L 5 RJ 325/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 6 RJ 1923/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 325/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 208/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein im Ausland (Tanzania) als Missionar tätiger Angehöriger der Ordensgemeinschaft Koster St. Ottilien hat i.S. des § 30 Abs.3 S. 2 SGB I seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland und erhält daher keinen Zuschuß zu den Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. Februar 2001 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen die Bescheide vom 12.08.2003 und 26.01.2004 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Beitragszuschuss zur Krankenversicherung für Rentenbezieher.

Der 1934 geborene Kläger ist Ordensmitglied der Missionsbenediktiner und Mitglied der Erzabtei St. O ... Er ist seit 1958 als Missionar in Tanzania tätig. Dort hielt er sich auf mit Ausnahme der Unterbrechungen Dezember 1967 bis 17.04. 1968, Dezember 1973 bis 14.03.1974, 01.07.1979 bis 10.05.1980, 01.05.1984 bis 27.12.1984 sowie 11.05.1989 bis 13.10.1989.

Auf Antrag vom 20.11.1997 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 28.02.1998 eine Altersrente für langjährig Versicherte ab 01.01.1998. Dort wurde ausgeführt, der Kläger besitze die deutsche Staatsangehörigkeit, habe aber den dauernden Aufenthalt im Ausland, er erhalte die volle Rente ins Ausland gezahlt. Der Auslandsaufenthalt schließe jedoch die deutsche Kranken- und Pflegeversicherung aus, weshalb kein Beitragszuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen sei.

Im dagegen eingelegten Widerspruch wurde ausgeführt, der Kläger habe im Ausland keinen Wohnsitz, es bestünden vielmehr Wohnsitz, polizeiliche Meldung und Wahlrecht im Heimatkloster St. O. , Gemeinde E ... Der Kläger sei freiwillig krankenversichert bei der DAK Landsberg, an sie würden die Beiträge entrichtet, diese erbringe auch Leistungen für die entsandten Ordensmitglieder. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.1998 wurde der Widerspruch zurückgewiesen im Wesentlichen mit der Begründung, bei einem gewöhnlichen Aufenthalt des Rentenbeziehers im Ausland sei ein Beitragszuschuss gesetzlich ausgeschlossen. Der Kläger habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Tanzania, so dass es auf den Wohnsitz nicht ankomme.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München hat der Kläger beantragt, ihm zur Rentengewährung einen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung zu bezahlen. Er habe als Ordensmitglied seinen ständigen Aufenthaltsort in seinem Profess-Kloster St. O. , welches Mittelpunkt seines Lebens sei, seine wirtschaftliche Grundlage bilde und wo er Unterhalts- sowie Aufenthaltsrecht habe. Hieran ändere eine kirchenrechtliche vorübergehende Entsendung in die Mission nichts. Im Übrigen bestehe aufgrund Vereinbarung vom 20.03. 1989 zwischen der DAK und den Ordensoberen eine Pflichtversicherung. Als Mitglied einer deutschen Krankenversicherung, die ihm gegenüber leistungspflichtig sei, gelte der gesetzliche Zuschussausschluss nicht.

