L 4 KR 101/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 KR 393/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 101/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Kostenübernahme für eine Laserepilation der Körperbehaarung.

Der 1955 geborene Kläger, der seit 1986 von Arbeitslosenhilfe und Wohngeld lebt, wandte sich am 15.10.2001 mit einem Auskunftsersuchen an die Beklagte; vor etwa 20 Jahren sei sein Haarausfall mit Injektionen ärztlich behandelt worden, der Haarwuchs sei jedoch nicht auf dem Kopf, sondern an den Ober- armen, Schultern und an einigen Stellen am Rücken aufgetreten. Er beantragte am 24.10.2001 telefonisch die Kostenübernahme für die Entfernung dieser Haare. Die Beklagte erwiderte, eventuell könne die Haarentfernung über die Krankenversicherungskarte abgerechnet werden, der Kläger solle sich zunächst in vertragsärztliche Behandlung begeben. Mit Schreiben vom 20.12.2001 wies sie darauf hin, es gebe keine Dauerepilation, eine Epilation könne von jedem Hautarzt durchgeführt werden; handle es sich dagegen um kosmetische Gründe, würden die Kosten von ihr nicht getragen. Mit dem weiteren Schreiben vom gleichen Tag forderte die Beklagte vom Kläger ein ärztliches Attest zur Prüfung des Leistungsantrags.

Sie lehnte mit Bescheid vom 11.04.2002 die Kostenübernahme für eine Haarentfernung an Schultern und Oberarmen ab; bei notwendigen Massagen könnten durch eine Rasur die Haare entfernt werden. Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein und machte geltend, die behandelnde Ärztin (Dr.G.) habe eine Laserepilation für notwendig gehalten. Die Hautärztin Dr.G. teilte der Beklagten mit Schreiben vom 08.08.2002 mit, bei dem Kläger liege ein klinisch ausgeprägtes Behaarungsmuster vom typisch männlichen Typ vor, es sei nicht als krankhaft zu bezeichnen.

Der von der Beklagten gehörte Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) kam in der gutachtlichen Stellungnahme vom 29.08.2002 nach Aktenlage zu dem Ergebnis, es handle sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um eine ausgeprägte Behaarung im Schulterbereich und somit in einem in der Regel bedeckten Körperareal. Nach Anwendung einer Enthaarungscreme könnten auch Massagen durchgeführt werden. Mit Bescheid vom 10.09.2002 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für eine Laserepilation unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des MDK wieder ab.

Der Kläger machte mit dem Widerspruch vom 16.09.2002 nunmehr unter Vorlage eines Arztbriefs des Facharztes für Neurologie und Nervenheilkunde Dr.B. vom 12.02.2003 geltend, im Rahmen der ausgeprägten Hypertrichose sei es zu einer psychischen Belastung im Sinne einer Anpassungsstörung gekommen; von nervenärztlicher Seite werde deshalb die Epilation befürwortet, orthopädisch notwendige Massagen ließen sich wegen der Haare nicht durchführen.

Das daraufhin von der Beklagten eingeholte sozialmedizinische Gutachen des MDK aufgrund einer Untersuchung (Gutachter Dr. K.) vom 11.03.2003 stellte u.a. fest, es bestehe ein männlicher Behaarungstyp bis zur Hüfte reichend, sowohl ventral als auch dorsal in kräftiger Ausprägung. Auffälligkeiten bezüglich entzündlicher Veränderungen, Akne oder ähnlichem lägen nicht vor. Es handle sich um eine "atavistische Spielart aus der Evolution", das Capillitium sei enthaart mit Mönchskranz. Der Behaarungstyp erreiche keinesfalls Krankheitswert. Der Gutachter stellte die Hauptdiagnose "psychopathologische Persönlichkeitsstruktur über nachhaltig, paranoid, im Psychostatus Affekt verflacht, psychomotorisch verlangsamt, formaler Denkablauf des- gleichen mit sozialem Handikap". Er sprach sich gegen eine Kostenübernahme der Laserepilation aus, Epilationsmaßnahmen könnten das in der Persönlichkeitsstruktur angesiedelte Grundproblem des Patienten nicht lösen. Ein Lebenskonzept müsse unter Zuhilfenahme psychotherapeutischer Fachkompetenz gesucht und eventuell definiert werden.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2003 den Widerspruch zurück. Die Laserepilation habe keinen Eingang in die vertragsärztliche Versorgung gefunden. Gehöre eine Behandlungsmethode nicht zur vertragsärztlichen Versorgung, dürfe auch für eine entsprechende Privatbehandlung keine Kostenerstattung vorgenommen werden. Der MDK habe im Gutachen vom 11.03.2003 festgestellt, dass zwar ein ausgeprägtes Behaarungsmuster vorliege, es erreiche aber keinen Krankheitswert. Es bestünden andere Möglichkeiten der Haarentfernung.

Der Kläger hat dagegen am 17.11.2003 beim Sozialgericht Nürnberg Klage erhoben und die Kostenübernahme für die Laserepilation, hilfsweise für eine Wachsbehandlung beantragt. Durch die Behaarung am Rücken und an den Oberarmen würden Massagen erschwert.

Das SG hat mit Urteil vom 26.02.2004 die Klage abgewiesen. Die Körperbehaarung des Klägers sei nach Auffassung des MDK und auch der behandelnden Hautärztin Dr.G. keine Krankheit. Eine Körperbehaarung, die einen nicht regelwidrigen Körperzustand darstelle, führe auch nicht zum Versicherungsfall Krankheit. Soweit der Kläger als Grund für die beantragte Leistung psychische Gründe geltend mache, sei die Beklagte gleichfalls nicht zur Kostenübernahme verpflichtet. Nach Auffassung des Gutachtens des MDK vom 11.03.2003 könne die Entfernung der Körperbehaarung nicht das psychische Grundproblem lösen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 22.04.2004, mit der er zugleich Prozesskostenhilfe beantragt. Der Senat hat mit Beschluss vom 07.06.2004 Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.02.2004 und die zugrunde liegenden Bescheide der Beklagten vom 11.04.2002 und 10.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm eine Laserepilation, hilfsweise eine Wachsbehandlung durchzuführen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen wurden die Akten der Beklagten und des SG, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung (§§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1, 151 SGG) ist im Haupt- und Hilfsantrag unbegründet.

Der geltend gemachte Anspruch auf Krankenbehandlung setzt gemäß § 27 Abs.1 Satz 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) voraus, dass die Behandlung notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Es fehlt im vorliegenden Fall schon an der grundlegenden Voraussetzung einer Krankheit. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtssprechung wird als Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand definiert, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat. Für die Feststellung der Regelwidrigkeit ist vom Leitbild des gesunden Menschen auszugehen, der zur Ausübung normaler körperlicher und psychischer Funktionen in der Lage ist. Vorausgesetzt wird hier eine erhebliche Abweichung, nur geringfügige Störungen, die keine wesentlichen funktionellen Beeinträchtigungen zur Folge haben, reichen nicht aus. Behandlungsbedürftigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn durch den regelwidrigen Gesundheitszustand die körperlichen oder geistigen Funktionen in einem so beträchtlichen Maße eingeschränkt sind, dass ihre Wiederherstellung der Mithilfe des Arztes, also der ärztlichen Behandlung bedarf (Kasseler Kommentar-Höfler, § 27 SGB V, Rdnr.9, 12, 19 m.w.N. der Rechtsprechung des Bundesso- zialgerichts (BSG)).

