen. Das Merkmal "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt dem Umstand Rechnung, dass auch eine Mehrzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. Ab 1999 sind zusätzliche Gesundheitsstörungen objektivierbar, die zum einen die körperliche Leistungsfähigkeit auf nur leichte Arbeiten beschränken und zudem qualitative Leistungseinschränkungen zu Folge haben, die die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit erfordern.

Ausgehend von den überzeugenden und ausführlichen Gutachten Prof.Dr.R. , Dr.M. und Dr.G. leidet die Klägerin seit 02.12.1999 neben der bereits genannten Allergie und einer arteriellen Hypertonie unter den Folgen der erheblichen Verletzung des rechten Handgelenks mit Defektheilung. Die Funktion des Handgelenks ist bei glaubhafter Schmerzhaftigkeit wesentlich eingeschränkt. Tätigkeiten mit dauerndem manuellen Einsatz auch nur leichter Art sind nicht zumutbar. Hinzu kommt die beginnende Kniegelenksarthrose mit leichter Reizsymptomatik bei vorliegender Ergussbildung. Dies führt bei noch freier Beweglichkeit zu einer etwas reduzierten Geh- und Stehfähigkeit und glaubhaften Beschwerden. Lange Geh- und Stehphasen sind daher nicht zumutbar. Auf Grund der Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule mit glaubhaften tiefsitzenden Kreuzschmerzen sind mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Gegenständen über 10 Kilo, Tätigkeiten in Zwangshaltung oder häufigem Bücken, unter Akkord, unter Zugluft und Nässe nicht zumutbar. Insbesondere die Einschränkung der Handbeweglichkeit in Verbindung mit der allergischen Sensibilität der Klägerin und der Notwendigkeit körperlicher Wechselhaltung begründen ernste Zweifel daran, ob die Versicherte mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar ist.

Die hierzu angestellten Ermittlungen haben jedoch ergeben, dass die Klägerin noch auf eine Tätigkeit als Pförtnerin verweisbar ist. Weder Prof.Dr.R. noch Dr.G. oder Dr.M. haben hieran Zweifel angemeldet. Sämtlichen Sachverständigen war das Anforderungsprofil der Pförtnertätigkeit auf Grund der berufskundlichen Ausführungen des Landesarbeitsamts Bayern geläufig. So hat Prof.Dr.R. ausgeführt, gegen eine Tätigkeit als Pförtnerin spreche aus dermatologischer Sicht nichts, solange sich manuelle Tätigkeiten (z.B. Sortieren von Post) in angemessenem Rahmen bewegten. Aus orthopädischer Sicht bestehen keine Bedenken, weil der Pförtner den Positionswechsel zwischen Stehen, Sitzen und Gehen frei wählen kann und der Einsatz der rechten Hand nicht ständig gefordert ist. Wenn es demgegenüber in der Stellungnahme des Landesarbeitsamts Bayern vom 08.12. 2003 heißt, bei einer Pförtnertätigkeit sei bei der Gefahrenabwehr die volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände erforderlich, so ist dem entgegenzuhalten, dass Gefahrenabwehr üblicherweise nicht durch körperlichen Einsatz erwartet wird. Wie das Landesarbeitsamt in seiner Stellungnahme vom 05.06.2001 selbst schreibt, wird die Tätigkeit üblicherweise in sog. Pförtnerlogen oder im Eingangsbereich eines Gebäudes verrichtet. Dort finden sich auch üblicherweise Schließanlagen, die zur Gefahrenabwehr einzusetzen sind. Üblicherweise werden von Betrieben und Behörden auch leistungsgeminderte Mitarbeiter als Pförtner beschäftigt, was mit der vom Landesarbeitsamt postulierten körperlichen Einsatzbereitschaft kaum zu vereinbaren wäre.

Es besteht kein Anlass zu Zweifeln, dass die Klägerin die persönlichen Mindestvoraussetzungen für eine Tätigkeit als Pförtnerin mitbringt. Hierzu zählen gepflegtes Äußeres, Kontaktfähigkeit, Höflichkeit, Merkfähigkeit, Flexibilität, sicheres Auftreten und ein gewisses Maß an neurovegetativer und psychischer Belastbarkeit. Es liegen auch nach persönlicher Anhörung der Klägerin keine besonderen Umstände vor, die geeignet erscheinen, Zweifel an ihrer Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit für eine Pförtnertätigkeit zu begründen. Nachgewiesen sind keine psychischen Gesundheitsstörungen, die die Belastbarkeit beeinträchtigen könnten, und das Berufsleben der Klägerin ist auch nicht durch eine langjährige körperliche Tätigkeit geprägt, die Zweifel an der Kommunikationsfähigkeit begründen könnte. Sie hat seit 1980 keinerlei Erwerbstätigkeit ausgeübt. Auf die Frage nach der Einsatzfähigkeit als Pförtnerin hat die Klägerin lediglich eingewandt, die deutsche Sprache insbesondere in Schrift nicht ausreichend zu beherrschen. Mangelnde Deutschkenntnisse für sich allein sind aber nicht geeignet, die Umstellungsfähigkeit zu verneinen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr.61). Hinzu kommt, dass die Klägerin eine entsprechende Sprachschulung seitens der Staatlichen Ausführungsbehörde für Unfallversicherung vereitelt hat. Dass die Klägerin seit 1980 keine Chance auf eine Wiedereingliederung hatte, ist deshalb nicht nur auf die langjährige Rentengewährung und das überdurchschnittlich lange Gerichtsverfahren zurückzuführen, sondern nicht zuletzt auch auf die fehlende Mitwirkung der Klägerin.

Weitere Verweisungstätigkeiten kommen nicht in Betracht. Die von Dr.G. noch genannte Tätigkeit als Telefonistin scheitert an der Notwendigkeit der einförmigen Körperhaltung (ausschließlich sitzend); eine Museumswärterin verrichtet ihre Tätigkeit annähernd ausschließlich im Stehen und Gehen. Der Rentenanspruch ist jedoch bereits dann abzulehnen, wenn - wie hier - lediglich eine Verweisungstätigkeit benannt werden kann.

Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved