L 12 KA 198/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 28 KA 1996/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 198/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 51/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. November 2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Beigeladene zu 1) hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

In diesem Rechtsstreit geht es um die bedarfsunabhängige Zulas- sung der Beigeladenen zu 1) als psychologische Psychotherapeu- tin in M ...

Die Beigeladene zu 1) ist Diplom-Psychologin und betreibt seit 1990 eine eigene psychotherapeutische Praxis in M ... Dort behandelt sie seit August 1994 auch Versicherte der gesetzli- chen Krankenversicherung (GKV) im sogenannten Delegationsver- fahren mit eigener Abrechnungsnummer bei der Klägerin.

In der Zeit vom 25. Juni 1994 (Beginn des sogenannten Zeitfen- sters) bis zum 4. April 1995 hat die Beigeladene zu 1) und Be- rufungsklägerin 206 Behandlungsstunden zu Lasten der GKV er- bracht, zumeist analytische Psychotherapie als Einzelbehand- lung. In der Zeit vom 10. August 1994 bis 11. Oktober 1994 war sie arbeitsunfähig erkrankt und vom 5. April 1995 bis zum 31. Dezember 1995 in England zur Fort- und Weiterbildung. Im Jahreszeitraum vor dem Zeitfenster, vom 25. Juni 1993 bis Ende Juni 1994 hatte sie 443 Behandlungsstunden an GKV-Patienten abgerechnet.

Am 21. Dezember 1998 hat die Beigeladene zu 1) die bedarfsunab- hängige Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung in M. , D.str. beantragt. Diesem Antrag gab der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom 10. Mai 1995 (Bescheid vom 10. August 1999) statt, weil die Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis 24. Juni 1997 (Zeitfenster) im Delegationsverfahren an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen habe und in dieser Zeit 206 Behandlungsstunden nachgewiesen habe. Vom 15. April 1995 bis 31. Dezember 1997 sei sie zur Fort- und Weiterbildungszwecken in L. gewesen, wo sie sowohl ambulant als auch stationär heilkundlich psychotherapeutisch gearbeitet habe. Vom 10. August bis 11. Oktober 1994 sei sie krank geschrieben gewesen. Im Jahreszeitraum vom 25. Juni 1993 bis 30. Juni 1994 habe sie nachweislich 443 Stunden in der Versorgung der GKV Versicherten erbracht. Bei diesem Sachverhalt handele es sich aus der Sicht des Zulassungsausschusses um einen Ausnahmetatbestand, bei dem vom Kriterium der 250 Behandlungsstunden innerhalb eines Jahres im Zeitfenster nach unten hin abgewichen werden könne.

Dagegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt und zur Begrün- dung im Wesentlichen vorgetragen, die Voraussetzungen für ein Abweichen vom Erfordernis der 250 Stunden im Zeitfenster lägen nicht vor. Als krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit sei nur die Zeit von August bis Oktober 1994 bestätigt. Während dieser Zeit habe die Beigeladene zu 1) sogar mehr Behandlungen durch- geführt als in der Zeit danach. Bei dem Auslandsaufenthalt handele es sich um eine Tätigkeit der privaten Lebensgestaltung, zu der ein außen stehender Dritter in der konkreten Situation sich nicht hätte gedrängt fühlen müssen. Er sei deshalb nicht geeignet, einen Härtefall zu begründen. Bei der Besitzstandsschutzregelung des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) komme es grundsätzlich nicht darauf an, warum ein Bestand in dem jeweils geforderten Umfang nicht vorliege. Die Vorverlegung des Dreijahreszeitraumes komme ausschließlich für den Fall von Kindererziehungszeiten gemäß § 95 Abs.11b SGB V in Betracht. Es handele sich um eine abschließende Regelung, die nicht analog angewendet werden könne.

