L 2 U 112/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 U 343/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 112/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28.02.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Weitergewährung von Verletztenrente nach einem Arbeitsunfall.

Die Klägerin erlitt bei einem Arbeitsunfall am 25.01.1999 einen Schienbeinkopfbruch links mit Einriss am Innenmeniskus. Zu diesem Ergebnis kam der von der Beklagten als Sachverständiger gehörte Chirurg Dr.M. in seinem Gutachten vom 10.09.1999. Er schätzte die dadurch bedingte MdE ab dem Ende der Wiedereingliederung bis zur voraussichtlichen Metallentfernung auf 20 v.H. ein.

Mit Bescheid vom 28.10.1999 gewährte die Beklagte deshalb Rente als vorläufige Entschädigung in Form einer Gesamtvergütung für die Zeit vom 12.08.1999 bis 31.01.2000 nach einer MdE um 20 v.H.

In einem weiteren Gutachten vom 18.05.2000 schätzte Dr.M. die MdE auf 20 v.H. bis voraussichtlich 31.12.2000, dem Zeitpunkt der vorgesehenen Metallentfernung. Ihm fiel nunmehr als Unfallfolge eine leicht vermehrte X-Stellung des linken Beines auf (10 Grad). Der beratende Arzt der Beklagten Dr.G. war hierzu der Meinung, 20 v.H. seien bei der Deformierung des Tibiakopfes und dem chronischen Reizzustand des Kniegelenkes noch vertretbar.

Die Beklagte gewährte daraufhin mit Bescheid vom 26.06.2000 Rente als vorläufige Entschädigung ab 01.02.2000 nach einer MdE um 20 v.H. Als Unfallfolge wurde u.a. des weiteren anerkannt eine leichte X-Bein-Stellung links.

Ein Gutachten des Dr.M. vom 02.04.2001 kam erneut zu einer MdE um 20 v.H. Hierzu meinte Dr.G. , es bestehe auf Grund des Sachverständigengutachtens nur eine geringe Fehlstellung ohne wesentliche Sekundärarthrose, kein Erguss, die Bänder seien fest und es bestehe eine minimale Beugebehinderung und keine Gehbehinderung. Die MdE für die Dauerrente sei auf 10 v.H. anzusetzen.

Nach einem entsprechenden Anhörungsschreiben vom 30.04.2001 entzog die Beklagte mit Bescheid vom 28.05.2001 die Rente mit Ablauf des Monats Mai, da die unfallbedingte MdE nur noch 10 v.H. bedinge. Den anschließenden Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2001 als unbegründet zurück.

Im Klageverfahren hat die Klägerin die Weitergewährung der Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. begehrt.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Chirurgen und Orthopäden Prof.Dr.M. vom 09.03.2002 eingeholt. Der Sachverständige sieht als wesentlich noch bestehende Unfallfolgen: in geringer Fehlstellung konsolidierte Spalt- und Depressionsfraktur des Tibiakopfes lateral links, Teilverlust des Innenmeniskus links, beginnende, posttraumatische, formverbildende Veränderung linkes Kniegelenk, Narbenbildung linkes Kniegelenk, Faszienlücke am proximalen Unterschenkel links und allenfalls endgradige Bewegungseinschränkung und diskretes Muskelmindermaß am linken Kniegelenk, resp. am linken Ober- und Unterschenkel. Die MdE schätzt der Sachverständige mit 10 v.H. ein. Deren Höhe werde hauptsächlich bestimmt durch Verminderung der Beweglichkeit, unphysiologische Zunahme der Beweglichkeit und Schmerzhaftigkeit. Bereits vor dem Unfall habe eine Veränderung der Beingeometrie links vorgelegen, somit sei die nachweisbare Ausbildung eines Genu valgum nicht ursächlich dem Schadensereignis zuzuordnen. Eine MdE in Höhe von 20 v.H. könne nicht begründet werden, weil die hierfür relevanten Faktoren, wie eine gravierende Bewegungseinschränkung, eine gravierende, muskulär nicht kompensierte Lockerung des ligamentären Apparates, posttraumatische, formverbildende Veränderungen oder gar Ausbildung einer Pseudarthrose nicht nachweisbar seien. Erläutert sind hierzu im Einzelnen die Lockerungen des Bandapparates am Kniegelenk, die Muskelminderung, die sekundäre Sinterung des lateralen Tibiakopfplateaus und die Außenmeniskusschädigung.

Auf Antrag der Klägerin hat das Sozialgericht Dr.M. als Sachverständigen gehört. Er beziffert in seinem Gutachten vom 28.08.2002 die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 20 v.H. In der einschlägigen Literatur werde beschrieben, dass es bei seitlichen Knieanprallverletzungen bei gleichzeitig fixiertem Fuß zu einer Zerreißung des Meniskus komme, in der Regel würden auch stabilisierende Kniebänder und die Kapsel betroffen. Durch die Verletzung des Schienbeinkopfes komme es zur Verletzung des Knorpelüberzuges mit der Gefahr der posttraumatischen Arthrose. Schwere traumatische Einwirkungen auf das Gelenk seien geeignet, eine richtungsgebende Verschlimmerung zu verursachen, dies treffe besonders für die posttraumatische Fehlstellung zu. Es handle sich um ein erhebliches Trauma, welches eine Knorpelschädigung mit nachfolgenden Ernährungsstörungen zur Folge gehabt habe, sowie weitere Folgen wie Z.B. Meniskusabriss, Ablösung von Knorpelstücken, dadurch komme es zu einem andauernden Reiz, der ursächlich für eine spätere Arthrosis deformans verantwortlich sei. Bei der Bewertung der Unfallfolgen gelte für das Kniegelenk bei Mitbeteiligung des Beines, abgeheiltem Gelenkbruch, bei stärkerer X-Bein-Stellung und entsprechenden Gelenkstörungen eine MdE von 20 bis 40 v.H.

Die Beklagte hat hiergegen eingewendet, es sei eindeutig widerlegt, dass bei der Klägerin eine posttraumatische Fehlstellung des linken Kniegelenkes vorliege. Die auf diese Ursache zurückgeführten funktionellen Einschränkungen der Klägerin könnten nicht bei der MdE-Einschätzung berücksichtigt werden. Im Übrigen bestehe der Verdacht, dass Dr.M. bei seiner MdE-Einschätzung künftig zu erwartende Einschränkungen wie z.B. eine spätere Arthrosis deformans unzulässigerweise berücksichtigt habe.

Mit Urteil vom 28.02.2003 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Es hat sich in seiner Begründung auf den Sachverständigen Prof.Dr.M. gestützt und ist Dr.M. nicht gefolgt. Die von den Sachverständigen gemessene Kniegelenksbeweglichkeit der Klägerin (im ungünstigsten Fall waren es 0-0-125 gewesen) rechtfertige nach den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Bemessungsmaßstäben keine MdE um 20 v.H. Die Beklagte habe zwar eine geringe X-Bein-Fehlstellung als Unfallfolge anerkannt, die darüber hinausgehende seitenungleiche Abweichung sei jedoch nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof.Dr.M. nicht Unfallfolge und die davon ausgehenden Funktionsstörungen dürften deshalb nicht als Unfallfolge mit in die MdE-Bewertung einbezogen werden. Im Übrigen seien auch durch Dr.M. keine weiteren funktionell relevanten Gelenksstörungen festgestellt worden.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und nunmehr ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten des Orthopäden Dr.S. vom 08.07.2003 vorgelegt. Dr.S. haben ausweislich seines Gutachtens keine Vorbefunde und keine Aufnahmen aus bildgebenden Verfahren vorgelegen. Er hat selbst Röntgenaufnahmen und eine Sonographie gefertigt. Seine unfallabhängigen Diagnosen unterscheiden sich nicht von denen des Prof.Dr.M. , mit Ausnahme der Entwicklung eines posttraumatischen Genu valgum links. Zur Bewertung letzterer Diagnose hält Dr.S. eine Unfallaufnahme für nicht geeignet. Somit müsse der klinische Befund zur Beurteilung des Schadens herangezogen werden. Es fänden sich u.a. eine Achsabweichung im X-Bein-Sinne nach lateraler Schienbeinkopffraktur links mit Teilsteife des linken Kniegelenkes und Muskelminderung des linken Oberschenkels sowie eine pathologische Beschwielung der linken Fußsohle, bedingt durch die Fehlbelastung. Letzteres hatte auch der Sachverständige Dr.M. vorgetragen. Die unfallbedingten Gesundheitsstörungen des linken Beines bewirkten eine MdE von 20 bis 30 v.H. auf Dauer. Die Kniegelenksbeweglichkeit links war mit 0-0-115 gemessen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des SG Augsburg vom 28.02.2003 und den Bescheid der Beklagten vom 28.05.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. über den 31.05.2001 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts Augsburg in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Klägerin hat nicht den begehrten Anspruch auf Weiterzahlung der Verletztenrente.

Der Senat weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Augsburg als unbegründet zurück und sieht nach § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Das von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegte Gutachten des Dr.S. stellt das vom Sozialgericht gefundene Beweisergebnis nicht in Frage und bietet keinen Anlass zu neuerlicher Beweiserhebung.

Das Gutachten basiert schon nicht auf einer ausreichenden Beurteilungsgrundlage, denn es ist ohne Berücksichtigung der früheren Befunde und der früheren Ergebnisse bildgebender Verfahren gefertigt worden. Es zieht sich bezüglich der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs auf den klinischen Befund zur Beurteilung des Schadens zurück, ohne indessen auf dieser Grundlage, sofern dies überhaupt möglich ist, einen Ursachenzusammenhang zu begründen. Der Mangel einer jeglichen Begründung erstreckt sich auch auf die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit, die zudem eine Bandbreite aufweist, die in einer Entscheidung nicht ausgesprochen werden könnte. Soweit das Gutachten eine möglicherweise relevante Abweichung von den Sachverständigengutachten im Klageverfahren enthält, betrifft es die Kniegelenksbeweglichkeit links, die mit 0-0-115 angegeben ist. Darin läge eine Einschränkung der Beweglichkeit im Vergleich zu den Vorgutachten von 10 Grad, zu deren Unfallursächlichkeit indessen das Gutachten nichts ausführt. Abgesehen davon würde jedoch auch diese Bewegungseinschränkung des Kniegelenkes nach den im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Bewertungsmaßstäben keine MdE um wenigstens 20 v.H. bedingen (vgl. hierzu Schoenberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage S.685 und 724).

Die Berufung hatte deshalb keinen Erfolg.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgte der Erwägung, dass die Klägerin in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved