L 2 U 420/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 33/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 420/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 07.11.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit der ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage der BKV vom 22.04.1994 berichtete der Hautarzt und Allergologe Dr. S. über eine Mehlstauballergie Typ I des Klägers. Trotz der lange zurückliegenden Tätigkeit im Bäckereigewerbe erfolge wegen der weiterhin außerberuflich bestehenden Beschwerden die Meldung. In der Hauttestung habe sich eine deutliche Reaktion auf Mehle und Amylase gezeigt.

Der Kläger gab an, er sei von 1967 bis 1970 als Bäckerlehrling und von 1970 bis 1976 als Bäcker, zuletzt bei der Firma H. beschäftigt gewesen. Die Hauterkrankung habe sich zum ersten Mal im Sommer 1973 an den Händen durch Jucken zwischen den Fingern bemerkbar gemacht. Zur Zeit bestünden Hautveränderungen an Armen und Oberschenkeln. Jetzt arbeite er in der Glasverarbeitung an einem extrem staubarmen Arbeitsplatz. Nach der Aufgabe des Bäckerberufs sei das Ekzem besser geworden. In den letzten Jahren sei eine Verschlechterung eingetreten, obwohl er mit Mehl nicht mehr in Berührung komme.

Am 15.08.1994 berichtete Dr. S. über die durchgeführten Testungen. Der Kläger sei nach seinen Angaben während der Tätigkeit als Bäcker mehrfach wegen ausgeprägter Atem- und Hautbeschwerden in hausärztlicher Behandlung gewesen, ohne dass eine Meldung an den Unfallversicherungsträger erfolgt sei. Die noch immer stark erhöhten EAST-Befunde ließen sich mit den vom Kläger geschilderten Beschwerden gut in Einklang bringen und sprächen für einen weiterhin vorliegenden Triggermechanismus. Es bestünden verschiedene Nahrungsmittelallergien.

Der Gewerbearzt Dr. F. führte in der Stellungnahme vom 22.12.1994 aus, eine Hauterkrankung vor 20 Jahren sei nicht auszuschließen, allerdings lägen nur die anamnestischen Angaben des Versicherten vor. Eine Anamnese, die eine durch Nutritiva unterhaltene Typ I-Allergie stützen würde, habe sich im Gespräch mit dem Kläger am 09.11.1994 nicht ergeben. Die Anerkennung der Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage der BKV werde nicht empfohlen.

Mit Bescheid vom 29.12.1994 lehnte die Beklagte die Entschädigung einer Hauterkrankung ab. Eine Hauterkrankung vor 20 Jahren sei zwar nicht auszuschließen, die späteren Hauterscheinungen könnten wegen des Zeitablaufs nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf die extrem lang zurückliegende Tätigkeit zurückgeführt werden.

Zur Begründung des Widerspruchs vom 08.01.1995 wies der Kläger darauf hin, dass er wegen der Mehlstauballergie seinen Beruf als Bäcker habe aufgeben müssen. Obwohl er von 1977 bis 1983 völlig berufsfremd gearbeitet habe, hätten sich die durch die Mehlstauballergie aufgetretenen Erscheinungen nur teilweise gebessert. Die Hauterkrankung sei bis zum heutigen Zeitpunkt verblieben und trete besonders massiv im Frühjahr und im Herbst am ganzen Körper auf. Der Kläger übersandte ein Attest des Allgemeinmediziners Dr. N. vom 16.01.1995: Der Kläger sei am 27.02.1967 bei Dr. R. wegen einer Neurodermitis behandelt worden. Hier sei erstmals die Verdachtsdiagnose Mehlallergie gestellt worden. Seit 1974 sei eine Mehlstauballergie bekannt. Im Bericht vom 19.05. 1995 erklärte Dr. N. , nach Karteiaufzeichnungen sei der Kläger erstmals am 04.06.1965 wegen eines Ekzems in beiden Kniekehlen in Behandlung gewesen. Am 23.11. 1966 sei eine Hautnekrose diagnostiziert worden. Im Februar 1967 sei der Kläger an einen Hautarzt wegen rezidivierenden Ekzems überwiesen worden. Hautbeschwerden bestünden jezt nur noch selten. Beigefügt war ein Bericht des Hautarztes Dr. R. vom 27.02.1967 mit der Diagnose Neurodermitis, eventuelle Mehlallergie.

