L 16 LW 20/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 LW 111/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 20/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 LW 5/04 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beteiligten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. September 1999 aufgehoben.
II. Die Klagen gegen die Bescheide vom 12.02.2001 und 16.10.2003 werden abgewiesen.
III. Die Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten zu 1/3 zu erstatten.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Neufeststellung der Beitragszuschüsse für die Zeit vom 01.01.1997 bis 30.04.1998 und die Rückforderung der Beitragszuschüsse von jetzt noch 1.316,00 DM.

Die 1940 und 1940 geborenen Kläger sind Landwirtseheleute. Mit In-Kraft-Treten des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte vom 27.07.1994 (ALG) bezogen sie Beitragszuschüsse nach §§ 32 ff. ALG von zunächst monatlich 196,00 DM. Die Anpassungen erfolgten jeweils mit der Vorlage der Steuerbescheide für die Jahre 1992, 1993, 1994 bzw. den jeweiligen gesetzlichen Anpassungen.

Der Steuerbescheid für das Jahr 1996 vom 26.03.1998 ist bei der Beklagten am 09.04.1998 eingegangen. Daraufhin forderte die Beklagte die Eheleute auf, auch den Steuerbescheid für 1995 vorzulegen. Ausweislich der Akten der Beklagten ist der Steuerbescheid für 1995 vom 28.02.1997 bei der Beklagten am 29.04.1998 erstmals eingegangen.

Mit den streitgegenständlichen Bescheiden vom 05.05.1998 stellte die Beklagte die Beitragszuschüsse für beide Ehegatten für die Zeit vom 01.04.1997 bis 30.04.1998 neu fest und errechnete eine Überzahlung in Höhe von 2.089,00 DM, die sie in den Bescheiden zurückforderte. Ab 01.06.1998 stand den Eheleuten ein Zuschuss von monatlich jeweils 129,00 DM zu.

Die Eheleute widersprachen diesen Bescheiden am 13.05.1998 und trugen vor, der Steuerbescheid ihres Sohnes sei bei der Beklagten angekommen. Da sie zusammen mit dem Sohn eine Gesellschaft betreiben, werde der Steuerbescheid immer gemeinsam vom Finanzamt geschickt und sei auch deshalb gemeinsam an die Beklagte weitergeleitet worden. Sie seien deshalb der Auffassung, dass auch ihr Steuerbescheid bei der Beklagten angekommen sei, und seien nicht bereit, die Beitragszuschüsse zurückzahlen.

Die Nachforschungen der Beklagten ergaben in den Akten des Sohnes der Kläger, dass zwar dort sein Steuerbescheid eingegangen ist, ein Steuerbescheid der Eltern aber nicht aufgefunden werden konnte. Auch bei den anderen Stellen der landwirtschaftlichen Sozialversicherung lag kein Steuerbescheid der Eheleute vor.

In den Widerspruchsbescheiden vom 25.06.1998 erfolgte keine Abhilfe durch die Beklagte, außer der Korrektur eines Rechenfehlers in Höhe von 32,00 DM. Zur Begründung führte die Beklagte aus, § 32 Abs. 4 ALG sehe ein Ruhen des Beitragszuschusses bei verspäteter Vorlage der Steuerbescheide vor. Zugunsten der Kläger könne auch die Neuregelung des § 107a ALG nicht Anwendung finden, da diese Bestimmung für diejenigen Fälle bestimmt wäre, in denen verspätet vorgelegte Steuerbescheide bis spätestens 31.10.1996 vom Finanzamt erlassen wurden. Der von den Eheleuten nicht vorgelegte Einkommenssteuerbescheid sei aber erst nach diesem Zeitpunkt ausgefertigt worden. Die Eheleute trügen die objektive Beweislast für den Zugang des Einkommenssteuerbescheides bei der landwirtschaftlichen Alterskasse, wobei eine Aufgabe zur Post die Vorlagefrist des § 32 Abs. 4 Satz 1 ALG nicht wahre. Auf ihre Vorlagepflicht seien die Eheleute auch mehrfach, nämlich in den jeweiligen Antragsformularen und in den Zusätzen der Bewilligungsbescheide, hingewiesen worden.

Mit den Klagen vom 15.07.1998 machen die Eheleute geltend, die Rückforderung des Beitragszuschusses sei unverhältnismäßig und unberechtigt, denn die Tochter der Eheleute habe den Steuerbescheid innerhalb der Frist von zwei Monaten zur Post gegeben.

In der mündlichen Verhandlung vom 21.09.1999 wurden die Streitsachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Das Sozialgericht hob mit Urteil vom 21.09.1999 die Bescheide insoweit auf, als darin das Ruhen und die Rückforderung der Beitragszuschüsse für die Zeit vor dem 1. Februar 1998 angeordnet wurde. Im Übrigen wurden die Klagen abgewiesen. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, den Zugang des Steuerbescheides hätten die Kläger nachzuweisen, so hafteten sie auch für den Verlust auf dem Postwege. Dieser Mitwirkungspflicht seien sie schuldhaft nicht nachgekommen, im Übrigen genüge nicht die Aufgabe zur Post, sondern die Eheleute trügen die Verpflichtung, den Zugang des Steuerbescheides bei der Beklagten nachzuweisen. Das Sozialgericht setzte sich dann mit dem Regelungsinhalt der Vorschrift des § 32 Abs.4 ALG auseinander und hielt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Abstufung und Differenzierung bei der Verhängung der Ruhensfolge für erforderlich, so dass es nach seiner Auffassung zum Ergebnis kam, vor dem 01.02.1998 habe der Beitragszuschuss nicht zurückgefordert werden dürfen. Weil die Kläger im Übrigen aber grob fahrlässig gehandelt hätten, da sie nach Erhalt des Steuerbescheides weitere Bescheide über die Beitragszuschüsse erhalten und trotzdem den bereits in ihren Händen befindlichen Einkommensteuerbescheid nicht vorgelegt haben, trete ab Februar 1998 das Ruhen des Anspruchs auf Beitragszuschuss gemäß § 32 Abs.4 ALG ein und die Beklagte habe das Recht, die tatsächlich bezahlten Beitragszuschüsse zurückzufordern.

Sowohl die Kläger als auch die Beklagte legten mit den Schriftsätzen vom 18.10.1999 und 27.10.1999 Berufung gegen dieses Urteil des Sozialgerichts München ein, beantragten aber das Ruhen des Verfahrens, da Fälle mit vergleichbarer Problematik bereits beim Bundessozialgericht anhängig seien. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.08.2000 erließ die Beklagte die Richtlinien zur Festsetzung des zu erstattenden Zuschusses zum Beitrag bei verspäteter Vorlage von Einkommenssteuerbescheiden nach §§ 32 Abs.4, 34 Abs.4 ALG, 50 Abs.1 SGB X und legte Quoten und Beträge für die ruhensbedingte Rückforderung fest. Mit den Bescheiden vom 12.02.2002 wurden für den streitigen Zeitraum vom 01.04.1997 bis 30.04.1998 die Zuschüsse unter Berücksichtigung der nach den Richtlinien festgesetzten Quoten und Rückforderungsbeträge neu festgestellt. Es errechnete sich ein geringeres Ruhen der Beitragszuschüsse, so dass die Rückforderungen statt 2.089,00 DM nun 1.316,00 DM betrugen. In der Anlage zu den Bescheiden vom 12.02.2001 erläuterte die Beklagte zudem die Neuberechnung der Zuschüsse und die Ermessensausübung.

Im wieder aufgenommenen Berufungsverfahren machten die Kläger geltend, dass trotz der BSG-Entscheidung und der nachgeholten Ermessensausübung durch die Beklagte in den streitgegenständlich gewordenen Bescheiden vom 12.02.2001 noch die Frage streitig bleibe, ob die Beklagte die Jahresfrist des § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X hätte beachten müssen und diese deshalb einer Neufeststellung in den Bescheiden vom 12.02.2001 entgegenstehe. Die Beklagte hingegen hielt die Anwendung der Jahresfrist des § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X nur für die ursprünglichen Bescheide für maßgeblich, nicht jedoch für die jetzt erfolgte Ermessensentscheidung, da sich an der grundsätzlichen Aufhebung des Verwaltungsaktes nichts geändert habe. Da durch Urteil des Senats vom 18.07.2001 zu dieser Frage bereits eine Entscheidung getroffen war (L 16 LW 11/01), ruhte das Verfahren auf Antrag der Beteiligten erneut.

Entsprechend den Anregungen des BSG in der genannten Vergleichstreitsache hörte die Beklagte die Kläger mit den Schreiben vom 03.09.2003 gemäß § 24 i.V.m. mit § 41 Abs.2 SGB X erneut an und gab ihnen Gelegenheit, sich zur Neufestsetzung und den dargelegten Gründen nochmals zu äußern. Eine Abänderung der Bescheide vom 12.02.2001 hinsichtlich der Herabsetzung der Rückforderung von Beitragszuschüssen lehnte die Beklagte in den ebenfalls Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheiden vom 16.10.2003 ab mit der Begründung, im Rahmen der Aufhebung von Verwaltungsakten nach § 34 Abs.4 ALG finde die Regelung der § 48 Abs.4 i.V.m. § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X keine Anwendung.

In der mündlichen Verhandlung vom 28.04.2004 räumten die Beteiligten ein, dass der Tatbestand der groben Fahrlässigkeit hinsichtlich der verspäteten Vorlage gegeben sei und die Anhörung zutreffend durchgeführt wurde. Die Kläger verzichteten auf die Rechte aus § 41 Abs.2 SGB X.

Die Kläger beantragen, die Bescheide der Beklagten vom 05.05.1998, 25.06.1998, 12.02.2001 und 16.10.2003 sowie das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.09.1999 in Ziffer II. aufzuheben und die Berufung der Beklagte zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.09.1999 in Ziffer I. aufzuheben und die Klagen gegen die Bescheide vom 12.02.2001 und 16.10.2003 abzuweisen sowie die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Die Beteiligten regen im Übrigen die Zulassung der Revision an.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts München und des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger ist zulässig, erweist sich jedoch als überwiegend unbegründet. Die gemäß § 96 SGG streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 12.02.2001 und 16.10.2003 sind nicht zu beanstanden.

Die statthafte form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.09.1999 ist aufzuheben. Die Bescheide vom 05.05.1998 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25.06.1998 konnten nicht aufgehoben werden, soweit das Ruhen für die Zeit vom 01.01.1997 bis 31.01. 1998 festgesellt wurde, denn die Ruhensvorschrift des § 32 Abs.4 ALG wurde von der Beklagte zutreffend ab 01.01.1997 angewandt, während die Neufestsetzung der Zuschüsse und Rückforderung nach den entsprechend den Ausführungen des BSG in den Urteilen vom 17.08.2000 geforderten Richtlinien in den ebenfalls streitgegenständlichen Bescheiden vom 12.02.2001 und 16.10.2003 richtig berechnet wurde.

Wie das Sozialgericht München in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat und die Kläger inzwischen einräumen, eine Entscheidung über die Rückforderung bzw. Nichtgewährung der Zuschüsse wegen verspäteter Vorlage des Steuerbescheides im streitigen Zeitraum von der Beklagten zu treffen, da die Kläger grobfahrlässig den Steuerbescheid nicht vorgelegt haben. Gerade nach dem eigenen Vortrag hätte es den Klägern auffallen müssen, dass sie trotz des angeblich gemeinsam mit dem Sohn erhaltenen Steuerbescheides keine Neuberechnung ihrer Beitragszuschüsse, anders als der Sohn, durch die Beklagte erhalten haben. Darüber hinaus ist ihnen nach dem fraglichen Steuerbescheid eine Neufeststellung der Beitragszuschüsse zugegangen, der einen Hinweis auf die Vorlagepflicht enthalten hat und deshalb bei den Klägern Anlass zur Nachforschung hätte sein müssen. Nach dem erklärten Willen der Beteiligten ist nur mehr streitig die Frage, ob bei der Erteilung der Bescheide vom 12.02.2001 die Jahresfrist des § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X hätte berücksichtigt werden müssen und, da diese Jahresfrist bei der Bescheiderteilung nicht eingehalten wurde, diese deswegen rechtswidrig ergangen sind. Dies ist, wie der Senat im zitierten Urteil vom 18.07.2001 (L 16 LW 11/01) bereits einmal entschieden hat, nicht der Fall, denn die Jahresfrist des § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X findet im Rahmen der Sondervorschriften der § 32 ff. ALG keine Anwendung. Bereits im ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 05.05.1998 hat die Beklagte festgestellt, dass der Tatbestand des § 32 Abs.4 Satz 1 Halbsatz 2 ALG erfüllt ist, deshalb waren die ursprünglichen Bewilligungsbescheide gemäß § 34 Abs.4 ALG (in der Fassung vom 15.12.1995, gültig vom 23.12.1995 bis 31.07.2001) aufzuheben. Die Vorschrift lautete damals: "Ändern sich die für Grund oder Höhe des Zuschusses zum Beitrag maßgebenden Verhältnisse, ist der Verwaltungsakt vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben." Im Gegensatz zu den §§ 45, 48 SGB X wird in § 34 Abs.4 ALG die Rückwirkung nicht eingeschränkt, insbesondere beim Fortfall der Voraussetzungen für Grund oder Höhe des Zuschusses kein Vertrauensschutz gewährt und die Rücknahme nicht an eine bestimmte, von der erlassenden Behörde einzuhaltende Frist geknüpft. In § 37 SGB I ist ausdrücklich festgelegt, dass das Erste und Zehnte Buch (SGB I und X) für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuches gelten, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts abweichendes ergibt. Diese abweichende Regelung ist in § 34 Abs.4 ALG vom Gesetzgeber aber getroffen worden. Das BSG hat diese Sonderstellung des § 34 Abs.4 ALG gegenüber den Regelungen des § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X bereits im Urteil vom 08.10. 1998 unterstrichen (SozR 3-5868 § 32 Nr.2) und im Urteil vom 17.08.2000 (B 10 LW 11/00 R) bekräftigt. Allerdings hat es im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung die Ausübung von Ermessen für erforderlich gehalten, um dem Übermaßverbot und dem allgemeinen Gleichheitssatz der Verfassung zu entsprechen und das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu wahren. Diesen Vorgaben des Bundessozialgerichts wurde mit Erlass der Richtlinien durch die Beklagte Rechnung getragen; diese wurden in den streitgegenständlichen Bescheiden gegenüber den Klägern angewandt.

Die fehlende Befristung der Rücknahmemöglichkeit eines begünstigenden Verwaltungsakts verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Zwar dient die Einjahresfrist des § 48 Abs.4 i.V.m. § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X der Rechtssicherheit, deren verfassungsrechtlichen Stellenwert das Bundesverfassungsgericht insbesondere auch in Hinblick auf die Bestandskraft von Verwaltungsakten hervorgehoben hat (BVerfG in BVerfGE Bd.59, 128, 152 ff., 167). Zur vergleichbaren Regelung des § 48 Abs.4 Verwaltungsverfahrensgesetz vertritt das Bundesverwaltungsgericht (DVBl.94, 409) die Ansicht, diese Bestimmung diene zwar der Rechtssicherheit, sei aber verfassungsrechtlich nicht gefordert und bedürfe auch keines ausdrücklichen Ausschlusses. Zu entscheiden war über eine Rücknahme und Rückforderungsregelung für rechtswidrig bewilligte Gasölbetriebsbeihilfen, die eine uneingeschränkte Rücknahme- und Rückforderungspflicht - ohne Ermessen - begründete. Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, dem Zweck der Rückforderungsregelung, dem kompromisslosen Entgegenwirken der unrechtmäßigen Inanspruchnahme von Subventionen, würde es nicht entsprechen, wenn eine Verzögerung der Rückforderung - mag sie auf Nachlässigkeit oder anderen Gründen beruhen - zum Verlust der Rückforderungsbefugnis führen würde und so dem Empfänger der gesetzwidrigen Beihilfe zu Gute käme. Dabei befand sich der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts im Einklang mit der Rechtsprechung des 7. Senats, wonach die gleichartige Vorschrift des § 11 Gasölverbillungsgesetzes - Landwirtschaft eine abschließende Sonderregelung enthält, die einem Rückgriff auf §§ 48 und 49 Verwaltungsverfahrensgesetz entgegensteht (BVerwGE 62, 1, 5). Wegen der Vergleichbarkeit und der Art der Leistung als Subvention sowie der Rigidität der Rücknahmeregelung erscheint es angemessen, das Interesse der Betroffenen an Rechtssicherheit zurücktreten zu lassen.

Das Rechtsstaatsprinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebietet und gewährleistet für den Regelfall zwar auch die materielle Richtigkeit der Verwaltungsakte. Darüber hinaus gewährleistet es im Rahmen bestimmter Verfahrensabläufe durch die Bestandskraft sogar die Rechtssicherheit und den Vertrauensschutz in gesetzwidrige Verwaltungsakte. Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 24.03.1993 (SozR 3-1300 § 45 Nr.16) ausgeführt hat, finden diese Prinzipien ihre konkrete Ausformung in den jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetzen und können beim Fehlen von Entscheidungsfristen zur Berücksichtigung des Zeitablaufs ab Bestandskraft des rechtswidrig begünstigenden Bescheides bei den Ermessenserwägungen führen. In Anlehnung an das in § 45 SGB X enthaltene abgestufte System genießen Gutgläubige, denen eine wiederkehrende Sozialleistung bewilligt worden ist, nach Ablauf von zwei Jahren Schutz vor der Rücknahme des Verwaltungsaktes für Vergangenheit und Zukunft. Dies gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO vorliegen. Die Wiederaufnahmegründe des § 580 ZPO umschreiben Tatbestände erheblicher Störung der Rechtsordnung, die den Gedanken der Rechtssicherheit verdrängen und daher die Rechtskraft von Urteilen und die Bestandskraft von Verwaltungsakten zu beseitigen geeignet sind. Dazu zählen gemäß § 580 Ziffer 7 ZPO das Auffinden einer anderen Urkunde. In einem derartigen Fall hat der 9. Senat des Bundessozialgerichts entschieden, dass nach fünf Jahren der Rechtsfrieden Vorrang vor materieller Gerechtigkeit hat. Diese Rechtsprechung des 9. Senats wird jedoch durch die zum 15.04.1998 eingeführte Neuregelung von Satz 4 und 5 des § 45 Abs.3 SGB X für überholt gehalten (vgl. Steinwedl in Kasseler Kommentar § 45 SGB X Rdz.34), zumindest soweit der Begünstigte grobfahrlässig falsche Angaben gemacht bzw. unterlassen hat. Im Rahmen des § 45 SGB X verlängert sich die Frist zur Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts bei Unlauterkeit auf zehn Jahre. Deshalb könnte man bei den Klägern, denen zwar fahrlässiges, jedoch nicht unlauteres Verhalten vorgeworfen werden kann, die andererseits aber auch nicht zum Kreis der gutgläubig Begünstigten zu zählen sind, dem Rechtsfrieden bereits nach fünf Jahren den Vorrang von materieller Gerechtigkeit einräumen. Diese Frist ist vorliegend aber nicht abgelaufen, nachdem die Bewilligung aus dem Jahre 1997 datiert und die Beseitigung der Bestandskraft spä- testens mit dem Bescheid vom 12.02.2001 erfolgt ist.

Eine Anhörung der Kläger vor Erlass des erneuten Rücknahmebescheides am 12.02.2001 war nach Auffassung des Senats in Hinblick auf § 24 Abs.2 Ziffer 5 SGB X nicht notwendig; im Übrigen haben die Kläger diesbezüglich auf ihre Rechte aus § 41 Abs.1 Ziffer 3 i.V.m. Abs.2 SGB X verzichtet.

Im Übrigen hat die Beklagte sowohl im Bescheid vom 12.02.2001 als auch im Bescheid vom 16.10.2003 bei der Rückforderung der Beitragszuschüsse unter Ablehnung einer weiteren Herabsetzung der Rückforderung ihr Ermessen zutreffend ausgeübt und auch die sehr konkreten Erwägungen des 10. Senats des BSG im Urteil vom 17.08.2000 (a.a.O.) umgesetzt. Wie sich aus dem Vortrag der Beteiligten ergibt, stößt dies nicht auf Widerspruch der Klägerseite. Auch die grundsätzliche Berechnung und der Rückforderungszeitraum ist zwischen den Parteien unstreitig und begegnet aus Sicht des Senats keinen Bedenken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, da die Kläger in Hinblick auf den ursprünglichen Rückforderungsbetrag teilweise obsiegt haben.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob die Jahresfrist des § 48 Abs.4 SGB X im Rahmen der §§ 32, 34 ALG Anwendund findet, ist die Revision zuzulassen. Diese Rechtsfrage ist auch nicht durch die Neufassung des Abs.4 durch das Gesetz vom 17.07.2001 (BGBl.I, S.1600) hinfällig geworden, da zumindest für die Verangenheit noch einige Vergleichsfälle geregelt werden mussten.
Rechtskraft
Aus
Saved