Mit Urteil vom 22.02.2001 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei seit mehr als 40 Jahren mit wenigen kurzzeitigen Unterbrechungen in Tanzania als Missionar tätig, eine Beendigung seines Auslandseinsatzes sei weder in der Vergangenheit und noch derzeit zu erwarten. Der Kläger habe nach den objektiven und auch nach den subjektiven Kriterien seinen Aufenthalt nicht im Kloster, so dass es offen bleiben könne, ob er dort einen Wohnsitz habe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht durch zwischen- oder überstaatliches Recht, da mit dem Aufenthaltsstaat kein Sozialversicherungsabkommen bestehe. Zudem sei die Benediktiner-Kongregation nicht befähigt, gesetzliche Regelungen außer Kraft zu setzen. Satzungsrecht der den Kläger versichernden Krankenkasse könne ebenfalls einen gesetzlichen Ausschluss nicht abändern.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und geltend gemacht, der Zweck des gesetzlichen Ausschlusses von Beitragszuschüssen zur Krankenversicherung bei Auslandsaufenthalt sei, dass der deutschen Rentenversicherung keine Pflicht auferlegt werden könne, für eine Krankenversicherung im Ausland aufzukommen. Die deutsche gesetzliche Krankenversicherung solle keine Leistungen ins Ausland erbringen. Er sei jedoch bei der DAK Landsberg als gesetzlicher Krankenversicherung pflichtversichert und werde im Behandlungsfalle in einem deutschen Missionskrankenhaus betreut, wofür die Krankenversicherung in vollem Umfange aufkomme. Er müsse als Mitglied einer deutschen Krankenversicherung einen Beitragszuschuss erhalten. Zudem habe er nach Kirchen- und Ordensrecht seinen ständigen Aufenthaltsort in St. O ... Auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe er in Deutschland, nämlich im Kloster, wo sein sozialer, wirtschaftlicher sowie persönlicher Beziehungsmittelpunkt sei. Dorthin würde auch seine Rente gezahlt. Ergänzend hierzu hat der Kläger ein Schreiben der DAK vom 01.12.1997 zu seiner freiwilligen Weiterversicherung sowie ein Rundschreiben vom 21.04.1999 zur Beitragsberechnung und Beitragsgrundlage für Ordensleute, die Rente beziehen, vorgelegt. Der Senat hat ein Protokoll vom 03.06.1989 des Gesprächs vom 20.03.1989 zur Krankenversicherung von Ordensleuten nach dem Gesundheitsreformgesetz beigezogen, in welchem die Modalitäten der Versicherung von Ordensleuten besprochen worden waren.

Die Beklagte hat am 12.08.2003 sowie am 26.01.2004 Bescheide erlassen über die Wiedergewährung der Altersrente. Dabei ist sie im ersten Bescheid vom gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers in Deutschland ausgegangen und hat ihm aufgegeben, eine Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltes in das Ausland unverzüglich mitzuteilen. Im Wiedergewährungsbescheid vom 26.01.2004 hat sie ebenfalls auf die Mitteilungspflicht im Falle der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltes ins Ausland hingewiesen. Mit Schreiben vom 23.01.2004 hat sie vermerkt, dass der überwiegende Aufenthalt des Klägers in Tanzania sei, gleichwohl in diesem besonderen Fall die Rente auf ein Konto mit der Anschrift des Klosters St. O. überwiesen werde. Dies sei jedoch ohne Einfluss auf das vorliegende Klageverfahren.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.02.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.1998 und des Urteils des Sozialgerichts München vom 22.02.2001 sowie der Bescheide vom 12.08.2003 und 26.01.2004 zu verurteilen, ihm einen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. Februar 2001 zurückzuweisen und die Klage gegen die Bescheide vom 12.08.2003 sowie 26.01.2004 abzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 13.07. 2004 waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht haben die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid vom 28.02.1998/Widerspruchsbescheid vom 13.08.1998 und in den nach § 99 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 153 Abs.1 SGG streitgegenständlich gewordenen Bescheiden vom 12.08.2003 und 26.01.2004 sowie das SG im Urteil vom 22.02.2001 einen Anspruch auf Beitragszuschuss zur Krankenversicherung für Rentenbezieher verneint.

Rentenbezieher, die - wie der Kläger - freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, erhalten zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenund Pflegeversicherung (§ 106 Abs.1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -).

Berechtigte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, erhalten keinen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung (§ 111 Abs.2 SGB VI).

Der Kläger, der aufgrund der Bewilligungsbescheide vom 28.02. 1998, 12.08.2003 und 26.01.2004 seit 01.01.1998 Rente bezieht, ist bei der DAK freiwillig kranken- und pflegeversichert. Er ist kein Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner, weil er die notwendige Vorversicherungszeit gemäß § 5 Abs.1 Nr.11 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht erfüllt hat (Bescheid der DAK Landsberg vom 01.12.1997). Dem entsprechen die vorgelegten Absprachen vom 02.03.1998 zwischen den Vertretern der Kranken-/Pflegeversicherung und den Ordensvertretern. Auf dieser Grundlage erstattet die DAK bei Behandlungen des Klägers im Ausland die Kosten für Leistungen im Krankheitsfalle.