Die Hautärztin Prof. Dr. B. berichtete am 24.07.1995 über eine Reihe von Allergietestungen, aus denen sich ein fraglicher Hinweis auf eine Mehlsensibilisierung, ein deutlicher Hinweis auf eine Sensibilisierung gegen Amylase ergeben habe. Die Befunde seien jedoch nur unter Kenntnis der spezifischen IgE-Antikörper, der Anamnese und der Provokation zu interpretieren. Eine außerberufliche Typ I-Sensibilisierung gegen Hausstaubmilben sei wahrscheinlich.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.1996 zurück. Der staatliche Gewerbearzt und Dr. S. hätten festgestellt, dass die Erkrankung nicht auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sei. Die Gefahr des Auftretens einer Berufskrankheit liege nicht mehr vor. Eine weitere Untersuchung durch Prof. Dr. B. habe ebenfalls keine berufliche Verursachung der Hauterkrankung belegen können.

Der Kläger hat mit der Klage vom 05.02.1996 (S 4 U 33/96) geltend gemacht, die Mehlstauballergie sowie das Ekzem seien Folge einer Berufskrankheit. Rente wegen Berufsunfähigkeit sei zu gewähren. Er hat einen Befundbericht des Dr. N. für die LVA Niederbayern-Oberpfalz vom 06.03.1993 übersandt, in dem Dr. N. ausgeführt hat, seit 1974 sei eine Mehlstauballergie bekannt. Im Attest vom 21.06.1996 hat Dr. S. für den 31.03. 1992 die Diagnose atopisches Ekzem gestellt. Seit etwa vier bis fünf Monaten hätten Juckreiz und Brennen der Haut mit zunehmend entzündlichen schuppenden Plaques bestanden. Nach dem Berufswechsel 1970 seien zunächst keine Beschwerden mehr aufgetreten, erst wieder vor zwei Jahren. Am 07.03.1994 habe der Kläger berichtet, er habe seit der Kindheit immer wieder juckende, gerötete, schuppende Ekzeme. 1994 hätten sich im Bereich des Integumentes gerötete schuppende Herde befunden, die sich im Januar 1995 noch nicht wesentlich gebessert hätten. Im März 1996 habe Dr. S. festgestellt, dass es im Winter und Frühjahr zu deutlicher Verschlimmerung des Befundes komme. Die Hauterscheinungen hätten sich bisher nicht zufriedenstellend stabilisieren lassen. Es seien zahlreiche berufstypische Allergene nachgewiesen, dies habe auch zur Aufgabe des Bäckerberufes geführt. Die Relevanz für die derzeit bestehenden Hautveränderungen sei unklar. Beschrieben werde das Auftreten von disseminierten Ekzemen am Körper nach Genuss von entsprechenden Nahrungsmitteln. Es könnte sich auch um eine schwer einstellbare Neurodermitis handeln.

Der frühere Arbeitgeber des Klägers hat erklärt, der Kläger sei vom 24.01.1972 bis 11.08.1973 bei ihm als Bäcker beschäftigt gewesen. Er habe zeitweise Hautausschlag, sichtbar an den Händen, gehabt, der sich bei Kontakt mit Mehl und Sauerteig verstärkt habe. Diese Beschwerden hätten schon bei Beginn des Arbeitsverhältnisses bestanden.

Dr. S. hat im Gutachten vom 15.03.1998 ausgeführt, seit Jahren bestünden beim Kläger juckende und schuppende Ekzeme am Körper, die sich erst nach Entstehung der beruflich bedingten Hautveränderungen an den Händen manifestiert hatten. Es handle sich um Ekzeme im Rahmen einer Nahrungsmittelallergie, wobei die beruflich erworbenen Nutritiv-Allergene von entscheidender Bedeutung seien. Wenn man einen derartigen Zusammenhang annehme, sei zu berücksichtigen, dass die Auswirkungen der Allergie geringgradig seien, das Ausmaß der Hauterscheinungen aber mittelgradig, so dass die beruflich bedingte Hauterkrankung mit einer MdE von 20 v.H. zu bewerten sei.