Im vorliegenden Fall ist ärztlich nicht belegt, dass die Behaarung des Klägers an den Oberarmen, Schultern und am Rücken derart ausgeprägt ist, dass von einem erheblich regelwidrigen Körperzustand gesprochen werden kann, der ihn an der Ausübung normaler körperlicher Funktionen hindert. Bereits die behandelnde Hautärztin Dr.G. hat in der Bescheinigung vom 08.08.2002 festgestellt, es liege ein klinisch ausgeprägtes typisch männliches Behaarungsmuster vor. Das Gutachten des MDK vom 11.03.2003 stellt gleichfalls eine kräftige Ausprägung der Behaarung fest, verneint jedoch Auffälligkeiten bezüglich entzündlicher Veränderungen, Akne oder ähnlichem. Auch danach fehlt es an einem Krankheitswert. Selbst wenn der Senat ungeachtet dieser ärztlichen Stellungnahmen von einem erheblich regelwidrigen körperlichen Zustand ausgehen würde, der den Kläger an der Ausübung normaler körperlichen Funktionen hindern würde, fehlt es für die Annahme einer Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung an der Behandlungsbedürftigkeit, da, wie der Gutachter des MDK am 11.03.2003 festgestellt hat, die Behaarung vor Massagen durch Einsatz von Epilationsmaßnahmen (Enthaarungscreme) beseitigt werden kann. Zu diesem Ergebnis ist auch die gutachtliche Stellungnahme des MDK vom 29.08.2002 gelangt.

Ein Anspruch auf Kostenübernahme der Entfernung der Behaarung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die von dem Facharzt für Neurologie und Nervenheilkunde Dr.B. bescheinigte Anpassungsstörung und psychischen Befunde. Für die damit beantragte mittelbare Behandlung hat die Beklagte gleichfalls nicht die Kosten zu übernehmen; denn sie wäre nicht zweckmäßig (§ 12 Abs.1 SGB V). Der Senat stützt sich hier auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.02.2003 (BSGE 90, 289, m.w.N.), das in Fortführung seiner ständigen Rechtsprechung eine mittelbare Behandlung zur Behandlung psychischer Störungen i.d.R. ausgeschlossen hat. Besondere Rechtfertigungsgründe kommen nicht in Frage, da die Behaarung durch kosmetische Maßnahmen beseitigt werden kann. Das Gutachten des MDK vom 11.03.2003 stellt in diesem Zusammenhang fest, dass Epilationsmaßnahmen das in der Persönlichkeitsstruktur angesiedelte Grundproblem des Klägers nicht lösen können. Der Anspruch auf Kostenübernahme der Behandlung der von Dr.B. bescheinigten psychischen Störung scheitert an der fehlenden medizinischen Notwendigkeit (§ 12 Abs.1 SGB V), da das Ziel der Behandlung gleichfalls durch kosmetische Maßnahmen (Rasieren, Wachsbehandlung), die der Eigenverantwortung des Klägers zuzurechnen sind (§ 1 Satz 2 SGB V), erreicht werden kann. Damit ist die Berufung, abgesehen vom Fehlen einer Krankheit, auch im Hilfsantrag unbegründet.

Es kann offen bleiben, ob die beantragte Laserepilation eine neue Behandlungsmethode ist, die zum Leistungsspektrum der vertragsärztlichen Versorgung zählt oder wegen des Erlaubnisvorbehalts nach § 135 Abs.1 Nr.1 SGB V, wonach neue Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung der Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses in Richtlinien nach § 92 Abs.1 Satz 2 Nr.5 SGB V bedürfen, von der Leistungserbringung zu Lasten der Beklagten ausgeschlossen ist. Zwar gehört die Epilation von Haaren durch Elektrokoagulation im Gesicht oder an den Händen bei krankhaftem und entstellendem Haarwuchs zu den Leistungen der vertragsärztlichen Versorgung im Fachgebiet der Dermatologie (Nr.906 E-GO). Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um diese Leistung und es spricht nichts, wie bereits ausgeführt wurde, für die Annahme eines krankhaften oder entstellenden Befundes.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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