L 6 RJ 470/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 RJ 661/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 470/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RJ 117/04 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 25. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat der Beigeladenen deren außergerichtliche Kosten zu erstatten, im Übirgen sind Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Hinterbliebenenrente an die geschiedene Ehefrau.

Die Klägerin war vom 31.10.1953 bis 16.05.1975 mit dem 1932 geborenen und am 30.06.2001 verstorbenen Versicherten J. B. verheiratet. Mit dem am 16.05.1975 rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Regensburg wurde die Ehe auf Antrag des J. B. aus dem Verschulden der Klägerin geschieden, mit Vereinbarung vom 16.05.1975 verzichteten die Beteiligten gegenseitig auf Unterhalt. Die von der Klägerin sodann am 17.08.1979 geschlossene Ehe mit dem versicherten W. R. ist mit Urteil des Amtsgerichts Regensburg vom 01.12.1982 geschieden worden. Gleichzeitig wurden vom Konto des Antragstellers (Ehemanns) bei der Bundesbahn-Versicherungsanstalt auf das Konto der Klägerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 25,95 DM, bezogen auf den 30.11.1981, übertragen. Im Zeitpunkt seines Todes war der Versicherte J. B. mit der Beigeladenen R. B. verheiratet.

Mit dem am 16.10.2001 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben beantragte die Klägerin die Zahlung einer Hinterbliebenenrente nach ihrem geschiedenen Ehemann J. B ... Sie habe seinerzeit auf Unterhalt nur deshalb verzichtet, weil es sonst zu keiner Scheidung gekommen wäre.

Mit Bescheid vom 26.08.2001 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Witwenrente für geschiedene Ehegatten ab, weil die Klägerin die persönlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt habe. Nach der rechtskräftigen Scheidung ihrer ersten Ehe mit dem Versicherten sei die Klägerin eine zweite Ehe eingegangen, die wiederum geschieden worden sei. Derjenige geschiedene Ehegatte, der zu Lebzeiten des Versicherten wieder heirate, verliere den Rechtsstatus des geschiedenen Ehegatten im Sinne der anspruchsbegründenden Vorschrift des § 243 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Dieser Status lebe selbst dann nicht mehr auf, wenn auch die neue Ehe aufgelöst werde. Nachdem die Klägerin kein "geschiedener Ehegatte" im Sinne des Rentenrechts sei, komme auch eine Rentengewährung aus der Versicherung des verstorbenen J. B. nicht in Betracht.

Dagegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt und vorgebracht, sie begehre lediglich einen Anteil für die 22-jährige Ehezeit und die Erziehung dreier Kinder. Ihr sei von der Beklagten mit Schreiben vom 17.07.2001 mitgeteilt worden, es könne eventuell erneut Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach dem vorletzten Ehegatten bestehen, wenn die geschiedene Ehefrau nicht wieder geheiratet habe. Da sie seit 1981 alleine lebe, sei dies nicht der Fall. Die Aussagen der Beklagten im Schreiben vom 17.07. 2001 und der ablehnende Bescheid vom 18.08.2001 seien widersprüchlich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2001 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen: Anspruch auf die große Witwenrente nach § 243 Abs.2 SGB VI bestehe auch für geschiedene Ehegatten, die wieder geheiratet hätten, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt worden sei. Ein Anspruch auf Rentenleistungen nach § 243 Abs.4 SGB VI bestehe jedoch nicht, wenn die zweite Ehe noch zu Lebzeiten des versicherten ersten Ehemanns geschlossen worden sei. Aus diesem Grund bestehe für die Klägerin kein Rentenanspruch.

Dagegen hat die Klägerin zum Sozialgericht Regensburg Klage erhoben und erneut auf die lange Ehezeit und die Erziehung von drei Kindern hingewiesen. Der Gesetzgeber könne nicht ernsthaft erwarten, dass eine spätere Witwe bis zum Tode ihres ersten Ehemannes nicht mehr heirate und die zweite Ehefrau dann besser gestellt sei, die nicht einmal Kinder großziehe. Sie habe ihren erlernten Beruf als Kontoristin bis 1967 nicht ausüben können und sei nicht rentenversichert gewesen. Deshalb habe sie selbst nur einen geringen Rentenanspruch. Aus den Schreiben der Beklagten habe sie entnehmen können, dass sie Anspruch auf eine Teilrente habe.

Mit Urteil vom 25.07.2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei der Klägerin seien die Voraussetzungen des § 243 SGB VI, insbesondere dessen Abs.4 nicht gegeben. Voraussetzung hierfür sei, dass die Wiederheirat des geschiedenen Ehegatten erst nach dem Tode des Versicherten erfolgt sei. Die Klägerin sei jedoch bereits am 17.08.1979 eine neue Ehe eingegangen. Durch die Wiederheirat noch zu Lebzeiten des Versicherten habe sie die Stellung des geschiedenen Ehegatten verloren. Da im Fall der Wiederheirat zu Lebzeiten des Versicherten ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch gegen den neuen Ehegatten bestehe und die gesetzliche Unterhaltspflicht des Versicherten gemäß § 67 Ehegesetz (EheG) erlösche, werde der geschiedene Ehegatte auf die Ansprüche aus der nächsten Eheschließung verwiesen. Die begehrte anteilsmäßige Witwenrente aus der Versicherung des J. B. finde in den Vorschriften des SGB VI bei Scheidungen vor dem 01.07.1977 keine rechtliche Grundlage. § 91 SGB VI regele lediglich die Aufteilung von Witwenrenten auf mehrere Berechtigte, wobei es sich nicht um eine eigene anspruchbegründende Norm handele. Vorausgesetzt sei für deren Anwendung vielmehr das Bestehen mehrerer Ansprüche.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr Vorbringen aus dem Klageverfahren wiederholt. Der Staat bzw. die Beklagte habe nicht das Recht, der hinterbliebenen wenn auch geschiedenen ersten Ehefrau den Rentenanspruch streitig zu machen. Seinerzeit habe sie auf Unterhalt verzichtet, weil sie nicht abhängig sein wollte und weil ihr Mann ihr damals mit dem Tode gedroht habe, wenn sie sich nicht schuldig scheiden ließe. Weil ihr eigener Verdienst zum Leben nicht gereicht habe, habe sie die zweite Ehe eingehen müssen, die nach kurzer Dauer wieder geschieden worden sei. Am 11.02.2004 habe der Bundesgerichtshof ein Urteil des OLG München bestätigt, dass ein Ehevertrag (Vereinbarung) sittenwidrig sei, wenn ein Partner finanzielle/wirtschaftliche Benachteiligungen erleidet. Der Vertrag, der bei ihrer Scheidung unter massiven Drohungen geschlossen wurde, sei im nachhinein nichtig, da sittenwidrig. Bei Zurückweisung der Berufung sei sie gezwungen, Antrag auf Sozialhilfe zu stellen.

Im Termin 18.05.2004 hat der Senat die Witwe des Versicherten, Frau R. B. , zum Verfahren beigeladen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 25.07.2003 sowie des Bescheides vom 28.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2001 zu verurteilen, ihr aufgrund des Antrags vom 16.07.2001 Witwenrente für geschiedenen Ehegatten aus der Versicherung des J. B. zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Tatbestandes wird im Übrigen verwiesen auf den Inhalt der Akten des Gerichts und der beigezogenen Akten der Beklagten sowie des Sozialgerichts Regensburg, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. In der Sache erweist sich das Rechtsmittel jedoch als unbegründet, weil die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Hinterbliebenenrente nach ihrem geschiedenen ersten Ehemann J. B. hat.

Hinsichtlich der Voraussetzungen für den Anspruch auf Witwenrente an vor dem 01.07.1977 geschiedene Ehegatten und die Anwendbarkeit auf den Fall der Klägerin (§ 243 SGB VI) sieht der Senat gemäß § 153 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist. Für die Frage der Anwendbarkeit des § 243 Abs.4 SGB VI ist von Bedeutung, dass die Wiederheirat des geschiedenen Ehegatten erst nach dem Tode des Versicherten stattgefunden haben darf (KassKomm-Niesel, § 243 SGB VI Rdnr. 72). Unter diesen Umständen ist es ohne Belang, ob die Klägerin mit ihrem Vorbringen gehört werden müsste, dass die seinerzeitige Vereinbarung eines Unterhaltsverzichts bzw. die von ihr behauptete Übernahme der Schuld durch sie, auf Drängen des Ehemanns erfolgt ist. Auf diese Frage kommt es für die Entscheidung nicht mehr an, da zunächst einmal die Eigeschaft als "frühere Ehefrau" im Sinne des Hinterbliebenenrechts bestehen müsste - was zu Recht verneint wurde - und erst als weiterer Schritt die Umstände der Scheidung einer Prüfung unterzogen hätten werden können. Nur informativ sei darauf hingewiesen, dass die Klägerin zunächst als schuldig Geschiedene nach dem Ehegesetz keinen Anspruch auf Unterhalt gegen ihren Ehemann hätte geltend machen können und im Übrigen eine Unterhaltspflicht gemäß § 67 EheG mit der Wiederverheiratung erloschen wäre. § 243 Abs.3 SGB VI, wonach ein Anspruch besteht, wenn ein Unterhaltsanspruch wegen eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens aus eigener Beschäftigung nicht bestand, kommt ebenfalls nicht zum Zug, weil die Klägerin selbst vorgebracht hat - dies ergibt auch ein Vergleich der beiderseitigen Einkommen im jeweiligen Versicherungsverlauf - dass sie ein geringeres Einkommen als ihr seinerzeitiger geschiedener Ehemann hatte bzw. eine niedrigere Rente bezogen hat. Die Bewilligung einer Rente allein deshalb, weil die Klägerin 22 Jahre mit J. B. verheiratet war und drei Kinder aufgezogen hat, ist nicht möglich und es können keine sozialen Gesichtspunkte herangezogen werden, um gegen den Gesetzestext zu entscheiden.

Die Berufung der Klägerin war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; da die Witwe R. B. notwendig zum Verfahren beizuladen war, musste die Kostentragungspflicht der Klägerin ausgesprochen werden.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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