Die Beklagte hat in der Stellungnahme vom 18.06.1998 darauf hingewiesen, Dr. S. habe über seit der Kindheit bestehende Ekzeme berichtet. Wenn Dr. S. die Auffassung vertrete, dass bei der Nahrungsmittelallergie eine beruflich erworbene Sensibilisierung gegenüber verschiedenen Mehlen eine Rolle spielen könnte, würde es sich um einen außerordentlich ungewöhnlichen Fall handeln, der zumindest durch eine Provokation gesichert werden sollte. Wesentlich wahrscheinlicher sei es, dass es sich um ein atopisches Ekzem bzw. um eine schwer einstellbare Neurodermitis handle. Immerhin sei der Kläger ein Atopiker, der bereits seit 1973 nicht mehr als Bäcker arbeite. Auch gehörten Getreideprodukte nicht zu den Nahrungsmitteln, die regelhaft oder zumindest häufiger zum Aufflammen einer Neurodermitis führten.

Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Dermatologe Prof. Dr. S. hat im Gutachten vom 24.03.1999 zusammenfassend ausgeführt, beim Kläger bestehe mit großer Wahrscheinlichkeit ein atopisches Ekzem (Neurodermitis). Hierfür spreche die Krankengeschichte mit einem Beginn der Hauterscheinungen in der Kindheit und an klinisch typischer Lokalisation, nämlich in den Kniekehlen. Auch die aktuell bestehenden Hauterscheinungen seien mit dieser Diagnose sehr gut vereinbar, ebenso die feingewebliche Untersuchung einer Hautprobe. Die atopische Diathese sei durch weitere Tests belegt. Aufgrund dieser anlagebedingten Minderbelastbarkeit des Hautorgans bei gleichzeitig erhöhter Bereitschaft für die Entwicklung von allergischen Erkrankungen sei es zur berufsbedingten richtungweisenden Verschlechterung gekommen. Zum einen habe sich höchstwahrscheinlich eine Typ I-Sensibilisierung gegen Weizen- und Roggenmehl sowie gegen Backhilfsstoffe (Amylase) entwickelt. Diese Typ I-Allergien seien durch Testung gesichert. Es sei sehr wahrscheinlich, dass diese Sensibilisierungen erst durch die berufliche Tätigkeit als Bäk- ker zur Entstehung gebracht worden seien. Daneben habe die atopiebedingte Minderbelastbarkeit der Haut im Zusammenwirken mit starker Feuchtbelastung das Entstehen eines subtoxisch-kumulativen Handekzems begünstigt, das auch aktuell als Minimalform noch bestehe. Es sei nicht auszuschließen, dass dieses Handekzem die Entstehung der Typ I-Sensibilisierungen mitbegünstigt habe. Die Beschwerden lägen zwar schon sehr lange zurück und ärztliche Dokumentationen fehlten, sie seien aber sehr glaubhaft geschildert und deckten sich mit den erhobenen Befunden, die berufstypische Sensibilisierungen ergeben hätten. Die jetzt bestehenden Hauterscheinungen entsprächen mit großer Wahrscheinlichkeit einem atopischen Ekzem (Neurodermitis) und stünden in keinem Zusammenhang mit der früheren beruflichen Tätigkeit. Die MdE sei mit 10 v.H. zu bewerten, da die relevanten Allergene im Beruf des Bäckers nicht gemieden werden könnten und die Sensibilisierungen zeitlebens bestünden. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien die Sensibilisierungen allerdings von geringerer Relevanz. Hier stehe im Vordergrund die Vermeidung von Feuchtbelastungen.

