L 6 RJ 286/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 15 RJ 124/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 286/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 4. April 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung statt der von der Beklagten gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Der 1948 in Mazedonien geborene Kläger hat nach seinen Angaben in seiner Heimat den Beruf eines Maurers erlernt. Seit 02.06.1969 war er bis zum Eintreten von Arbeitsunfähigkeit am 11.06.2000 überwiegend in der Bauindustrie beschäftigt.

Auf seinen zunächst gestellten Antrag auf medizinische Leistungen zur Rehabilitation vom 23.02.2001 hatte die Beklagte in der Zeit vom 14.05. bis 11.06.2001 dem Kläger ein stationäres Heilverfahren in der Reha-Klinik J. gewährt. Aufgrund dieses Antrages gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 08.10. 2001 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wegen eines am 11.06.2000 eingetretenen Leistungsfalles für die Zeit ab 01.02.2001, längstens bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres. Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung lehnte sie jedoch ab, weil nach ihren Feststellungen der Kläger noch eine Erwerbstätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich in Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten könne. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung seien daher nicht erfüllt.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2002 zurück.

Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht München Klage erhoben, mit der er weiter Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrt.

Das Sozialgericht hat Sachverständigengutachten zum beruflichen Leistungsvermögen des Klägers vom Chirurgen Dr.L. , dem Neurologen und Psychiater Dr.K. und dem Internisten und Lungenfacharzt Dr.S. eingeholt.

Dr.L. stellte in seinem Gutachten vom 16.08.2002 ein leichtgradiges Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom, Verschleißerscheinungen am rechten Kniegelenk mit leichtgradiger verminderter Geh- und Stehfähigkeit, eine Vena-saphena-parva-Varikosis, Senk-Spreizfüße beidseits, beginnende Dupuytren sche Erkrankung am 4. Finger rechts fest. Mit Rücksicht auf diese Gesundheitsstörungen sei der Kläger noch zu leichten bis zeitweise mittelschweren Tätigkeiten vollschichtig in der Lage. Ein gelegentlicher Wechsel der Arbeitsposition bei überwiegendem Sitzen solle möglich sein. Heben und Tragen von Lasten über 12,5 kg, häufigstes Bücken, häufiges Hocken und Knien oder Besteigen von Leitern und häufiges Treppensteigen seien zu vermeiden. Im Übrigen bestünden keine weiteren Einschränkungen von seiten der auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet zu beurteilenden Gesundheitsstörungen.

In seinem nervenärztlichen Gutachten vom 30.08.2002 stellte Dr. K. ein chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom und ein gering ausgeprägtes Cervicalsyndrom ohne radikuläre Ausfälle fest. Der Kläger sei mit Rücksicht darauf noch zu leichten bis kurzfrist auch mittelschweren körperlichen Arbeiten vollschichtig in der Lage.

Dr.S. kommt in seinem fachinternistisch-pneumologischen Gutachten vom 20.01.2003 zu dem Ergebnis, dass von seiten seines Fachgebietes eine chronisch obstruktive Bronchitis mit Lungenemphysem und grenzwertiger respiratorischer Insuffizienz sowie ein toxischer Leberschaden und eine atypische Mykobakteriose zu erheben seien. Leichte Arbeiten vorwiegend im Stehen und Sitzen, vornehmlich in geschlossenen Räumen und ohne Einwirkung von Schadstoffen oder belastenden Klimaverhältnissen wie Zugluft oder Durchnässung seien dem Kläger vollschichtig möglich.

Mit Urteil vom 4. April 2003 hat das Sozialgericht die Klage darauf abgewiesen. Der Kläger sei angesichts seines Restleistungsvermögens nicht voll erwerbsgemindert und habe daher keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Einen in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag gemäß § 109 SGG, ein Gutachten des Hausarztes Dr.P. einzuholen hat das Sozialgericht als verspätet abgelehnt.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und seinen Antrag gemäß § 109 SGG, ein Gutachten des behandelnden Arztes Dr.P. zum beruflichen Leistungsvermögen des Klägers einzuholen, wiederholt. Dieser hat sein allgemeinärztliches Gutachten am 29.09.2003 erstattet. Als Gesundheitsstörungen hat er darin insbesondere eine Gonarthrose rechts nach Patellafraktur rechts und fünfmaliger Operation sowie eine schwere Lungenfunktionsveränderung im Rahmen einer chronischen Bronchitis mit bestehendem Lungenemphysem festgestellt. Arbeiten im Akkord, in Nachtschicht, im ausschließlichen Gehen, Stehen oder Sitzen sowie ausschließlich im Freien oder mit Tragen von Lasten über 12 kg seien nicht mehr möglich. Zumutbare Tätigkeiten könnten nur noch weniger als sechs Stunden, jedoch noch mindestens vier Stunden täglich verrichtet werden.

Dagegen hat der Internist Dr.W. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 27.10.2003 für die Beklagte ausgeführt, dass die von Dr.P. mitgeteilten Befunde im Vergleich zu den Vorbefunden von Dr.S. eher besser ausgefallen seien. Die chronisch obstruktive Bronchitis bestehe zwar weiterhin, sie sei jedoch noch ausreichend zu kompensieren. Die von Dr. P. getroffene Beurteilung hinsichtlich des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers sei deshalb nicht nachvollziehbar. Es gelte unverändert die befundgerecht und zustandsangemessene Beurteilung des Dr.S.

Der Senat hat darauf ein internistisches Gutachten zum beruflichen Leistungsvermögen des Klägers gemäß § 106 SGG von Dr.E. eingeholt. In seinem Gutachten vom 26.02.2004 stellte der ärztliche Sachverständige als Gesundheitsstörungen eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung mit schwerer obstruktiver Ventilationsstörung und Verdacht auf Lungenemphysem bei chronischem Nikotinabusus, einen toxisch nutritiven Leberschaden bei Verdacht auf chronischen Alkoholabusus, eine Stammvarikosis am linken Bein, einen Verdacht auf Refluxösophagitis und eine Hyperlipidämie fest. Das Leistungsvermögen des Klägers sei im wesentlichen durch seine schwergradig chronisch obstruktive Lungenerkrankung beeinträchtigt. Diese habe sich im Vergleich zum Vorgutachten des Dr.S. nicht verschlechtert, es bestehe daher eine ausreichende Belastbarkeit für leichte körperliche Arbeiten. Eine quantitative Leistungseinschränkung, wie sie Dr.P. vornehme, sei deshalb noch nicht gerechtfertigt. Der Kläger sei noch zu leichten körperlichen Arbeiten überwiegend im Sitzen in der Lage. Tätigkeiten dauerhaft im Freien mit Einfluss von Kälte, Nässe oder Hitze oder Tätigkeiten an Arbeitsplätzen mit vermehrtem Staubanfall oder Schadstoffen seien zu vermeiden, ebenso solche in Zwangshaltungen, oder bei denen leichter Zugang zu Alkohol bestehe.

In einer weiteren Stellungnahme vom 26.04.2004 führt Dr.E. aus, dass nach den in der Literatur zur Bewertung und Begutachtung in der Pneumologie geltenden Maßstäben beim Kläger noch keine schwere Einschränkung des körperlichen Leistungsvermögens durch seine Lungenerkrankung vorliegen würde, da trotz der eingeschränkten Lungenfunktion noch eine gute Kompensationsmöglichkeit vorhanden sei. Eine zeitliche Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens sei deshalb nicht begründet, vielmehr habe der Kläger noch die Fähigkeit leichte Arbeiten unter den geforderten qualitativen Einschränkungen vollschichtig zu erbringen. Dr.P. , der die von ihm geforderte zeitliche Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens nicht näher begründe, missachte damit in der sozialmedizinischen Bewertung geltende Maßstäbe, die davon ausgingen, dass zwei Drittel der maximalen Belastbarkeit das längerfristig mögliche berufliche Leistungsvermögen darstellten.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 4. April 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 08.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.01.2002 zu verurteilen, ihm statt der gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Beigezogen waren die Akten der Beklagten und die des Sozialgerichts München, auf deren Inhalt sowie auf den Inhalt der Berufungsakte zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, sachlich ist sie jedoch nicht begründet, weil er keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Sechtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hat.

Der Senat folgt in seiner Entscheidung den Gründen des angefochtenen Urteils und sieht daher insoweit gemäß § 153 Abs.2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass die vom Senat durchgeführte weitere Beweiserhebung die vom Sozialgericht seiner Entscheidung zugrundegelegte Sachlage bestätigt hat. Voll erwerbsgemindert gemäß § 43 Abs.2 SGB VI ist lediglich derjenige Versicherte, der außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Senat ist jedoch aufgrund der Aussagen der vom Sozialgericht und dem Senat gehörten ärztlichen Sachverständigen zur Auffassung gelangt, dass der Kläger noch mehr als sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Er erfüllt damit nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Einigkeit besteht in der Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens bei den Sachverständigen Dres. L. , K. , S. und E. , die den Kläger mit Rücksicht auf die bei ihm feststellbaren Gesundheitsstörungen noch zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit mit körperlich leichten Arbeiten bei dafür unwesentlichen Einschränkungen der Arbeitsbedingungen in der Lage beurteilen. Abweichend davon ist der behandelnde Arzt und Allgemeinmediziner Dr.P. zur Beurteilung gelangt, dass dem Kläger nur noch eine vier- bis sechsstündige tägliche Erwerbstätigkeit gesundheitlich zuzumuten sei. Er stützt sich dabei auf dieselben Gesundheitsstörungen, die auch die Dres. S. und E. ihrer Beurteilung zugrunde legen. Zu der divergierenden Beurteilung des Dr.P. stellt Dr.E. bereits in seinem Gutachten vom 26.02.2004 und noch einmal in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26.04.2004 fest, dass die im Vordergrund des Krankheitsbildes stehende schwergradig chronisch obstruktive Lungenerkrankung nach den in der Literatur zu dieser Erkrankung geltenden Maßstäben gerade keine zeitliche Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens rechtfertigt. Inbesondere ist, wie Dr.E. überzeugend ausführt, im Vergleich mit den von Dr.S. erhobenen Vorbefunden keine Verschlechterung der Lungenerkrankung festzustellen. Demnach deckt sich die von Dr.P. getroffene Beurteilung nicht mit den in der Literatur aufgestellten Kriterien der Bewertung und Begutachtung in der Pneumologie. Der Senat ist deshalb zur Überzeugung gelangt, dass das berufliche Leistungsvermögen des Klägers noch zu einer mehr als sechsstündigen täglichen Erwerbstätigkeit ausreicht, und er damit noch nicht voll erwerbsgemindert ist.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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