Der Beklagte hat in seiner Sitzung vom 30. Januar 2001 (Be- scheid vom 6. Juni 2001) den Widerspruch der Klägerin zurückge- wiesen. Eine bestimmte Stundenzahl sei in § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V nicht gefordert. Das Bundessozialgericht (BSG) ori- entiere sich an einem Behandlungsumfang von 250 Stunden in ei- nem halben bis einem Jahr während des Zeitfensters. Die Beige- ladene zu 1) habe vom 25. Juni 1994 bis 15. April 1995, also in weniger als 10 Monaten 206 Behandlungsstunden bei Patienten der GKV erbracht. Da sie in diesem Zeitraum noch drei Monate krank geschrieben gewesen sei und nur 34 Stunden abgerechnet habe, seien 172 Stunden effektiv in weniger als 7 Monaten erbracht worden, also fast 24 Stunden monatlich. Das zeige, dass die Beigeladene zu 1) eine eingeführte Praxis betrieben habe, und es spreche einiges dafür, dass es bei normalem Verlauf auch möglich gewesen wäre, noch 44 Stunden und damit die geforderten 250 Stunden innerhalb eines Jahreszeitraums zu erbringen. Zwar stelle die gesetzliche Regelung auf den erworbenen Besitzstand ab, so dass hypothetische Stunden nicht angerechnet werden könnten. Auch könnten Gründe, die in der privaten Lebensphäre lägen, wie etwa der Auslandsaufenthalt, normalerweise nicht be- rücksichtigt werden. Im vorliegenden Fall habe jedoch die Klä- gerin mit Schreiben vom 18.10.1996 der Unterbrechung der Teil- nahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Wege der Delega- tion wegen der Ausbildung in L. zugestimmt. Zwar gebe es im Delegationsverfahren keine Unterbrechung oder Ruhen im Sinne der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV). Wenn die Klägerin durch ihr Verhalten jedoch erkennen lasse, dass sie vergleichbare Maßstäbe anlege wie bei Vertragsärzten, müsse sie dies auch gegen sich gelten lassen. Sie habe zu erkennen gegeben, dass eine Nichtteilnahme der Beigeladenen zu 1) an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV nicht zu ihren Lasten berücksichtigt werde. Die von der Beigeladenen zu 1) erbrachten Stunden entsprächen dem Umfang nach etwa den Kriterien, die das BSG bei neu gegründeten Praxen aufgestellt habe, so dass es angemessen erscheine, diesen Maßstab ausnahmsweise auch hier anzulegen.

Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin Klage beim Sozialge- richt München (SG) erhoben unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG vom 8. November 2000. Das BSG verlange 11,6 Stunden pro Woche, was annähernd einer halbtägigen Tätigkeit entspreche. Die Beigeladene zu 1) habe mit 206 Behandlungsstunden einen solchen Behandlungsumfang nicht erreicht. Das BSG habe ferner bestätigt, dass § 95 Abs.10, Abs.11 SGB V keine bloße Übergangsregelung sei, sondern per se eine Härtefallregelung darstelle, die allein an dem Aufbau einer schützenswerten Praxissubstanz, als Kriterium für eine tatsächliche und erhebliche Teilnahme an der ambulanten Versorgung der Versicherten anknüpfe. Hypothetische Überlegungen, inwieweit bei Nichtvorliegen persönlicher, familiärer Umstände eine Praxissubstanz hätte aufgebaut werden können, könnten damit nicht zum Tragen kommen. Die Klägerin habe der Unterbrechung der Delegationstätigkeit der Beigeladenen zu 1) nicht zugestimmt. Diese habe der Klägerin im April 1995 mitgeteilt, dass sie demnächst wegen einer Fortbildung in England die ihr erteilte Abrechnungsnummer bis Ende 1997 nicht benutzen werde. Das habe die Klägerin zur Kenntnis genommen, hierauf jedoch weder positiv noch negativ reagiert. Eine Genehmigung sei auch gar nicht erforderlich gewesen, denn Delegationstherapeuten seien nicht verpflichtet gewesen, eine längere Abwesenheit der Klägerin mitzuteilen, da sie anders als die Vertragsärzte den Versicherten nicht in einem bestimmten Umfang zur Verfügung stehen müssten. Die Delegationstherapeuten hätten nichts weiter als eine Abrechnungsnummer für die direkte Abrechnung der Leistungen und die Überweisung der Honorare besessen. Ein weiterer Schriftwechsel zwischen der Beigeladenen zu 1) und der Klägerin sei erst im Herbst 1996 erfolgt, als die Beigeladene zu 1) die Klägerin davon in Kenntnis gesetzt habe, dass sie noch bis Ende 1997 in L. bleiben werde. Daraufhin habe die Klägerin ihr mitgeteilt, einer "Unterbrechung" der psychotherapeutischen Tätigkeit werde bis längstens 1997 zugestimmt, danach werde die Abrechnungsnummer gelöscht. Eine Erklärung im Sinne einer Zustimmung zum Ruhen der Zulassung wie bei Vertragsärzten sei hierin nicht zu sehen. Der Beklagte habe in unzulässiger Weise die Kriterien des BSG zur Auslegung des Teilnahmebegriffs bei Neugründungen von Praxen am Ende des Zeitfensters auf den Behandlungsumfang einer am Anfang des Zeitfensters betriebenen Praxis übertragen. Das BSG stelle aber nicht auf die Praxissubstanz zu Beginn, sondern vielmehr zum Ende des Zeitfensters ab, also auf den Zeitraum unmittelbar vor bekannt werden der Änderung der Rechtslage.

Das SG hat mit Urteil vom 27. November 2001 den Bescheid des Beklagten aufgehoben und diesen verpflichtet, über den Wider- spruch der Klägerin gegen den Bescheid des Zulassungsausschus- ses vom 10. Mai 1999 unter Berücksichtigung der Rechtsauffas- sung des Gerichts neu zu entscheiden. Zur Begründung führte es aus, die Voraussetzungen der bedarfsunabhängigen Zulassung ge- mäß § 95 Abs.10 SGB V würden von der Beigeladenen zu 1) nicht erfüllt. § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V knüpfe mit dem Begriff der Teilnahme tatbestandlich allein an dem tatsächlichen Umfang der psychotherapeutischen Tätigkeit in eigener Praxis im Zeitfenster an. Eine Ausnahme sehe § 95 Abs.11b SGB V nur für den Fall der Betreuung und Erziehung eines Kindes in den ersten drei Lebensjahren im Zeitfenster vor. Andere Gründe für eine fehlende Erwerbstätigkeit im Zeitfenster könnten demnach keine Berücksichtigung finden. Somit komme es auch nicht auf die von der Beigeladenen zu 1) vor dem 24.06.1994 ausgeübte Praxistätigkeit an. Die fehlende Erwerbstätigkeit der Beigeladenen zu 1) im Zeitfenster beruhe im Wesentlichen auf dem Auslandsaufenthalt vom 4. April 1994 bis zum Ende des Zeitfensters und darüber hinaus bis zum 31. Dezember 1997 und außerdem möglicherweise zum Teil auf einer Arbeitsunfähigkeit im dritten Quartal 1994, wobei allerdings die damals erbrachten Behandlungsstunden nicht signifikant vom Behandlungsumfang der Quartale 2 und 4/94 abwichen. Diese Tatbestände seien in der gesetzlichen Wertung der Betreuung und Erziehung eines Kindes nicht gleichzusetzen. Ob die Klägerin dem Auslandsaufenthalt zugestimmt oder diesen gar genehmigt habe, was rechtlich nicht erforderlich gewesen wäre, könne dahinstehen. Dies wäre, ebenso wie ein etwaiges Ruhen gemäß § 26 Ärzte-ZV lediglich geeignet, eine Identität der bis zum 4. April 1995 betriebenen und ab 1998 wieder aufgenommenen Praxis zu begründen. An dem tatsächlichen Umfang der Behandlungstätigkeit im Zeitfenster ändere sich dadurch nichts. Mit 206 Behandlungsstunden im Zeitfenster habe die Beigeladene zu 1) die an die Teilnahme zu stellenden Anforderungen hinsichtlich des Umfangs der Behandlungstätigkeit nicht erfüllt, weil der Behandlungsumfang nicht annähernd einer halbtägigen Tätigkeit entsprochen habe. Das BSG verlange 11,6 Behandlungsstunden pro Woche. Für eine erst 1997 neu gegründete Praxis habe es im letzten Vierteljahr des Zeitfensters durchschnittlich 15 Behandlungsstunden pro Woche gefordert. Eine noch unter 11,6 Wochenstunden liegende Tätigkeit, wie bei der Beigeladenen zu 1), halte die Kammer für nicht ausreichend. Im Übrigen seien auch die vom BSG entwickelten Kriterien zur Beurteilung der Teilnahme bei Praxen, die erst Ende 1996 oder zu Beginn des Jahres 1997 gegründet wurden, auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Sinn der Übergangsregelung sei es nicht, eine vor dem Zeitfenster bestehende Praxissubstanz zu schützen. Im Übrigen würde die Beigeladene zu 1) selbst bei der von ihr geforderten Berücksichtigung der Zeit der Arbeitsunfähigkeit mit zusätzlich 100 Behandlungsstunden oder bei einer Vorverlegung des Zeitfensters um ca. drei Monate die vom BSG geforderte Wochenstundenzahl von 11,6 (eingeführte Praxis) bzw. 12,4 (neu gegründete Praxis) verfehlen. Dass die Beigeladene zu 1) wegen Vollendung des 55. Lebensjahres gemäß § 25 Ärzte-ZV keine bedarfsabhängige Zulassung mehr erhalten könne, sei für die Feststellung, ob im Zeitfenster eine schützenswerte Praxissubstanz vorgelegen habe, nicht maßgeblich.

Dagegen hat die Beigeladene zu 1) Berufung eingelegt und zur Begründung ausführen lassen, es handele sich sehr wohl um eine schützenswerte Praxis. Die Teilnahme am Delegationsverfahren entspreche in etwa einer Zulassung. So habe sich die Klägerin auch verhalten, in dem sie die Unterbrechung für die Fortbil- dung in L. genehmigt habe. Es sei deshalb auf die Ruhens- vorschriften des § 26 Ärzte-ZV analog zurückzugreifen. Das Ru- hen der Praxis wegen der Fortbildung beseitige deshalb nicht die schützenswerte Praxissubstanz. Einen besonderen Fall des Ruhens habe der Gesetzgeber beim Erziehungsurlaub in § 95 Abs.11b SGB V anerkannt und eine Vorverlegung des Zeitfensters für den Erziehungszeitraum vorgesehen. Entsprechendes müsse auch für den Ruhenstatbestand der Fortbildung gelten. Im Jahr vor dem Zeitfenster habe die Beigeladene zu 1) 443 Stunden be- legt. Gehe man nur um drei Monate zurück und belasse die neun Monate mit 206 Stunden im Zeitfenster, komme man bereits auf 284 Stunden. Ohne ihre Erkrankung hätte die Beigeladene zu 1) im Halbjahreszeitraum von September 1994 bis März 1995 noch vier Kurzzeitbehandlungen mit zusammen 100 Stunden machen kön- nen. Das BSG habe in seinem Urteilen vom 8. November 2000 die Vorschrift des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V als Bestandsschutz- und Härtefallregelung charakterisiert. Wörtlich heiße es dort, "alle Umstände die für das Vorliegen eines Härtefalls relevant sein könnten, seien in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen." Während das SG 250 Stunden in einem halben Jahr verlange, halte das BSG 250 Stunden in einem Zeitraum zwischen einem halben und einem Jahr für ausreichend. Die Beigeladene zu 1) habe im Zeitfenster in 9,6 Monaten 206 Stunden nachweisen können, was 21,45 Stunden pro Monat entspreche, also mehr als 250 Stunden pro Jahr (20,83 Stunden pro Monat). Verlege man das Zeitfenster um drei Monate nach vorne und beziehe die Quartale 1 und 2/94 mit ein, komme man auf 288 Stunden, also mehr als 250 Stunden im Jahr 1994. Betrachte man das Jahr vom 25. Juni 1993 bis 30. Juni 1994, ergäben sich 443 Stunden bzw. 10,3 Stunden pro Woche. Damit sei eine schützenswerte Praxissubstanz nachgewiesen. Die Beigeladene zu 1) beziehe ihr gesamtes Erwerbseinkommen aus ihrer Praxis mit der Behandlung von GKV-Versicherten. Sie praktiziere seit 1990 unter dieser Praxisanschrift.

Die Beigeladene zu 1) beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. November 2001 aufzuheben und die Klage gegen den Beschluss des Beklagten vom 30. Januar 2001 (Bescheid vom 6. Juli 2001) abzuweisen.

Die Klägerin und die Beigeladenen zu 2), 4) und 5) beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat liegt die Akte des Zulassungsausschusses, die Akte des Beklagten, die Akte des SG mit dem Az.: S 28 KA 1996/01 so- wie die Berufungsakte mit dem Az.: L 12 KA 198/01 vor, auf de- ren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Abs.1 So- zialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, aber unbegründet. Die Beigeladene zu 1) hat keinen Anspruch auf bedarfsunabhängige Zulassung als psychologische Psychotherapeutin am Sitz ihrer Praxis in M. , D.str ...

Nach § 95 Abs.10 SGB V sind psychologische Psychotherapeuten unabhängig von dem für Vertragsärzte und Vertragspsychothera- peuten gleichermaßen geltenden Grundsatz der bedarfsabhängigen Zulassung zur psychotherapeutischen Versorgung zuzulassen, wenn sie bis zum 31. Dezember 1998 die Voraussetzungen der Approba- tion nach § 12 des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) sowie des Fachkundenachweisens nach § 95c Nr.3 SGB V erfüllt und den Antrag auf Erteilung der Zulassung gestellt haben (§ 95 Abs.10 Satz 1 Nr.1 SGB V). Darüber hinaus müssen sie bis zum 31. März 1999 die Approbationsurkunde vorgelegt haben (§ 95 Abs.10 Satz 1 Nr.2 SGB V) und in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis 24. Juni 1997, dem sogenannten Zeitfenster, an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen haben (§ 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V).

Die Erfüllung der Voraussetzungen der Nrn. 1 und 2 des § 95 Abs.10 Satz 1 SGB V ist im vorliegenden Fall unstreitig. Es fehlt jedoch an einer Teilnahme im Sinne von § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V. Die Auslegung des Begriffs der Teilnahme an der am- bulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV im Sinne des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V wird durch die Funktion dieser Vorschrift bestimmt, für Härtefälle eine Aus- nahme vom Grundsatz der bedarfsabhängigen Zulassung der psycho- logischen Psychotherapeuten zu ermöglichen (BSG, SozR 3-2500 § 95 Nr.25 Seite 111 unter Hinweis auf BT-Drucksache 13/9212 Seite 40 und BVerfG, SozR 3-2500 § 95 Nr.24, Seite 103). Es geht im § 95 Abs.10 SGB V nicht um den Zugang zur psychothera- peutischen Versorgung der Versicherten der GKV insgesamt, son- dern lediglich um die Möglichkeit, sich an einem Ort niederzu- lassen, der auf der Grundlage der im Rahmen der Bedarfsplanung getroffenen Feststellungen bereits überversorgt ist, was in M. der Fall ist. Zulassungsbewerbern, die sich bei der Auswahl des Praxissitzes typischerweise an ihrem bisherigen Lebensmittelpunkt orientieren, wird grundsätzlich zugemutet, dass sie den Ort ihrer Zulassung nicht nach eigenen Wünschen frei wählen können, sondern sich nach dem Versorgungsbedarf der Versicherten richten müssen. Eine Ausnahme hiervon sieht § 95 Abs.10 SGB V nur für solche Zulassungsbewerber vor, die bereits vor Inkrafttreten des PsychThG im sogenannten Zeitfenster an der Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen haben (§ 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V). Diese Begünstigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Betroffene bereits unter Einsatz von Arbeitskraft und finanziellen Mitteln eine eigene Praxis eingerichtet und in einem rechtlich erheblichen Umfang betrie- ben hat. Sowohl in Bezug auf die Inanspruchnahme der Arbeits- kraft des psychologischen Psychotherapeuten als auch im Hin- blick auf den wirtschaftlichen Ertrag seiner Tätigkeit muss da- bei in der eigenen Praxis annähernd das für eine Berufstätig- keit typische Ausmaß erreicht worden sein. Aus dem Gesetzes- zweck ergibt sich, dass der Begriff der Teilnahme die eigenver- antwortliche Behandlung von Versicherten der GKV in einem in den Psychotherapierichtlinien anerkannten Behandlungsverfahren in eigener Praxis und mit einem bestimmten Behandlungsumfang erfordert. Die nachhaltig auf die ambulante psychotherapeuti- sche Versorgung vom Versicherten der GKV ausgerichtete Tätig- keit muss dabei zumindest einen von zwei gleich zu gewichtenden Schwerpunkten der beruflichen Tätigkeit des Betroffenen gebil- det haben (BSG a.a.O. Seite 126; BSG vom 11. September 2002, Az.: B 6 KA 41/01 R Seite 8 = MedR 2003, Seite 359 ff.).

Vor diesem Hintergrund erfordert eine Teilnahme im Sinne von § 95 Abs.10 Satz 1 SGB V grundsätzlich eine Vortätigkeit von 250 an Versicherten der GKV erbrachten Behandlungsstunden in einem Halbjahres- bis Jahreszeitraum innerhalb des Zeitfen- sters. Dieser Wert, der umgerechnet ca. 11,6 Behandlungsstunden wöchentlich ergibt, erreicht bei großzügiger Betrachtung und Berücksichtigung des Begleitaufwandes ungefähr die Hälfte des zeitlichen Aufwands, der in der gleichen Zeit von einem aus- schließlich in eigener voll ausgelasteter Praxis tätigen Psychotherapeuten im Regelfall bewältigt wird.

Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt bei der Beigeladenen zu 1) eine Teilnahme im Sinne von § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V im Zeitfenster nicht vor. Sie hat im Dreijahreszeitraum vom 25. Juni 1994 bis 24. Juni 1997 ausweislich der in der Akte des Zulassungsausschusses befindlichen Behandlungsausweise in fünf Behandlungsfällen 206 Psychotherapiestunden erbracht, zumeist analytische Psychotherapie gemäß Nr.877 des Einheitlichen Be- wertungsmaßstabes 1987. Dies reicht für eine Teilnahme nach den oben aufgestellten Kriterien bei weitem nicht aus. Gefordert sind danach 250 Behandlungsstunden in einem Richtlinienverfah- ren in einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten. Legt man im vorliegenden Fall die nachgewiesenen 206 Stunden auf den gesam- ten Dreijahreszeitraum des Zeitfensters um, ergibt sich nur ei- ne wöchentliche Arbeitszeit von 1,6 Stunden. Tatsächlich war aber die Beigeladene zu 1) nur vom Beginn des Zeitfensters bis zum 15. April 1995 in ihrer Praxis in M. tätig und danach zu einer Fortbildung in L ... Damit hat sie im Zeitfenster genau 42 Wochen psychotherapeutische Tätigkeit zurückgelegt. Verteilt man die 206 Behandlungsstunden auf diesen Zeitraum, ergibt sich ein Wochendurchschnitt von 4,9 Stunden, der ebenfalls noch weit unter den vom BSG als Kriterium für eine annähernd halbtägige Berufstätigkeit genannten 11,6 bzw. 12,4 Behandlungsstunden (bei Praxisneugründung) pro Woche liegt. Selbst wenn man die mit Attest von Dr.E. vom 22. April 1999 bestätigte Krankheitszeit vom 10. August 1994 bis 11. Oktober 1994 herausrechnet, und rund gerechnet von 34 Wochen im Zeitfenster ausgeht, ergibt sich nur eine wöchentliche Arbeitszeit von 6,06 Stunden, die ebenfalls bei weitem nicht ausreicht. Zudem wäre dies auch nicht gerechtfertigt, da, worauf die Klägerin und auch das SG zu Recht hinweisen, ungeachtet der Krankheit im fraglichen Quartal sogar mehr Stunden zur Abrechnung gelangten, als in den benachbarten Quartalen. Dennoch hat das SG in seinem Urteil zu Gunsten der Beigeladenen zu 1) 100 Behandlungsstunden wegen krankheitsbedingten Ausfalls fiktiv hinzugerechnet, so dass es auf 306 Stunden in 40,6 Kalenderwochen kam. Der Senat lässt dahingestellt, ob diese Berechnung zulässig ist, denn auch so ergeben sich nicht mehr als nur 7,1 Stunden pro Woche. Selbst wenn man, wie von Seiten der Beigeladenen zu 1) verlangt wird, das Zeitfenster entsprechend der Vorgehensweise, die § 95 Abs.11b SGB V für Kindererziehungszeiten im Zeitfenster vorsieht, für die Krankheitszeit um drei Monate vorverlegt, ergeben sich höchstens 8,9 Stunden pro Woche. Alle diese Werte liegen weit unter dem für die Annahme eines Bestandsschutzes erforderlichen Behandlungsumfang. Auch nach den Berechnungen des Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 1) kommen auf diese Weise zwar 288 Stunden in einem Jahr heraus, also mehr als 250 Stunden. Pro Woche ergäben sich gleichwohl nur etwa 6,7 Stunden, wobei 43 Arbeitswochen pro Jahr zugrunde gelegt werden. Auch dieser Betrag reicht bei weitem nicht aus, um den vom BSG geforderten Umfang auch nur annähernd zu erreichen. Selbst wenn man das voll und ganz außerhalb des Zeitfensters liegende Jahr vom 25. Juni 1993 bis zum Beginn des Zeitfensters zugrunde legen wollte mit 433 Stunden, wären es nur 10,3 Stunden pro Woche, die immer noch unter den vom BSG genannten Werten lägen, wenn auch deutlich näher daran. Für eine solche Vorgehensweise gibt es jedoch keinerlei rechtliche Handhabe.

Das BSG (SozR 3-2500 § 95 Nr.25 Seite 127) hat eine Behandlungstätigkeit von unter 250 Stunden im Zeitfenster für den Fall der Neugründung einer Praxis kurz vor Ende des Zeitfensters unter bestimmten Umständen für eine ausreichende Teilnahme im Sinne von § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V erachtet. Im vorliegenden Fall wurden die Behandlungsstunden jedoch nicht zum Ende des Zeitfensters, sondern nur zu dessen Beginn zurückgelegt. In den letzten 2 1/4 Jahren des Zeitfensters befand sich die Beigeladene zu 1) in London, wo sie zwar auch in ihrem Beruf tätig war, aber nicht von ihrer Praxistätigkeit in M. gelebt hat. Eine Teilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung der GKV-Versicherten lag in diesem Zeitraum nicht vor. Es mag zutreffen, dass sie von vornherein die Absicht hatte, Ende 1997 nach Deutschland zurückzukehren und dann ihre Praxistätigkeit wieder aufzunehmen. Dies ändert aber nichts daran, dass im maßgeblichen Dreijahreszeitraum des Zeitfensters, insbesondere an dessen Ende, eine auf Praxistätigkeit beruhende schützenswerte Substanz nicht vorhanden war, die die Anwendung der Härtefallregelung des § 95 Abs.10 S.1 Nr.3 SGB V mit der Folge einer bedarfsunabhängigen Zulassung in M. rechtfertigen könnte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 1) zitierten Formulierung des BSG (a.a.O. Seite 113), wonach der konkretisierungsbedürftige Begriff der Teilnahme an der psychotherapeutischen Versorgung eine flexible, den Besonderheiten jedes Einzelfalles Rechnung tragende Handhabe ermögliche. Denn im Folgenden (a.a.O. Seite 122 ff.) lässt das BSG keinen Zweifel daran, dass ohne Rücksicht auf die Gründe auf eine Teilnahme in einem nicht unerheblichen zeitlichen Umfang unter keinen Umständen verzichtet werden kann. Dies ergibt sich aus dem Charakter der Norm als Bestandsschutzregelung. Daran fehlt es im vorliegenden Falle, wie oben bereits dargelegt wurde. Eine schützenswerte Praxissubstanz hat während des Zeitfensters allenfalls am Anfang, keinesfalls aber am Ende bestanden, so dass auch die als Ausnahme vom BSG ausdrücklich zugelassene Praxisneugründungssituation weder direkt noch indirekt herangezogen werden kann.

Der Grund für die fehlende Teilnahme an der ambulanten psycho- therapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis 24. Juni 1997 war der schon erwähnte Aus- landsaufenthalt der Beigeladenen zu 1) ab April 1995. Auch wenn dieser nach den Ausführungen der Beigeladenen zu 1) zumindest auch der beruflichen Weiterbildung gedient hat und damit auch den GKV Versicherten zu Gute kommen mag, hält der Senat es nicht für vertretbar, in analoger Anwendung des § 95 Abs.11a SGB V das Zeitfenster um die volle Zeit der Weiterbildung in London vorzuverlegen. Ein solches Vorgehen sieht das Gesetz in § 95 Abs.11b SGB V ausdrücklich nur im Fall der Kindererziehung und -betreuung im Zeitfenster vor. Es handelt sich dabei um eine im Hinblick auf Art.6 Grundgesetz ergangene Ausnahmevor- schrift zur Härtefallregelung, die ihrerseits eine Ausnahme zum Grundsatz der bedarfsunabhängigen Zulassung beinhaltet. Entsprechend ihrem Ausnahmecharakter ist diese Bestimmung nicht analogiefähig. Eine Parallelität zwischen der Erziehung von Kindern einerseits, und einem freiwillig gewählten Auslandsaufenthalt andererseits ist zudem nicht erkennbar. Für Fälle der vorliegenden Art hat der Gesetzgeber eine Ausnahme von dem Erfordernis der Teilnahme innerhalb des Zeitfensters, die ihrerseits bereits eine Ausnahmeregelung zu Gunsten der betroffenen Psychotherapeuten ist, nicht vorgesehen.

Etwas anderes ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht dar- aus, dass die Beigeladene zu 1) die Klägerin von ihrem Aus- landsaufenthalt in Kenntnis gesetzt hatte, und diese ihre Zu- stimmung erklärt hat. Die Beigeladene zu 1) war damals Delega- tionspsychotherapeutin mit eigener Abrechnungsnummer. Diese Po- sition entsprach nicht der einer Zulassung. Es war der Beigela- denen zu 1) unbenommen, ihre Tätigkeit als Delegationspsycho- therapeutin jederzeit zu unterbrechen oder aufzugeben, ohne dass es dafür eines Ruhens bedurft hätte, wie dies bei Ver- tragsärzten und zwischenzeitlich auch bei Vertragspsychothera- peuten in § 26 i.V.m. § 1 Abs.3 Ärzte-ZV geregelt ist. Auch eine Vertretungsregelung wie in § 32 Ärzte-ZV gab es für Delegationspsychotherapeuten nicht. Inhalt der Mitteilung einerseits und des Schreibens der Klägerin andererseits war demnach allein die Beibehaltung der Abrechnungsnummer, die sich die Beigeladene zu 1) als im Delegationsverfahren tätige Psychotherapeutin von der Klägerin hatte zuteilen lassen. Die Beigeladene zu 1) sollte nach ihrer Rückkehr unter der selben Abrechnungsnummer abrechnen können. Eine darüber hinausgehende rechtliche Relevanz hatte die Einverständniserklärung der Klägerin nicht. Vertrauensschutzgesichtspunkte können deshalb daraus nicht abgeleitet werden.

Eine besondere Härte mag sich im vorliegenden Fall daraus, ergeben, dass die Beigeladene zu 1) aufgrund ihres Alters eine bedarfsabhängige Zulassung nicht mehr erhalten kann (§ 98 Abs.2 Nr.12 SGB V i.V.m. § 25 S.1 Ärzte-ZV i.V.m. § 1 Abs.3 Ärzte-ZV). Dieser Tatbestand ist indessen durch § 95 Abs.10 SGB V nicht erfasst. Vielmehr ist der Anwendungsbereich des § 95 Abs.10 SGB V entsprechend seinem Charakter als Bestands- schutznorm, eng auf die dort geregelten Tatbestände beschränkt, d.h. allein auf das Bestehen einer schutzwürdigen Praxissubstanz im Zeitfenster. Etwaige sonstige Nachteile, die sich aus der Verweigerung der bedarfsunabhängigen Zulassung ergeben mögen, können in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden. Bezüglich des Zulassungsverbotes über dem 55. Lebensjahr enthält § 25 S.2 Ärzte-ZV eine Härteregelung, deren evtl. Anwendung jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

Zusammenfassend gelangt der Senat, ebenso wie das SG, zu dem Ergebnis, dass die Beigeladene zu 1) keinen Anspruch auf bedarfsunabhängige Zulassung an ihrem Praxissitz in M. hat, so dass das SG den anders lautenden Beschluss des Berufungsaus- schusses zu Recht aufgehoben und diesen verpflichtet hat, über den Widerspruch der Klägerin gegen den ebenfalls zu Gunsten der Beigeladenen zu 1) ergangenen Bescheid des Zulassungsausschus- ses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Die Berufung der Beigeladenen zu 1) war deshalb zurückzuweisen mit der Kostenfolge gemäß § 193 Abs.1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl. BSG, SozR 3-2500 § 116 Nr.24 Seite 115 ff.).

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Das BSG (a.a.O.) hat sich mit den hier zu beantwortenden Rechtsfragen bereits umfassend auseinandergesetzt.
Rechtskraft
Aus
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