Hierzu hat die Beklagte am 17.05.1999 erwidert, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Hauterkrankung und der beruflichen Tätigkeit als Bäcker schließe auch Prof. Dr. S. aus. Der Kläger hat geltend gemacht, das Gutachten weise massive Mängel auf, sei unbrauchbar und dürfe nicht verwendet werden. Prof. Dr. S. habe eine berufsbedingte richtungweisende Verschlechterung und eine Typ I-Allergie gegen Mehle und Backhilfsstoffe festgestellt.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 27.08.1999 hat Prof. Dr. S. erläutert, die Diagnose der Typ I-Allergie gegen Weizen- und Roggenmehl beruhe auf den positiven Ergebnissen der durchgeführten Testungen. Es handle sich auf jeden Fall um berufstypische Sensibilisierungen, die der Kläger höchstwahrscheinlich während seiner beruflichen Tätigkeit als Bäcker entwickelt habe. Es sei richtig, dass zwischen den zum Zeitpunkt der Untersuchung bestehenden Hauterscheinungen im Bereich des Stammes und der proximalen Extremitäten und der beruflichen Tätigkeit als Bäcker kein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Hier liege ein atopisches Ekzem vor, das als anlagebedingt anzusehen sei. Die absolut berufstypischen Typ I-Sensibilisierungen seien aber höchstwahrscheinlich im Rahmen der beruflichen Tätigkeit erworben. Sie würden dem Kläger verschiedene Arbeitsfelder vorenthalten. Die atopische Diathese sei zwar ein Risikofaktor für die Entwicklung von berufstypischen Sensibilisierungen, die berufliche Tätigkeit sei aber sicher wesentliche Teilursache gewesen. Weitere Untersuchungen, wie sie der Kläger vorschlage, würden keine Zusatzinformationen erbringen. Im Hinblick auf die lange Zeitdauer seit der Aufgabe der Tätigkeit sei es sehr unwahrscheinlich, dass die erst Anfang der 90-er Jahre aufgetretenen Hauterscheinungen in direktem Zusammenhang mit den berufstypischen Sensibilisierungen stünden. Auch berufstypische Sensibilisierungen seien keinesfalls die Ursache aller im weiteren Leben auftretenden Hauterscheinungen. Die jetzt bestehenden Hauterscheinungen seien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht durch die berufstypischen Sensibilisierungen hervorgerufen und würden daher bei der Bewertung der MdE nicht mitberücksichtigt. Zur Schätzung der MdE würden nur die Hauterscheinungen der Hände berücksichtigt, die als Folgezustand einer irritativen Schädigung der Haut während der beruflichen Tätigkeit anzusehen seien. Anhand dieser diskreten Veränderungen könne eine irritative Schädigung auch dann diagnostiziert werden, wenn seit der Tätigkeitaufgabe keine floriden Hauterscheinungen aufgetreten seien. Die derzeit bestehenden Hauterscheinungen seien vom Ausmaß her als leicht zu bezeichnen. Die Auswirkung der Allergie gegen Mehle und Amylase werde als geringgradig eingestuft, da diese Allergene dem Kläger zwar bestimmte Berufsfelder verschlössen, die Allergene aber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht häufig vertreten seien.