Der Kläger hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, so dass der gesetzliche Ausschluss des Anspruchs auf Zuschuss zur Krankenversicherung gemäß § 111 Abs.2 SGB VI eingreift. Der Kläger, der mindestens seit den 50iger Jahren Mitglied der Ordensgemeinschaft St. O. ist, wurde von dort bereits 1958 nach Tanzania entsandt. Dort ist er seither in der Mission tätig und war nur kurzfristig in die Heimat zurückgekehrt, nämlich 1967/68 für fünf Monate, 1973/74 für vier Monate, 1979/80 für elf Monate, 1984 für acht Monate sowie 1989 für fünf Monate. Er hat diese Missionstätigkeit bis heute nicht beendet. Dies entspricht dem Charakter seiner Zugehörigkeit zum Orden der Missionsbenediktiner, die sich der Verbreitung des christlichen Glaubens und der christlichen Werte in der ganzen Welt gewidmet haben. Wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, sind durch die dauernde Missionstätigkeit die objektiven und subjektiven Voraussetzungen eines gewöhnlichen Aufenthaltes gemäß § 30 Abs.1 Sozialgesetzbuch I (SGB I) im Ausland erfüllt, da der Kläger nach Dauer und Zweck erkennbar in Tanzania nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs.3 Satz 2 SGB I).

Dem steht nicht entgegen, dass der Ordensmittelpunkt und die Missionszentrale in der Erzabtei St. O. liegen. Auch der melderechtliche Wohnsitz und die Wahlberechtigung in St. O. vermögen es nicht, die Anzeichen der langen Dauer sowie des Zweckes des Aufenthaltes zu entkräften. Sie treten hinter diesen als lediglich formale Kriterien zurück. Diesem Ergebnis entspricht auch die Lebensführung des Klägers, der sich zur dauerhaften Mitgliedschaft im Missionskloster St. O. und der dauerhaften Missionstätigkeit berufen gesehen und diesen Ruf auch dauerhaft erfüllt hat.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den während des Klageverfahrens ergangenen Bescheiden vom 12.08.2003 und 26.01.2004. Dort hat die Beklagte zum einen nicht einen Beitragszuschuss gewährt, zum anderen hat sie mit Schreiben vom 23.01.2004 unmissverständlich darauf hingewiesen, dass die Rentenbewilligung keinen Einfluss auf das streitige Verfahren habe. Zwar hat die Beklagte angegeben, dass der überwiegende Aufenthalt des Klägers in Tanzania sei, gleichwohl werde in diesem besonderen Fall die Rente nach Deutschland gezahlt. Damit hat die Beklagte zu Gunsten des Klägers nur die Besonderheiten der ordensrechtlichen Umstände des zu entscheidenden Falles berücksichtigt und eine insoweit ungekürzte Rentenzahlung vorgenommen. Einen Anspruch auf Nichtanwendung des § 111 Abs.2 SGB VI kann der Kläger daraus nicht ableiten.

Dem stehen auch Sinn und Zweck der Regelung in § 111 Abs.2 SGB VI nicht entgegen. Zwar beruht der Ausschluss des Beitragszuschusses darauf, dass sich die Verpflichtung zur Gewährung "öffentlicher Krankenfürsorge" auf Personen beschränkt, die sich in Deutschland aufhalten (Kasseler-Kommentar/Polster, § 111 SGB VI Rdnr.6). Damit hat der Gesetzgeber aber unmissverständlich und mit einem klaren Wortlaut, der einer anderweitigen Auslegung nicht mehr zugänglich ist, den Auslandsaufenthalt als maßgebliches Kriterium angesetzt und nicht die Zugehörigkeit zur inländischen oder ausländischen Krankenversicherung.

§ 111 Abs.2 SGB VI ist auch nicht durch über-, zwischenstaatliches oder anderweitiges Recht abgeändert. Zwischen dem Angehörigkeitsstaat Deutschland und dem Aufenthaltsstaat Tanzania besteht kein entsprechendes Abkommen. Die Absprachen zwischen der Krankenversicherung des Klägers und den Vertretern der Ordensgemeinschaften enthalten keine Regelung zu § 111 Abs.2 SGB VI.

Die Berufung musste damit in vollem Umfang ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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