L 16 RJ 483/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 629/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 483/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 10. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1953 geborene Kläger hat von 1968 bis 1971 den Beruf des Schreiners erlernt und diesen bis 1975 ausgeübt. Anschließend war er nach eigenen Angaben als Glasereihelfer, Möbelaufsteller, Kabelwerker, Munitionshelfer und Staplerfahrer sowie zuletzt von 1992 bis 1996 als Tiefbauarbeiter sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Nach Auskunft des letzten Arbeitgebers wurde der Kläger zunächst als Bauwerker nach Lohngruppe VI des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV) und zuletzt nach Lohngruppe V.1 entlohnt (Arbeitgeberauskunft vom 22. Juni 1998 mit BRTV-Auszug). Er war im Kanalbau (Verlegung von Kanalrohren) und zeitweise im Straßenbau (Pflastern) tätig.

Im Februar 1996 wurde beim Kläger ein Bandscheibenvorfall im Bereich L 3/4 operiert. Am 21. Januar 1997 erfolgte eine Mitralklappen-Rekonstruktion. Aus einer anschließenden stationären Rehabilitationsmaßnahme vom 25. Februar bis 25. März 1997 wurde der Kläger bei eingeschränkter linksventrikulärer Funktion und ergometrischer Belastbarkeit bis 125 Watt als vollschichtig leistungsfähig für mittelschwere Arbeiten entlassen (Entlassungsbericht vom 16. April 1997). Im August 1997 folgte eine Meniskusoperation am linken Kniegelenk.

Der Arbeitsamtsärztliche Dienst beurteilte den Kläger am 11. Dezember 1997 unter Berücksichtigung von Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule und des linken Kniegelenks als vollschichtig leistungsfähig für leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus ohne Zeitdruck, häufiges Bücken, Zwangshaltung des Rumpfes, Knien, Hocken, häufiges Heben und Tragen von Lasten, Nässe, Kälte, Zugluft, Temperaturschwankungen, Hitze und erhöhte Verletzungsgefahr.

Vom 2. Januar 1997 bis 5. März 2000 bezog der Kläger Leistungen der Krankenversicherung und des Arbeitsamtes (Versicherungsverlauf vom 21. September 2000). Seither ist er nach eigenen Angaben durchgehend arbeitssuchend gemeldet.

Am 24. März 1998 beantragte der Kläger bei der Beklagten wegen Bandscheibenleidens, Herzklappenfehlers und Kniebeschwerden links die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte lehnte den Antrag nach ambulanter Begutachtung des Klägers (vom 24. Juni 1998) ab. Der Kläger könne noch vollschichtig leichte Arbeiten ohne häufiges Bücken oder Zeitdruck verrichten und sei daher weder berufs- noch erwerbsunfähig (Bescheid vom 27. Juli 1998). Der dagegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26. August 1998). Der Kläger sei zuletzt allenfalls als Angelernter im oberen Bereich tätig gewesen und z.B. auf Tätigkeiten als Monteur, Sortierer, einfacher Pförtner oder Verpacker von Kleinteilen verweisbar.

Dagegen hat der Kläger am 25. September 1998 (Eingang bei Gericht) Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben. Infolge mehrerer Bandscheibenvorfälle aus den Jahren 1995 bis 1997 könne er nicht längere Zeit sitzen oder stehen. Er leide unter ständigen starken Schmerzen in den Beinen und im Kreuzbereich. Eine möglicherweise medikamenteninduzierte sehr unregelmäßige Pulsfrequenz schließe jegliche Arbeitsbelastung aus.

Das SG hat die Akten des Amtes für Versorgung und Familienförderung Regensburg (AVF) und des Arbeitsamtes Regensburg (AA), Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) vom 6. März 1996, 11. März, 12. Mai und 23. Juni 1997 sowie einen Befundbericht des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. W. vom 27. April 1999 beigezogen und ein Gutachten des Chirurgen, Sportmediziners und Sozialmediziners Dr. P. vom 24. Janaur 2000 eingeholt. Dr. P. hielt den Kläger noch für fähig, vollschichtig leichte Arbeiten im Wechselrhythmus ohne Gefährdung durch Zugluft, Kälte oder Nässe, häufiges Bücken, Knien oder Hocken, Zwangshaltung und besonderen Zeitdruck zu verrichten sowie Gehstrecken von mehr als 500 Metern viermal täglich zurückzulegen.

Das SG hat sich dieser Leistungsbeurteilung angeschlossen und die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2000). Der Kläger sei auf Grund der tariflichen Einstufung seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit dem oberen Bereich der Gruppe mit dem Leitbild des Angelernten zuzuordnen und sozial auf Tätigkeiten wie die eines Sortierers oder Verpackers leichter Gegenstände verweisbar.

Gegen den am 24. Juli 2000 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24. August 2000 (Eingang bei Gericht) beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und u.a. vorgetragen, seine kardiale Situation habe sich verschlechtert.

Der Senat hat die Akte des AVF, Unterlagen des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Regensburg sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. K. (Neurologe und Psychiater, 14. November 2000), Dr. N. (Orthopäde, November 2000) und Dr. B. (Neurologe und Psychiater, 12. Juni 2001) beigezogen und den Kläger durch den Orthopäden Dr. T. (Gutachten vom 1. Februar 2001), die Internistin und Kardiologin Dr. R. (Gutachten vom 20. April 2001), den Neurologen und Psychiater Dr. V. (Gutachten vom 20. September 2001) sowie auf Antrag des Klägers durch den Orthopäden Dr. S. (Gutachten vom 26. Oktober 2002 mit ergänzender Stellungnahme vom 8. Januar 2003) und nach Einholung aktueller Befundberichte (Dr. K. vom 5. Mai 2003, Dr. W. vom 3. März 2003) nochmals durch Dr. V. (ergänzendes Gutachten vom 31. Januar 2004) ambulant begutachten lassen.

Alle Sachverständigen sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger zumindest leichte Arbeiten mit einigen qualitativen Leistungseinschränkungen vollschichtig verrichten kann. Eine wesentliche Einschränkung der Wegefähigkeit liege nicht vor. Die Umstellung auf einfache Arbeiten sei dem Kläger noch möglich.

Der Kläger hat nach Eingang des letzten Gutachtens erneut eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes (Schmerzen im linken Knie und im linken Arm, Befürchtung, einen neuen Bandscheibenvorfall erlitten zu haben) geltend gemacht, jedoch mitgeteilt, ärztliche Atteste könnten hierzu nicht vorgelegt werden.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 10. Juli 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Berufsunfähigkeit aufgrund des Antrags vom März 1998 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten und die Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte, auf die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit beschränkte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 1998, mit dem es die Beklagte u.a. abgelehnt hat, dem Kläger auf Grund seines Antrags vom 24. März 1998 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen. Das SG hat die dagegen erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2000 zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Der Anspruch des Klägers richtet sich nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.), da der Kläger den Rentenantrag vor dem 3. April 2001 gestellt hat und Rente (auch) für Zeiten vor dem 1. Januar 2001 begehrt (§ 300 Abs.2 SGB VI i.V.m. § 26 Abs.3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X -).

Nach § 43 SGB VI (a.F.) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie 1. berufsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähig keit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Be schäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Diese Voraussetzungen sind beim Kläger nicht erfüllt. Zwar hat er die allgemeine Wartezeit (§§ 50 Abs.1 Satz 1, 51 Abs.1 SGB VI) erfüllt. Beim Kläger liegt jedoch keine Berufsunfähigkeit vor.

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs.2 SGB VI a.F.).

Ausgangspunkt für die Prüfung von Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat. In der Regel ist dies die letzte, nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.130, 164). Kann ein Versicherter seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben, liegt Berufsunfähigkeit aber nur dann vor, wenn es nicht zumindest eine andere berufliche Tätigkeit gibt, die sozial zumutbar und für ihn sowohl gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, in Gruppen eingeteilt, die durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.132, 138, 140). Die Einordnung eines Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten, förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI a.F. am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs und besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn.27, 33).

Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr.5).

Nach den vom BSG entwickelten Kriterien ist der Kläger auf Grund seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Arbeiter im Tiefbau allenfalls der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten - nicht im oberen Bereich - zuzuordnen.

Eine Zuordnung des Klägers zur Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters kommt nicht in Betracht. Der Kläger hat weder die dreijährige Stufenausbildung des Baugewerbes absolviert noch eine entsprechend qualifizierte Tätigkeit (wettbewerbsfähig) ausgeübt und ist tariflich nicht als Facharbeiter (zur Unterscheidung zwischen Baufacharbeitern i.S.d. Lohngruppe IV BRTV und Facharbeitern i.S.d. Mehrstufenschemas vgl. BSG Urteil vom 19. Juni 1997 - 13 RJ 101/96 -) entlohnt worden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr.168 m.w.N.).

Zwar hat der Arbeitgeber angegeben, der Kläger, der bei Aufnahme der Tätigkeit über keine einschlägigen beruflichen Vorkenntnisse verfügt hat und tariflich zunächst als Baufachwerker (nach der Berufsgruppendefinition des BRTV Arbeitnehmer, die mindestens 18 Jahre alt sind und 12 Monate als Bauwerker tätig waren; eine berufliche Ausbildung ist zur Eingruppierung in diese Berufsgruppe nicht erforderlich) nach Lohn(berufs)gruppe VI des BRTV entlohnt wurde, habe auf Grund innerbetrieblicher Schulungen und praktischer Berufserfahrung über alle praktischen und theoretischen Kenntnisse eines voll ausgebildeten Facharbeiters mit dreijähriger Ausbildung verfügt. Der Kläger selbst hat aber glaubhaft angegeben, er habe die Kenntnisse und Fertigkeiten für die von ihm im Termin vom 12. Mai 2004 beschriebene, fast ausschließlich ausgeübte Tätigkeit im Kanalbau (Verlegen von Rohren nach Vorgaben des "Kapo", teilweise unter Nutzung eines von diesem programmierten Lasers zur Einhaltung des vorgegebenen Gefälles, Setzen und Anschließen von Schächten, Rohr- und Hausanschlüsse) in einer betriebsüblichen Zeit von nur etwa vier Wochen erworben. Dass er im Rahmen der mehrjährigen Berufsausübung weitergehende, insbesondere einer Facharbeiterausbildung entsprechende theoretische Kenntnisse und praktische Fähigkeiten erworben hat, ist weder vom Kläger behauptet worden noch ersichtlich.

Der Kläger ist auch nicht der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich (Ausbildungszeit von 12 bis 24 Monaten) zuzuordnen. Zwar wurde er zuletzt nach Lohn(berufs)gruppe V.1 als Baufacharbeiter entlohnt, doch beruhte diese tarifliche Einstufung nach Maßgabe der tatsächlich vom Kläger verrichteten Tätigkeit auf qualitätsfremden Merkmalen. Die Berufsgruppe V.1 umfasst Arbeitnehmer, die ihre Berufsausbildung in der Form der Stufenausbildung mit der ersten Stufe (Ausbildungszeit 24 Monate) abgeschlossen haben. Der Kläger hat keine solche Stufenausbildung abgeschlossen und keine entsprechend qualifizierte Tätigkeit (wettbewerbsfähig) ausgeübt. Die von ihm konkret verrichtete Tätigkeit kann bei einer betriebsüblichen Einarbeitungszeit von nur vier Wochen ohne Erwerb weitergehender Kenntnisse und Fähigkeiten nicht einer Tätigkeit gleichgesetzt werden, die eine Berufsausbildung von (12 bis) 24 Monaten erfordert. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei der vom Kläger beschriebenen Tätigkeit um einen eigenständigen Teilbereich des Baufacharbeiterberufs handelt (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr.169; Urteil vom 1. September 1999 - B 13 RJ 89/98 R -) oder der Kläger über die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Spezialbaufacharbeiters i.S.d. Lohn(berufs)gruppe V.2 verfügt, zumal er nicht als solcher (etwa als Rohrleger nach V.2.11) entlohnt worden ist.

Ob die Tätigkeit des Klägers als ungelernte Tätigkeit einzustufen ist oder Merkmale aufweist, die trotz der kurzen Einarbeitungszeit eine Zuordnung zur Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten im unteren Bereich (Anlern- oder Ausbildungszeit von drei bis zwölf Monaten) erlauben würde, kann hier dahinstehen, da der Kläger in beiden Fällen sozial auf ungelernte Tätigkeiten verweisbar ist, ohne dass es der Benennung einer Verweisungstätigkeit bedarf.

Der Kläger verfügt über ein ausreichendes Leistungsvermögen zur Ausübung ungelernter Tätigkeiten. Nach dem Ergebnis der vom Senat eingeholten orthopädischen, internistisch-kardiologischen und neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachten ist er noch in der Lage, zumindest leichte Arbeiten im Wechselrhythmus vollschichtig zu verrichten. Zu vermeiden sind längere Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Tätigkeiten im Freien oder an laufenden Maschinen, häufiges Bücken, Knien, Heben und Tragen von Lasten über 10 Kilogramm, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, unter Zeitdruck oder in Wechsel- und Nachtschicht, ungünstige klimatische Verhältnisse (z.B. Kälte, Hitze, Zugluft), Exposition gegenüber inhalativen und reizenden Substanzen, Arbeiten auf laufenden Maschinen und Arbeiten, die besondere Anforderungen an die Stresstoleranz stellen. Auf Grund der Schmerzsymptomatik ist auch die Umstellungsfähigkeit des Klägers eingeschränkt. Eine Umstellung auf einfache Arbeiten ist nach Ansicht des Sachverständigen Dr. V. jedoch möglich. Übliche Anmarschwege von und zur Arbeit von über 500 Metern kann der Kläger viermal täglich bewältigen.

Dieser Leistungsbeurteilung liegen auf orthopädischem Gebiet folgende Diagnosen zu Grunde:

- belastungsabhängiges Lumbalsyndrom bei nachgewiesenem Dis- kusprolaps L 3/4 und kleinem Diskusprolaps L 5/S 1 ohne klinische Relevanz und ohne sensible oder motorische Defizite an den unteren Extremitäten

- leichtgradige Trochanteransatztendinose links

- Verdacht auf Chondropathiea-patellae-Symptomatik linkes Kniegelenk bei Zustand nach arthroskopischer Teilresektion des Innenmeniskus 1997 und Nachweis eines Innenmeniskusris- ses rechts ohne klinisch aktuelle Symptomatik sowie

- Knick-Senkfüße ohne Dekompensationszeichen.

An der Wirbelsäule liegen lediglich Anzeichen für eine temporär bestehende Lumboischialgie vor. Die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule liegen mit Ausnahme des Diskusprolaps L 3/4 bzw. L 5/S 1 im Normbereich. Es sind nur minimale Degenerationen an der HWS und LWS objektivierbar. Auch die Beweglichkeit der Wirbelsäule zeigte sich in allen Abschnitten im Wesentlichen altersgerecht. An den Kniegelenken fanden sich bei den Begutachtungen keine wesentlichen Funktionseinschränkungen. Insgesamt wird das orthopädische Krankheitsbild erheblich psychogen überlagert. Diese von Dr. T. geäußerte Einschätzung wird durch das auf Antrag des Klägers eingeholte Gutachten des Orthopäden Dr. S. ausdrücklich bestätigt. Auch bei seiner Untersuchung fanden sich keine sensiblen oder motorischen Defizite als Folge der bekannten Bandscheibenveränderungen im Bereich L 3/4 und L 5/1 und keine klinische Symptomatik an den Kniegelenken.

Auf internistisch-kardiologischem Gebiet besteht ein Zustand nach Mitralklappen-Rekonstruktion (wegen Mitralinsuffizienz dritten Grades bei Mitralklappenprolaps) sowie ein Zustand nach Cholezystektomie (August 1999). Zwar liegt beim Kläger eine myokardiale Schädigung (Vergrößerung des linken Ventrikels und reduzierte linksventrikuläre Auswurfleistung) vor, die die körperliche Belastbarkeit einschränkt, doch ist bei einer ergometrischen Belastbarkeit bis 125 Watt eine körperlich leichte Tätigkeit ohne weiteres möglich. Auch Dr. R. weist in ihrem Gutachten darauf hin, dass die vom Kläger angegebenen vielfältigen Beschwerden auf eine psychovegetative Überlagerung hindeuten, da bei gutem postoperativen Befund nach Mitralklappen-Rekonstruktion trotz gehäufter ventrikulärer Extrasystolen im Langzeit-EKG keine mit der Beschwerdeschilderung korelierenden klinischen Befunde zu erheben sind.

Neurologisch-psychiatrisch diagnostiziert Dr. V. beim Kläger ein Schmerzsyndrom der Wirbelsäule im Sinne einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und ein neurasthenisches Syndrom, das sich zum Zeitpunkt seiner Untersuchung gegenüber den Vorbegutachtungen in Übereinstimmung mit der Beurteilung des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. K. als intensiviert und chronifiziert darstellte. Anhaltspunkte für eine endogene Depression, eine manisch-depressive Psychose, eine endogene Psychose anderer Art, eine Suchterkrankung oder eine schwere Neurose oder Persönlichkeitsstörung fanden sich bei der Begutachtung ebenso wenig wie eine organische Erkrankung des zentralen Nervensystems als Ursache der geschilderten psychopathologischen Symptomatik. Wesentliche neurologische Defizite ergaben sich, ebenso wie bei den vorangegangenen Begutachtungen und der nachfolgenden Begutachtung durch Dr. S. , nicht. Durch die psychischen Beeinträchtigungen ist die nervliche Belastbarkeit, die Stresstoleranz, die Merkfähigkeit und die Leistungsmotivation sowie das Umstellungs- und Anpassungsvermögen des Klägers beeinträchtigt. Eine Umstellung auf einfache Arbeiten hält Dr. V. bei durchschnittlicher intellektueller Verfassung des Klägers jedoch für möglich. Die ergänzende Begutachtung am 25. September 2003 ergab keine Hinweise auf eine weitergehende Verschlechterung des neurologisch-psychiatrischen Gesundheitszustandes beim Kläger.

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers auf orthopädischem, internistischem oder sonstigem Fachgebiet zwischenzeitlich wesentlich verschlechtert hätte. Zwar hat der Kläger wiederholt Verschlechterungen (Sehstörungen infolge einer Hornhautverkrümmung, mehrfach täglich auftretende Schwindelanfälle, Schmerzen im linken Handgelenk, häufige starke Kopfschmerzen und starke Schmerzen im rechten Fuß) vorgetragen, ohne Unterlagen hierüber vorzulegen. Mit Ausnahme einer von Dr. K. angegebenen langsamen Chronifizierung und Verschlechterung (Bericht vom 5. Mai 2003) sowie einer von Dr. W. (Bericht vom 3. März 2003) berichteten vorübergehenden Befundverschlechterung an der Lendenwirbelsäule (April 2002 und Januar 2003, zuletzt mit ausgeprägter psychischer Überlagerung) und am linken Kniegelenk (bei bekanntem MRT-Befund vom November 2002 mit einem Horizontaleinriss des Hinterhorns), die bei den nachfolgenden Begutachtungen durch Dr. S. im Oktober 2002 bzw. Dr. V. im September 2003 Berücksichtigung gefunden haben, haben die Ermittlungen jedoch keine Anhaltspunkte für eine gesundheitliche Verschlechterung ergeben. Hinsichtlich der zuletzt vom Kläger geltend gemachten neuen Gesundheitsstörungen (Schmerz im linken Knie und im linken Arm, Befürchtung eines neuen Bandscheibenvorfalls) hat der Kläger selbst angegeben, keine ärztlichen Atteste vorlegen zu können, so dass kein Anlass zu einer erneuten Einholung eines Befundberichts oder gar Begutachtung des Klägers besteht.

Bei einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit für leichte Arbeiten ist der Kläger ohne Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich machen würde (vgl. BSGE 80, 24), liegt nicht vor. Für ungelernte Tätigkeiten typische Verrichtungen wie das Zureichen, Abnehmen, Sortieren, Verpacken oder Montieren sind dem hinsichtlich der Feinmotorik nicht eingeschränkten Kläger, der noch über das notwendige Umstellungsvermögen für einfache Arbeiten verfügt, ohne Weiteres möglich.

Ist der Kläger nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs.2 SGB VI a.F. so liegt auch - für Versicherungsfälle nach dem 31. Dezember 2000 - keine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI n.F. (die ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen voraussetzt) vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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