Die Beklagte hat eine Stellungnahme der Dermatologin Dr. S. vom 22.03.2000 übersandt. Bereits vorberuflich habe ein anlagebedingtes atopisches Beugeekzem (Neurodermitis circumscripta) bestanden. Ab den 70er Jahren sei es dann zum Ekzem an Händen und Extremitäten gekommen. Zur Beurteilung, ob die Typ I-Sensibilisierung auf Mehle beim Kläger an der Haut im Sinne einer Kontakturtikaria bzw. einer Proteinkontaktdermatitis klinisch relevant werde, sei die Durchführung eines Teigknetversuchs notwendig, ein Epicutantest allein sei nicht ausreichend. Der Kläger berichte über Juckreiz zwischen den Fingern bei Berührung mit Sauerteig. Durch den erniedrigten pH-Wert von Sauerteig könnten auf vorgeschädigter Haut Reizempfindungen entstehen, die allergisch vermittelt seien. Aus der Aktenlage und bisherigen Befundlage sei die Diagnose einer mehlbedingten Kontakturtikaria insgesamt weder auszuschließen noch festzumachen. Bezüglich der Hautveränderungen am Stamm und Extremitäten sei Prof. Dr. S. zuzustimmen, dass es sich hierbei um ein atopisches Ekzem handle. Hierfür spreche zum einen der Verlauf mit Verschlechterung im Winter und Besserung im Sommer, zum anderen die atopische Hautdiathese. Auch die derzeit bestehende Dyshidrosis lamellosa sicca an den Händen sei im Rahmen des atopischen Ekzems zu sehen. Da vorberuflich zwar ein Beugenekzem, nicht jedoch Handekzeme bestanden hätten, sei davon auszugehen, dass die damaligen Ekzeme an den Händen durch die Berufstätigkeit zur Manifestation gebracht worden seien. Damals habe ein kumulativ-subtoxisches Handekzem, verursacht durch den Bäckerberuf bei anlagebedingter Minderbelastbarkeit der Haut, vorgelegen. Der Kläger habe aber angegeben, dass die Hautveränderungen nicht besonders schwer gewesen seien, ihn nicht zum Hautarzt geführt hätten und auch keine äußerliche Cortisonbehandlung notwendig gemacht hätten. Die Ekzeme hätten daher sicherlich nicht zur Berufsaufgabe gezwungen. Auch Dr. N. habe berichtet, dass der Kläger nur sporadisch in seiner Sprechstunde gewesen sei. Die Phase bis zur kompletten Abheilung kumulativ-subtoxischer Handekzeme dauere nicht über 25 Jahre, zumal dann nicht, wenn ursprünglich kein schweres Handekzem vorgelegen habe. Die Einschätzung von Prof. Dr. S. , dass die derzeit vorliegenden Hautveränderungen an den Händen nach mehr als 25 Jahren immer noch Ausdruck der damaligen Handekzeme sein sollten, überzeuge daher nicht. Die derzeitigen Hautveränderungen seien im Rahmen des berufsunabhängig bestehenden atopischen Ekzems zu sehen. Seitens der Haut sei rückblickend kein Berufsaufgabezwang erkenntlich.

Der Kläger hat dagegen eingewandt, die Hautveränderungen seien eindeutig beruflich bedingt bzw. im Beruf erworben. Die Meldung der Berufskrankheit sei aus Unkenntnis versäumt worden. Er habe in den 70er Jahren wegen der Hoffnung auf Besserung und der Möglichkeit der Übernahme des elterlichen Bäckereibetriebes auf häufige Arztbesuche verzichtet, obwohl die Erkrankung schwer gewesen sei. Eindeutig bestehe eine berufsbedingte richtunggebende Verschlechterung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit. Hierfür spreche auch, dass eine deutliche Besserung eingetreten sei, als er den Beruf aufgegeben habe.

Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Dermatologe Dr. M. hat im Gutachten vom 04.06.2002 zusammenfassend ausgeführt, beim Kläger bestehe konstitutionell die Bereitschaft zu atopischen Erkrankungen, die sich bereits in der Jugend manifestiert hätten. Während der Ausübung des Bäckerberufs habe sich eine Sensibilisierung gegenüber verschiedenen Mehlen und anderen Produkten des Bäckerhandwerks entwickelt. Es sei zur Chronifizierung einer atopischen Dermatitis gekommen. Trotz des Expositionsstoffes im beruflichen Bereich bestehe die atopische Dermatitis chronisch rezidivierend auch im fortgeschrittenen Erwachsenenalter weiter, da ein völliger Expositionsstop im Alltagsleben nicht möglich sei. Die durch beruflichen Umgang erfolgte Sensibilisierung habe zur Chronifizierung einer veranlagten Krankheit entscheidend beigetragen. Die üblicherweise zu erwartende Rückbildung der Neigung zu atopischen Ekzemen sei nicht eingetreten, da sich Sensibilisierungen gegenüber Nahrungsmittelallergenen entwickelt hätten. Das bei der Ausübung des Bäckerberufs darüber hinaus aufgetretene dyshydrotische Handekzem könne einerseits den irritativen Einwirkungen auf die Haut in Ausübung des Berufs, andererseits aber auch bereits eingetretenen Nahrungsmittelallergien zugeschrieben werden. Die MdE sei mit 25 v.H. zu bewerten.

