L 11 AL 406/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 912/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 406/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 195/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 14.10.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).

Der 1967 geborene Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger und reiste nach eigenen Angaben im September 1995 in das Bundesgebiet ein, wobei er in Frankfurt (Main) seinem Schlepper sämtliche Reisepapiere überlassen haben will. Er beantragte die Anerkennung als Asylberechtigter. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 10.11.1995 ab. Dieser Bescheid wurde rechtsverbindlich, ebenso der Bescheid vom 28.01.2002, mit dem die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt wurde. Seit 06.09.1995 - verlängert bis 17.09.2002 - war sein Aufenthalt im Bundesgebiet geduldet. Zuletzt war er vom 01.03.2000 bis 10.07.2002 bei einer M.-Filiale (F.) als Nachtreiniger beschäftigt.

Am 17.07.2002 meldete er sich beim Arbeitsamt Ansbach arbeitslos und beantragte Alg. Dieses lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15.08.2002 ab. Der Kläger stehe der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung, da ihm nach der Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung des Landratsamtes Ansbach vom 17.06.2002 eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet sei.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, es könne nicht sein, dass er Beiträge zur Beklagten entrichtet habe, Leistungen aber nicht erhalte. Die Beiträge stellten Quasi-Eigentum dar. Hilfsweise beantrage er die Zahlung einer Abfindung.

Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 18.09.2002 mit der Begründung zurück, der Kläger sei nicht arbeitslos, da er keine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarkts ausüben dürfe. Die Zahlung einer Abfindung sei gesetzlich nicht zugelassen (§ 31 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil -SGB I-).

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Eine verwaltungsinterne Vorschrift vom Juli 2002 verbiete seither jede Erwerbstätigkeit. Vorher sei eine solche gestattet worden. Es liege also nicht an ihm, wenn er nicht mehr arbeiten dürfe. Die Ansicht der Beklagten stelle sich als Enteignung dar. Auch wenn er als Ausländer keinen Pass besitze, sei er doch berechtigt, Eigentum zu erwerben. Im Vergleich zu anderen arbeitslosen Leistungsempfängern werde er ungleich behandelt. Ferner liege ein Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz der Menschenwürde und Menschenrechte vor. Es komme nicht darauf an, dass er gegen die Auflage des Verbots einer Erwerbstätigkeit rechtlich nicht vorgegangen sei. Nicht verfassungsgemäß sei es, dass er der Ausländerbehörde seine Identität nachzuweisen habe.

Mit Urteil vom 14.10.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Lohnersatzleistungen stünden nur zu, wenn eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt werden dürfe. Insoweit bestehe beim Kläger angesichts des ausländerbehördlichen Verbots ein rechtliches Hindernis.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen: Es gehe nicht an, dass er von der Beklagten wegen seiner Herkunft keine Leistungen erhalte. Für die Beurteilung und Bewertung ausländerrechtlicher Fragen sei das SG ohnehin nicht zuständig. Streitentscheidend dürfe nur sein, dass er Beiträge zur Beklagten entrichtet habe. Im übrigen stehe er dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Das ausländerrechtliche Hindernis habe er nicht zu vertreten. Dass er sich seiner Ausweispapiere entledigt habe, bestreite er. Da ursprünglich eine Erwerbstätigkeit erlaubt gewesen sei, liege bei der Untersagung Willkür vor, insbesondere im Hinblick auf die erworbenen Versicherungsansprüche.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des SG Nürnberg vom 14.10.2003 sowie den Bescheid vom 17.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm dem Grunde nach ab Antragstellung Alg zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Für den geltend gemachten Anspruch auf Alg sei die ausländerrechtliche Auflage, die dem Kläger eine Erwerbstätigkeit nicht gestatte, entscheidend. Diese Entscheidung des Ausländeramtes habe für sie - die Beklagte - Tatbestandswirkung. Der Kläger sei somit nicht arbeitsfähig, stehe deshalb Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung und sei folglich nicht arbeitslos. Unerheblich sei, ob er das ausländerrechtliche Hindernis selbst zu vertreten habe.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Alg.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs 2 SGG).

Gemäß § 117 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung (SGB III) haben Anspruch auf Alg Arbeitnehmer, die u.a. arbeitslos sind. Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige Beschäftigung sucht (§ 118 Abs 1 Nrn 1, 2 SGB III). Eine Beschäftigung sucht, wer den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (§ 119 Abs 1 Nr 2 SGB III). Dies ist dann der Fall, wenn er arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist (§ 119 Abs 2 SGB III). Arbeitsfähig ist ein Arbeitsloser, der eine versicherungspflichtige Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufnehmen und ausüben darf (§ 119 Abs 3 Nr 1 SGB III).

Ausländer - wie der Kläger - dürfen eine Beschäftigung nur mit Genehmigung des Arbeitsamtes ausüben und von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen (§ 284 Abs 1 Satz 1 SGB III). Die Arbeitsgenehmigung darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 5 Ausländergesetz (AuslG) besitzt, soweit durch Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist, und wenn die Ausübung einer Beschäftigung nicht durch eine ausländerrechtliche Auflage ausgeschlossen ist (§ 284 Abs 5 SGB III).

Der Kläger war zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Alg im Besitz einer Duldung gemäß § 55 AuslG. Hierbei handelt es sich grundsätzlich um einen ausreichenden Aufenthaltstitel. Allerdings war die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Auflage des Landratsamtes Ansbach - Ausländerbehörde - im Bescheid vom 17.06.2002 ausgeschlossen. Damit war der Kläger nicht arbeitsfähig i.S. § 119 Abs 3 Nr 1 SGB III).

Über die ausländerrechtliche Zulässigkeit der Beschäftigung entscheidet die Ausländerbehörde unter Berücksichtigung der einwanderungspolitischen und ausländerrechtlich bedeutsamen Gesichtspunkte (BVerwG NVwZ 1992, 268). Diese Entscheidungen haben wegen des Vorrangs des Ausländerrechts (§ 284 Abs 5 SGB III) Tatbestandswirkung und sind durch die Beklagte nicht daraufhin zu überprüfen, ob ausländerrechtliche Vorschriften zutreffend angewandt worden sind (BSG SozR 4100 § 19 Nrn 1, 3). Eine Überprüfung durch die Beklagte findet selbst dann nicht statt, wenn der mit der Auflage versehene Verwaltungsakt angefochten wurde (BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 1), was der Kläger ohnehin unterlassen hat. Die Zuständigkeit der Beklagten ist nur für arbeitsmarktpolitische Erwägungen begründet (Düe in Niesel, SGB III, 2.Auflage, § 284 Rdnr 37).

Als ausländischer Staatsangehöriger stand der Kläger damit wegen des Verbots einer Erwerbstätigkeit ab der Antragstellung auf Leistungen der Arbeitsvermittlung objektiv nicht zur Verfügung; er durfte in Deutschland eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes nicht ausüben. Damit hatte er trotz der Entrichtung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung keinen Anspruch auf Alg. Die Entscheidung der Ausländerbehörde war für die Beklagte bindend. Auf die Frage, ob der Kläger das ausländerrechtliche Hindernis zu vertreten hat, kommt es daher entscheidungserheblich nicht an.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 14.10.2003 war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1, 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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