L 19 RJ 584/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 608/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 RJ 584/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24.09.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten besteht Streit, ob die Beklagte die Regelaltersrente des Klägers zu Recht nach Entgeltpunkten (Ost) berechnet hat.

Der 1921 geborene Kläger reiste am 21.03.1997 aus T./Russland in die Bundesrepublik Deutschland ein. Von der Landesaufnahmestelle für Sachsen (B.) wurden er und seine Ehefrau dem Land Sachsen zugeteilt. Dort hielt er sich in einem Übergangswohnheim Z. , Ortsteil T. im Beitrittsgebiet auf. Am 08.05.1998 zog er nach Bad K. um.

Auf den Antrag vom 17.04.1997 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 02.10.1997 Regelaltersrente mit Wirkung ab 21.03.1997, die sie nach Entgeltpunkten (Ost) berechnete.

Am 08.12.1999 stellte der Kläger unter Hinweis auf eine Entscheidung des Landesozialgerichtes (LSG) Rheinland-Pfalz vom 31.08.1998 (Az: L 2 I 164/96) einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X, die Altersrente von Beginn an neu und höher zu berechnen, nämlich in eine "West-Rente" umzurechnen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 02.03.2000 und Widerspruchsbescheid vom 29.08.2000 ab: Nach dem hier anzuwendenden § 30 SGB I habe der Kläger seinen gewöhnlichen Wohnsitz im Beitrittsgebiet gehabt. Es sei von einem Wohnsitzbegriff auszugehen, bei dem es allein auf objektive Kriterien ankomme. Der Aufenthaltsort werde allein durch das rein tatsächliche Verweilen bestimmt. Der Aufenthalt im Beitrittsgebiet sei auch als dauerhaft anzusehen, wovon auch bei Spätaussiedlern regelmäßig auszugehen sei. Allein der Wunsch, an einem anderen Ort Aufenthalt zu nehmen (im Fall des Klägers in Baden-Württemberg oder Bayern), begründe noch keinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt. Der Kläger habe insgesamt nach seiner Übersiedlung bis zum 07.05.1998 und somit über ein Jahr in den neuen Bundesländern gelebt und daher hier zunächst den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse gehabt. Auch sei es bei der Zuweisung des Klägers an das Bundesland Sachsen noch völlig unklar gewesen, zu welchem Zeitpunkt es ihm gelingen würde, in den alten Bundesländern geeigneten und ausreichenden Wohnraum zu finden. Zum Zeitpunkt seines Aufenthaltes im Übergangswohnheim in T. sei somit nicht absehbar gewesen, wann ein Umzug in die alten Bundesländer möglich sein würde. Somit habe eine konkrete Aussicht bzgl. eines bestimmten Zeitpunktes, zu welchem er die neuen Bundesländer auf Dauer verlassen würde, nicht bestanden. Damit sei die Berechnung der Regelaltersrente unter Zugrundelegung von Entgeltpunkten (Ost) korrekt vorgenommen worden.

Dieser Rechtsauffassung hat sich das Sozialgericht Würzburg (SG) angeschlossen und die gegen den Widerspruchsbescheid erhobene Klage mit Urteil vom 24.09.2002 abgewiesen: Wenn ein Bewohner eines Übergangswohnheimes noch keinen konkreten Termin und keine konkreten Umstände für die Begründung eines eigenen Wohnsitzes habe und sein Aufenthalt im Übergangswohnheim zukunftsoffen bis auf Weiteres erfolge, sei nach der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung vom Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthaltes auszugehen. Auch bei einer Wohnsitzverlegung in die alten Bundesländer komme es nach Art 6 § 4 Abs 6 Satz 3 FANG in einem Fall wie dem des Klägers zu einem Fortbestand der ermittelten Entgeltpunkte (Ost).

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 19.11.2002 eingelegte Berufung des Klägers. Neben allgemeinen Ausführungen macht er geltend, in dem Übergangswohnheim hätten erheblich beengte Verhältnisse geherrscht. Es sei zugegangen wie in einem Bienenstock. Alte Leute wie er hätten keine Rückzugsräume für Ruhe gehabt. Auch habe das BSG lt. Pressevorbericht Nr 58/03 eine andere Ungleichbehandlung Ost/West beseitigt; dies sollte in seinem Fall analog beachtet werden.

Der Kläger, für den in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, beantragt sinngemäß, das Urteil des SG Würzburg vom 24.09.2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 02.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2000 zu verurteilen, seine Regelaltersrente ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt nach Entgeltpunkten (West) zu berechnen.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Berufung des Klägers enthalte keine neuen Gesichtspunkte, die die angefochtene Entscheidung in Frage stellten. Die vom Kläger zitierten Urteile seien nicht einschlägig.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die auf Anregung des Klägers beigezogene Vergleichsakte H. M. (SG Nürnberg S 12 RJ 521/00) und die Streitakten erster und zweiter Instanz sowie die vom Senat beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 SGG) und auch im Übrigen zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Das SG hat vielmehr zu Recht entschieden, dass die Regelaltersrente des Klägers nach Entgeltpunkten (Ost) zu berechnen ist und die Beklagte den Antrag des Klägers gemäß § 44 SGB X auf Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes deshalb zutreffend abgelehnt hat. Das SG ist in rechtsfehlerfreier Anwendung des Art 6 § 4 Abs 6 FANG davon ausgegangen, dass der Kläger während seines Aufenthaltes im Übergangswohnheim im Beitrittsgebiet bis zu seinem Umzug nach Bad K. am 08.05.1998 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I gehabt hat. Der Erstbescheid der Beklagten vom 02.10.1997, mit dem die Regelaltersrente unter Zugrundelegung von Entgeltpunkten (Ost) berechnet wurde, ist deshalb nicht zu beanstanden und der Kläger hat somit keinen Anspruch auf Rücknahme dieses Verwaltungsaktes und Neuberechnung seiner Altersrente unter Berücksichtigung von Entgeltpunkten (West). Im Vergleich zur Entscheidung des SG haben sich keine neuen Gesichtspunkte ergeben. Der Senat schließt sich der sowohl im Ergebnis als auch in der Entscheidungsfindung zutreffenden Entscheidung des SG an und sieht deshalb gemäß § 153 Abs 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die vom Bevollmächtigten des Klägers angeführten Urteile in der Pressemitteilung des BSG Nr 58/03 vorliegend nicht einschlägig sind, da Gegenstand dieser Entscheidungen nicht die Frage der Berechnung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung war, sondern Fragen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Freibetrag Grundrente - West und höherer Freibetrag bei der Anrechnung einer Unfallrente). Im Vergleichsfall H. M. des SG Nürnberg (S 12 RJ 521/00) kam es nicht zu einer streitigen Entscheidung. Der Rechtsstreit wurde vielmehr durch ein Anerkenntnis der beklagten LVA Baden-Württemberg erledigt. Der Kläger kann sich auch nicht mehr auf das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 31.08.1998 berufen (L 2 I 164/96). Denn dieses Gericht hat inzwischen seine diesbezügliche Rechtsprechung aufgegeben und entschieden, dass der Aufenthalt in einem Übergangswohnheim einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 30 SGB I darstellt ohne dass es rechtserheblich darauf ankommt, dass die Absicht besteht, dieses sobald als möglich zu verlassen und sich an einem anderen Ort niederzulassen. Auf Prognosen über spätere Entwicklungen, auf Veränderungswünsche oder -absichten oder auf den Willen des Betroffenen, sich an einem Ort aufzuhalten oder einen Wohnsitz zu begründen, komme es nicht an. Es komme auch nicht rechtserheblich darauf an, ob ein Betroffener von vorneherein beabsichtigte, seinen Wohnsitz in den alten Bundesländern zu nehmen und dass er sich hierum fast ein Jahr bemüht habe. Die allein ausschlaggebenden objektiven Verhältnisse seien vielmehr so gewesen, dass sich - in dem vom LSG Rheinland-Pfalz entschiedenen Fall - die Klägerin entsprechend der Zuweisung tatsächlich in den neuen Bundesländern aufgehalten und dort ihren Lebensschwerpunkt gehabt hat (Beschluss LSG Rheinland-Pfalz vom 25.09.2003 - L 6 RI 132/03 -). So liegen die Dinge auch beim Kläger; die Berufung konnte somit keinen Erfolg haben und war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren unterlegen ist.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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