Hierzu hat die Beklagte eine Stellungnahme von Dr. S. vom 23.09.2000 übersandt. Bei klinisch relevanten Typ I-Sensibilisierungen würden klinische Beschwerden bei jedem erneuten Kontakt auftreten. Ein jahrelanges Aussetzen der Symptomatik und anschließendes plötzliches Wiedereintreten, inbesondere ohne entsprechende Exposition, sei nicht zu erwarten. Der zeitliche Verlauf der Hauterkrankung werde von Dr. M. hinsichtlich des Zusammenhangs mit der Berufstätigkeit als Bäcker nicht ausreichend berücksichtigt. Selbst bei Bäckern mit Kontakturtikaria bzw. Proteinkontaktdermatitis sei keine Unverträglichkeitsreaktion beim Genuss von Backwaren zu erwarten. Auch wenn dies der Fall wäre, wäre aber immer noch zu fragen, wieso die Beschwerdesymptomatik an der Haut jahrelang ausgesetzt habe.

Mit Urteil vom 07.11.2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Beim Kläger bestehe keine schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankung im Sinne der Nr. 5101 der Anlage zur BKV. Unstreitig liege beim Kläger als Hautleiden eine atopische Diathese vor. Die Hauterscheinung im Bereich des Körperstammes und der Hände könne nicht einmal zum Teil auf berufliche Einflüsse zurückgeführt werden. So stelle Prof. Dr. S. fest, dass die zum Zeitpunkt der Untersuchung bestehenden Hauterscheinungen in keinem Zusammenhang mit der seinerzeitigen Proteindermatitis stünden. Soweit er die Hauterscheinungen der Hände bei der Schätzung der MdE berücksichtige, sei dem nicht zu folgen. Dr. S. habe überzeugend dargelegt, dass für das atopische Ekzem der Verlauf mit Verschlechterung im Winter und Besserung im Sommer sowie die bestehende atopische Hautdiathese sprächen. Auch die jetzt vorliegende Dyshydrosis lamellosa sicca an den Händen sei im Rahmen dieses Ekzems zu sehen. Da vorberuflich zwar ein Beugenekzem, nicht jedoch ein Handekzem, bestanden habe, könne davon ausgegangen werden, dass die damaligen Ekzeme durch die Berufstätigkeit zur Manifestation gebracht worden seien. Der Kläger habe aber angegeben, dass diese Hautveränderungen nicht besonders schwer gewesen seien, keine Veranlassung zu einem Hausarztbesuch gegeben hätten und keine äußerliche Cortisonbehandlung notwendig gemacht hätten. Daher könnten die Handekzeme nicht zur Berufsaufgabe gezwungen haben, zumal Dr. N. bestätigt habe, dass die Berufsaufgabe wegen einer ob- struktiven Bronchitis erfolgt sei. Zwar könnten kumulativ-subtoxische Handekzeme geraume Zeit zur Ausheilung in Anspruch nehmen, ein Zeitraum von 25 Jahren sei jedoch dafür nicht anzusetzen. Die mittlerweile wieder bestehenden Hauterscheinungen seien nicht mehr der seinerzeitigen beruflichen Tätigkeit anzulasten, sondern hätten ihre Ursache in der unstreitig weiterhin vorliegenden Diathese, die anlagebedingt sei.

Mit der Berufung vom 30.12.2002 wendet der Kläger ein, es sei im Rahmen der Berufskrankheit Nr. 5101 zu drei Krankheitsschüben und zwei Rückfällen gekommen. Das Erstgericht setzte sich über die Ergebnisse aller Gutachten hinweg. Nachgewiesen sei, dass die berufliche Tätigkeit eine wesentliche Ursache für die Krankheit gewesen sei. Aus Angst vor Arbeitslosigkeit habe er sich gescheut, zum Arzt zu gehen. Bestätigungen des Arbeitgebers bewiesen aber, dass während der Berufstätigkeit eine richtungweisende Verschlimmerung eingetreten sei. Außerdem hätten sich die Beschwerden im Urlaub und nach Aufgabe des Berufs merklich gebessert. Die geringfügige Hauterkrankung der Kindheit habe unter der beruflichen Belastung eine völlig neue Qualität angenommen. Nach einer gewissen Beruhigung der Beschwerden bis Anfang der 90er Jahre sei dann wieder eine deutliche Veränderung in der Hauterkrankung eingetreten. Die im Beruf erworbene Allergie habe die Nahrungsmittelallergie sehr stark begünstigt.

Der Kläger stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 07.02.2003, I und II a.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII i.V.m. § 580 RVO).

Gemäß § 551 Abs.1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit. Maßgeblich ist seit 01.12.1997 die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl.I, S.26, 23). Als Berufskrankheit kommen grundsätzlich nur solche Erkrankungen in Betracht, die von der Bundesregierung als Berufskrankheit bezeichnet und in die Berufskrankheitenverordnung aufgenommen worden sind (Listenprinzip). Die Krankheit muss durch eine versicherte Tätigkeit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden sein, das heißt die Gefährdung durch schädigende Einwirkungen muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein und die Einwirkung muss die Krankheit verursacht haben (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 9 SGB VII Rdnr.3). Alle rechtserheblichen Tatsachen müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BSGE 45, 285).

Der Kläger begehrt die Feststellung einer Berufskrankheit im Sinne der Nr. 5101 der Anlage zur BKV, also einer schweren oder wiederholt rückfälligen Hauterkrankung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Anhaltspunkte für eine schwere klinische Symptomatik sind das klinische Bild, das Beschwerdebild, die Ausdehnung und der Verlauf. Wie der Kläger angegeben hat, kam es zu rötlich-juckenden Hauterscheinungen im Bereich der Fingerzwischenräume und Hand- rücken mit späterer Ausbreitung auf die Unterarme. Diese Veränderungen heilten auch nach längeren Arbeitspausen, am Wochenende oder während des Urlaubs nicht ab. Damit war zwar das klinische Bild eines akutem Ekzems mit Bläschenschüben und Rötungen gegeben. Auch kam es nach den Angaben des Klägers zu Juckreiz, und das Ekzem bereitete sich über die Unterarme aus. Dagegen werden aber Ödeme, Erosionen, Superinfektionen und tiefe Rhagaden nicht beschrieben. Der Kläger hat keine Angaben über Schmerzhaftigkeit, Bewegungseinschränkung und Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens gemacht. Die Ausdehnung beschränkte sich auf Hände und Unterarme, ergriff zum damaligen Zeitpunkt aber nicht Oberarme, Stamm, Gesicht. Insofern ist von einer damals vorliegenden schweren Hauterkrankung nicht auszugehen (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeits- und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, S.941). Die Hauterkrankung hat zwar längere Zeit ununterbrochen bestanden, sie war aber, wie die Angaben des Klägers zeigen, nicht dauernd behandlungsbedürftig, insbesondere ist eine Behandlungsbedürftigkeit nicht dokumentiert (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, a.a.O., S.942). Wie die Dermatologin Dr. S. zu Recht betont hat, haben die Hautveränderungen den Kläger nicht zum Hautarzt geführt und keine Cortisonbehandlung notwendig gemacht.

Eine wiederholte, also mindestens zweimalige Rückfälligkeit ist gleichfalls nicht belegt. Der Kläger hat selbst angegeben, dass die Hauterscheinungen nach der Aufgabe des Bäckerberufs im Wesentlichen abgeklungen sind und erst in den 90-er Jahren wieder auftraten. Insofern kann von mindestens drei gleichartigen Krankheitsschüben mit zwei Rückfällen nicht ausgegangen werden.

Da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, nämlich das Vorliegen einer schweren oder wiederholt rückfälligen Hauterkrankung nicht gegeben sind, ist die beim Kläger vorliegende, von Prof. Dr. S. diagnostizierte Hauterkrankung nicht als beruflich verursachte Hautkrankheit und somit als Berufskrankheit anzuerkennen.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved